Michele Marsching

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Tribüne und an den Endgeräten! Im Grunde genommen reden wir, ähnlich wie bei TOP 3 am Mittwoch, über eine Bilanz der Politik von Rot-Grün in den letzten fünf Jahren. Ich frage mich, warum man das nicht in einem Antrag abhandeln konnte. Sei es drum, es ist jetzt aufgesplittet.
Herr Hovenjürgen, Sie haben vergessen, den Punkt zum Landesentwicklungsplan vorzulesen. Ansonsten fand ich das gut. Ich habe den Antrag zwar selbst gelesen, aber ihn hier noch einmal vorgestellt zu bekommen, Punkt für Punkt …
Vorgelesen quasi! Das ist natürlich auch eine Leistung.
Für uns Piraten ist es eine relativ schwierige Situation, denn Sie machen es sich alle einfach: Sie haben klare Fronten, und wir stehen immer irgendwo in der Mitte.
Woran ich nicht teilnehmen möchte, das ist dieses gegenseitige Beschuldigen, dieses Zurückblicken über sieben Jahre: Was ist bei Schwarz-Gelb falsch gelaufen? Was ist von Anfang an bei Rot-Grün falsch gelaufen? Ganz unsäglich finde ich – ohne Namen zu nennen –, dass Rednern hier die falsche Einstellung ihrer Tabletten vorgeworfen wird oder dass sie eine Krankheit hätten oder dass die FDP doch der Drogenfreigabe nicht zugestimmt hätte. Solche Argumente sollten in diesem Hohen Hause nicht fallen.
So richtig wurmt mich, dass im zweiten Redebeitrag von Herrn Zimkeit gesagt wird, die CDU habe keine Lösungen, und dann wird eine Fünf-Minuten-Rede dafür verschwendet – tut mir leid, Herr Zimkeit –, auch keine Lösungen aufzuzeigen, sondern die Nichtlösungen der CDU durchzusprechen. Dass die CDU keine Lösung hat, da sind wir uns einig. Was mich gefreut hätte, wäre gewesen, dass stattdessen Lösungen präsentiert werden. Denn niemand hier hat eine Vision für die Zukunft. Es wird immer nur darüber geredet, dass damals alles besser war – das sagt die eine Seite des Hauses – oder dass heute alles gut ist – das sagt die andere Seite des Hauses.
Aber was in Zukunft passieren soll, davon hören wir leider nichts. Stattdessen höre ich, dass die eine Statistik gegen die andere ausgespielt wird, und, je nachdem, welche Statistik man gelesen hat, ist NRW entweder Spitzenreiter oder Schlusslicht. Für mich – da bin ich ganz ehrlich – ist das ein trauriges Schauspiel, was heute hier passiert. Da fand ich den TOP 3 am Mittwoch besser, denn da haben wir tatsächlich inhaltlich geredet. Das mag auch daran liegen, dass wir jetzt nur fünf Minuten und eben keine acht Minuten haben.
Mein Problem mit diesem Antrag ist, dass der Titel falsch ist. Die CDU hat keine Visionen für die Zukunft. Die SPD hat keine Visionen für die Zukunft, sondern verwaltet das Heute; die Grünen machen da mit. Eigentlich müsste dieser Antrag den Titel haben: NRW braucht eine Regierung. – Damit wäre diesem Hohen Hause hier geholfen. Noch mehr wäre ihm geholfen gewesen, wenn wir das vernünftig unter TOP 3 am Mittwoch mitbehandelt hätten.
Aber sei’s drum! Wir werden diesen Antrag ablehnen, weil er in seiner Form einfach überhaupt nicht geht. Wir würden allerdings auch einem Gegenantrag nicht zustimmen, weil alles Schönreden in diesem Land nicht hilft.
Wir brauchen tatsächlich eine Politik für die Zukunft. Ich hoffe, dass die Menschen in diesem Land bei der Landtagswahl im Mai das erkennen und dass weder die CDU noch die rot-grüne Regierung hier die Chance haben, alleine mit ihrer Politik und mit diesem Verwalten des Heute, mit diesem Verwalten des Gestern vorzukommen. – Danke.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und zu Hause! Zunächst einmal eine kurze Erklärung, auch wenn Herr Wolf es gerade schon gesagt hat: Ich darf für die Kollegin Rydlewski sprechen, die krankheitsbedingt leider nicht hier stehen kann und die mich gebeten hat, ihre Rede zu übernehmen.
Auch ich möchte mit dem auch in der fünften oder sechsten Rede obligatorischen Dank – erst einmal an Sie, Herr Wolf, für die Arbeit als Vorsitzender des Ausschusses, aber auch für die Mitglieder des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses – hier Herr Schatz und Frau Rydlewski. Gerade bei Frau Rydlewski möchte ich mich besonders bedanken; denn sie hat sich besonders dafür eingesetzt, dass dieser Untersuchungsausschuss überhaupt stattfinden konnte.
Bedanken möchte ich mich auch bei den Mitarbeitern in der Verwaltung und bei den Mitarbeitern der Fraktionen, die es möglich gemacht haben, dass wir nun einen über tausendseitigen, sehr umfassenden Bericht auf dem Tisch liegen haben.
Die Arbeit des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum NSU hat gezeigt, dass die Einsetzung dieses Ausschusses dringend notwendig und
richtig war. Es gab im Zusammenhang mit den vom NSU begangenen Straftaten, bei den Ermittlungen zu den Morden von Michael Berger in Dortmund, zu dem Anschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn sowie auch dem Tod von Thomas Richter zahlreiche Fehler von Polizei, von Staatsanwaltschaft und vom Verfassungsschutz.
Der Untersuchungsausschuss konnte diese Fehler aufzeigen, teilweise den Ursachen dafür auf den Grund gehen und hat gemeinsame Handlungsempfehlungen entwickelt, damit solche Fehler – und das sollte immer die Aufgabe sein – in Zukunft möglichst nicht mehr vorkommen.
Als besonderes Versagen der Ermittlungsbehörden müssen der Umgang mit den Opfern und die Ermittlungen gegen diese genannt werden – es war nämlich unglaublich erschreckend, mit welcher Konsequenz insbesondere auch bei dem Nagelbombenanschlag in der Keupstraße in Köln gegen Opfer ermittelt wurde.
Über Jahre hinweg wurden diese verdächtigt: es wurde ihnen unterstellt, mehr über die Taten und über die Hintergründe zu wissen, und dieses Wissen auch noch vor der Polizei zu verheimlichen.
Den Opfern wurde vorgeworfen, dass sie selber in kriminelle Machenschaften verwickelt seien, und sie wurden oftmals wie Täterinnen und Täter und eben nicht wie Opfer behandelt. Dies erschwerte es den Opfern zusätzlich und vollkommen unnötig, mit den schrecklichen Taten und ihren Folgen zu leben. Die Anschuldigungen durch die Polizei beruhten lediglich auf vagen Verdachtsäußerungen und entbehrten jeder vernünftigen Grundlage. Auch als dies offensichtlich war, ermittelte die Polizei einfach weiter im Umfeld der Opfer.
Dabei ignorierten Polizei und Staatsanwaltschaft die zahlreichen Hinweise darauf, dass die Taten rassistisch motiviert waren. Aussagen der Opfer, operative Fallanalysen, Hinweise auf vergleichbare Taten durch andere Neonazis – all das, wir haben es gehört, wurde konsequent ignoriert und dementsprechend auch nicht in diese Richtung ermittelt.
Das Festhalten an der Ansicht, dass Opfer mit einem wie auch immer gearteten migrantischen Hintergrund selbst in die Tat verwickelt sein müssen, und das gleichzeitige Ausblenden von anderen Hintergründen für die Taten sind deutliche Zeichen für einen institutionellen Rassismus in den beteiligten Behörden. Die handelnden Personen müssen nicht einzeln und bewusst rassistisch gehandelt und gedacht haben, aber die Strukturen und die allgemeinen Handlungs- und Denkmuster innerhalb der Ermittlungsbehörden führten klar zu einer enormen Benachteiligung der Opfer nur und gerade aufgrund ihrer migrantisch geprägten Herkunft.
Leider muss festgestellt werden, dass innerhalb der Institutionen diese diskriminierenden Muster auch heute nicht als solche erkannt und auch benannt werden. Das jedoch wäre der erste, dringende und richtige Schritt, um dieses Problem endlich zu bekämpfen.
