Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu unserer heutigen, 143. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen, die zugleich die letzte geplante Plenarsitzung in dieser Legislaturperiode ist. Die Reihen sind zurzeit noch etwas leer, weil viele Parallelveranstaltungen und Besprechungen stattfinden und auch die Verkehrslage offensichtlich wieder nicht ganz so einfach ist. Trotzdem beginnen wir jetzt fast pünktlich mit dieser letzten geplanten Plenarsitzung.
Mein Gruß gilt den Zuschauerinnen und Zuschauern auf der Tribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien. Für die heutige Sitzung haben sich bisher 13 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Darüber hinaus hat mich die Verwaltung gebeten, den Abgeordnetenkolleginnen und -kollegen noch einmal mitzuteilen bzw. sie daran zu erinnern – das ist jetzt sehr organisatorisch, und das werden wir im Laufe der Sitzung wahrscheinlich noch einmal wiederholen müssen, weil noch nicht so viele da sind –: Sie mögen bitte die Schubladen der Tische leeren und die Schlüssel dann auch in den Schubladen liegen lassen, damit es, wenn der Plenarsaal nach der Wahl umgestaltet wird, keine Probleme insoweit gibt, als wir noch Privatsachen sicherstellen und Ihnen überreichen müssen.
Mit diesen etwas ungewöhnlichen organisatorischen Vorbemerkungen – am Ende einer Legislaturperiode ist manches in den Abläufen etwas ungewöhnlich – steigen wir immer noch nicht in die Bearbeitung der heutigen Tagesordnung ein; denn es gibt noch ein paar nachträgliche und erinnernde Hinweise.
Sie alle wissen, dass sich die fünf im Landtag vertretenen Fraktionen zwischenzeitlich darauf verständigt haben, den für heute vorgesehenen Tagesordnungspunkt 13 „NRW smartgerecht neu bauen: Großstadt und Sonderwirtschaftszone Garzweiler“, Drucksache 16/14659, ein Antrag der Piratenfraktion, mit dem heutigen TOP 14 „Gesetz zur Harmonisierung und Stärkung des Informationsfreiheitsrechts und Zugang zu maschinenlesbaren Daten (O- penData-Gesetz)“, Drucksache 16/14379 (Neu- druck) – auch hier handelt es sich um eine Initiative der Piraten, diesmal allerdings um einen Gesetzentwurf –, zu tauschen. – Dagegen erhebt sich kein Widerspruch.
Wie bereits am Mittwoch mitgeteilt – und so wurde am Mittwoch auch verfahren –, haben sich alle fünf im Landtag vertretenen Fraktionen darauf verständigt, den ursprünglich für heute vorgesehenen Tagesordnungspunkt 8 „Gesetz zur Änderung des Landesbeamtengesetzes Nordrhein-Westfalen (LBG NRW)“, Drucksache 16/13532, ein Gesetzentwurf
der CDU-Fraktion, mit dem Tagesordnungspunkt 13 von Mittwoch „Engpässe in der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA) Büren beseitigen – Landesregierung muss Kapazitäten umgehend erweitern“, Drucksache 16/14172, ein Antrag der CDU-Fraktion, zu tauschen.
Wir haben uns ebenfalls bereits am Mittwoch darauf verständigt, den heutigen Tagesordnungspunkt 7 „Ehrenamtliches Engagement auch im Steuerrecht fördern“, Drucksache 16/14661, ein gemeinsamer Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, mit dem Tagesordnungspunkt 7 von Mittwoch „System zur Akkreditierung von Studiengängen auf sichere Rechtsgrundlagen stellen und weiterentwickeln“, Drucksache 16/14660, ein Antrag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, zu tauschen. – Wenn sich hiergegen jetzt kein Widerspruch erhebt, dann verfahren wir so.
Der Chef der Staatskanzlei hat mit Schreiben vom 28. März dieses Jahres mitgeteilt, dass die Landesregierung beabsichtigt, zu dem Thema „Die Welt zu Gast in NRW: Weltklimakonferenz in Bonn“ zu unterrichten. Die Unterrichtung erfolgt durch Herrn Minister Remmel, der jetzt am Redepult steht und damit auch das Wort hat. – Bitte schön.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Angesichts der Schreckensbilder der letzten Tage von Giftgaseinsätzen und Bombenhagel ist es schwer, heute Morgen über eines der wichtigsten, wenn nicht sogar das wichtigste Friedensprojekt der Zukunft zu sprechen. Aber vielleicht sollten wir es gerade deshalb tun.
