Protocol of the Session on October 10, 2002

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 64. Plenarsitzung des Landtages Brandenburg und begrüße alle Abgeordneten sehr herzlich. Von „allen” kann allerdings nicht die Rede sein. Das überrascht mich ein wenig, nicht zuletzt deshalb, weil 10 Uhr Standardzeit ist.

(Zuruf von der PDS: Das ist vor allem Ihre eigene Frakti- on!)

- Bei Ihnen gibt es keine leeren Stühle, insofern haben Sie völlig Recht.

Mit der Einladung ist Ihnen der Entwurf der Tagesordnung zugegangen. Gibt es von Ihrer Seite diesbezüglich Anmerkungen oder Änderungswünsche? - Wenn das nicht der Fall ist, möchte ich eine Bemerkung zum Tagesordnungspunkt 7 machen. Der Bericht der Landesregierung „Entwicklung des Energie- und Medienverbrauchs sowie der Betriebskosten in den Landesliegenschaften seit Einführung des Energiemanagements im Haushaltsjahr 1996 bis 2000", Drucksache 3/4918, sollte unter Verzicht auf eine Debatte, also ohne Redezeit behandelt werden.

Es wird vom Hauptausschuss und von den Parlamentarischen Geschäftsführern der Fraktionen vorgeschlagen, einen zusätzlichen Punkt 8 in die Tagesordnung aufzunehmen, bei dem es um die Beschlussempfehlung und den Bericht des Hauptausschusses zum Organstreitverfahren der Fraktion der PDS vor dem Verfassungsgericht Brandenburg mit der Kennung 98/02, Drucksache 3/4933, geht. Es ist vorgeschlagen worden, auch hierzu auf eine Debatte zu verzichten.

Gibt es zu dieser Erweiterung von Ihrer Seite noch Bemerkungen? - Dann bitte ich um Ihr zustimmendes Handzeichen, dass wir die Tagesordnung mit dieser Änderung beschließen. - Gegenstimmen? - Keine.

Ich möchte noch darauf hinweisen, dass von einer Reihe von Ministern - dies trifft auf Herrn Baaske, Herrn Birthler, Frau Richstein und Herrn Reiche zu - Abwesenheitserklärungen vorliegen. Zudem sind mir mit der in der Geschäftsordnung geforderten triftigen Begründung, aus persönlichen Gründen könne man an der Plenarsitzung nicht teilnehmen, von einigen Abgeordneten Abwesenheitserklärungen abgegeben worden. Ich bin schon ein wenig besorgt darüber, wie diese Passage der Geschäftsordnung von den Abgeordneten interpretiert wird. Es besteht die Möglichkeit, beurlaubt zu werden; aber mit dem Hinweis: „Ich kann aus persönlichen Gründen nicht kommen”, kann ich nicht allzu viel anfangen.

(Beifall bei der CDU)

Nun ist, wie unser früherer Fraktionsvorsitzender immer sagte, der „frei schwebende Abgeordnete” natürlich nicht in der Disziplinarverpflichtung des Präsidenten, aber ich sehe mich schon in der Pflicht darauf hinzuweisen, dass dies meine Zustimmung nicht findet. Ich kritisiere ja auch leere Regierungsstühle. Offensichtlich ist der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion als Hirte noch auf dem Weg, seine Schäfchen zusammenzuholen.

(Zurufe von mehreren Fraktionen)

Ich bin ein wenig erschüttert, weil ich so ein Bild wie heute noch nicht erlebt habe. Durch den Kommentar wird aber auch kein Platz zusätzlich besetzt. Insofern rufe ich Tagesordnungspunkt 1 auf:

Fragestunde

Drucksache 3/4935 Drucksache 3/4896

Dazu erhält der Abgeordnete Claus das Wort, der die Dringliche Anfrage 25 (Anti-Terror-Razzia des Landeskriminalamts Brandenburg in Cottbus) formulieren wird.

Presseberichten zufolge nahm das LKA Brandenburg am Samstag, dem 5. Oktober 2002, nach einer mehr als zweimonatigen Observierung fünf mutmaßliche islamistische Terroristen vorläufig fest, die im Verdacht standen, die Koordination für die Planung und Vorbereitung von Anschlägen übernommen zu haben. Der Verdacht gegenüber den Betroffenen soll sich allerdings im Ergebnis der Wohnungsdurchsuchung und der Festnahme nicht erhärtet haben und hat sich, wie sich herausgestellt hat, auch nicht erhärtet.