Doch nicht nur im Bereich von Polizei und Staatsanwaltschaft wurden im Laufe der Arbeit des Untersuchungsausschusses Missstände sichtbar. Ganz deutlich wurde auch wieder, dass der Verfassungsschutz eine so nicht mehr länger tragbare Institution darstellt. Nach Bekanntwerden des NSU konnte der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz so gut wie keine relevanten Informationen zur Aufarbeitung beisteuern – und das, obwohl mit großem, insbesondere auch finanziellem Aufwand zahlreiche V-Personen in der rechten Szene geführt wurden. Dadurch wird auch noch, wenn auch unbeabsichtigt, punktuell dazu beigetragen, dass mit staatlichen Geldern über die V-Leute der Aufbau der rechten Szene begünstigt wird.
Der Verfassungsschutz hat jedoch nicht nur zu wenige Informationen gesammelt und die vorhandenen Informationen unzureichend oder schlecht ausgewertet, er hat auch an anderer Stelle erhebliche Defizite: Auf keiner Ebene findet eine wirksame Kontrolle der Arbeit dieses Dienstes statt. Es wurden Personen als V-Leute geführt, die durch Waffengeschäfte aufgefallen sind. Geld aus dem Aussteigerprogramm wird zur Führung von V-Personen verwendet. Informationen werden nicht weitergegeben, und für niemand ist so richtig nachvollziehbar, was eigentlich genau dort passiert. Die Kontrolle des Verfassungsschutzes durch dieses Parlament ist völlig unzureichend, denn auch das parlamentarische Kontrollgremium hat keinerlei Möglichkeiten, ernsthaft zu prüfen, ob es wirklich zeitnah und umfassend alle relevanten Informationen vorliegen hat und informiert wird.
Eine solche Institution ist meiner Meinung nach sehr bedenklich und so nicht tragbar. Der Verfassungsschutz gehört daher in der jetzigen Form abgeschafft.
Auch an dieser Stelle ist durch die Arbeit des Untersuchungsausschusses deutlich geworden, an welchen Stellen Handlungsbedarf besteht. Insbesondere war dies durch die fraktionsübergreifende und gute kollegiale Zusammenarbeit möglich. Allen beteiligten Personen sei hiermit der Dank von Birgit Rydlewski ausgerichtet und entsprechend natürlich auch von mir.
An zu vielen Stellen konnte der Ausschuss seinem Auftrag leider jedoch nicht in dem Maß nachkommen, in dem wir uns das gewünscht hätten. Das lag
auch daran, dass am Ende schlicht die Zeit gefehlt hat, um weitere Zeuginnen und Zeugen zu vernehmen und weitere Akten auszuwerten.
Es gab jedoch auch andere Gründe dafür, dass der Untersuchungsausschuss nicht weiter zur Aufklärung beitragen konnte, denn viel zu oft haben Zeuginnen und Zeugen vor dem Ausschuss angegeben, dass sie sich nicht erinnern können – auch das haben wir schon gehört –, oder sie haben erst gar keine Aussagegenehmigung bekommen. Akten wurden teilweise erst recht spät – ich würde sagen, viel zu spät – geliefert, und oftmals waren Akten auch ohne ersichtlichen Grund so eingestuft, dass eine öffentliche Thematisierung ihrer Inhalte nicht möglich war. Auch im Abschlussbericht konnten zahlreiche Inhalte aus angeblichen Geheimschutzgründen nicht dargestellt werden.
All diese Hindernisse haben bedauerlicherweise zur Folge, dass der Untersuchungsausschuss einzelnen Sachverhalten nur unzureichend nachgehen konnte bzw. die gewonnenen Erkenntnisse dann nicht öffentlich darstellen darf. Das ist schade.
Eine Untersuchung, deren Ergebnisse nicht dargestellt werden dürfen, ist wirkungslos und damit eigentlich auch sinnlos. Und außerdem entspricht es auch nicht Sinn und Zweck von Untersuchungsausschüssen, wenn die Behörden, deren Handeln eigentlich kontrolliert werden soll, am Ende zumindest mitentscheiden, welche Untersuchungsergebnisse veröffentlicht werden.
Auch nach Abschluss des Untersuchungsausschusses sind zahlreiche Fragen offen. Die Opfer, ihre Angehörigen und die Öffentlichkeit haben jedoch ein Recht darauf, dass eine weitere Aufklärung der Taten und der Strukturen, die sie ermöglicht haben, stattfindet. Dafür muss endlich viel tiefgreifender ermittelt werden, über welche Kontakte der NSU nach Nordrhein-Westfalen verfügte, ob bzw. welche Personen aus Nordrhein-Westfalen Unterstützungsleistungen erbracht haben. Die Ermittlungen dazu waren bisher völlig unzureichend.
Zum Abschluss möchte ich noch einmal darauf zurückkommen, was die Taten des NSU und andere rechte Gewalttaten eigentlich so unerträglich macht: nämlich das Leid der Menschen, die von dieser Gewalt betroffen sind, weil sie nicht in das menschenverachtende Weltbild der Nazis passen. Diese Menschen jedoch verdienen gesellschaftliche Aufmerksamkeit und unsere Solidarität. Außerdem müssen wir alle diese menschenverachtende Gewalt und ihre verbale Vorboten immer und überall konsequent benennen und bekämpfen. Wehret den Anfängen! – Danke.
Vielen Dank, Herr Präsident. – Herr Jostmeier, Sie haben gerade festgestellt, weil die Wahlbeteiligung bei den unter 18-Jährigen im Durchschnitt unter dem Gesamtdurchschnitt liegt, lehnen Sie das Wahlrecht für unter 18-Jährige ab 16 Jahren ab.
Wir möchten das gar nicht ändern. Wir möchten nur die Möglichkeit für das nächste Parlament eröffnen. Davon abgesehen frage ich mich zwei Dinge, nämlich erstens, ob die Wahlbeteiligung der Altersgruppen tatsächlich dafür herhalten sollte, wer wählen
darf. Eine Studie der Bundeszentrale für politische Bildung zeigt die unterdurchschnittliche Wahlbeteiligung aller unter 40 Jahren auf. Wenn ich danach gehe, muss ich sagen, jeder unter 40 Jahren darf ab jetzt nicht mehr wählen gehen. Nach Ihrer Logik müssten wir also das Wahlrecht ab 40 Jahren einführen. Dann steigt übrigens auch wieder der Durchschnitt. Damit hätten wir ein Problem.
Stimmen Sie zweitens mit mir überein, wenn ich sage, das Wahlrecht ist ein Recht und keine Pflicht und sollte nicht davon abhängig gemacht werden, ob man von diesem Recht Gebrauch macht?
Vielen Dank. – Herr Präsident! Es ist schwierig, jetzt nach Ihnen zu sprechen, Herr Dr. Wolf. Mit Blick auf den letzten Tagesordnungspunkt erinnere ich daran, dass Sie es waren, der damals gesagt hat, alles hänge mit allem zusammen.
Damit und auch mit der Argumentation zum letzten Tagesordnungspunkt verhindern Sie, dass wir jetzt über einzelne Punkte reden können, so gerne ich es auch gesehen hätte, dass wir die Dinge, bei denen wir unstrittig sind – gleich kommen ja noch ein paar –, vernünftig einzeln beraten können. Dadurch, dass Sie eingeführt haben, dass alles mit allem zusammenhänge, wird jedoch verhindert, dass die unstrittigen Punkte einzeln abgestimmt werden können. Schade eigentlich.
Habe ich eigentlich schon den Präsidenten gegrüßt? Im Zweifel mache ich es noch einmal.
Dann mache ich es im Zweifel noch mal.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bürgerrechte waren und sind für uns Piraten mit das wichtigste Thema. „Freiheit“ ist ein Schlagwort, das von allen Parteien gerne und oft
in Interviews, Talkshows und vor allem im Wahlkampf genutzt wird. Freiheit ist im Staat und in der Gesellschaft jedoch leider immer gefährdet, und sie muss täglich neu – vor allem von uns Politikern, von der Regierung und von den Bürgern – beachtet, beherzigt und verteidigt werden.
