Protocol of the Session on August 28, 2003

Meine Damen und Herren! Ich begrüße Sie herzlich zur 80. Sitzung des Landtages Brandenburg in seiner 3. Wahlperiode.

Mit der Einladung ist Ihnen der Entwurf der Tagesordnung zugegangen. Gibt es von Ihrer Seite diesbezüglich Änderungswünsche? - Wenn das nicht der Fall ist, möchte ich daran erinnern, dass wir gestern die Beratung über den Antrag „Vorlage des Finanzausgleichsgesetzes“, Drucksache 3/6259, unter Beibehaltung der Redezeitvariante 1 in Aussicht genommen haben. Dies bleibt bestehen.

Wenn es keine weiteren Anmerkungen gibt, bitte ich um Ihr zustimmendes Handzeichen, so verfahren zu können. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Tagesordnung so beschlossen.

Hinsichtlich der Abwesenheitserklärungen teile ich Ihnen zusätzlich zu den gestern vorgetragenen Namen mit, dass der Abgeordnete Nonninger auch schon für gestern entschuldigt war.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Fragestunde

Drucksache 3/6309 Drucksache 3/6317 Drucksache 3/6241

Wir kommen zunächst zur Dringlichen Anfrage 45 (Doku- mentationszentrum für Alltagskultur der DDR), die vom Abgeordneten Dr. Trunschke gestellt wird. Bitte sehr.

Ich frage nach dem Dokumentationszentrum für Alltagskultur der DDR in Eisenhüttenstadt. Das Dokumentationszentrum ist in der Kulturkonzeption der Landesregierung von vor einem Jahr mehrfach gewürdigt worden. Es wurde betont, dass es ein herausragendes Interesse des Landes und des Bundes gibt, was durch Förderzuschüsse dokumentiert wurde. Das Dokumentationszentrum ist in die aktuelle 2. Auflage des Blaubuches zur Kultur aufgenommen worden. Dennoch müssen wir feststellen, dass die Landesregierung in diesem Bereich gekürzt hat. In der Presse war von 51 000 Euro zu lesen; ich habe andere Informationen, die von 6 100 Euro sprechen. Die Frage ist zunächst einmal: Welche dieser Zahlen ist korrekt? Mir ist die Auskunft gegeben worden, dass - unabhängig davon, welche Zahl korrekt ist - die Existenz des Zentrums infrage steht, da der Kreis und die Stadt den Kürzungen folgen.

Ich frage die Landesregierung: Was wird sie unternehmen, um dieses wichtige Dokumentationszentrum zu erhalten?

Frau Ministerin Wanka, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Abgeordneter Trunschke, Sie haben aus der Kulturentwicklungskonzeption richtig zitiert: Die Landesregierung misst dem Dokumentationszentrum in Eisenhüttenstadt große Bedeutung bei. Dies kommt auch durch die Förderung zum Ausdruck, die dem Dokumentationszentrum insbesondere durch mein Ministerium gewährt wird. Im Zeitraum von 1995 bis 2002 sind mehr als 1 Million Euro, vor allem investive Mittel, in das Dokumentationszentrum geflossen.

Es ging Ihnen bei Ihrer Fragestellung um das Jahr 2003. In diesem Jahr hat mein Haus der Einrichtung 45 000 Euro für die allgemeine Projektarbeit und zusätzlich 25 000 Euro im Rahmen von „Kulturland“, insgesamt also 70 000 Euro, zugewendet. Ein Antrag auf Erhöhung der Förderung für das „Kulturland“-Projekt wird derzeit geprüft.

Außerdem konnte durch die Initiative meines Hauses - hier war der Staatssekretär sehr aktiv; er hat die Vorsitzende der Bundeskulturstiftung gewonnen, nach Eisenhüttenstadt zu kommen und sich das Zentrum anzuschauen - erreicht werden, dass das Dokumentationszentrum in diesem und im nächsten Jahr 50 000 Euro für Personal bekommt. Damit ist die Vollfinanzierung der Stelle eines Wissenschaftlichen Mitarbeiters möglich. Mein Ministerium, der Landkreis und die Stadt Eisenhüttenstadt haben sich grundsätzlich darauf verständigt, das Dokumentationszentrum gemeinsam zu unterstützen.

