Protocol of the Session on May 29, 2002

Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie herzlich zur 56. Sitzung des Landtages Brandenburg in seiner 3. Wahlperiode.

Mein Gruß gilt den Abgeordneten, den Vertretern der Presse und insbesondere unseren jungen Gästen, die diesmal vom Einstein-Gymnasium in Potsdam kommen. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Ebenso begrüße ich die Gäste, die regelmäßig bei uns sind, besonders die Vertreter der beiden großen Kirchen. Herzlich willkommen!

Mit der Einladung ist Ihnen der Entwurf der Tagesordnung zugegangen. Gibt es von Ihrer Seite diesbezüglich Anmerkungen? - Wenn das nicht der Fall ist, darf ich eine Anmerkung machen. Sie bezieht sich auf Tagesordnungspunkt 2. Die Fraktionen haben mich wissen lassen, dass sie beabsichtigen, das Thema der Aktuellen Stunde “Auswirkungen und Handlungsansätze zum Umgang mit der demographischen Entwicklung in Brandenburg”, beantragt von der SPD-Fraktion, mit dem für morgen vorgesehenen Thema der Aktuellen Stunde “Gegen Gewalt - Stärkung der Erziehungskraft in Familie und Gesellschaft”, beantragt von der CDU-Fraktion, zu tauschen.

Gibt es weitere Bemerkungen zur Tagesordnung? - Wenn das nicht der Fall ist, dann bitte ich um Ihr Handzeichen, damit wir gemäß der beschlossenen Änderung verfahren können. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann verfahren wir so.

Ich darf darauf hinweisen, dass Ministerpräsident Dr. Stolpe ganztägig abwesend ist. Der Grund liegt in der Anwesenheit des polnischen Ministerpräsidenten und des Bundeskanzlers. Der Ministerpräsident hat die Pflicht zur Begleitung. Die Vertretung erfolgt durch Minister Schönbohm ab 11 Uhr.

Minister Dr. Fürniß wird ab 11 Uhr durch Ministerin Prof. Dr. Wanka vertreten.

Prof. Dr. Schelter ist anwesend. - Wahrscheinlich wird der Präsident auf diese Weise geprüft, ob er vor Eintritt in die Tagesordnung alle begrüßt hat. Auch Prof. Dr. Schelter wollte durch Minister Schönbohm vertreten werden, was nun entfällt.

Damit kommen wir zum Tagesordnungspunkt 1:

Fragestunde

Drucksache 3/4375 Drucksache 3/4376 Drucksache 3/4377 Drucksache 3/4331

Dazu liegt Ihnen eine Reihe von Dringlichen Anfragen vor.

Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal auf Folgendes hinweisen. Ich habe einige Anfragen abgelehnt, weil sie

sich nicht, wie es Anlage 2 Punkt 3 der Geschäftsordnung vorschreibt, auf “Einzelfragen aus dem Bereich der Landespolitik und der Verwaltung, soweit die Landesregierung unmittelbar oder mittelbar verantwortlich ist.” beziehen. Vielmehr stehen in den von mir abgelehnten Anfragen parteipolitische, eher programmatische Aussagen zur Diskussion, die über die Fraktion hinausgehen. Kommentierungen der Landesregierung zu diesen Problemen sollten an anderer Stelle als auf der Bühne des Landtages erfolgen.

Ich rufe die Dringliche Anfrage 19 (Reaktion des Ministerprä- sidenten zur Sprungrevision in Sachen Horno) auf. Dazu geht das Wort an Herrn Abgeordneten Dr. Trunschke. Herr Dr. Trunschke, vielleicht komprimieren Sie den Vorspann ein wenig.

Das wird schwierig. Ich bedauere auch, dass der Ministerpräsident nicht anwesend ist. Aber ich frage dennoch die Landesregierung:

Im Januar hat das Verwaltungsgericht Cottbus Klagen von mehreren Hornoer Bürgern abgewiesen und die geplanten Grundstücksenteignungen in Horno für rechtmäßig erklärt. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Angelegenheit hatte das Verwaltungsgericht eine Berufung gegen die Urteile zugelassen. Aufgrund der erwarteten Dauer des Berufungsverfahrens und dem Vorliegen des Revisionszulassungsgrundes “grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache” haben sich die Kläger entschlossen, eine möglichst schnelle Klärung herbeizuführen. Dies kann allerdings nur mittels einer Sprungrevision erreicht werden, der das Land Brandenburg zustimmen muss. Minister Dr. Fürniß kündigte den Klägern aber mit Schreiben vom 17. Mai an, dass die Zustimmung nicht erteilt werde.

Die PDS-Fraktion wandte sich daraufhin an den Ministerpräsidenten mit der Bitte, die Entscheidung des Wirtschaftsministers nochmals in der Regierung zu überdenken.