Letztlich muss sie rechtlich gewährleistet werden. Wir müssen sie institutionell sichern. Die rechtliche Gewährleistung und die institutionelle Sicherung sind zwei Seiten derselben Medaille „Bürgerrechte“. Die Landesverfassung garantiert Bürgerrechte. Sie sagt in Art. 4 Abs. 1, der die Grundrechte des Grundgesetzes übernimmt, aber auch in den nachfolgenden Bestimmungen einiges darüber aus.
Dagegen aber sticht ins Auge, dass es keine institutionelle Sicherung der Grundrechte bei Bürgerfreiheiten in Nordrhein-Westfalen gibt. Der Verfassungsgerichtshof Nordrhein-Westfalen ist ein Staatsgerichtshof, der ganz überwiegend mit Klagen der Gemeinden sowie mit Klagen der Abgeordneten und Fraktionen des Landtags befasst ist.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns in dieser Wahlperiode hinlänglich mit der Frage der Einführung der Individualverfassungsbe
schwerde befasst. Wir Piraten haben dieses Thema bereits bei der Einsetzung der Verfassungskommission auf die Agenda setzen lassen. Der Kollege Sommer und ich haben in den Beratungen und in der Debatte kein überzeugendes Argument vernehmen können, warum man den Bürgerinnen und Bürgern hier dieses Recht verweigert, sich vor dem Verfassungsgerichtshof gegen mögliche Verletzungen der eigenen Grundrechte zu wehren.
Ich möchte vor allen Dingen noch einmal daran erinnern, dass wir vor Kurzem das 70. Landesjubiläum in Nordrhein-Westfalen gefeiert haben. NordrheinWestfalen ist ein Teilstaat der Bundesrepublik mit eigener Gesetzgebung, eigener Exekutive und eben auch eigener Rechtsprechung. Das Bild eines eigenständigen Teilstaats aber ist leider unvollkommen, wenn Nordrhein-Westfalen über keine vollwertige Verfassungsrechtsprechung verfügt. Daher unterstützt meine Fraktion den vorliegenden Gesetzentwurf der FDP und wird ihm zustimmen.
Sehr schade finde ich – damit komme ich auf meine Eingangsworte zurück –, dass ich jetzt weder von der SPD noch von den Grünen gehört habe, dass man so ganz dagegen sei. Man ist auch nicht ganz dafür. Smartgerechte Politik wäre gewesen, zu sagen: Wir machen einen Änderungsantrag, und wir machen diesen Antrag so, dass wir ganz dafür sein können. Dann hätten wir diese Änderung hier durchbringen können. Leider ist das von Rot-Grün in diesem Fall nicht gewollt.
Ein allerletzter Punkt, auch mit der Drohung einer namentlichen Abstimmung im Raum. Mir ist es schon bei anderen Themen aufgefallen – mit Ausnahme
des Punktes „Wahlalter 16“ –: Wir reden hier über Themen aus der Verfassungskommission, und ich finde es sehr schade, dass das Interesse daran so gering ist, dass diese Themen immer nur mit sehr kurzen Redezeiten abgehandelt werden. Natürlich ist uns allen klar, wie die Abstimmung am Ende ausgeht. Aber wenn man in einer Rede von gefühlt 30 Sekunden Länge mal eben so eine Individualverfassungsbeschwerde vom Tisch wischt, dann ist das dem Thema meiner Meinung nach nicht angemessen. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe einige Seiten Rede vorbereitet – und ich gehe direkt zur letzten Seite. Herr Kollege Jostmeier, da mache ich es Ihnen nach. Wenn man nichts mehr zu debattieren hat, muss man natürlich nicht mehr ausschweifend reden.
Wir haben ein, zwei kleinere Punkte, bei denen wir mit den Zähnen geknirscht haben. Besonders hervorzuheben ist die Regelung, nach der es möglich wäre, dass einige Verfassungsrichter länger als zehn Jahre im Amt sind. Wir haben aber am Ende gesagt: Wir werden keiner Modernisierung der Verfassung und der entsprechend gefassten Beschlüsse in der Verfassungskommission im Wege stehen.
Daher werden auch wir diesem Antrag zustimmen, vor allem da wir nun den gemeinsamen Änderungsantrag haben. – Vielen Dank.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Verfassungskommission hat sich intensiv mit der Frage der Quoren bei Volksbegehren und Volksentscheiden beschäftigt. Am Ende hatten wir in der – übrigens von Ihnen gewünschten – Runde der Vorsitzenden Einigkeit und sind als Kompromiss auf 5 % gekommen. Wie so vieles hängt es wieder an dem unsäglichen Satz, alles hinge mit allem zusammen. Das stimmt einfach nicht. Das muss ich immer wiederholen.
Aber einige glauben das hier. Dass das jetzt nicht beschlossen wird, hat am Ende tatsächlich mit Machtkalkül zu tun. Der Gesetzentwurf hätte die letzte Gelegenheit geboten, mehr direkte Demokratie zu schaffen; denn unsere Demokratie hat ein zentrales Defizit. Die Bürgerinnen und Bürger haben theoretisch die Möglichkeit, über Gesetze zu entscheiden. Praktisch haben sie das leider nicht. In anderen repräsentativen Demokratien finden punktuell solche Volksabstimmungen zu Fragen statt, an denen Bürgerinnen und Bürger erhebliches Interesse haben.
Wir müssen uns eigentlich fragen: Warum haben wir bzw. die seit Gründung des Landes Nordrhein-Westfalen regierenden Parteien diese direkte Demokratie bis jetzt immer verweigert? – Behauptet wird teilweise in Deutschland, historisch betrachtet gäbe es schlechte Erfahrungen mit der direkten Demokratie. Allerdings ist genau das Gegenteil der Fall. Wenn überhaupt, dann haben wir schlechte Erfahrungen mit fehlender oder mangelhafter direkter Demokratie. Dass man das den Menschen weismachen möchte, ist allerdings Teil des politischen Spiels.
Jetzt komme ich noch einmal in abgewandelter Form auf meine Kritik von vorhin zurück. Nichts gegen den
Herrn Kollegen Jostmeier. Ich verstehe auch hier einen kurzen Wortbeitrag. Was ich nicht verstehe, ist, dass wir über eine Verfassungsänderung reden. Ich schaue mich kurz um: Ich komme nicht auf 129 Leute. Das heißt, dieser Antrag hat allein durch Nichtanwesenheit keine Chance, angenommen zu werden. Dann ziehe ich ihn hiermit offiziell zurück.
Mein heutiger Marathon! Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die Piraten war und ist die Ausübung direkter Demokratie eines der wichtigsten politischen Ziele. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollten wir ein Handicap bei der Durchführung von Volksbegehren beseitigen, nämlich das der zu kurzen Auslegungsfristen bei der amtlichen Listenauslegung.
Eigentlich müssten wir uns darüber unterhalten, dass Unterschriften auch signiert übers Netz abgegeben werden könnten, aber das ist noch einmal ein ganz anderes Thema.
Die Gespräche in den letzten Tagen haben gezeigt, dass die Realität dann doch leider eher so aussieht,
dass die öffentliche Auslegung dann in irgendeinem Büro des jeweiligen Bürgeramtes bzw. Rathauses stattfindet. Das scheint die Realität zu sein. Von daher hilft uns auch die Fristverlängerung nicht so viel weiter.
Einiges zu schriftlichen Anhörung: Es wurde gerade auch gesagt, dass es dort einhellig die Meinung leider war, dass eine einfache Verlängerung der Auslegungsfrist nicht zielführend ist.
Fehler zuzugeben, halte ich persönlich für eine Stärke. Anscheinend – das hat auch die Debatte gerade nochmal gezeigt – haben wir niemanden von dieser Idee überzeugen können. Niemand ist auf uns zugekommen mit Änderungswünschen. Am Ende muss ich gestehen: Wir müssen an diesem Gesetzentwurf noch einmal arbeiten. Wir werden in der nächsten Legislatur mit einem neuen Gesetzentwurf in dieser Richtung kommen. Ich habe meiner Fraktion keine Abstimmungsempfehlung zu geben und werde selber dem Gesetzentwurf nicht zustimmen. – Danke.
Ich könnte noch kurz etwas trinken gehen, damit das länger anhält.
Das wäre ja meine Uhr, die dann liefe.