Herr Trunschke, die Mittel, die jetzt nach Eisenhüttenstadt geflossen sind - 70 000 Euro! -, sind höher als die mit dem Landkreis und der Stadt vereinbarten 51 000 Euro. Daher fehlt mir an dieser Stelle das Verständnis für die Klagen der Einrichtung, zumal das alles - Frau Siebke wird das bestätigen - mit dem Trägerverein besprochen und auch dem Landrat schriftlich mitgeteilt wurde.

Ein Punkt ist hier besonders wichtig; darüber sind wir uns auch in einem Gespräch mit dem Trägerverein einig geworden: Der Trägerverein muss sich selbst noch stärker um die Einwerbung weiterer Drittmittel und um die Erhöhung seiner eigenen Einnahmen bemühen. Letztere liegen unter den Erwartungen des bestehenden Betriebskonzepts.

Ich bedanke mich. - Wir sind bei der Dringlichen Anfrage 46 (Entscheidung des Verwaltungsgerichts Potsdam) , gestellt von der Abgeordneten Große. Bitte sehr.

Im Ergebnis der mündlichen Verhandlung zur Klage des Humanistischen Verbandes Berlin-Brandenburg gegen das Brandenburger Bildungsministerium hat die 12. Kammer des Verwaltungsgerichts Potsdam am 22. August 2003 festgestellt, dass der „in der Verfassung verankerte Grundsatz der Parität und der Neutralität des Staates, der seine Ausformung insbesondere in Artikel 36 Abs. 1 und 5 der Verfassung des Landes Brandenburg gefunden hat... die grundsätzliche Gleichbehandlung von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften“ gebietet. Dies gilt nach Auffassung des Gerichts auch für

das vom Gesetzgeber eingeräumte Recht auf freiwilligen Bekenntnisunterricht.

Da das Schulgesetz in § 9 Abs. 2 Satz 1 dieses Recht bisher nur den Religionsgemeinschaften einräumt und der Gesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich den Willen bekundet hat, Weltanschauungsunterricht nicht zuzulassen, sah sich das Gericht daran gehindert, das Schulgesetz verfassungskonform auszulegen, und hat deshalb das Verfahren ausgesetzt und dem Landesverfassungsgericht zur Entscheidung vorgelegt.

Ich frage die Landesregierung: Wie gedenkt sie mit dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichts Potsdam umzugehen?

Herr Minister Reiche, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Frau Große, der Mitteilung des Gerichts zufolge hat das Verwaltungsgericht beschlossen, eine für die zu treffende Entscheidung wichtige verfassungsrechtliche Frage zunächst dem Landesverfassungsgericht zur Entscheidung vorzulegen. Eine Entscheidung in der Sache durch das Verwaltungsgericht Potsdam ist damit nicht getroffen. Sie ist erst zu erwarten, nachdem sich das Landesverfassungsgericht zu der vorgelegten Frage geäußert haben wird. Folglich entsteht aus dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 22. August dieses Jahres keine unmittelbare Handlungsanleitung, kein Handlungsauftrag für die Landesregierung. Der Fortgang des Verfahrens, zunächst also die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts und die darauf beruhende Sachentscheidung des Verwaltungsgerichts Potsdam, bleibt abzuwarten.

Gleichwohl ist der Beschluss des Verwaltungsgerichts Potsdam vom 22. August dieses Jahres eine geeignete Gelegenheit, den Stand der Entwicklung kurz zu reflektieren. Der Humanistische Verband Berlin-Brandenburg bemüht sich seit Jahren um die Zulassung zur Erteilung seines Weltanschauungsunterrichts „Humanistische Lebenskunde“ in den öffentlich getragenen Schulen des Landes Brandenburg. Der Verband hat mir gegenüber wiederholt bekräftigt, dass sein Bestreben die Möglichkeit der Vermittlung einer nichtreligiösen humanistischen Weltanschauung in den Schulen gewährleisten solle, dies vor allem für den Fall, dass das obligatorische Unterrichtsfach „Lebensgestaltung Ethik - Religionskunde“ verfassungsrechtlich keinen Bestand gehabt hätte. Zugleich hat der Humanistische Verband kritisiert, dass die großen christlichen Kirchen den konzeptionellen, insbesondere den integrativen Ansatz von LER durch das Beharren auf einem je eigenen konfessionellen Angebot schwächen. Wir wissen aber seit dem 11. Dezember 2001, dass das Bundesverfassungsgericht das Unterrichtsfach LER unangetastet lässt.

