Protocol of the Session on September 4, 2002

Mit der Einladung ist Ihnen ein Vorschlag für die Tagesordnung zugegangen. Gibt es von Ihrer Seite diesbezüglich Anmerkungen? - Da dies nicht der Fall ist, mache ich meinerseits eine Anmerkung zu Tagesordnungspunkt 15: Der Antrag „Festlegung der Abgrenzung von nicht administrativen Regionen“, Drucksache 3/4794, wurde von den Antragstellern zurückgezogen. Damit erfährt der Entschließungsantrag der PDS-Fraktion eine andere Behandlung, allerdings nicht heute.

Ich bitte Sie um ein zustimmendes Handzeichen, dass wir die Tagesordnung in so geänderter Form abarbeiten. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Es ist so beschlossen.

Mir liegt eine Abwesenheitserklärung von Minister Birthler vor, der ganztägig von Minister Meyer vertreten wird.

(Unruhe)

- Es ist so unruhig. Wünscht jemand das Wort? - Das scheint nicht der Fall zu sein.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 1 auf:

Fragestunde

Das Wort geht zunächst an den Abgeordneten Dr. Wiebke, der Gelegenheit hat, seine Frage 1247 (Schließung des Eiswerkes Prenzlau) zu formulieren.

Nach dem Kauf der Schöller AG durch den Nestlé-Konzern soll das Eiswerk in Prenzlau 2004 geschlossen werden und...

Herr Abgeordneter Dr. Wiebke, ich bitte um Entschuldigung. Herr Minister Fürniß, der Ihre Frage beantworten soll, befindet sich noch im Stau. Daher möchte ich die Frage zurückstellen. Sie haben Verständnis dafür? - Danke sehr.

Das Wort geht an den Abgeordneten Schöps, der Gelegenheit hat, die getauschte Frage 1259 (Benachteiligung der Lausitz durch Entscheidung der Landesregierung) zu formulieren.

Mit Kabinettsbeschluss vom 30. Juli 2002 zur Zweiteilung des Landes Brandenburg bezüglich der EU-Förderung in Ziel-1und Ziel-2-Gebiet hat die Landesregierung die tatsächlichen wirtschaftlichen Unterschiede - Wirtschaftskraft, Arbeitslosigkeit - in Gänze nicht berücksichtigt. Die bereits mit hoher Ar

beitslosigkeit gestraften Regionen wie die Lausitz oder das Havelland sind nach dieser Entscheidung von vornherein aus der prozentual höheren Förderung ausgeschlossen und sollen Ziel-2-Gebiet mit geringerer Förderung sein. Im jetzt definierten Ziel-1-Gebiet sind damit Regionen bevorteilt, die ohnehin eine vergleichsweise geringere Arbeitslosigkeit und im Umkehrschluss eine höhere Wirtschaftskraft aufweisen. Das heißt konkret, der Süden des Landes Brandenburg wurde durch die genannte Kabinettsentscheidung im doppelten Sinne benachteiligt.

Ich frage die Landesregierung: Warum wurde die Aufteilung in Ziel-1- bzw. Ziel-2-Gebiete im Land Brandenburg nicht nach den tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten bezüglich Wirtschaftskraft bzw. Arbeitslosigkeit ausgerichtet?

Herr Ministerpräsident, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Verehrter Herr Kollege Schöps, Ihre Anfrage unterstellt in einem gewissen Maße, die Landesregierung habe von sich aus das Land in ein Ziel-1und ein Ziel-2-Gebiet unterteilt. Dies ist so nicht richtig.

Erstens: Die Ziel-1-Förderung wird in der aktuellen Förderperiode bis zum Jahre 2006 ohne Bruch nach den geltenden Bestimmungen landesweit fortgeführt.