Vom 6. bis zum 17. November 2017 findet in Bonn die nächste Weltklimakonferenz, COP 23, statt. Wir erwarten 25.000 Delegierte sowie Vertreterinnen und Vertreter von internationalen Organisationen, von Nichtregierungsorganisationen, von Unternehmen und aus der Wissenschaft. Es ist die größte internationale Konferenz, die jemals in Deutschland stattgefunden hat.
und Unternehmern und mit den Vertretern unserer wissenschaftlichen Einrichtungen sind wir mit großer Freude Mitgastgeber einer Zusammenkunft der Weltgemeinschaft, in der wesentliche Entscheidungen fallen sollen und in der es eine große Erwartung bezüglich der Frage gibt, wie es weitergeht mit dem weltweiten Klimaschutz nach Trump und nach der Ankündigung, dass der bisher größte Vorwärtstreiber des weltweiten Klimaschutzes, die Nation der USA, nicht mehr richtig mitmachen will.
Die Präsidentschaft der Klimakonferenz hat die Republik Fidschi inne, ein kleiner Staat, für den es ums nackte Überleben geht. Das bringt mir die Erinnerung an die Begegnung mit einem philippinischen Bischof vor gut zwei Jahren zurück. Der Bischof schilderte, dass auf seiner Insel – dort, wo er zuständig ist –, mittlerweile nicht mehr nur alle zehn Jahre, sondern jedes Jahr dreimal ein schwerer, verheerender Hurrikan auftritt und jeweils Angst und Schrecken, Tod und Leid verursacht. Der letzte Sturm hat eine riesige Schlammlawine mit mehr als 1.000 Toten ausgelöst.
Er hat erzählt, wie er mit seiner Gemeinde, den Menschen dort ganz ruhig und gelassen am Wiederaufbau arbeitet, und gesagt: Ja, vielleicht sind wir auch mit daran schuld, weil wir den Wald zu stark abgeholzt haben, und deshalb konnte die Schlammlawine über unserem Dorf und unseren Städten niedergehen. Aber eines kann ich den Menschen nicht erklären, nämlich warum wir hier Leid und Zerstörung abbekommen, die durch den Klimawandel bedingt sind, den andere verursacht haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das bringt uns zu unserer Verantwortung zurück. Klar ist: Der Klimaschutz ist und bleibt das Megathema unserer Zeit. Es geht keineswegs nur um das Klima, sondern zugleich um Gerechtigkeit, Frieden und Sicherheit für uns in Nordrhein-Westfalen, für die Menschen in ganz Europa, insbesondere für die Menschen in den südlichen Ländern, die heute unter den Folgen des Klimawandels leiden müssen.
Klimaschutzpolitik ist insbesondere auch Friedenspolitik. Wir alle kennen die Bilder von Dürre und von Hochwasser. Selbst bei uns gab es im letzten Jahr verstärkt Starkregenereignisse. Wir kennen mittlerweile die Schreckensbilder aus dem mittleren Afrika, wo existenzbedrohende Hungersnöte auftreten, auch bedingt durch den Klimawandel.
Es bleibt den Menschen oft nichts anderes übrig, als ihr Land zu verlassen und zu fliehen. Schon heute rechnen wir bis zum Jahr 2050 mit mindestens 60 Millionen Klimaflüchtlingen, die sich auf die Suche nach einer besseren Zukunft begeben und sich so auch auf den Weg nach Europa machen. Deshalb wird es nicht sehr viel helfen, darüber zu diskutieren, ob wir die Mauern vielleicht höher ziehen sollen. Nein, es geht darum, dass wir für alle lebenswerte
Damit bin ich wieder bei Nordrhein-Westfalen. Ich lade Sie ein, es sich selber anzuschauen; ich war da und bin nach wie vor sehr beeindruckt. In Jülich haben wir mittlerweile die größte künstliche Sonne der Welt. Zusammen mit der Solarforschung, die in Jülich stattfindet, bei der es darum geht, solare Energie über Tage zu speichern, quasi richtige Kraftwerke daraus zu betreiben, ergeben sich Bilder von Möglichkeiten, die unendlich sind und Entwicklungen an anderer Stelle in der Welt erlauben. Zwischen Aachen, Köln und Jülich gibt es Perspektiven für die Gründung von so etwas wie einem Silicon Valley der Energiewende und des Klimaschutzes, wo Zukunftstechniken erprobt werden, die an anderer Stelle für Entwicklung und auch für Frieden sorgen können. Das ist unser Auftrag für die Zukunft. Das ist die Brücke, die wir in die Welt schlagen.
