Protocol of the Session on June 24, 2015

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich heiße Sie ganz herzlich willkommen zu unserer heutigen, der 87. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Vertreterinnen und Vertretern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich sechs Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wie Sie unschwer erkennen und auch schon in der Vorbereitung auf den heutigen Plenartag in den Fraktionen erfahren haben, steht heute in der Mitte des Plenarsaals eine sehr außergewöhnliche Kamera. Wir werden während des kompletten Plenartages Aufnahmen von unserer Sitzung fertigen lassen, die wir später für den neuen Film über das Parlament und die parlamentarische Arbeit im Landtag Nordrhein-Westfalen, den wir für das Besucherzentrum benötigen, nutzen. Lassen Sie sich bitte nicht irritieren! Diejenigen, die die Kamera bedienen, haben versprochen, das so unauffällig wie möglich zu machen, aber der Standort der Kamera wird während der Plenarsitzung auch verändert werden müssen.

Dieser Hinweis richtet sich auch an unsere Zuschauerinnen und Zuschauer auf der Tribüne. Ausnahmsweise wende ich mich auch einmal an Sie – das ist nämlich hier im Plenum nicht üblich –, damit Sie wissen: Das ist schon eine außergewöhnliche Situation, die Sie miterleben werden, und nicht der Alltag im nordrhein-westfälischen Landtag.

Vor Eintritt in die Tagesordnung, liebe Kolleginnen und Kollegen, will ich weiterhin darauf hinweisen, dass sich die Fraktionen zwischenzeitlich darauf verständigt haben, als zusätzlichen Tagesordnungspunkt 24 einen Wahlvorschlag der Fraktion der CDU ohne Debatte aufzunehmen. Dieser Wahlvorschlag beinhaltet die Nachwahl eines ordentlichen Mitglieds des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses I und trägt die Drucksachennummer 16/9070. Damit verschieben sich die dann nachfolgenden Tagesordnungspunkte, wenn wir diesen Tagesordnungspunkt 24 neu aufnehmen. Ich sehe dazu keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so.

Damit treten wir in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Ergebnisse der Konferenz der Regierungs

chefinnen und Regierungschefs der Länder (MPK) vom 18.06.2015

Unterrichtung durch die Landesregierung

Der Chef der Staatskanzlei hat mit Schreiben vom 19. Juni dieses Jahres mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, zu dem genannten Thema zu unterrichten.

Die Unterrichtung erfolgt durch Frau Ministerpräsidentin Hannelore Kraft. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zu Beginn der Plenarsitzung möchte ich Sie gerne über die Ergebnisse und Beratungen der Konferenz der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten der Länder mit der Bundeskanzlerin am vorigen Donnerstag informieren.

Auf der Konferenz wurden einige Themen besprochen und Beschlüsse gefasst, die für unser Land Nordrhein-Westfalen besonders wichtig sind und die auch schon mehrfach Thema hier im Landtag waren. Ich möchte mich auf die wesentlichen Themen konzentrieren. Das sind in erster Linie das Thema „Flüchtlinge“ und das Thema „Länderfinanzausgleich“.

Meine Damen und Herren, beim Thema „Flüchtlingspolitik“ – dies war ein zentrales Thema der Konferenz am Donnerstag – geht es um die Situation der Menschen, die in größter Not zu uns geflohen sind, ihre Aufnahme, ihre Unterbringung und Versorgung. Damit beschäftigen wir uns seit geraumer Zeit. Sie wird auch in Zukunft im Mittelpunkt unserer Arbeit stehen müssen. Denn die katastrophale Lage zum Beispiel in Syrien, im Irak, im Jemen und in Afghanistan zwingt immer mehr Menschen dazu, vor Unterdrückung, Terror und Krieg aus ihrer Heimat zu fliehen und anderswo Zuflucht zu suchen. Diesen Menschen müssen wir helfen. Das zu tun, ist ein Gebot der Menschlichkeit und zugleich eine große Herausforderung für Bund, Länder und Kommunen.

Die finanziellen Lasten tragen in erster Linie die Länder und Kommunen. An dieser Stelle möchte ich den Städten, Gemeinden und Kreisen bei uns in Nordrhein-Westfalen für ihr großes Engagement und für ihre großartige Arbeit danken.

(Beifall von allen Fraktionen und der Regie- rungsbank)

Wir alle wissen, dass manche von ihnen an der Grenze der Belastbarkeit angekommen sind. Umso mehr Anerkennung und Respekt verdient, was dort täglich geschieht.