Ich kündige an, dass wir diesen Antrag weder zurückziehen noch gegen ihn stimmen werden, denn er ist sehr gut.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und zu Hause! Liberale Gesellschaften sind durch einen wachsenden Meinungspluralismus gekennzeichnet, und das drückt sich nun mal auch im Parteienspektrum aus. Über Jahrzehnte gab es hier im Landtag nur drei Fraktionen, dann vier, jetzt haben wir fünf Fraktionen. In den nächsten Landtag könnten sieben oder acht Fraktionen einziehen. Das alles verändert die politischen Verhältnisse, und dem müsste auch parlamentsrechtlich Rechnung getragen werden, ohne dabei aus dem Blick zu verlieren, dass im Landtag Mehrheiten entscheiden.
Bei der Einsetzung Parlamentarischer Untersuchungsausschüsse gibt es bereits ein Quorum von 20 %. Es wäre daher konsequent, dieses Quorum auch beim Recht auf Einberufung des Landtags und
bei der Erhebung einer abstrakten Normenkontrolle anzuwenden. Der Kollege Jostmeier hat es gerade gesagt: Man sollte Länderparlamente stärken. – Und das heißt, Minderheitenrechte zu stärken, denn sie sind in den Parlamenten ein wichtiges Instrumentarium.
Auch hier gab es einen Kompromiss; darauf haben schon einige hingewiesen. Auch hier hängen wir leider an dem leidigen Satz, alles hinge mit allem zusammen. Eine Einigung ist dann dem politischen Spiel der großen Fraktionen zum Opfer gefallen. Herr Dr. Wolf hat es gerade noch einmal gesagt: Die Sinnhaftigkeit ist unbestritten. – Und wir Piraten geben ja die Hoffnung auf das Gute nie auf: Das Gleiche könnte auch heute hier im Parlament gelten.
Schön wäre, wenn die Menschlichkeit und der menschliche Umgang, den wir gerade in Bezug auf die letzten Reden von Kolleginnen und Kollegen gesehen haben, tatsächlich auch am Ende zu Lösungen führen würden. Herr Jostmeier, Herr Dr. Wolf, alles Gute auch von mir für die Zukunft. Wir haben gerade am gemeinsamen Applaus gesehen, dass sich das alle Fraktionen wünschen. Diesen gemeinsamen Wunsch und das dann auch in die Tat umzusetzen, würde ich mir auch für unseren Antrag wünschen. – In diesem Sinne, vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Zuschauer auf der Tribüne und zu Hause!
Herr Lindner, ich bin mir sicher, dass die Ministerpräsidentin bei meiner Rede auch zuhören wird und dass meine Rede nicht so unwichtig ist, dass die Ministerpräsidentin …
Okay. Dann streichen wir jetzt den nächsten Satz, den ich aufgeschrieben habe. Der wäre dann auch nicht so gemeint gewesen.
Die CDU möchte also Bilanz ziehen. Dann machen wir das doch mal! Das ist ein bisschen Wiederholung von Reden, die wir schon hatten, vor allen Dingen immer bei den Regierungserklärungen; aber so ist das nun einmal, wenn man hier so einen WahlkampfSlot öffnet und eine Schlusslichtbilanz ziehen möchte.
Wir reden über hohe Kinderarmut. Wir reden über hohe Arbeitslosigkeit, kaum Wirtschaftswachstum, bröckelnde Brücken, zerfallende Straßen, Kitakollaps, Verkehrskollaps, ein schlechtes Bildungssystem und kaum Mitwirkungs- und Aufstiegschancen. Das Gleiche haben wir hier schon einmal vor fünf Monaten gesagt.
Ich wiederhole mich weiter: Verwalten statt gestalten, zuschauen statt machen und zurücklassen statt mitnehmen, Abschiebekultur statt Willkommenskultur – das ist die Schlussbilanz der Regierung Kraft/Löhrmann im Jahr 2017.
Was aber viel wichtiger wäre, ist die Frage: Wo wollen wir denn eigentlich hin? Wie wollen wir denn in 20 Jahren leben, und was müssen wir heute dafür tun? Das sind die entscheidenden Fragen, die wir hier beantworten müssen. Wir Piraten haben in dieser Legislaturperiode dazu viele Antworten geliefert – nur zuhören wollte leider fast niemand.
Und wenn ich jetzt lese, dass die CDU eine rot-grüne Schlusslicht-Bilanz zur Debatte stellt, dann darf doch wohl bezweifelt werden, ob eine schwarz-gelbe Schlussbilanz wesentlich besser ausfallen würde. Ich gebe ein paar Beispiele.
Beispiel Innenpolitik: Sie fordern mehr Polizisten auf die Straße, aber Sie sagen nicht, wie Sie das bezahlen wollen – im Gegenteil. Sie sind vehement für die Einhaltung der Schuldenbremse. Damit bremsen Sie
am Ende auch die Sicherheit aus, denn mehr Polizisten kosten einfach mehr Geld.
Stattdessen wollen Sie moderne Instrumente nutzen. Gut, nicht jeder kann „predictive“ von „preventive“ unterscheiden. Deswegen wollen Sie Predictive Policing. Wo das endet, wissen wir alle: Menschen in so glibberigen Wassertanks und „Entschuldigen Sie, ich muss Sie festnehmen, Sie würden nächste Woche einen Mord begehen“. – Schutzhaft und lebenslänglich präventiv. Dazu sage ich: Nein, das brauchen wir nicht, einfach nein!
Was wir brauchen, ist tatsächlich mehr Manpower auf der Straße, und zwar ansprechbar, schnell am Geschehen, und wir brauchen noch Manpower, die frei ist, um letztlich die Taten, die begangen wurden, auch aufzuklären, damit die Rate wesentlich besser wird.
Beispiel Wirtschaft: Sie wollen – Zitat – „Unternehmen Freiräume zurückgeben“, was eigentlich doch nichts anderes heißt als Abbau bei Arbeitnehmerrechten und Abbau von Standards, zum Beispiel beim Umweltschutz. Ich sage: Nein, einfach nein. Das brauchen wir auch nicht.
Was wir brauchen, ist der Glasfaserausbau. Und wir brauchen die notwendige Infrastruktur, damit es in 20 Jahren den Mittelstand auf dem Land überhaupt noch geben kann.
Beispiel Mobilität: Sie schreiben in Ihren Antrag von mehr und mehr Straßen, Straßenneubau und Straßensanierung. Radwege, der ÖPNV, die Schiene allgemein oder Wasserwege kommen in Ihrem Antrag überhaupt nicht vor, nicht mit einem Wort. Bei Ihnen steht man lieber freudestrahlend fünfspurig im Stau. Und auch dazu sage ich: Nein, einfach nein.
Was wir brauchen, wäre: Güter runter von der Straße. Wir brauchen einen fahrscheinfreien ÖPNV, der Spaß macht, wir brauchen schnelle Genehmigungsverfahren für Tests mit selbstfahrenden PKW, Bussen und LKW.
Beispiel Kinderarmut: Sie wollen einfach mehr Arbeitsplätze. Seit 2012 hören wir hier immer wieder: Arbeitsplätze, Arbeitsplätze, Arbeitsplätze. Dabei werden die Arbeitsplätze qualitativ und quantitativ nachgewiesenermaßen immer weniger. Bessere Wirtschaftspolitik bekämpft Ihrer Meinung nach Kinderarmut. Ich sage: Nö, einfach nein.
Was wir bräuchten, wäre, dass Kinderarmut endlich vom Kind aus gedacht wird. Wir brauchen eine Kindergrundsicherung in NRW, denn nur damit bekommen wir echte Chancengleichheit, und zwar für alle Familien, auch die wirtschaftlich ärmeren.
Beispiel Kitas: Sie wollen – Zitat – passgenaue Angebote für Eltern schaffen. Das steht in Ihrem Antrag. Sie wollen mehr U3- und Ü3-Betreuungsplätze. Damit sollen die Eltern wahrscheinlich schön ihrem Arbeitsplatz und damit der Wirtschaft zur Verfügung stehen. Auch da sage ich: Nein, einfach nein.
Was wir brauchen, ist keine Betreuung, sondern wir brauchen qualitativ hochwertige Bildung, und zwar vom ersten Schritt in die Kita an. Kostenfreie Kitas sind keine Verwahrstationen mehr. Das sind keine Halbtagskitas wie damals in den 60er-Jahren oder Ähnliches. Wir brauchen keine passgenauen Angebote für Eltern, sondern wir brauchen passgenaue Angebote für Kinder.