Zweitens: Auch wenn die europäische Strukturfondsförderung nach denselben Grundsätzen wie bisher - das weiß derzeit niemand genau - über das Jahr 2006 hinaus fortgeführt werden sollte, wird die Festlegung der Fördergebiete voraussichtlich erst 2006 erfolgen. Sofern die von Ihnen angesprochene Region dann den Kriterien - sie können von den heutigen durchaus abweichen; auch dies weiß noch niemand - der Ziel-1-Förderung nicht mehr entsprechen sollte, wird es nach dem derzeitigen Diskussionsstand über die Zukunft der europäischen Strukturfondsförderung und die Erweiterung der Europäischen Union eine Ziel-1-Übergangsförderung für den Südwesten geben. Wir können also davon ausgehen, dass selbst dann die von Ihnen avisierte Ziel-2-Förderung auch für diesen Raum erst ab 2012 Platz griffe.

Drittens: Herr Kollege Schöps, das Ziel der Landesregierung war es, durch geeignete Voraussetzungen die Ziel-1-Förderung auch in einer erweiterten Europäischen Union über das Jahr 2006 hinaus und trotz erheblicher Widerstände vonseiten der EU zumindest für eine Teilregion des Landes so weit zu sichern, wie es unter den gegenwärtigen Bedingungen im nationalen und europäischen Rahmen möglich ist. Daher wurden die bisherigen Kriterien für die Ziel-1-Förderung als Maßstab für die Gebietseinteilung herangezogen. Andere Maßstäbe haben wir noch nicht; wir konnten nur die geltenden anlegen.

Bei der Bestimmung der Ziel-1-Region spielt die Arbeitslosigkeit, die Sie in besonderer Weise angesprochen haben, Herr Schöps, auf europäischer Ebene keine Rolle. Das können wir uns nicht aussuchen; das werden Sie verstehen. Welche Regionen in Deutschland eine Ziel-1-Förderung erreichen, wird ausschließlich durch die Wirtschaftskraft einer Region bestimmt.

Alleinige Berechnungsgrundlage ist nach europäischen Maßstäben das Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner im Verhältnis zum Durchschnitt der Europäischen Union.

Nach den Daten des LDS aus dem Jahr 2000 nahmen die Planungsregionen im Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner folgende Reihenfolge ein - ich führe dies hier einmal aus, damit Sie auf demselben Informationsstand sind -: die Planungsregion Lausitz/Spreewald 106 % des Landesdurchschnitts, die Planungsregion Havelland/Fläming 105 %, Oderland/Spree 99 %, Uckermark/Barnim 90 %, Prignitz/Oberhavel 89 %. Schon an diesen fünf Zahlen wird vieles klar.

Die Landesregierung hat sich also an den tatsächlichen wirtschaftlichen Gegebenheiten bezüglich der Wirtschaftskraft orientieren müssen, indem zur Region Südwest die beiden wirtschaftsstärksten Planungsregionen Lausitz/Spreewald und Havelland/Fläming mit dem eben dargestellten überdurchschnittlichen Bruttoinlandsprodukt pro Einwohner zusammengeschlossen wurden. Die Region Nordost, zusammengesetzt aus den Planungsregionen Prignitz/Oberhavel, Uckermark/Barnim und Oderland/Spree ist demgegenüber durch eine zum Teil stark unterdurchschnittliche Wirtschaftskraft geprägt. Ein deutliches Indiz für die Berücksichtigung der regional differenzierten Wirtschaftskraft dürfte auch die am Montag in der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“ veröffentlichte Liste der 100 größten Arbeitgeber in Brandenburg sein, nach der der überwiegende Teil der größten Unternehmen im südwestlichen Teil angesiedelt ist. Wir müssen gemeinsam zur Kenntnis nehmen, Herr Schöps, dass der Stand der Arbeitslosigkeit mit dem des Bruttoinlandsprodukts nicht immer kongruent ist, sondern dass zum Beispiel im Südwesten die stark automatisierte und hoch effiziente Energiewirtschaft einen Beitrag zu einem hohen Bruttoinlandsprodukt leistet, obwohl die Arbeitslosigkeit leider gleichfalls sehr hoch ist.