Ausdrücklichen Dank und Respekt möchte ich auch den vielen Vereinen und Initiativen, Bürgerinnen und Bürgern bekunden, die sich ehrenamtlich und mit ganzem Herzen um die Flüchtlinge kümmern.

(Beifall von allen Fraktionen und der Regie- rungsbank)

Vor allem die menschliche Zuwendung, die sie geben, ist für die Flüchtlinge von unschätzbarem Wert. Mit ihrem Engagement machen sie sich auch um die Willkommenskultur in unserem Land verdient. Herzlichen Dank – ich denke, von uns allen – dafür!

(Beifall von allen Fraktionen und der Regie- rungsbank)

Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zusammen mit den anderen Ländern und den Kommunen haben wir dem Bund bereits im vergangenen Jahr deutlich gemacht, dass er sich stärker engagieren muss, insbesondere, um die Kommunen zu entlasten.

Im Dezember haben wir gemeinsam die Zusage des Bundes erreicht, Länder und Kommunen finanziell zu entlasten, und zwar durch die sogenannte Flüchtlingsmilliarde. Diese Flüchtlingsmilliarde – das kann man nicht oft genug wiederholen – ist kein Milliardengeschenk. Denn die Hälfte davon müssen die Länder aus ihren Haushalten finanzieren.

Als der Bund die Flüchtlingsmilliarde zugesagt hat, rechnete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge für das Jahr 2015 mit 200.000 Asylerstanträgen in Deutschland. Schon heute werden doppelt so viele Anträge erwartet. Inzwischen gehen wir sogar von einer Zahl weit über 400.000 aus.

Tatsache ist also, dass die vom Bund vor einem halben Jahr zugesagten Hilfen bei Weitem nicht ausreichen. Umso wichtiger ist es deshalb, dass es uns nun gemeinsam mit den anderen Ländern gelungen ist, mit der Bundesregierung eine ganze Reihe von Maßnahmen zu vereinbaren, die insbesondere die Kommunen finanziell entlasten wird. Diese Entlastung ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

Besonders hervorheben möchte ich, dass der Bund sich – ich möchte sagen: endlich – zu einer Verantwortungsgemeinschaft mit Ländern und Kommunen bekannt hat. Er hat grundsätzlich akzeptiert, dass er stärker in der Pflicht ist, als er bisher anerkennen wollte und als er bisher gezeigt hat. Der Bund wird sich deshalb ab 2016 – das ist schon klar – strukturell, dauerhaft und dynamisch an den gesamtstaatlichen Kosten beteiligen.

Damit ist klar: Der Bund zahlt nicht, wie bisher vorgesehen, eine einmalige Pauschale, sondern er richtet seine Hilfen an der tatsächlichen Zahl der Flüchtlinge aus. Das war eine zentrale Forderung – auch aus Nordrhein-Westfalen, und wir haben uns als Länder durchgesetzt. Das ist ein entscheidender Fortschritt, den wir an dieser Stelle erzielen konnten.

(Beifall von allen Fraktionen und der Regie- rungsbank)

Ich möchte noch einmal sehr deutlich formulieren: Wir verhandeln dort im Namen und für die Kommunen. In den Punkten geht es ausschließlich um die

finanzielle Entlastung der Kommunen und nicht um etwas, was sozusagen dem Landeshaushalt zugutekommt, sondern wir reichen das Geld direkt an die Kommunen durch. Wir sind uns einig, dass das ein wichtiger Schritt ist.

Bis zum Herbst wird eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Federführung des Bundeskanzleramtes, des Bundesinnenministers mit den Chefinnen und Chefs der Staatskanzleien Vorschläge machen, wie und in welchem Umfang eine solche Entlastung erfolgen wird.

Quasi als Sofortmaßnahme hat sich der Bund bereit erklärt, die bisher schon zugesagten pauschalen Hilfen für Länder und Kommunen aus dem Jahr 2016, nämlich 500 Millionen, auf das Jahr 2015 vorzuziehen.

Das bedeutet für Nordrhein-Westfalen im laufenden Jahr noch einmal zusätzlich 108 Millionen. Auch an dieser Stelle ist noch einmal zu betonen – eine Tatsache, die leider zu oft ignoriert wird –: Die Hälfte dieser 108 Millionen muss das Land refinanzieren. Trotzdem haben wir in der Koalition entschieden, diese 108 Millionen eins zu eins an unsere Kommunen weiterzugeben. Denn wir wissen von der schwierigen Situation vor Ort.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich betone, dass uns das nicht leichtfällt. Denn auch das Land hat, verbunden mit der Flüchtlingsfrage, erheblich höhere Ausgaben zu schultern. Das haben wir schon im Nachtragshaushalt 2015 deutlich gemacht, der heute beraten wird, und das wird auch im Haushalt 2016 eine große Rolle spielen. Denn das Land finanziert eine Reihe von Kosten, die jetzt gar nicht Gegenstand der Verhandlungen in Berlin sind.