Am 23. Mai erhielten wir telefonisch die Mitteilung, dass sich Herr Dr. Stolpe am gleichen Tag erklären werde. Der Ministerpräsident äußerte sich zwar gegenüber den Medien, eine Presseerklärung gibt es aber nicht. Aus den Medienveröffentlichungen geht leider auch nicht hervor, was die Gründe für die Ablehnung durch den Ministerpräsidenten sind.

Ich frage daher die Landesregierung:

Welche Gründe haben den Ministerpräsidenten veranlasst, die Zustimmung zur Führung einer Sprungrevision zu verweigern?

Herr Minister Dr. Fürniß, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bei der hier angesprochenen Sprungrevision handelt es sich um ein Verfahren, bei dem auf ein erstinstanzliches Urteil auf das normalerweise folgende Berufungsverfahren verzichtet und unmittelbar das Revisionsverfahren beantragt wird. Dieser Weg ist nur gangbar, wenn beide Seiten, Kläger und Beklagte, zustimmen.

Durch die Kläger bzw. ihre Prozessbevollmächtigten wurden das Ministerium für Wirtschaft und das Landesbergamt Brandenburg sowie in einem offenen Brief der Ministerpräsident des Landes Brandenburg im Verfahren “Grundabtretung und vorzeitige Besitzeinweisung für Grundstücke des Ortsteils Horno” um Zustimmung zur Sprungrevision gebeten. Dem Antrag wurde durch das Wirtschaftsministerium und durch das Landesbergamt nicht entsprochen. Der Ministerpräsident hat sich der Entscheidung des Wirtschaftsministeriums angeschlossen.

Im Zusammenhang mit der Fortführung des Tagebaus Jänschwalde sollen Grundstücke des Ortsteils Horno bergbaulich in Anspruch genommen werden. Da sich das Bergbauunternehmen LAUBAG mit den betroffenen Grundstückseigentümern nicht rechtzeitig auf einen privatrechtlichen Besitzübergang einigen konnte, wurde durch das für so genannte bergrechtliche Grundabtretungsverfahren zuständige Landesbergamt Brandenburg im Jahre 2000 ein Enteignungsverfahren nach §§ 79 ff. Bundesberggesetz durchgeführt.

Gegen diese Entscheidung des Landesbergamtes wurde durch die betroffenen Hornoer Bürger beim Verwaltungsgericht Cottbus Klage erhoben.

Sie gestatten, dass ich den Sachverhalt etwas ausführlicher schildere, denn nur so wird der Zusammenhang deutlich.

In einem vorgeschalteten so genannten Eilverfahren hatte das Verwaltungsgericht Cottbus dem Antrag der Kläger auf Aussetzung der vom Landesbergamt verfügten vorzeitigen Besitzeinweisung des Bergbauunternehmens LAUBAG stattgegeben. Infolgedessen stand die Abraumgewinnung - der so genannte Vorschnitt - des Tagebaus Jänschwalde im August 2000 für mehrere Wochen still, bis das Oberverwaltungsgericht Frankfurt (Oder) die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Cottbus in einem weiteren Eilverfahren revidierte.

Aufgrund der Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Frankfurt (Oder) im Eilverfahren wurde durch das Verwaltungsgericht Cottbus im so genannten Hauptsacheverfahren im Januar 2002 die Klage der Hornoer Bürger abgewiesen und zugleich die Berufung beim Oberverwaltungsgericht im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung des Falles zugelassen. In der Urteilsbegründung wurde festgestellt, dass die Berufung aufgrund folgender Gründe zulässig sei:

Erstens: Es liege bisher keine höchstrichterliche Entscheidung über den Maßstab bei der zu treffenden Abwägungsentscheidung nach § 79 Abs. 1 Bundesberggesetz zu Voraussetzungen über die Zulässigkeit einer Grundabtretung vor.

Zweitens: Bisher sei noch nicht höchstrichterlich geklärt, ob es für die Weiterführung des Tagebaus Jänschwalde einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurft hätte.

Bei der Prüfung, ob das Landesbergamt Brandenburg alle maßgeblichen Gründe in seiner Abwägungsentscheidung zur Grundabtretung berücksichtigt hat, handelt es sich also um eine reine Tatsachenermittlung, die nur vom Oberverwaltungsgericht und nicht von der Revisionsinstanz Bundesverwaltungsgericht geprüft wird. Im Land Brandenburg ist bisher noch keine abschließende Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zu einem bergbaulichen Grundabtretungsverfahren gefallen.