Ich fasse zusammen, meine Damen und Herren: Die Landesregierung hatte nur die Wahl, alles beim Alten zu lassen und dadurch das Risiko einzugehen - auf diesem Stand befanden wir uns bis vor einigen Wochen -, dass spätestens ab 2012 das gesamte Land aus dem Ziel-1-Gebiet herausfällt, oder durch diese einzig mögliche Teilung zu erreichen, dass ein Teil des Landes eventuell - auch dies wissen wir noch nicht genau - für einen weiteren Förderzeitraum in der Fördergebietskulisse verbleibt. Eine andere Möglichkeit gab es nicht. Daher ist das, was manchmal leichthin gesagt wird, wir hätten einen Teil herausgenommen und heruntergestuft, sachlich nicht richtig. Vielmehr haben wir versucht, einen Teil herauszunehmen, damit er länger höher gestuft bleibt. So herum wird es in diesem Fall richtig. Danke.

(Beifall bei der SPD)

Herr Schöps, bitte.

Die aktuellen Zahlen mögen eine solche Darstellung rechtfertigen. Aber was wird passieren, wenn die Entwicklung der nächsten Jahre zu anderen Zahlen führen wird? Was passiert dann mit den benachteiligten Regionen wie Lausitz oder Havelland, wenn

es aufgrund Ihrer Entscheidung wirklich eine Differenz im Fördervolumen geben wird? Stehen wir dann alleine da, ja oder nein?

Herr Schöps, erstens wissen Sie ganz genau, dass Sie in einem solchen Fall nicht allein dastehen. Die Landesregierung ist für das ganze Land verantwortlich und wird sich dieser Verantwortung stellen.

(Frau Dr. Enkelmann [PDS]: Das muss aber einmal gesagt werden! - Heiterkeit bei der PDS)

Nein, aber ich habe die Frage beantwortet.

Zweitens ist es natürlich auch sinnvoll, einen Teil des Landes weiterhin besser unterstützen zu lassen, als wir bisher annehmen konnten, sofern sich eine Möglichkeit dafür am Horizont abzeichnet. Damit hat das ganze Land mehr Kraft, sich anderen Aufgaben besser widmen zu können. Das ist die ganz einfache Schlussfolgerung daraus.

(Beifall bei der SPD)

Herzlichen Dank. - Minister Fürniß ist in der Zwischenzeit eingetroffen, aber bevor Herr Dr. Wiebke seine Frage formulieren wird, begrüße ich neben denjenigen, die uns öfter besuchen, herzlich Gäste aus dem Amt Grünheide, die nicht jedes Mal da sind. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Herr Dr. Wiebke, bitte formulieren Sie Ihre Frage 1247 (Schlie- ßung des Eiswerkes Prenzlau).

Nach dem Kauf der Schöller AG durch die Nestlé AG Deutschland soll 2004 das Prenzlauer Eiswerk geschlossen und die Kleineisproduktion verlagert werden. Mit der Schließung des Eiswerkes gehen 115 Arbeitsplätze an einem Standort verloren, der ohnehin unter hoher Arbeitslosigkeit und Strukturschwäche leidet. Das bestehende Eiswerk zählt zu den rentabelsten Unternehmen dieser Branche.

Ich frage die Landesregierung: Was wird sie tun, um die Schließung des Eiswerkes zu verhindern bzw. eine alternative Produktion am gleichen Standort zu befördern?

Herr Minister Fürniß, Sie haben das Wort.

Herr Präsident, vielen Dank für das Verständnis. - Die Firma Nestlé hat über die Presse angekündigt, das Schöller-Eiswerk in Prenzlau zum 31. Dezember 2004 zu schließen. Eine direkte Mitteilung des Unternehmens erhielten wir bis heute nicht. Die

Kapazitäten sollen nach Uelzen in Niedersachsen und nach Nürnberg verlagert werden, so entnehmen wir dieser Pressemitteilung.

Nestlé hatte die Schöller-Gruppe erst Ende letzten Jahres komplett übernommen. Nach Auskunft des Unternehmens sei eine Restrukturierung wegen der bestehenden Überkapazitäten notwendig geworden. Den Ausschlag für die Schließung des Standortes Prenzlau habe die im Vergleich zu den anderen Werken zu geringe Größe gegeben. So produziere Prenzlau lediglich 10 bis 13 Millionen Liter Eis pro Jahr, während in Nürnberg 100 Millionen Liter und in Uelzen 60 bis 80 Millionen Liter Eis hergestellt würden.