Ich nenne sie einmal, damit das noch einmal deutlich wird:

Das Land finanziert den Aufbau und die Finanzierung weiterer Erstaufnahmeeinrichtungen und dort auch Unterbringung, Verpflegung und Taschengeld.

Das Land finanziert die FlüAG-Pauschale in Richtung Kommunen.

Diese Mehrausgaben schultern wir durch das, was sich im Haushalt als Belastung niederschlägt.

Darüber hinaus finanzieren wir aber auch Kitaplätze, Ganztag, mehr Personal in den Schulen, also Lehrerinnen- und Lehrerstellen, die wir auch jetzt für 2016 wieder einpreisen müssen. All das sind also höhere Ausgaben auch für die Bezirksregierungen, aber auch für die Gerichte. Auf diesen Punkt komme ich nachher zurück.

Dieser Aufbau ist richtig. Wir schultern diese Mehrausgaben im Rahmen unserer Verantwortung, und ich bin froh darüber, dass wir dazu im Landtag bisher einen gemeinsamen Konsens finden konnten.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Der entscheidende Flaschenhals und Kostentreiber beim Thema „Flüchtlinge“ ist die Dauer der Verfahren. Deshalb ist es sehr wichtig, dass der Bund zugesagt hat, das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge in den Jahren 2015 und 2016 mit bis zu 2.000 zusätzlichen Stellen für die Bearbeitung von Anträgen auszustatten.

Warum das so wichtig ist, zeigen die Zahlen, die ja auch transparent sind. Zurzeit liegen dort mehr als 220.000 Fälle, die noch in Bearbeitung sind. Diese Halde – so will ich es mal nennen – wächst monatlich um rund 10.000 Fälle.

Wenn wir es nicht schaffen, das wegzuarbeiten, bleibt es bei der problematischen Situation in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Dann müssen wir

schneller in die Kommunen rüberschieben. Das alles wäre am Ende eine hohe Belastung für alle Beteiligten. Deshalb ist die Dauer der Verfahren die zentrale Frage. Damit ist eine weitere zentrale Forderung der Länder erfüllt.

Es ist der richtige Weg, die Dauer der Asylverfahren und zugleich die Gesamtaufenthaltsdauer von Asylbewerbern aus Herkunftsländern mit besonders niedriger Schutzquote weiter zu verkürzen; denn die bisher überlange Verfahrensdauer hat sowohl die Flüchtlinge als auch ganz besonders die Kommunen sehr stark belastet.

Ich möchte aber noch folgenden Punkt anbringen: Was das Verfahren anbelangt, können wir nicht nur auf den Bund zeigen, sondern wenn die Verfahren schneller vonstattengehen sollen, dann ist wichtig, dass auch wir – die Kommunen und das Land – uns der eigenen Verantwortung stellen. Das bedeutet, dass die Möglichkeiten in den Ausländer- und Sozialbehörden, Verfahren schneller durchlaufen zu lassen, verbessert werden müssen. Das bedeutet auch Personal, was dort gebraucht werden wird. Weiter bedeutet es für das Land, dass die Stellen an den Verwaltungsgerichten ausgebaut werden müssen. Auch das haben wir in unseren Haushaltsplanungen personell und organisatorisch vorbereitet.

Meine Damen und Herren, Bund und Länder sind sich – auch das war Gegenstand der Gespräche – einig, die Anstrengungen für Integration zu intensivieren. Wir sind uns klar darüber, dass das geschehen muss. Wir als Land tun das – wie wir es beim Flüchtlingsgipfel auch miteinander vereinbart haben – durch verstärkte Anstrengungen über die Integrationszentren, über die wir die Mittel sozusagen hin vor Ort transportieren.

Der Bund ist prioritär für die Integrationskurse zuständig. Ich bin sehr froh darüber, dass er sich bereit erklärt hat, die Integrationskurse auch für Asylsuchende und Geduldete mit guter Bleibeperspektive zu öffnen. Er bietet jetzt Sprachkurse in einem Umfang von 300 Stunden an. Wenn die Anerkennung vorliegt, sind es die üblichen 600 Stunden. Ich