Dabei stellen wir durchaus Irritierendes fest, wenn wir uns anschauen, wie die Klimasituation weltweit und in Deutschland im Besonderen aussieht. Es gibt durchaus positive Anzeichen. Weltweit stagniert der CO2-Ausstoß seit 2014 – eine Entwicklung, die eigentlich für sehr viel später prognostiziert wurde. 2016 betrug der weltweite Anstieg nur noch 0,2 %. Das ist die große Chance. Wenn es gelingt, über einen längeren Zeitraum eine Steigerung zu vermeiden, kann es eine Zukunft geben, in der der CO2Ausstoß verringert wird. Das ist die große Aussicht.
Weltweit – und das ist ein weiteres positives Zeichen – ziehen die Staaten ihre Investitionen aus fossilen Energieträgern ab und leiten sie in den Ausbau der erneuerbaren Energien um. In den Jahren 2014 und 2015 waren zum ersten Mal Neuinvestitionen in erneuerbare Energien weltweit höher als in alle anderen Energieträger. Diese Zahl macht in der Tat große Hoffnung für die Zukunft. Gut 60 % der Neuinvestitionen in Energiesysteme findet in erneuerbare Energien statt, schon jetzt weltweit. Das ist ein Erfolg, den wir nicht für möglich gehalten haben, aber der derzeit stattfindet – ein gutes Hoffnungszeichen für die Zukunft.
Eine Zahl aus China: China will zwischen 2016 und 2020 343 Milliarden € in den Ausbau der erneuerbaren Energien stecken, vor allem in den Wind. Derzeit werden mehr als die Hälfte der weltweiten Investitionen in Windenergie in China getätigt.
Dabei fällt allerdings auf, dass die Zahlen in Deutschland leider keinen Grund geben, dieser positiven Entwicklung auch einen eigenen positiven Trend an die Seite zu stellen. In Nordrhein-Westfalen werden wir – ich bin froh, das unterstreichen zu können – unser ei
genes Klimaschutzziel 2020 wahrscheinlich gut erreichen. Wir sind jetzt gegenüber 1990 bei minus 22,4 %. Das ist ein Erfolg für unsere gemeinsamen Anstrengungen und zeigt: Wir sind auf dem richtigen Weg.
In Deutschland allerdings wird es kaum gelingen – jedenfalls sagen das die Zahlen –, die Emissionen bis 2020 im Vergleich zu 1990 um 40 % zu senken. Das ist leider kein Wunder, weil es viele Konzepte gibt, die in Deutschland nicht umgesetzt werden oder wo wir hintendran sind.
Die Zahlen belegen eindeutig: Gerade der Verkehrsbereich hinkt hinterher. Hier muss man der Bundesregierung, den Bundesverkehrsministern ein
schlechtes Zeugnis ausstellen. Der Verkehrsbereich hat seinen Jahren seinen Beitrag zum CO2-Ausstoß nicht geliefert. Hier haben wir die Zeit verschlafen. Statt über die „Murksmaut“ zu reden, hätten wir lieber über die Senkung des CO2-Ausstoßes in der Motorentechnik reden und die Automobilkonzerne insbesondere in diese Richtung treiben müssen.
Wichtige weitere Rahmenbedingungen fehlen, so beispielsweise eine nationale Verständigung auf ein gemeinsames Konzept, wann bei der Braun- und Steinkohleverstromung was ausläuft und wann Neuinvestitionen getätigt werden können; denn wir brauchen Investitionen in neue Systeme.
Es fehlt an breiter Investitionssicherheit und auch an Rahmenbedingungen für eine umfassende Gebäudesanierung, so wie wir es im Modellprojekt „InnovationCity Ruhr“ in Bottrop mit Sanierungsquoten, die bei fast 5 % liegen, angegangen sind. So etwas brauchen wir in einer nationalen Kraftanstrengung. Hier fehlen die bundesweiten Rahmenbedingungen, hier müssen wir nacharbeiten.