Jedes Jahr verlieren wir die Chance, ungefähr 150.000 Schulanfängern vernünftige Rahmenbedingungen zu geben, und damit verbauen wir ihre Zukunftschancen.
Beispiel Schule: Sie wollen eine bessere Ausstattung an Schulen, mehr Personal, zum Beispiel Schulverwaltungsassistenten oder Schulsozialarbeiter. Aber Sie wollen auch mehr Ausstattung zur – Zitat – Nutzung von digitalen Medien.
Und hier gebe ich Ihnen das erste Mal recht: Das ist ein Teilbereich und ein Baustein für eine bessere Bildung. Aber Sie haben eben auch G8 eingeführt, und Sie wollen Lehrer entlassen bei der Inklusion. Ich übersetze das mal kurz: Das bedeutet Verlangsamung oder Rücknahme der Inklusion. Und auch da sage ich einfach nur: Nein.
Was wir brauchen, ist die Möglichkeit zur Rückkehr zu G9. Wir brauchen ein ganzheitliches Konzept zur Digitalisierung und nicht einfach nur eine bessere Ausstattung. Wir brauchen das Pflichtfach Informatik. Wir müssen offene Lehrmittel fördern. Wir müssen die Inklusion stärken, statt sie zu schwächen. Außerdem muss Bildung endlich mal als Investition in die Zukunft angesehen werden; denn jeden Cent, den wir heute in vernünftige Bildung stecken, bekommen wir in der Zukunft vielfach zurück – in Euro, aber auch in freieren, selbstdenkenden und am Ende glücklicheren Menschen.
Und was wir noch bräuchten, um die Bilanz der Landesregierung ins Positive zu drehen: Wir brauchen eine schnellere Wende in der Energiepolitik: endlich verbindlich raus aus der Braunkohle mit einem Braunkohleausstiegsgesetz! Das Energieland Nummer eins muss auch Erneuerbare-Energien-Land Nummer eins werden.
Aber wir müssen auch andere Sektoren einbeziehen, zum Beispiel die Elektromobilität. Hier kann die Landespolitik sofort fördern, zum Beispiel bei der Infra
struktur. Auf jedes landeseigene Gebäude gehört Fotovoltaik, und vor jedes landeseigene Gebäude gehören Parkplätze mit entsprechenden Ladestationen, und nicht nur hier am Landtag als Placebo. Die Teststrecken habe ich schon erwähnt. Dann könnte das Land die eigene Flotte und auch die Flotte der Kommunen konkret beeinflussen. Über den Ankauf wollten Sie beim letzten Mal nicht reden.
Langfristig müssen wir darüber reden – damit komme ich zum Ende –, ob die Digitale Revolution nicht eine soziale Revolution ist. Wir müssen darüber nachdenken, wie unser Sozialsystem in 20 Jahren auszusehen hat, wenn die Maschinen immer mehr unsere Arbeit übernehmen. Diese sozial-digitale Revolution müssen wir mit den Menschen und für die Menschen gestalten.
Fangen Sie an, eine Politik für morgen zu machen und nicht nur bis zur nächsten Wahl, dann wird aus der Schlusslicht-Bilanz auch eine vernünftige
Schlussbilanz. – Danke.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Tribüne und zu Hause! Ich muss mit dem Wortbeitrag und dem Antrag der CDU anfangen, der leider erst heute hereinkam. Sie haben lange daran geschrieben, um Unterschiede herauszuarbeiten. Leider zeigt der Antrag,
dass das Ziel nicht ist, einen vernünftigen Gegenantrag zum rot-grünen Antrag oder zum FDP-Antrag zu stellen, sondern noch einmal eine Tonalität aufzulegen, die ganz klar in Richtung einer eigenen Zielgruppe geht.
In der Rede wurde gerade gesagt, man dürfe nicht einfach nur gegen die Türkei schimpfen. Aber es kommt in einem solchen Antrag immer auf die Tonalität an. Wenn ich lese, dass jede Veranstaltung, die der Vorbereitung des Referendums dient, sorgfältig geprüft und nötigenfalls verboten werden soll, dann ersehe ich daraus, dass es die CDU nicht so mit der Meinungsfreiheit hat.
Denn „jede Veranstaltung“ meint auch Veranstaltungen – wir haben vorgestern darüber geredet – von eingebürgerten türkeistämmigen Deutschen, die sich zusammentun, um über dieses Referendum zu reden und auch gegen dieses Referendum zu reden. Da ist Ihr Antrag viel zu unscharf. Die Meinungsfreiheit darf nicht eingeschränkt werden.
Gerade wurde gesagt, man dürfe nicht, wie von der FDP gefordert, tatsächlich das Einreiseverbot für türkische Regierungsmitglieder fordern. In Ihrem Antrag steht: Der Landtag unterstützt die Bundesregierung in ihrer Haltung, dass die Einreise unerwünscht sei. – Gerade wir in Deutschland sollten wissen, dass man sich der Anfänge erwehren muss und dass man Despoten nicht darum bittet, dass sie nicht hier auftreten,
sondern dass man klare Kante zeigt und ganz klar sagt: Ihr seid und eure Auftritte sind hier nicht erwünscht. Deswegen schließen wir euch aus. – Und nicht: Wir bitten euch darum, nicht hierhin zu kommen.
Deswegen muss dieser Antrag abgelehnt werden.
Meine Damen und Herren, der FDP-Antrag hat uns recht gut gefallen. Er zeigt klare Kante. Nur eine Sache habe ich in dem Antrag vermisst, Herr Kollege Dr. Stamp, nämlich nur einen einzigen Satz zur Solidarität mit den in der Türkei inhaftierten Menschen.
Das ist ein bisschen wenig. So sehr ich auch die Grundrichtung verstehe, so sehr ich für die Solidarität, die einen Satz später ausgedrückt wird, mit den Niederlanden bin – wie da die Gewichtung ist und wer da wie solidarisch ist, ist immer schwer zu sagen – und so sehr ich die Tonalität gut finde, fehlt mir am Ende ein Bekenntnis dazu, warum wir das überhaupt machen und warum wir türkische Regierungsmitglieder hier nicht sprechen und auftreten lassen sollen.
Denn – ich komme noch einmal auf die CDU zurück – wir haben am Mittwoch hier gehört, dass das Problem mit den Türken hier darin bestehe, dass sie sich nicht einbürgern lassen wollten. Deswegen geben wir ihnen nicht das kommunale Wahlrecht, weil wir sonst bald die AKP hier sitzen hätten. Der wichtigste Punkt – das Signal muss von hier gesendet werden – ist: Nicht jeder Türke ist AKP-Türke, und nicht die ganze Türkei ist eine AKP-Türkei.
Bezeichnend ist übrigens, dass alle außer der CDU klatschen, aber sei’s drum.
Das ist der wichtigste Hintergrund. Wenn wir über Türken reden, reden wir nicht über eine homogene Masse, sondern wir reden von Menschen, die für Erdogan sind, die gegen Erdogan sind, die das Präsidialsystem gut finden – sogar in Deutschland, wo sie unsere Vorteile der Meinungsfreiheit, des offenen Journalismus, der demokratischen Mitbestimmung usw. haben. Sogar hier können Menschen dafür sein, dass es in einem anderen Land ein anderes Regierungssystem gibt.
Ich bin – das ist der Punkt, und deswegen stimmen wir dem rot-grünen Antrag zu; übrigens, Herr Kollege Körfges muss man nicht auf jedem Antrag stehen, den man gut findet – aus der Kirche ausgetreten. Das heißt, ich muss mich nicht mehr so sehr an die christlichen Werte halten. Eine Demokratie muss nicht immer die andere Wange hinhalten, sondern kann irgendwann ganz klare Kante zeigen und sagen: So nicht! Mit euch nicht! Das ist hier unerwünscht! Werbung für ein System, das die Demokratie abschafft, ist hier unerwünscht. Wir wollen AKP-Türken nicht bei Wahlkampfauftritten in der Bundesrepublik und in unserem Land Nordrhein-Westfalen haben. – Vielen Dank.
Das ist nett, Herr Kollege Laschet, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. Dann kann ich auf die Kurzintervention verzichten.