Ich frage die Landesregierung: Bestand nach Erkenntnissen der Landesregierung ein dringender Tatverdacht der Bildung einer terroristischen Vereinigung unter dem Aspekt der Gründung bzw. der Beteiligung als Mitglied im Sinne des § 129 a Strafgesetzbuch gegenüber den von der Wohnungsdurchsuchung und der vorübergehenden Festnahme betroffenen Personen?

Herr Innenminister, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Herr Abgeordneter Claus, es ist richtig, der Generalbundesanwalt hat zu den Maßnahmen am 5. und 6. Oktober Presseveröffentlichungen herausgegeben. Demnach wird das in Rede stehende Ermittlungsverfahren gegen die Beschuldigten wegen des Verdachts der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129 a Strafgesetzbuch geführt. In der Presseveröffentlichung des Generalbundesanwalts vom 6. Oktober heißt es:

„Nach den bisherigen Erkenntnissen liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die Beschuldigten mit dem Schwerpunkt in Cottbus zu einer Gruppierung mit dem Ziel zusammengeschlossen haben, auf der Grundlage eines aggressiv-militanten islamistischen Fundamentalismus Anschläge in der Bundesrepublik Deutschland zu planen.”

Die Beschuldigten wurden am 5. Oktober 2002 verantwortlich vernommen und erkennungsdienstlich behandelt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren, ich bitte um Verständnis: Um 12 Uhr tagt heute in diesem Haus die Parlamentarische Kontrollkommission. Dort werden wir weitere Ausführungen machen können, die ich hier in der Öffentlichkeit nicht machen kann.

Herzlichen Dank. - Wir kommen zur Frage 1313 (Erweiterung der Handlungsmöglichkeiten von Schulen in Personalangele- genheiten), gestellt von der Abgeordneten Redepenning.

Mit Freude erblickte ich vor kurzem in der Zeitung die Stellenausschreibung einer Potsdamer Schule, mit der diese, im Land Brandenburg wohl erstmalig, wie es im Fachjargon heißt, „schulscharf” - das soll wohl heißen, dem konkreten Bedarf der Schule entsprechend - eine Lehrerpersonalstelle einwerben durfte. Zwar wurde in der Anzeige ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Schulamt als einstellende Behörde fungiert, dennoch erfolgte die Ausschreibung mit dem Namen und dem Emblem der betreffenden Schule im Namen des Schulleiters.

Ich frage deshalb die Landesregierung: Wann werden in Brandenburg Schulen - gegebenenfalls über Modellversuche wie in anderen Bundesländern - in größerem Umfang die Möglichkeit haben, Personalbefugnisse auszuüben?

Bevor ich dem Staatssekretär zur Beantwortung der Frage das Wort erteile, möchte ich Gäste aus der Fachhochschule der Polizei in Basdorf ganz herzlich begrüßen, die heute bei uns sind. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Staatssekretär, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Redepenning, Brandenburg hat erste Schritte in Richtung Stärkung der Entscheidungskompetenz der Schulleitung getan. Das Brandenburgische Schulgesetz schreibt in diesem Zusammenhang vor, das für Schule zuständige Ministerium solle einzelne Aufgaben der Dienstvorgesetzten oder des Dienstvorgesetzten, der Lehrkräfte und des sonstigen pädagogischen Personals der Schulen auf die Schulleiterin oder den Schulleiter übertragen. Am 1. Oktober 2002 sind die entsprechenden Verwaltungsvorschriften zur Übertragung einzelner Aufgaben auf Schulleiterinnen und Schulleiter in Kraft getreten.

Damit erhielten die Schulen des Landes Brandenburg folgende Personalbefugnisse: Sie entscheiden über die Genehmigung von Dienstreisen und Dienstgängen, über Sonderurlaub oder Arbeitsbefreiung, über Mehrarbeit sowie über die Genehmigung von Nebentätigkeiten von Lehrerinnen und Lehrern. Darüber hinaus sind die Schulleiterinnen und Schulleiter nunmehr auch für die Erstellung der dienstlichen Beurteilung zuständig. Für diese Bereiche wird also künftig sichergestellt, dass Entscheidungen in konstruktiver Auseinandersetzung zwischen allen Beteiligten vor Ort, also dort, wo Schule stattfindet, getroffen werden können. Dies verbessert die Beurteilungsmöglichkeiten und verkürzt die Verwaltungsabläufe.

