Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu unserer heutigen, 116. Sitzung des Landtags NordrheinWestfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Zuschauerinnen und Zuschauern auf der Besuchertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich 18 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich unter Bezugnahme auf die Plenarsitzung am Mittwoch darauf hinweisen, dass der Gesetzentwurf der Landesregierung „Zweites Gesetz zur Änderung des Gesetzes über Hilfen und Schutzmaßnahmen bei psychischen Krankheiten“ Drucksache 16/12068 nach der ersten Lesung an den Ausschuss für Arbeit, Gesundheit und Soziales überwiesen wurde. Inzwischen schlagen einvernehmlich alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen vor, den Gesetzentwurf auch an den Rechtsausschuss zur Mitberatung zu überweisen, also eine weitere Überweisung vorzunehmen.
Auch wenn es die Verständigung der Fraktionen untereinander gegeben hat, möchte ich gerne aus mehr als nur formalen Gründen darum bitten, das noch mal über eine Abstimmung deutlich zu machen. Deshalb: Wer gegen diese zusätzliche Überweisung ist, der möge sich jetzt melden. – Niemand. Möchte sich jemand enthalten? – Das ist auch nicht der Fall. Damit ist der Rechtsausschuss in die Mitberatung eingetreten, und wir haben den entsprechenden Gesetzentwurf auch an den Rechtsausschuss überwiesen.
Gesetzentwurf der Fraktion der SPD, der Fraktion der CDU und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 16/9795
Ich eröffne die Aussprache, und als erster Redner hat für die SPD-Fraktion Herr Kollege Körfges das Wort.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich nehme Bezug auf die Debatten, die wir in den Fachausschüssen und mehrfach im Plenum – gestern in zweiter Lesung – geführt haben. Ich will mit einer Feststellung beginnen, die offensichtlich noch kein Allgemeingut ist: Sperrklauseln, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind verfassungsrechtlich gesicherte Instrumente, die bei Verhältniswahlen einer Zersplitterung von Parlamenten vorbeugen sollen. Das ist eine verfassungsrechtlich gesicherte Erkenntnis, die Bestandteil des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland ist.
Wir haben insoweit überprüft, ob die besonderen Anforderungen an eine solche Sperrklausel, bezogen auf den Grundsatz der Gleichheit der Wahl, mit unserem Vorschlag vereinbar sind. Ich darf Ihnen sagen, nicht nur ich, sondern die SPD-Fraktion insgesamt sieht sich durch die Ergebnisse des Gesetzgebungsverfahrens darin bestärkt, dass die Festschreibung einer kommunalen Sperrklausel in der Landesverfassung sachlich richtig, notwendig, aber vor allen Dingen auch verfassungskonform ist.
Ich will noch mal zusammenfassend darauf hinweisen, dass seit der Abschaffung der Sperrklausel im Jahr 1999 die Arbeit in unseren Kommunalparlamenten sich intensiv geändert hat und durch eine zunehmende Zersplitterung negativ beeinflusst worden ist. Insoweit, liebe Kolleginnen und Kollegen, will ich eindeutig darauf hinweisen, dass Kommunalparlamente und die Gemeindeordnung im Land Nordrhein-Westfalen eben gerade nicht mit den Zuständen und Verhältnissen in anderen Bundesländern zu vergleichen sind.
Wir haben – darauf will ich auch noch einmal aufmerksam machen – uns wissenschaftlich von Beginn an dem Diskurs gestellt und ergebnisoffen Gutachten in Auftrag gegeben. Insbesondere unter dem Aspekt der Ehrenamtlichkeit der wichtigen und schwierigen Arbeit in unseren Kommunalparlamenten ist es geboten, eine Sperrklausel in Höhe von 2,5 % mit einer geringen Sperrwirkung in unserer Landesverfassung zu verankern.
Ich bedanke mich ganz ausdrücklich bei allen Fraktionen, die an dieser schwierigen und wichtigen Arbeit beteiligt waren, aber auch bei denen, die mitunter auch sehr kritisch unseren Weg im Gesetzgebungsverfahren begleitet haben.
Herr Kollege Körfges, Entschuldigung, dass ich Sie unterbreche. Herr Kollege Kern würde Ihnen gern eine Zwischenfrage stellen.
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, Herr Kollege Körfges, dass Sie die Zwischenfrage zulassen.
Sie sprachen darüber, dass Ihre Intention oder die Intention der Fraktionen, die den Gesetzentwurf stützen, die ist, dass Sie eine Zersplitterung der Räte verhindern oder dem entgegenwirken wollen.
Wir haben im Verfahren schon gehört, wie ungeeignet die Maßnahme eigentlich ist. Aber darauf zielt jetzt auch meine Frage ab. Herr Kollege Körfges, können Sie für Ihre Fraktion ausschließen, dass Sie im weiteren Verlauf einen Gesetzentwurf einbringen werden, der dazu führen soll, dass die Fraktionsstärke von jetzt 5 % auf dann 2,5 % entsprechend abgesenkt wird, was in der Folge dazu führen würde, dass es mehr Fraktionen und eine stärkere Zersplitterung geben würde? – Danke.