Habe ich das jetzt gerade richtig verstanden? Vielleicht können Sie das richtigstellen. So wie Sie es gerade formuliert haben, haben Sie quasi gesagt, jeder Türke, der sich in Deutschland nicht einbürgern lassen will, tut das, weil er AKP-Anhänger ist.
Das hat der Kollege Laschet gerade gesagt. Stehen Sie zu dem, was Sie gerade gesagt haben, die Türken, die sich nicht einbürgern lassen, tun das aus Türkeiliebe, tun das aus Liebe zu Erdogan?
Vielen Dank, Herr Präsident! – Es ist schon ein bisschen ungewöhnlich, von einem Liberalen zu hören, Wahlrecht sei ein Bürgerrecht. – Wahlrecht ist ein Grundrecht, Wahlrecht ist ein Menschenrecht, und jeder, der liberal denkt, müsste doch dieser These zustimmen. – Ich verstehe einfach nicht, wie man sagen kann: Wir sind nicht mutig, wir trauen uns hier nicht, über das kommunale Wahlrecht für Nicht-EU-Ausländer zu reden.
Ich wollte mich eigentlich an der FDP und an der CDU abarbeiten. Das haben jetzt schon die Kollegen von SPD und Grünen getan; das muss ich nicht mehr machen. Es wurde gesagt, die FDP sei bis vor zwei Jahren noch dafür gewesen, auf einmal sei sie dagegen. Ja, ich erkenne an, dass Sie hier auf der Wiese gestanden und bei der Demonstration der Integrationsräte gesagt haben: Was wir brauchen, ist eine Gesetzesänderung im Bund. – Ein bisschen machen Sie sich da ja gemein mit der CDU. Auch der Kollege Laschet hat gerade gesagt: Das ist verfassungswidrig, wir müssen das Grundgesetz ändern.
Erstens. Herr Kollege Laschet, Ihre Partei sitzt im Bund an der Regierung; dann ändern Sie doch das Grundgesetz, wenn Sie das wirklich wollen! Und dann kümmern Sie sich darum, dass wir das in Nordrhein-Westfalen ohne Bedenken können.
Zweitens. Es ist ein scheinheiliges Argument, zu sagen: Wer hier wohnt und hier wählen will, der sollte sich, verdammt noch, mal einbürgern lassen denn damit werden die Räte vor AKP-Anhängern geschützt. – Sehr geehrter Kollege Laschet, ich schreibe Ihnen einen einzigen Satz in Ihr Stammbuch: Die Staatsangehörigkeit schützt vor ErdoWahn nicht. Und jeder, der hier in den Rat will, der lässt sich einbürgern und unterstützt trotzdem Erdogan in der Türkei. Wo ist denn das Problem? Dieses Argument ist absolut null und nichtig. Und das ist Ihr einziges Argument.
Herr Kollege Lindner, wir haben nicht im Hauptausschuss darüber geredet, sondern in der Verfassungskommission; ist aber egal. Das sind so Feinheiten; die muss man nicht wissen.
Ja, es gab eine Sitzung im Hauptausschuss, bevor wir das wieder hier ins Plenum gebracht haben. – Sie haben von langen Beratungen geredet. Na ja!
Beide – CDU und FDP – sagen doch, die Gesetzesänderung sei verfassungswidrig, und Sie sagen das mit dem Brustton der Überzeugung. Wir haben aber genau zu diesem Punkt in der Verfassungskommission eine Anhörung gehabt, und in dieser Anhörung wurde das eben nicht bestätigt. Da wurde gesagt,
dass das Urteil von 1990 heute komplett anders ausfallen könnte und dass man deswegen auch durchaus den Schritt wagen könnte, dieses Wahlrecht durch ein Länderparlament zu gewähren, damit sich das Bundesverfassungsgericht damit eben noch einmal beschäftigen kann.
Ich kann das nur wiederholen. Das Zitat lautet „Seien Sie mutig“. Aber ich habe selten eine Truppe gesehen, die so wenig Mut hat wie die, die hier auf der rechten Seite sitzt.
Wir haben in Nordrhein-Westfalen – um auch mal die Statistik zu bemühen – knapp 18 Millionen Einwohner. 2,3 Millionen davon – das sind ca. 13 % – haben eine ausländische Staatsbürgerschaft. Davon sind 505.531 Türken; Stand: Mitte Juni letzten Jahres. Übrigens sind in der Zahl die im Jahr 2015 Zugewanderten schon enthalten.
Knapp 1,4 Millionen der hier wohnenden Ausländer leben länger als acht Jahre in NRW. 914.934 Ausländer – das sind etwas über 40 % – leben länger als 20 Jahre in Nordrhein-Westfalen. Und Sie sagen: „Die wollen sich hier nicht integrieren“? Und Sie stempeln die alle zu AKP-Anhängern ab. – Das ist ein so scheinheiliges Argument, da weiß ich nicht mehr, wo vorne und wo hinten ist!
Sie benutzen aktuelle innertürkische politische Ereignisse – das sagen Sie der Presse; ich habe es heute Morgen der Presse entnehmen müssen – als Argument gegen ein Ausländerwahlrecht, über das schon seit 30 Jahren diskutiert wird. Wahlrecht ist ein Grundrecht, und Wahlrecht darf nicht von tagesaktuellen politischen Ereignissen abhängen. Wo kämen wir denn da hin, wenn man sagt: „Es gibt jetzt Studentenproteste; wir entziehen jetzt allen Studenten mal das Wahlrecht“? Was ist denn das für eine Logik, zu sagen: „Weil heute in dem einem Land etwas Bestimmtes passiert, geben wir den Menschen in dem anderen Land eben kein Wahlrecht“! Das ist ein absolutes Un-Argument!
Ich komme zum letzten Punkt. Gerade habe ich die Zahl genannt: 40 % der hier wohnenden Ausländer leben hier länger als 20 Jahre. Wir unterstützen die Initiative „HIER wo ich lebe, will ich wählen!“. Wir reden nicht über ein Bundestags- oder ein Landtagswahlrecht, sondern über das kommunale Wahlrecht.
Wo die Menschen leben, wo sie ihre Steuern bezahlen, wo sie über die Straße fahren und wo über den Poller in der Straße im Stadtrat abgestimmt wird, da wollen wir den Menschen das Wahlrecht geben – und nicht mehr. Das wäre eine sehr kleine Änderung, die so viel bewirken könnte!
Mein Wunsch wäre, dass wir die Integrationsräte nicht mehr brauchen und dass wir sie mit dem heutigen Tag abschaffen. Denn die Integrationsräte brauchen wir nur deswegen, weil die...
Wenn ich meinen Satz eben zu Ende führen darf.
Dann bitte die Zwischenfrage. Danach werde ich zu meinen letzten Ausführungen kommen.
Wenn ich die Frage richtig verstanden habe, lautet sie: Wie kommt es dazu, dass die Tagesordnungspunkte getauscht wurden?
Das war die Frage am Anfang, tut mir leid.
Das kann ich beantworten. Dazu kam es, weil wir, die Redner, dem zugestimmt haben; denn es geht beim kommunalen Ausländerwahlrecht eben nicht um die Türkei.
Diese beiden Tagesordnungspunkte sind für mich klar voneinander zu trennen. Deswegen habe ich dieser Änderung zugestimmt.
Frau Kollegin Beer, das passt sehr gut, weil mir der Präsident dann nicht meinen letzten Satz klauen muss.
Wir stehen zur Lebensmittelpunkt-Regelung. Die Flüchtlingsbewegung von 2015 nach Deutschland jetzt dazu zu benutzen zu sagen: „Wir wollen das kommunale Ausländerwahlrecht nicht, denn diese Leute wollen sich nicht integrieren, und wir haben jetzt plötzlich viel mehr Ausländer hier“, hat nichts mit diesen fünf Jahren zu tun. Das hat nichts mit der Flüchtlingsbewegung zu tun.
Ich kann es nur so verstehen, dass die FDP an ihrem rechten Rand Stimmen sammeln muss. Ansonsten würde sich ein Liberaler nicht hierhinstellen und diese Argumente bringen. – Vielen Dank.
Vielen Dank. – Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren auf der Tribüne und zu Hause! Ich mache es kurz. Ich möchte nicht sachlich zum Thema reden, sondern ich möchte zur Volksinitiative reden, die ja nun einmal auf der Tagesordnung steht und bei der wir vor allen Dingen über Punkt 2 abstimmen, wonach sie abschließend behandelt ist.