Der Humanistische Verband hat wie die Kirchen und Religionsgemeinschaften die Möglichkeit, sich an diesem Unterricht durch die Entsendung authentischer Vertreter zu beteiligen. Ich kann in der Kürze der zur Beantwortung der Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht konkret feststellen, in welchem Umfang sich der Humanistische Verband an LER beteiligt. Ich habe aber sehr begründeten Anlass zu der Annahme, dass er die darin liegenden Möglichkeiten bei weitem nicht ausschöpft.

Umso mehr bin ich erstaunt darüber, mit welchem Nachdruck der Humanistische Verband auf der Einführung seines eigenen Unterrichts beharrt und so dazu beiträgt, den integrativen Ansatz von LER zu schwächen. Damit verhält sich der Humanistische Verband gegenüber LER ähnlich, wie er es an den großen christlichen Kirchen oft kritisiert hat. Manchmal stehen real die lauten Freunde dem Projekt noch mehr oder zumindest länger im Wege als die erklärten Gegner. Ich bedauere das.

Es gibt noch Klärungsbedarf. Frau Große, bitte.

Am Montag ist dem Ministerpräsidenten und auch allen Fraktionen ein Brief einer brandenburgischen Elterninitiative zugegangen, in dem diese fordert, als Geste des guten Willens an fünf bis zehn Schulen eine Förderung von Arbeitsgemeinschaften des Humanistischen Verbandes im Fach humanistische Lebenskunde zuzulassen. Wie verhält sich die Landesregierung zu dieser Bitte?

Ich hatte, solange wir nicht vor Gericht in dieser Frage gegeneinander standen, über viele Monate hinweg Mittel, auch zulasten anderer Projekte, vorgehalten, weil ich es für eine sinnvolle Möglichkeit sehe, gerade auch im Zusammenhang mit der Etablierung von Ganztagsschulen solche Angebote zu unterbreiten. Sie werden verstehen, dass ich, solange eine solche Sache durch den HVBB gerichtlich geklärt werden soll - was nicht mein Interesse war -, keine Möglichkeit sehe, vorab vollendete Tatsachen zu schaffen. Ich bedauere das Verhalten des HVBB außerordentlich.

Jetzt hat der Abgeordnete Bischoff Gelegenheit, seine Frage 1717 (Trägerwechsel im Nationalpark „Unteres Odertal“) zu formulieren. Bitte sehr.

„Das Tischtuch ist zerschnitten!“, so die Aussage des Umweltministeriums mit Blick auf den Verein der Freunde des Deutsch-Polnischen Europanationalparks im Unteren Odertal. Die Aussage ist inzwischen zwei Jahre alt. Der Verein ist noch immer Träger des öffentlich finanzierten Förderprojektes. Die Konflikte um die Landwirtschaft, die Angler, das Schloss Criewen usw. sind bis jetzt nicht gelöst. Mit dem Wasser- und Bodenverband Oder-Welse besteht eine vom Nationalpark über das Umweltministerium bis hin zur Region und der Wirtschaft akzeptierte Alternative zum jetzigen Trägerverein, dem der Geldhahn fest zugedreht wurde.

Ich frage die Landesregierung, was sie konkret unternimmt, um den überfälligen Trägerwechsel zu vollziehen.

Herr Minister Birthler, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wie bereits in der Antwort zur Kleinen Anfrage 2085 vom Januar dieses Jahres dargestellt, ist für einen Trägerwechsel das Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit erforderlich. Die dafür notwendige Klärung offener Fragen zum Gewässerrandstreifenprojekt, die durch Gerichtsentscheidung herbeigeführt werden soll, ist noch nicht abgeschlossen. Die Landesregierung kann den Zeitpunkt von gerichtlichen Entscheidungen nicht beeinflussen.

Im Übrigen teile ich die Auffassung, dass eine Zusammenarbeit mit dem Verein der Freunde des Nationalparks nicht mehr möglich ist und mit dem Wasser- und Bodenverband OderWelse ein sehr gut geeigneter neuer Träger zur Verfügung steht. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt noch Klärungsbedarf.

Herr Minister, noch eine Frage. Aus Steuergeldern hat der Verein inzwischen 60 % des Unteren Odertals aufgekauft. Jetzt verpachtet er zu überhöhten Preisen. Meine Frage: Wem kommen die Pachteinnahmen zugute?