Die Klärung der Frage, ob es für die Weiterführung des Tagesbaus Jänschwalde einer Umweltverträglichkeitsprüfung bedurft hätte, wird nach unserer Kenntnis am 12. Juni 2002, also innerhalb der nächsten drei Wochen, im Zusammenhang mit der Klage der Grünen Liga e. V. gegen die Rahmenbetriebsplanzulassung für die Tagebaue Cottbus-Nord und Jänschwalde höchstrichterlich vom Bundesverwaltungsgericht erfolgen. Damit wird auch hierzu rechtzeitig vor der endgültigen Umsiedlung der Gemeinde Horno eine höchstrichterliche Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht zu diesem Fragenkomplex vorliegen.

Dem Vorwurf der Kläger, der Ministerpräsident des Landes Brandenburg und der Minister für Wirtschaft verhinderten mit ihrem Nein zur beantragten Sprungrevision die erforderliche Rechtssicherheit bei den Enteignungsverfahren in Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Ortslage Horno durch den Tagebau Jänschwalde, kann daher nicht gefolgt werden.

Genau umgekehrt macht es Sinn: Durch die Beschreitung des ordentlichen Gerichtsweges - Verwaltungsgericht Cottbus als erstinstanzlich zuständiges Gericht, erforderlichenfalls Berufungsverfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Frankfurt (Oder) als weitere Tatsachen- sowie Rechtsinstanz und, falls zugelassen, Revision beim Bundesverwaltungsgericht als reiner Rechtsinstanz - wird den betroffenen Klägern der volle Rechtsschutz gewährt.

Es gibt Klärungsbedarf. Wir beginnen beim Fragesteller. Herr Dr. Trunschke, bitte.

Der Ministerpräsident hatte den Hornoern zugesichert, dass alles das, was gesetzlich möglich ist, tatsächlich ausgenutzt werden soll. Sehen Sie da nicht einen Widerspruch insofern, als hier eine gesetzlich mögliche Variante durch Verweigerung der Landesregierung nicht genutzt wird?

Nein, genau umgekehrt: Dadurch, dass sich das Oberverwaltungsgericht damit beschäftigt, können alle Tatsachen noch einmal gewichtet und diskutiert werden.

Frau Enkelmann!

Sie haben über die gemeinsame Beratung mit dem Ministerpräsidenten gesprochen. Wie hat der Ministerpräsident Ihnen gegenüber in dieser Beratung das Versprechen, das er den Hornoern mehrfach gegeben hat, dass er auf ihrer Seite sei und alles herausholen werde, was das Gesetz zulässt und die Gerechtigkeit erfordert, tatsächlich eingehalten - oder auch nicht?

(Schippel [SPD]: Das wurde gerade gesagt!)

Er hat es eingehalten und deswegen hat er uns auch in unserer Entscheidung bestärkt und großen Wert darauf gelegt, dass alle Instanzen ausgeschöpft werden, damit keine Tatsachenabwägung verloren geht.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Die Sprungrevision wäre eine Möglichkeit gewesen!)

Wir sind bei der Dringlichen Anfrage 20 (Ökolandbau unter Schock), die im Kern der Dringlichen Anfrage 21 (Verbotene Giftrückstände in Futtermitteln aus Brandenburg) entspricht. Nr. 20 stammt von der Abgeordneten Wehlan und Nr. 21 von der Abgeordneten Hesselbarth. Ich schlage vor, dass wir diese Anfragen gemeinsam beantworten, wenn das Ihre Zustimmung findet. - Frau Wehlan, bitte.

Das giftige Unkrautvernichtungsmittel Nitrofen ist im Futter eines niedersächsischen Geflügelproduzenten nachgewiesen worden. Dieser bezog es von einer niedersächsischen Futtermittelfirma, die den Weizen bundesweit vertrieben hat. Am Pranger stand in den letzten Tagen diesbezüglich ein Brandenburger Agrarunternehmen - wie sich gegenwärtig zeigt, zu Unrecht.

Ich frage die Landesregierung: Wie bewerten Sie die aktuelle Situation, besonders hinsichtlich der Aufklärung darüber, wie es zur Verunreinigung des Weizens mit dem giftigen Unkrautvernichtungsmittel Nitrofen kommen konnte, und der Funktionsfähigkeit des brancheneigenen Kontrollsystems?

Möchten Sie Ihre Frage auch formulieren? - Bitte sehr.

Meine Frage lautet: Welche konkreten Maßnahmen werden Sie unternehmen, um diesen Fall schnellstmöglich aufzuklären?

Herr Minister Birthler, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 24. Mai dieses Jahres wurde meine zuständige Abteilung vom niedersächsischen Landwirtschaftsministerium darüber informiert, dass in einer Futtermittelmischprobe Ökoweizen, die von der Firma AEVG Stegelitz in Verkehr gebracht wurde, durch ein privates Labor in Hamburg 5,96 mg/kg des seit 1990 verbotenen Pflanzenschutzmittels Nitrofen festgestellt worden seien.