Der Kollege Rohwedder hat es gerade schon gesagt. Im Grunde genommen ist die Behandlung einer solchen Volksinitiative, zu der immerhin 120.000 Unterschriften gesammelt worden, in diesem Landtag schändlich. Wir reden hier in der Debatte darüber. Wir haben im Ausschuss darüber geredet. Es müsste aber ein viel intensiverer Prozess in Gang gesetzt werden. Noch schlimmer war es bei der anderen Volksinitiative „G9 jetzt in NRW“, wozu nur die Initiative selbst geredet hat. Im Ausschuss wollte sich dazu noch nicht einmal jemand äußern.
Wir haben eine lange Diskussion zum Abstimmungsverhalten gehabt. Wir finden es schade, dass wir es in der Verfassungskommission nicht geschafft haben, dass die Unterschriften übernommen werden können; denn garantiert wird auf diese Volksinitiative ja ein Volksbegehren folgen.
Noch eines: Ich finde es außerdem schade, dass es – das gehört zu dieser schändlichen Behandlung – hier einer namentlichen Abstimmung bedarf, damit dieser Antrag eine solche Aufmerksamkeit bekommt. Wenn ich sehe, wie viele hier am Anfang gesessen haben und wenn ich die jetzt nach und nach hereintröpfelnden Kolleginnen und Kollegen sehe, finde ich es schade, dass wir über diesen Gesetzentwurf nicht von Anfang an in größerer Runde geredet haben. – Vielen Dank.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und zu Hause! Ich mache es relativ kurz. Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir erreichen, dass die Quoren in der Landesverfassung im sogenannten parlamentarischen Betrieb, sprich: für die Zusammenkunft des Landtags und auch für Verfassungsbeschwerden beim Verfassungsge
richtshof, auf ein Fünftel der Mitglieder des Landtags vereinheitlicht werden.
Diese Gesetzesinitiative hat zwei Begründungen:
Erstens. Am Ende haben wir in der Verfassungskommission in sehr vielen Bereichen Kompromisse gefunden. Leider – das muss ich immer wieder sagen, wenn wir über die einzelnen Verfassungsanträge reden – kam dann der verheerende Spruch: Alles hängt mit allem zusammen. – Und vieles, bei dem wir uns eigentlich einig waren und sehr weit aufeinander zugegangen sind, ist am Ende nicht umgesetzt worden und hat es nicht in das Ergebnis der Verfassungskommission geschafft. Unter anderem sind die „Quoren im parlamentarischen Betrieb“ einfach untergegangen.
Zweitens. Wir diskutieren auch über andere unberücksichtigt gebliebene Punkte – Wahlalter, Individualverfassungsbeschwerde, Volksgesetzgebung –, für die
es im Abschlussbericht ein schönes Zitat gibt: Insoweit konnte keine Gesamtlösung gefunden werden.
Viele andere Angelegenheiten sind wahrscheinlich viel wichtiger und interessieren die Menschen da draußen viel mehr als diese 20 % im parlamentarischen Betrieb. Aber sie sind am Ende wichtig. Wenn ich über andere Dinge rede, wäre es zum Beispiel viel wichtiger, das Wahlalter jetzt aus der Verfassung zu nehmen, um hinterher darüber diskutieren zu können: Wahlalter ab 16, Wahlalter ab 18 – wohin wollen wir eigentlich?
In all diesen Punkten haben wir kein zufriedenstellendes Ergebnis, obwohl wir eigentlich Kompromisse hatten: Wir sind dafür – das wissen Sie –, das Wahlalter auf 16 Jahre zu senken. Aber damit das möglich ist, müssen wir es aus der Verfassung nehmen. Das Gleiche gilt für die Volksgesetzgebung. Wir hatten Konsens, aber am Ende gab es keine Umsetzung. Das Gleiche gilt für die Individualverfassungsbeschwerde. Eigentlich sind wir aufeinander zugekommen, und am Ende gab es kein Ergebnis.
Aber diese 20 % haben tatsächlich eine ganz klare Auswirkung. Gerade heute wurde vom Bundesgerichtshof entschieden, dass die beiden kleineren Parteien im Bundestag – Bündnis 90/Die Grünen und die Linkspartei – nicht das Recht haben, im NSAUntersuchungsausschuss die Befragung von
Edward Snowden in Deutschland zu beantragen. Denn sie kommen nicht auf das im Bundestag erforderliche Viertel der Abgeordneten.
Bei einem Fünftel der Abgeordneten hätten sie diese Hürde tatsächlich genommen und könnten diese Befragung beantragen. Das ist gerade heute aktuell und zeigt, wie wichtig es ist, gerade in Zeiten Großer Koalitionen, gerade in Zeiten, in denen es mehr Fraktionen in Parlamenten gibt, zu verhindern, dass eine zu hohe Hürde im parlamentarischen Betrieb dazu führt, dass am Ende die kleinen Parteien nur noch schmückendes Beiwerk sind und ihre Rechte an der Tür abgeben müssen.
Ich mache es kurz. Eigentlich sind wir bei dem Thema am Ende bei einem Kompromiss gelandet. Lassen Sie uns dieses Thema und auch alle anderen Themen, bei denen wir eigentlich aufeinander zugekommen sind, entknüpfen! Lassen Sie uns das einzeln beschließen, damit wir wenigstens ein paar Punkte haben! Wir sind aufeinander zugegangen. Jetzt müssen wir uns nur noch die Hand reichen und am Ende die Hand für diese Vorschläge heben, die im parlamentarischen Prozess sind. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident! Ich mache es ganz kurz. Ich hätte jetzt damit gerechnet, dass die eine oder andere Fraktion
hier sagt, dass sie zwar dem Kompromiss zugestimmt hat, dieser Sache aber nicht zustimmt. Abgesehen vom Kollegen Engstfeld, der eigentlich mehr möchte, als wir jetzt vorgeschlagen haben, hat niemand gesagt, dass er die 20 % nicht in irgendeiner Form mittragen könnte. Ich bin da ein bisschen überrascht.
Ich glaube, egal wie spät es ist: Wenn wir uns alle einig sind – es liegt noch eine Plenarphase vor uns –, dann ist es nicht an uns Piraten, den Menschen draußen zu erklären, warum sich hier im Plenarsaal alle einig sind und am Ende dagegen stimmen. Das müsst ihr dann draußen erklären. – Danke.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer hier im Saal und zu Hause! Wir haben wieder einmal Anträge von CDU und FDP vorliegen, die hier das Abendland retten wollen. Sie machen sich dafür stark, dass die Maghrebstaaten sichere Herkunftsländer werden sollen, wie wir gerade gehört haben. Große Überraschung, Applaus, Applaus: Wir haben Wahlkampf, Law and Order rückt in den Vordergrund. Wer hätte das gedacht?
Ja, auf den Zwischenruf, das alles diene nur der inneren Sicherheit, das sei gar kein Wahlkampf, habe ich quasi gewartet. Natürlich ist das alles total ernst gemeint.
Wie gut die Kooperation mit den nordafrikanischen Ländern funktioniert, haben wir gesehen, als versucht wurde, den Berliner Attentäter, dessen Namen ich hier extra nicht nenne, abzuschieben. Wenn das bei derart klaren Fällen schon nicht funktioniert, dann funktioniert das natürlich auch bei allen anderen Fällen! Das leuchtet ein – nicht!
Das Konstrukt mit den sogenannten sicheren Herkunftsstaaten ist ein stumpfes Schwert. Wir können fast schon glücklich sein, dass Sie hier nur mit stumpfen Schwertern fuchteln; das macht es einfacher, etwas dagegenzuhalten. Herr Lürbke hat es vorhin gesagt, und ich finde, es ist entlarvend, wenn er davon spricht, dass der Antrag, sofern er angenommen würde, ein „Symbol mit Signalwirkung“ sei. Da kann man sich ja fast freuen, wenn wir es nicht mit noch anderen Anträgen zu tun haben.
Ich halte Sie nicht für dumm, denn dann würde ich es mir zu einfach machen. Sie wissen sehr wohl, dass die Einstufung als sichere Herkunftsstaaten überhaupt keine wirkliche Verbesserung darstellen würde. Bei allem, was Sie hier tun, stellt sich die Frage, warum Sie das machen. Ich denke, die Antwort ist so bösartig, wie sie unmoralisch ist: Sie wollen Stimmen fangen, und zwar die Stimmen am rechten Rand.