Ich möchte diese Frage nicht einfach so beantworten, ohne auf Ihren Hinweis auf überhöhte Preise einzugehen. Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass es überhöhte Preise sind? Das lässt sich gerichtlich nachstellen. Ich meine, mit solchen Behauptungen tragen Sie nicht dazu bei, den Frieden im Unteren Odertal herzustellen. Überhöhte Preise lassen sich nachweisen. Der Verein ist sehr wohl in der Lage, darauf zu achten, dass die Preise nicht überhöht sind. Ich gebe Ihnen aber Recht, dass es höhere Preise sind als bei manchen umliegenden Betrieben. Die Gelder der Pacht gehen gesetzesgemäß an den Verein.

Der Minister hat die Frage vielleicht ein bisschen missverstanden.

Nein, ich möchte nicht, dass hier über...

Herr Minister, ein Dialog, in dem die Regierung die Abgeordneten fragt, ist hier nicht vorgesehen. Insofern ist die Antwort gegeben. - Herzlichen Dank.

Das Wort geht an den Abgeordneten Dr. Niekisch, der die Frage 1718 (Sanierung der Jüdischen Gemeinde im Land Bran- denburg) stellen wird. Bitte sehr.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Im Sommer hat der Zentralrat der Juden in Deutschland den Sanierungsbeauftragten für die Jüdische Gemeinde in Brandenburg zurückgezogen.

Ich frage daher die Landesregierung: Wie ist im Folgenden die notwendige Sanierung der Jüdischen Gemeinde im Land Brandenburg weitergegangen bzw. fortgeschritten?

Frau Ministerin Wanka, Sie haben erneut das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich würde gern noch einmal ganz kurz die Vorgeschichte rekapitulieren. Im Jahr 2000 sind grobe Unregelmäßigkeiten bei der Verwendung von Fördergeldern durch den damaligen Vorstand des Landesverbandes der Jüdischen Gemeinde im Land Brandenburg festgestellt worden, sodass damit die Voraussetzungen für eine weitere Förderung durch das Land nicht gegeben waren.

Nun war es der Jüdischen Gemeinde im Land Brandenburg nicht möglich, dieses Problem aus eigener Kraft zu lösen. So hat man über den Zentralrat der Juden einen Sanierungsbeauftragten bestellt. Dessen wichtigste Aufgabe war es, mit den öffentlichen und den privaten Gläubigern ein Verfahren, wie die Schulden getilgt werden können, auszuhandeln. Zudem musste eine Neustrukturierung des Landesverbandes herbeigeführt werden, damit gesichert ist, dass die Mittel in Zukunft zweckentsprechend und wirtschaftlich ausgegeben werden.

Der Sanierungsbeauftragte des Zentralrats der Juden hat sein Amt niedergelegt, wie wir eben noch einmal von Herrn Dr. Niekisch hörten. Daraufhin hat sich mein Haus im Rahmen seiner Möglichkeiten bemüht, die Sanierung der Gemeinde voranzutreiben. Schon zuvor hat sich das Ministerium völlig unabhängig vom Sanierungsbeauftragten bemüht, eine Regelung der Schulden der öffentlichen Gläubiger - das sind rund 460 000 Euro - zu erzielen. Wir haben da einen guten Verhandlungsstand. Ich meine, da wird die Jüdische Gemeinde spürbar entlastet werden.

Bis zum heutigen Tage haben weder ich noch der Landesverband Informationen darüber, welche Verhandlungen der Sanierungsbeauftragte des Zentralrats der Juden mit den privaten Gläubigern geführt hat und wie das Ergebnis aussieht, sodass man davon ausgehen muss, dass die Regelung der Schulden der privaten Gläubiger noch völlig aussteht und jetzt in Angriff zu nehmen ist.

Das erfordert natürlich eine gründliche Prüfung der Forderungen der Gläubiger. Mit dieser schwierigen Aufgabe ist die Jüdische Gemeinde, der Jüdische Landesverband allein überfordert. Wir geben fachliche Unterstützung und bemühen uns zurzeit darum, gemeinsam mit der Gemeinde einen Sanierungshelfer zu finden, der dann auch das Votum des Landesverbandes hat, damit die Frage der Altschulden möglichst bald geklärt und darauf aufbauend die Möglichkeit gegeben ist, wieder Landesgelder zuzuweisen.