Protocol of the Session on March 16, 2000

Ganz besonders herzlich begrüße ich unsere Dauergäste, aber auch die jungen Freunde, die heute, wenn ich richtig informiert bin, aus Guben zu uns gekommen sind. Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Mit der Einladung ist Ihnen die Tagesordnung im Entwurf zugegangen. Gibt es von Ihrer Seite dazu Bemerkungen? - Dann bitte ich um Ihr zustimmendes Handzeichen, dass wir die Tagesordnung so abarbeiten. - Gibt es Gegenstimmen? - Stimmenthaltungen? - Dann wird so verfahren.

Mir liegen einige Abwesenheitserklärungen vor; jedoch werde ich sie nicht im Einzelnen verlesen. Gibt esdiesbezüglich weitere Bemerkungen von ihnen?

Frau Marquardt, ich darf Ihnen die herzlichen Glückwünsche des Parlaments zu Ihrem heutigen Geburtstag übermitteln.

( Präsident Dr. Knoblich überreicht unter dem Beifall der Abgeordneten Blumen.)

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 1:

Fragestunde

Drucksache 3/723

Das Wort geht an den Abgeordneten Kallenbach, der Gelegenheit hat, die Frage 155 (Einsatz von elektronischen Fußfesseln in Alten- und Pflegeheimen) zu formulieren. Bitte sehr!

Pressemeldungen zufolge werden bundesweit in Altenheimen vereinzelt elektronische Fußfesseln eingesetzt, damit insbesondere an Demenz und Alzheimer erkrankte Bewohner das Gebäude nicht unbemerkt verlassen können. Hintergrund dieser Entwicklung ist demnach, dass so Personalkosten für Pförtner und zusätzliches Pflegepersonal eingespart werden.

in diesem Zusammenhang frage ich die Landesregierung: Welche Erkenntnisse besitzt sie über die bestehende bzw. die geplante Verwendung von elektronischen Fußfesseln in Alten- und Pflegeheimen im Land Brandenburg?

Herr Minister Ziel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr.

Kailenbach, zunächst dachte ich, es handle sich um eine Karnevalsfrage. Bei dem Gedanken an elektronische Fußfesseln in Altenheimen sträubt sich mir das Nackenhaar, wenn Sie gutwilligerweise erkennen wollen, dass ein solches vorhanden ist.

(Heiterkeit)

Herr Kollege Kallenbach, einerseits ist der Karneval vorbei. Andererseits ist die Betreuun g verwirrter Heimbewohner durchaus ein ernstes Thema. Deshalb will ich Ihre Frage natürlich auch ernsthaft beantworten.

Nach Auskunft der Heimaufsichtsbehörde, die für die Überwachung der Alten- und Pflegeheime zuständig ist, wurde in Brandenburg bislang nichts über die Anwendung elektronischer Fußfesseln für derartige Zwecke bekannt. Natürlich berücksichtigt die Überwachungspraxis der Heimaufsicht in Einzelfällen auch die Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen. Dafür werden die straf- und betreuungsrechtlichen Aspekte genau erörtert und mit sozialpädagogischem Herangehen an Prophylaxe und Diagnose ergänzt.

In diesem sensiblen Bereich darf es keine Willkür geben. Deshalb wird die Anwendung solcher Maßnahmen in Altenheimen sehr genau heimaufsichtlich überprüft und kontrolliert. Fußfesseln hätten insoweit keine Genehmigun gschance. Dies wäre natürlich auch aus Gründen der Qualitätssicherung der Fall, verpflichtet doch das Heimgesetz jeden Betreiber zu einer angemessenen Pflege und Betreuung der ihm anvertrauten Personen. Dies gilt auch hinsichtlich des spezifischen Betreuungsbedarfs geistig verwirrter Heimbewohner. Dabei wird angestrebt, die Qualifikation des Pflegepersonals sowie die bauliche Ausgestaltung und die Organisation des Tagesablaufs den Notwendigkeiten der Betreu

ung dementer Bewohner anzupassen. Die Anwendung freiheitsentziehender Maßnahmen signalisiert der Heimaufsicht in aller Regel einen qualitativ unvollkommenen Heimbetrieb. In solchen Fällen berät sie die Heime auch entsprechend.

Herr Kollege Dr. Kallenbach, zusammenfassend stelle ich fest, dass der Weg Brandenburgs im Bereich der stationären Altenpflege auf eine Betreuungsqualität abzielt, die freiheitsentziehende Maßnahmen möglichst überflüssig macht. Fußfesseln sind kein geeignetes Mittel. - Vielen Dank.

Herr Minister, es gibt noch Klärungshedarf. Herr Domres hat Gelegenheit, seine Frage zu formulieren.