Um die Selbstständigkeit und Verantwortung von Schulen wei

terzuentwickeln und damit die Leistungsfähigkeit der einzelnen Schule zu steigern, wurde bereits vor einigen Monaten eine Arbeitsgruppe von Schulleiterinnen und Schulleitern sowie Schulräten mit dem Namen „Modellvorhaben Selbstständigkeit von Schulen” eingerichtet. Ein Ergebnis dieser Arbeit ist ein zum nächsten Schuljahr beginnender Modellversuch an ausgewählten weiterführenden Schulen des Landes zur Erweiterung von folgenden Entscheidungsbereichen: Erstens: Die Befugnisse über die Verwendung von Personal- und Sachmitteln werden erweitert. Zweitens: Die Befugnisse zur wirtschaftlichen Tätigkeit der Schule werden verstärkt. Drittens: Weitere Befugnisse zur inneren Organisation der Schule sowie Beratung und Aufsicht werden übertragen.

Ein zentraler Punkt in Verbindung mit der Befugnis über die Verwendung von Personal- und Sachmitteln ist, dass von der Schule Neueinstellungen und Verlängerungen von Arbeitsverträgen von Lehrkräften vorgenommen werden können. Dadurch können wie in dem speziellen Fall Schulleitungen ihre Vorstellungen bzw. die erwarteten Anforderungen an eine neu einzustellende Lehrkraft unter Berücksichtigung der eigenen schulischen Profil- und Spezialbildungen besser verwirklichen.

Dieser zweite Schritt, der ganz weit reichende Erweiterungen von Handlungsmöglichkeiten zur Stärkung von Schulen vorsieht, wird spätestens im Rahmen dieses beschriebenen Modellvorhabens erfolgen, sodass die von Ihnen, Frau Abgeordnete Redepenning, erwünschte Erweiterung der personalrechtlichen Befugnisse in absehbarer Zeit an den Brandenburger Schulen in angemessener Weise umgesetzt werden kann.

Herzlichen Dank. - Es gibt noch Klärungsbedarf. Bitte, Frau Abgeordnete Redepenning.

Ich möchte nur noch wissen, was „in absehbarer Zeit” bedeutet. Sind das zwei Jahre oder vier Jahre?

(Frau Osten [PDS]: Das war eigentlich Inhalt der Frage!)

Ich sagte, dass bereits zum 1. Oktober ein Teil von Personalbefugnissen an die Schulen übertragen worden sind und dass dies im laufenden Schuljahr an diesen Schulen umgesetzt werden kann.

Herzlichen Dank. - Wir kommen nun zur Frage 1314 (Bessere Abstimmung bei Straßensperrungen), gestellt vom Abgeordneten von Arnim.

Erfreulicherweise werden in unserem Land weiterhin umfangreiche verkehrsstrukturelle Maßnahmen durchgeführt. Hierbei kommt es verständlicherweise häufig zu Straßensperrungen. Mangels Koordinierung verschiedener Maßnahmen und Maßnahmeträger muss die Bevölkerung leider vermeidbare Umwege in Kauf nehmen.

Ich frage die Landesregierung: Welche Möglichkeiten können künftig genutzt werden, um eine verbesserte Abstimmung bei solchen Maßnahmen zu erreichen?

Herr Minister Meyer, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Abgeordneter von Arnim, die Koordinierung von Straßenbaumaßnahmen im Sinne einer möglichst leistungsfähigen Verkehrslenkung erfolgt grundsätzlich durch die unteren Straßenverkehrsbehörden des Landes Brandenburg. Ihnen obliegt nach entsprechenden Informationen durch die zuständigen Straßenbaubehörden bzw. nach dem Eingang der Anträge von Baufirmen die Anordnung der Verkehrsführung und Beschilderung, soweit nicht in besonderen Fällen die Straßenbaubehörden zuständig sind. Bei ihren Entscheidungen können diese Behörden das Baustelleninformationssystem des Landesamtes für Bauen, Verkehr und Straßenwesen nutzen, dem Informationen zu den bestehenden Baustellen auf den Autobahnen, Bundes-, Landes-, und Kreisstraßen entnommen werden können und das ständig aktualisiert wird. Dieses System ist über das Internet jedermann frei zugänglich und ermöglicht es den zuständigen Behörden in den Kreisen, Baustellenanordnungen zu steuern und zu koordinieren.

Mit dem Ziel einer noch besseren Koordinierung der Baustellen soll dieses Informationssystem erweitert werden. Es ist beabsichtigt, künftig auch schon geplante Baumaßnahmen auf den Autobahnen, Bundes-, Landes- und Kreisstraßen mit den voraussichtlichen Bauzeiten und notwendigen Verkehrseinschränkungen, soweit ihre Finanzierung sichergestellt ist, in das Baustelleninformationssystem einzustellen. Nach Auffassung der Landesregierung kann durch dieses Mehr an Informationen eine noch bessere Steuerung und Koordinierung der Arbeitsstellen durch die zuständigen Straßenverkehrs- und Straßenbaubehörden erfolgen. - Schönen Dank.