In einer Zusammenkunft mit dem Bürgermeister der Stadt Prenzlau und Vertretern des Landkreises Uckermark habe ich mit ihnen abgestimmt, wie wir uns in einem Gespräch mit Nestlé positionieren werden und wie wir vorgehen können. Darüber hinaus ging es um Fragen, die wir mit Nestlé besprechen wollen. Sie werden verstehen, dass ich nicht ebenso wie Nestlé über die Presse mitteilen will, wie es weitergeht. Diese Vorstellungen würde ich dem Unternehmen gern selbst darlegen; dafür bitte ich um Verständnis. Allerdings muss in diesem Gespräch auch klar werden, dass bei insgesamt 42 Standorten in Deutschland Prenzlau einer von zwei Standorten Nestlés in Ostdeutschland ist und daher nicht nur unter dem Aspekt einer möglicherweise herzustellenden Synergie betrachtet werden kann; vielmehr muss er auch unter dem Aspekt beurteilt werden, wie gut und wie produktiv das Werk arbeitet. Wir wissen, dass das Werk in der Uckermark sehr produktiv arbeitet und schwarze Zahlen schreibt.

Nestlé verfügt über eine stark diversifizierte Produktpalette. Aufgrund dessen wollen wir auch deutlich machen, dass wir Möglichkeiten alternativer Produktionen in Prenzlau sehen, zumal der Maschinenpark ganz neu und in den letzten Jahren mit umfangreichen Fördermitteln unterstützt worden ist. Insofern werden wir die Standortvorteile - die Nähe zu Polen, die gute Verkehrsanbindung, die günstigen Förderbedingungen und Erweiterungsmöglichkeiten, aber auch die Kooperationsmöglichkeiten mit dem benachbarten Milchwerk - noch einmal verdeutlichen.

Ich gehe davon aus, dass ich nach dem Gespräch mit dem Unternehmen, in dem wir unsere Vorschläge unterbreiten werden, einen umfassenderen Eindruck haben werde und die Situation besser einschätzen kann. Dann werde ich wieder auf Sie zukommen und Sie darüber unterrichten.

Damit ist diese Frage beantwortet. - Wir kommen zur Frage 1278 (Klimaschutzprogramm), die gegen die Frage 1249 getauscht worden ist. Damit geht das Wort an Frau Dr. Enkelmann.

Die Flutkatastrophe, die auch in Brandenburg schwere Schäden angerichtet hat, zwingt erneut zur Suche nach Ursachen. Unbestritten ist inzwischen, dass es gegenwärtig auch in Europa zu einer deutlichen Häufung extremer Witterungsereignisse kommt,

die unter anderem Folge einer weltweiten Erwärmung der Erdatmosphäre sind. Diese sind vor allem auf einen hohen und global weiterhin anwachsenden Anteil klimarelevanter Gase, insbesondere CO2, zurückzuführen.

(Zuruf von der CDU: Schwatzt doch nicht dumm he- rum!)

Der Klimawandel verlangt nach konkreten Gegenmaßnahmen. Die PDS hatte im September vorigen Jahres, also vor einem Jahr, die Landesregierung aufgefordert, ein Landesprogramm zum Klimaschutz zu entwickeln. Dort sollten unter anderem die Auswirkungen globaler Klimaveränderungen auf Brandenburg insbesondere im Hinblick auf Witterungsextreme und Wasserressourcen analysiert und dargestellt werden. Die von der Landesregierung favorisierte Variante einer Ergänzung des Energieprogramms um den Klimaaspekt trägt den Forderungen, die an ein Klimaschutzprogramm gestellt werden müssen, nicht genügend Rechnung. Die Beratungen, die heute Nachmittag hier im Plenum stattfinden werden, werden das deutlich machen.

Ich frage daher die Landesregierung: Welche Position vertritt sie vor dem Hintergrund der aktuellen Situation zur Erstellung eines Klimaschutzprogramms für Brandenburg?