Herr Minister, ich habe zwei kurze Nachfragen. Erstens: Wird es von Ihnen Initiativen geben. den Pflegeschlüssel gerade für die von Ihnen angesprochenen Personengruppen, speziell für die Demenzkranken, zu verbessern?

Zweitens: Ist Ihnen ein Zeitplan bekannt, in dem die Überarbeitung der Heimmindestpersonalverordnung vorgenommen werden soll?

Der Zeitplan für die Überarbeitun g von Verordnungen in diesem

Bereich ist mir nicht bekannt; offenbar gibt es einen solchen Zeitplan auch nicht.

Bei der Überarbeitung ist auch nicht an erster Stelle die Veränderung des Pflegeschlüssels gefordert, sondern es geht um einen menschlichen Umgang mit den Heimbewohnern. Dafür werden wir im Land Sorge tragen.

Ich bedanke mich. - Die Frage 156 (Verstärkung des Verbindungsbüros des Landes Brandenburg bei der EU) wird vom Abgeordneten Frank Werner gestellt.

Das Verbindungsbüro des Landes Brandenburg in Brüssel ist durch Beschluss der Landesregierung vom Dezember vergangenen Jahres personell verstärkt worden.

Ich frage daher die Landesregierung: In welchen für das Land Brandenburg relevanten Bereichen der EU-Politik wirkt sich diese personelle Verstärkung des Verbindungsbüros in Brüssel aus?

Das Wort geht an Minister Schelter. Bitte sehr!

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Abgeordneter Werner, in ihrer Sitzung am 21. Dezember 1999 hat die Landesregierung auf meinen Vorschlag hin beschlossen. die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass in Zukunft mehr nationale Experten aus Brandenburg zur Europäischen Kommission entsandt werden können und unser Verbindungsbüro in Brüssel personell ausgebaut werden kann. Unsere Landesvertretung kann nach diesem Beschluss um bis zu drei Referentinnen und Referenten verstärkt werden. Damit wird es möglich sein, dass drei für die weitere europäische Integration besonders wichtige Ressorts Mitarbeiter in unsere Vertretung entsenden.

Ich freue mich, dass aus dem Wirtschaftsministerium am 13. März eine sehr qualifizierte Referentin nach Brüssel abgeordnet worden ist. Das Ministerium für Landwirtschaft. Umweltschutz und Raumordnung hat eine Stelle zur Besetzung ausgeschrieben und beabsichtigt, diese Stelle in den nächsten Wochen zu besetzen. Das Innenministerium wird folgen.

Diese neuen Mitarbeiter sollen vor allem in den Fachbereichen ihrer Ressorts eingesetzt werden und die wichtieen Tätigkeitsfelder vor Ort begleiten. Das bedeutet konkret, dass wir in Zukunft noch früher, noch kompetenter und noch hartnäckiger auf die Rechtsetzung der EU Einfluss nehmen, Förderprogramme der EU bei der Konzeption und der Umsetzung einiger Entwicklungsvorhaben besser nutzen und den Informationsstand in unserem Land über die Arbeit der EU weiter verbessern können.

Besonders wichtig ist, dass wir auch die Zusammenarbeit mit

unseren Abgeordneten im Europäischen Parlament noch enger gestalten. Diese Stärkung unserer Präsenz in Brüssel ist eine der besten Zukunftsinvestitionen für unser Land. Sie wird sich umso mehr rentieren, je intensiver wir die Chancen nutzen, die uns die Vertretung unseres Landes in Brüssel bietet. Ich darf Sie herzlich dazu einladen.

(Beifall bei der CDU)

Herzlichen Dank. - Das Wort geht an Prof. Schumann, der Gelegenheit hat, die Frage 157 („Aktionsbündnis gegen Gewalt") zu formulieren.

Auf meine Anfrage in der Sitzung des Landtages am 24.02.2000 zu den Auseinandersetzungen um die künftige Orientierung des „Aktionsbündnisses gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit" teilte Minister Schönbohm unter anderem mit, dass der DGB von Austrittsüberlegungen Abstand genommen habe. Wie sich kurze Zeit später herausstellte, traf diese Aussage nicht zu.

Ich frage deshalb die Landesregierung: Auf welcher Grundlage hat Minister Schönbohm diese Information im Rahmen der regierungsoffiziellen Antwort gegeben?

Herr Minister Schönbohm, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kollegen! Herr Prof. Schumann, in der Landtagssitzung am 24. Februar habe ich zu Ihrer damaligen Frage unter anderem Folgendes erklärt:

„Die Landesregierung begrüßt daher, dass der DGB von Austrittsüberlegungen Abstand genommen hat, wenn sichergestellt ist. dass die Bekämpfung von Ausländerfeindlichkeit und Rechtsextremismus auch weiterhin vorrangig ist."