Vielen Dank. - Wir sind nun bei der Frage 1315 (Stellenstrei- chungen im Schulamtsbereich Cottbus), die von der Abgeordneten Bednarsky gestellt wird.

Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Personalversammlung beim staatlichen Schulamt Cottbus haben am 26. September 2002 eine Entschließung gegen die Stellenstreichungen verabschiedet, die das Kabinett am 10. Juli 2001 beschlossen hat. Sie erheben die berechtigte Forderung, höhere Stellenzuweisungen für die Region bewilligt zu bekommen. Die Bildungsarbeit in diesem Schulamtsbereich steht aufgrund der verfehlten Personalpolitik des Landes vor einem Scherbenhaufen. Für die 3 400 teilzeitbeschäftigten Lehrerinnen und Lehrer bedeutet die Sparpolitik der Landesregierung das ungebremste Absinken ihrer Beschäftigung in den nächsten Jahren auf unter 50 %. Dies widerspricht allen Beschäftigungsvereinbarungen, die mit den Gewerkschaften und Verbänden in Brandenburg abgeschlossen wurden.

Ich frage deshalb: Wie gedenkt die Landesregierung die negativen Auswirkungen auf die Qualität der Bildung abzuwenden, die mit dieser allen Schlussfolgerungen aus der PISA-Studie widersprechenden Entscheidung verbunden wären?

Herr Staatssekretär Szymanski, Sie haben erneut das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ziel der Landesregierung ist es, die unabdingbar notwendige Zahl von Planstellen zur Sicherung der Unterrichtsqualität bereitzustellen, die Beschäftigungsansprüche der Lehrkräfte zu sichern und einen angemessenen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung zu leisten. Die Landesregierung hat deshalb das Ministerium für Bildung, Jugend und Sport gemeinsam mit dem Ministerium der Finanzen beauftragt, ein Lehrerpersonalentwicklungskonzept vorzulegen. Dieses Konzept befindet sich in der Ressortabstimmung; es wird noch im Herbst dieses Jahres im Kabinett beraten und soll ab dem kommenden Schuljahr umgesetzt werden. Die Landesregierung will damit für alle an diesem Prozess Beteiligten die nötige Planungssicherheit schaffen.

Bereits für das laufende Schuljahr ist im staatlichen Schulamt Cottbus, wie in der Resolution gefordert, zur Unterstützung von Personalausgleichsmaßnahmen ein vom direkten Unterrichtsbedarf unabhängiger Pool von 40 Stellen bereitgestellt worden, mit denen insbesondere durch Abfindungen und Altersteilzeitregelungen Personalabbaumaßnahmen unterstützt und die Beschäftigungssituationen stabilisiert wurden. Der durchschnittliche Beschäftigungsumfang aller Lehrkräfte im Schulamtsbereich Cottbus betrug zum Stichtag 30. Juni 2002 an Grundschulen 76,2 %, an den Gesamtschulen knapp 92 % und an den Realschulen und Gymnasien 94 und 95 % einer Vollbeschäftigung. Im Schuljahr 2002/03 wird der durchschnittliche Beschäftigungsgrad geringfügig absinken.

Um das befürchtete weitere Absinken des Beschäftigungsumfanges zu verhindern, ist das schon erwähnte Entwicklungskonzept erarbeitet worden, das eine große Palette an Möglichkeiten bieten wird, um Lehrkräften höhere Beschäftigungsumfänge in festgesetzten Fristen zuzusichern. Damit könnten neben dem Auslaufen befristeter Arbeitsverträge die Kernpunkte künftiger Personalwirtschaftsmaßnahmen in der Forcierung des Ausscheidens von Lehrkräften durch Zahlung von Abfindungen, der weiteren Bewilligung von Anträgen auf Teilnahme an Altersteilzeit auch bei Verzicht auf Wiederbesetzung und in Versetzungen in andere Bundesländer liegen.

Die zahlreichen Umsetzungen von Lehrkräften in staatlichen Schulämtern und insbesondere in Cottbus im laufenden Schuljahr werden auch künftig unentbehrlich sein, um einerseits die Unterrichtsorganisation und andererseits akzeptable Beschäftigungsumfänge innerhalb der jeweiligen Dienstbehörden zu sichern.