Ich halte – vorsichtig ausgedrückt – den Hintergrund dieser Frage für einen sicheren Beleg dafür, dass es dem Fragesteller und seiner Fraktion an der gehörigen Erfahrung in kommunalpolitischen Angelegenheiten mangelt,
(Beifall von der SPD, der CDU und den GRÜNEN – Michele Marsching [PIRATEN]: Super! Gutes Argument! Mega!)
Denn die Frage, die Sie aufwerfen, hat mit dem hier in Rede stehenden Problem überhaupt nichts zu tun.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir sollten uns von dem Gedanken leiten lassen, wie wir die Funktionsfähigkeit unserer Räte und Kreistage langfristig sicherstellen.
An der Stelle möchte ich auch denjenigen, die hier nach dem rheinischen Grundsatz argumentieren, es ist ja immer noch gutgegangen, eines entgegenhalten: Wollen wir wirklich so lange warten, bis unsere Räte und Kreistage beschlussunfähig werden? Wollen wir so lange warten, bis wir niemanden, der sich im beruflichen Leben oder in der Familie besonders engagiert, dafür finden, sich ehrenamtlich in der Kommunalpolitik zu bewegen?
(Beifall von der SPD, der CDU und den GRÜNEN – Nicolaus Kern [PIRATEN]: Fragen Sie doch einfach, wenn Sie die Frage nicht verstanden haben!)
Sie haben gleich die Gelegenheit, Ihre Auffassung hier auszubreiten. Ich habe ein gewisses Verständnis dafür, dass jemand, der nicht in der Kommunalpolitik verankert ist, versucht, jetzt um sich zu rudern.
Nur, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir lassen uns von unserem Weg nicht abbringen, die Bedeutung und die Handlungsfähigkeit unserer kommunalen Verfassungsorgane an der Stelle deutlich zu stärken.
Ich bedanke mich noch einmal bei allen, die diesen Weg mit uns gemeinsam gehen, und wünsche den Kommunen in Zukunft eine gestärkte Handlungsfähigkeit, nachdem wir die Sperrklausel hier verabschiedet haben. – Danke.
Sehr verehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute nun die dritte Lesung zur Sperrklausel. Ich meine, dass die wesentlichen Argumente in der Tat ausgetauscht sind. Wir haben uns gestern sehr intensiv nochmals mit der Frage befasst.
Für uns als CDU-Fraktion ist wichtig, dass die über 20.000 ehrenamtlichen Ratsmitglieder, die tagtäglich wirklich tolle Arbeit leisten und versuchen, die Dinge vor Ort unter teils sehr widrigen Bedingungen zu regeln, Rahmenbedingungen vorfinden, die eine politische Arbeit vor Ort überhaupt noch ermöglichen.
Wenn man es auf das Wesentliche zurückführt – der Kollege Körfges hat es eben schon angesprochen –, dann unterhalten wir uns doch über Folgendes: Wir unterhalten uns darüber, dass die faktische Sperrklausel – und die ist in diesem Saal, wo die Anhörung stattgefunden hat, auch von allen Verfassungsrechtlern als unstreitig akzeptiert und als bestehend anerkannt worden – von um die 0,9 % auf jetzt 2,5 % moderat angehoben wird.
Wenn wir genau hinsehen, stellen wir fest, dass es im Wesentlichen die großen Räte dieses Landes betrifft. Wir haben nun einmal eine Vielzahl von Großstädten, und wir müssen daran interessiert sein, dass auch in diesen Großstädten politisch tragfähige Entscheidungen getroffen werden.
Ich werbe deshalb heute zum letzten Mal insbesondere in Richtung der Piraten dafür, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen. Gestern ist noch einmal sehr
deutlich geworden, dass diese Verfassungsänderung von dem Hohen Hause hier in großer Mehrheit mitgetragen wird.
Lassen Sie mich abschließend noch darauf eingehen: Herr Sommer hat mich gestern noch einmal persönlich gefragt, da ich auch kommunalpolitisch aktiv bin, ob ich denn selber den Eindruck hätte, dass man hier teilweise an die Grenzen der politischen Arbeit komme.
Herr Sommer, Sie waren, glaube ich, dabei, als wir am 29. April im kommunalpolitischen Ausschuss die Auswertung der entsprechenden Anhörung vornahmen. Ich durfte davon berichten, dass ich just am Vortag neun Stunden Sitzung hinter mich gebracht habe, und ich sage offen: Man kommt an seine Grenzen, wenn man irgendwann um halb zwölf dann noch nach Düsseldorf fährt und am nächsten Tag mit schmalem Auge