Ich habe mich bei dieser Aussage auf eine dpa-Meldung vom 22. Februar desselben Jahres berufen, in der der Landesgeschäftsführer der SPD. Herr Ness, nach einer Sitzung des Gewerkschaftsrates der SPD mit den Worten zitiert wird, ein Austritt des DGB sei nur zu verhindern, „wenn eine eindeutige Klarstellung erfolgt, dass die Bekämpfung von Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit vorrangig ist". An dieser Sitzung hat auch der Vorsitzende des DGB-Landesbezirks, Herr Scholz, teilgenommen. Warum der Sprecher des DGB, Herr Pienkny. dem widersprochen hat, wie in der Presse am 25.02., also einen Tag nach der Landtagssitzung, zu lesen war, ist mir persönlich unerfindlich.

Aber hierauf kommt es jetzt auch nicht mehr an, weil die Landesregierung die Angelegenheiten des Aktionsbündnisses zusammen mit der Einrichtung eines Landespräventionsrates „Sicher

heitsoffensive Brandenburg" in einer Weise regeln wird, die nicht nur allen sachlichen und politischen Aspekten Rechnung trägt, sondern auch den Bestand und die Weiterentwicklung des Aktionsbündnisses in besonders intensiver Weise ermöglicht. Unser Land leidet doch im Hinblick auf kriminelle und politische Fehlentwicklungen insbesondere unter zwei großen Phänomenkomplexen.

Zum einen ist der uns alle zutiefst bedrückende Entwicklungsschub auf dem Gebiet des Rechtsextremismus und der Fremdenfeindlichkeit zu beklagen. Zum anderen darf jedoch auch nicht bagatellisiert oder verschwiegen werden, dass die allgemeine Kriminalitätsentwicklung, insbesondere aber die Entwicklung der Kinder- und Jugendkriminalität einschließlich der Phänomene Drogen, politische Gewalt und Vandalismus, zutiefst Besorgnis erregend ist. All diesen Fehlentwicklungen muss der Staat entgegentreten. Die Landesregierung stellt sich dieser Aufgabe gemeinsam und wird allen Phänomenbereichen mit dem erforderlichen Nachdruck gerecht werden.

Hierfür bedient sie sich natürlich zunächst der Hilfe zuständiger staatlicher Instanzen wie Polizei, Verfassungsschutz. Justiz, Schulen und sonstiger staatlicher Einrichtungen. Diese staatlichen Bemühungen bedürfen in unserer Gesellschaft nicht nur eines breiten grundsätzlichen Konsenses, sondern auch der Bereitschaft, selbst aktiv zu werden. Ich habe das früher einmal „geistige Bürgerwehr" genannt und bin dafür gescholten worden. Mit dieser Formulierung meine ich, dass wir uns über die geistigen Grundlagen unserer Demokratie, die wir gemeinsam wehrhaft verteidigen wollen, im Klaren sein müssen.

Die so beschriebene Einbeziehung vieler gesellschaftlicher Gruppen soll sich künftig auf zwei Ebenen vollziehen. Die erste Ebene bildet der neu zu gründende Landespräventionsrat „Sicherheitsoffensive Brandenburg". Diese schon seinerzeit, nämlich im Jahre 1997, von der Landesregierung angedachte, aber dann nicht umgesetzte Idee wollen wir jetzt verwirklichen. Dabei wollen wir alle Institutionen zentral und dezentral einbeziehen und das gesamte Kritninalitäts- und Extremismusspektrum durch Prophylaxemaßnahmen abdecken. Dazu gehören unter anderem Kinder- und Jugenddelinquenz sowie Gewaltdelinquenz, Drogenkriminalität, kommunale Netzwerke sowie Opferschutz und Opferhilfe. Hierüber besteht in der Landesregierung und, wie ich meine, auch in allen gesellschaftlich relevanten Gruppen Einvernehmen.

Von daher bin ich froh, dass die Kollegen Schelter. Reiche und Ziel mich darin unterstützen und in den Steuerungsgremien selbst oder durch Beauftragte teilnehmen werden. Man kann zwischen uns auch keinen Keil treiben, denn wir sind insoweit gemeinsamer Auffassung.

Diese neu geschaffene Ebene macht es auf der anderen Seite zugleich möglich, dass das Aktionsbündnis, wie es ja viele seiner Mitglieder wollen, seine Aktivitäten auf die Bekämpfung rechter Gewalt, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus begrenzt.