Weltweit allerdings nimmt der Zug in Richtung Dekarbonisierung weiter Fahrt auf. Für uns gilt es, den Anschluss nicht zu verlieren. Ambitionierte Aktivitäten sind auf der Bundesebene allerdings nur begrenzt zu beobachten. Deshalb geht es darum, Impulse zu setzen, im Übrigen auch aus Nordrhein-Westfalen. Nur wenn wir an der Basis erfolgreich sind – in den Regionen, Kommunen, Unternehmen, Städten –, können wir so etwas wie Klimaschutz von unten erfolgreich nach vorne bringen.
Das ist auch das Erfolgsrezept, wenn es darum geht, eine Antwort auf die Frage zu geben: Was passiert mit dem weltweiten Klimaschutz nach Trump? Schon Paris hat gezeigt: Es ist nicht nur der Nationalstaat, es sind nicht nur die Staatenlenker, die Druck gemacht haben, um Paris zum Erfolg zu führen, sondern es sind vor allem die Regionen, die sich in neuen Netzwerken zusammenschließen.
Nordrhein-Westfalen ist da mit anderen Bundesländern beteiligt. Wir haben immerhin einen Zusammenschluss von Städten und Regionen aus allen Teilen der Erde hinbekommen, mit unseren Partnerregionen in Amerika – mit Minnesota, mit Kalifornien und mit anderen Bundesstaaten –, mit Partnerregionen in China, in Australien, in Südafrika. Diese Koalition, die immerhin ein Drittel des weltweiten Bruttosozialproduktes vereinigt, sagt klar: Wir wollen das Ziel „unter 2 Grad“ dringend erreichen. – Das können wir, wenn wir die Aktivitäten in unseren Regionen gemeinsam in die Waagschale werfen. Auf dieses Bündnis setzen wir, auch bei der Weltklimakonferenz 2017 in Nordrhein-Westfalen, in Bonn. Diese Kraft in einen weltweiten Klimaschutz einzubringen, das ist unsere Aufgabe, meine sehr verehrten Damen und Herren.
Hier können wir zeigen, was regionale Anstrengungen bedeuten: mit unserem Klimaschutzgesetz, mit unserem KlimaschutzStartProgramm, mit unseren Investitionen in die Bereiche Umweltwirtschaft und Klimaschutz. 800 Millionen € werden hier in den nächsten Jahren investiert. Gerade die Umweltwirtschaft hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat. Bis 2025 wollen wir hier noch einmal 100.000 Arbeitsplätze in die Waagschale legen.
Das ins Schaufenster zu stellen, ist unsere Aufgabe. Deshalb ist es eine gute Entscheidung gewesen, mit der KlimaExpo.NRW das Schaufenster des Klimaschutzes in Nordrhein-Westfalen auch der Welt zu zeigen. Das bietet die Chance, gerade das in diesem Jahr mit besonderem Nachdruck zu tun.
Die einzigartige Verknüpfung von Nah- und Fernwärme beispielsweise verdeutlicht, wie es uns gelingen kann, einerseits energieeffizient und klimaschonend zu arbeiten, andererseits die einzigartige Verbindung von Wärme- und Stromproduktion in ein erneuerbares Energiezeitalter zu führen.
„InnovationCity Ruhr“ und das Roll-out zeigen, wie es gelingen kann, in Quartieren Klimaschutz, Energieeffizienz, erneuerbare Wärme und nachhaltige Mobilität quasi sektorenübergreifend zusammenzubringen.
Unsere Forschungseinrichtungen können dazu beitragen, Batterieforschung und Speichertechnologien in die Zukunft zu tragen.
Die Frage ist: Wo ist da die Brücke in die Zukunft? Ich bin davon überzeugt: Das ist die zentrale Aufgabe, die vor uns liegt.
2050 werden gut 70 % der Menschen in Megastädten leben, in großen Agglomerationen. Wir wissen heute, wie Erneuerbare-Energien-Systeme implementiert werden. Wir wissen heute, wie Verkehrssysteme laufen müssten. Wir wissen, dass wir die Wasserversorgung neu organisieren müssen, damit solche Städte funktionieren. Wir wissen auch, dass wir
Klar ist auch: 80 % der Energie werden 2050 in diesen großen Städten verbraucht. Wir wissen aber viel zu wenig darüber, wie wir die einzelnen Systeme so miteinander verbinden können, dass sie in den großen Städten funktionieren.