Dafür sind Sie bereit, Bürger aus drei Staaten …
… generell zum Sicherheitsrisiko zu erklären.
Es ist Ihnen schlicht egal, …
Die Sachargumente muss ich nicht wiederholen.
Ich sage Ihnen lieber, warum Sie meiner Meinung nach diesen Antrag stellen. Es ist Ihnen schlicht egal, wenn Marokkaner, Algerier, Tunesier unter Generalverdacht gestellt werden. Es ist Ihnen egal – das haben Sie hier gestern sogar noch einmal verteidigt –, wenn die Menschen in Köln zu Silvester nur wegen ihres Aussehens eingekesselt werden.
Unerhört, ja, ja. – Wir hatten diese Diskussion gestern hier; genau das haben Sie gestern hier gemacht: Sie haben gesagt, das sei alles Quatsch, und so, wie es gelaufen sei, wäre es völlig in Ordnung gewesen. Das waren Ihre Worte.
Es ist Ihnen übrigens auch egal, wenn Begriffe wie „Maghrebviertel“ oder „No-Go-Areas“ für die Bereiche definiert werden, in denen diese Menschen leben. Dort herrscht ja vermeintlich Gefahr, wogegen man unbedingt etwas tun muss. Es ist Ihnen auch völlig egal, dass es inzwischen nachweislich mehr Übergriffe auf diese Menschen gibt, auch auf diejenigen, die hier einfach nur friedfertig ihr Leben leben wollen.
Aber nicht nur das – ich glaube sogar, dass Sie durch das fortwährende Stellen solcher Anträge und dadurch, dass Sie immer und immer wieder dieselben Forderungen erheben, solche Angriffe und die Egal-Einstellung legitimieren.
Sie opfern den Ruf der Menschen aus den Maghrebstaaten auf dem Altar der Wählerstimmen. Sie können wiederholt sagen, das sei kein Wahlkampf – die Tatsache, dass Sie wiederholt so vorgehen, ist schon ein klares Zeichen.
Aber das wird nicht funktionieren, genauso wenig, wie das Konzept mit den „sicheren Herkunftsstaaten“ funktionieren und dabei helfen wird, dass sich Menschen hier wieder sicherer fühlen. Ebenso wenig werden Sie die rechten Stimmen vom Original abgraben. Alles, was Sie tun, ist, dass Sie noch mehr Angst und Unsicherheit verbreiten. Damit feuern Sie meiner Meinung nach nur den Fremdenhass an.
Willkommen in Deutschland des Jahres 2017! Wir Piraten werden solchen Mist natürlich ablehnen. – Vielen Dank.
Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und zu Hause! Das Bundesverfassungsgericht ist das Staatsorgan, das nach Umfragen von Meinungsforschungsinstituten regelmäßig die größte Zustimmung bekommt, das größte Vertrauen, das größte Ansehen in der Bevölkerung genießt, und zwar mit großem Abstand vor Parteien und auch vor Parlamenten. Das mag diverse Gründe haben, aber zwei Gründe scheinen mir offensichtlich:
Erstens. Das Bundesverfassungsgericht ist …
Wenn Sie dazwischenrufen, müssen Sie so laut rufen, dass ich es auch höre, oder das Knöpfchen da drücken.
Sehr gut!
Also, das mag diverse Gründe haben. Zwei Gründe scheinen mir offensichtlich:
Erstens ist das Bundesverfassungsgericht unabhängig in seiner Urteilsfindung, das heißt vor allen Dingen unabhängig von Parlamenten und unabhängig von Parteien.
Zweitens sind die Urteile des Bundesverfassungsgerichts regelmäßig nachvollziehbar, und sie sind gut
begründet. Auch Vertreter der Politik bezeugen ja regelmäßig, dass sie die Urteile und die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts respektieren.
Umso erstaunlicher ist es für uns, dass sich vier Fraktionen dieses Landtags – die SPD-Fraktion, die CDUFraktion, die Grünen-Fraktion und die FDP-Fraktion – eben nicht an das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2000 halten, und das, obwohl der Landesrechnungshof von Nordrhein-Westfalen ausdrücklich und mehrfach darauf hingewiesen hat, dass das bitte Beachtung finden soll.
Das Verhalten der anderen Fraktionen wird aber schnell erklärbar, wenn man das Urteil selbst betrachtet. Da heißt es nämlich – ich zitiere –:
„… ergänzende Entschädigungen für die stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden, für die parlamentarischen Geschäftsführer der Fraktionen und für die Ausschussvorsitzenden sind … mit dem Verfassungsrecht unvereinbar. Sie verstoßen gegen die Freiheit des Mandats und den Grundsatz der Gleichbehandlung der Abgeordneten.“
Alle vier gerade genannten Fraktionen zahlen im Widerspruch zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts erhebliche Entschädigungen für die dort genannten Funktionen: die SPD etwa 490.000 € im Jahr, die CDU etwa 450.000 € im Jahr und die FDP-Fraktion sogar den größten Batzen, wenn man das einmal auf die SPD-Fraktion hochrechnet, nämlich 192.000 €. Wenn ich das addiere, ist das fast 1 Million € an Sonderzulagen. Nur die Grünen stechen ein bisschen heraus – nach unten, fast schon löblich – mit 62.400 € Zulagen im Jahr. Und dann gibt es noch eine fünfte Fraktion, das sind diese Piraten. Die zahlen keine Zulagen und halten sich an das Urteil.
Warum tun wir das? Weil wir die Nichtbeachtung eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts für skandalös halten.
Damit wird wieder einmal die Arroganz der Macht ausgedrückt, und man nährt damit einfach weiterhin den Topos der finanziellen Selbstbedienung von Abgeordneten. Gelesen habe ich, das sei eine „strukturelle Maßlosigkeit“!
Aber noch skandalöser sind dann die Rechtfertigungsversuche – verbal-juristisch. Da heißt es: Für den Landtag in NRW sind ja keine gesetzlichen Entschädigungen vorgesehen, und deswegen ist das alles völlig in Ordnung; denn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts bezieht sich auf gesetzlich festgelegte generelle Entschädigungen. Vermutlich werden das gleich auch einige Juristen sagen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist aber eindeutig. Die genannten Entschädigungen sind verfassungswidrig. Damit wäre nämlich – ich zitiere noch einmal –
„… das Tor geöffnet zu einem differenzierten, Abhängigkeiten erzeugenden oder verstärkenden Entschädigungssystem, das … als unvereinbar mit dem Grundsatz der Abgeordnetengleichheit …“
Es kommt also überhaupt nicht darauf an, welche Quelle die verfassungswidrigen Entschädigungen haben.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen sofort diese Sonderzahlungen … Sie müssen sofort diese Sonderzahlungen einstellen. Sie müssen unserem Antrag zustimmen. Sie müssen so das Vertrauen der Bürger in Sie, aber auch in die Durchführung der Urteile des Bundesverfassungsgerichts wiederherstellen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer auf der Tribüne und im Livestream! Für die Piraten war und ist die Ausübung direkter Demokratie eines der wichtigsten politischen Ziele. Wir glauben, dass jeder Bürger und jede Bürgerin das Recht hat, unmittelbar an der politischen Willensbildung teilzunehmen. Wir fürchten die Bürgerinnen und Bürger nicht, sondern wir ermuntern sie, sich in demokratischer, in rechtstaatlicher Weise an der Diskussion und an der Entscheidung von Gemeinwohlfragen zu beteiligen.
Für uns ist dabei klar, dass die Ausübung direkter Demokratie nicht zu einer Verdrängung der parlamentarischen Demokratie führen wird, sondern zu ihrer konstruktiven Ergänzung. Die Institute des Volksbegehrens und auch des Volksentscheids sind die richtigen Mittel dazu.
Die Landesverfassung von Nordrhein-Westfalen normiert in Art. 2: „Das Volk bekundet seinen Willen durch Wahl, Volksbegehren und Volksentscheid“ und in Art. 3 Abs. 1: „Die Gesetzgebung steht dem Volk und der Volksvertretung zu.“ – Die weitere landesverfassungsrechtliche und einfachgesetzliche Ausgestaltung von Volksbegehren und Volksentscheid ist jedoch nicht ausreichend.