Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich heiße Sie ganz herzlich willkommen zu unserer heutigen, 68. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt den Zuschauern auf der Tribüne, unseren Gästen sowie den Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich elf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Wir dürfen auch heute einem Kollegen zu seinem Geburtstag gratulieren: Herr Hans Christian Markert von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen wird 46 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch, alles Gute, lieber Kollege!
Der Plenartag heute wird ja wahrscheinlich nicht ganz so lang, sodass Sie im Anschluss Ihren Geburtstag noch ein bisschen feiern können.
Warum wir heute keinen ganz so langen Plenartag haben werden, möchte ich Ihnen gerne vor Eintritt in die Tagesordnung mitteilen. Die Parlamentarischen Geschäftsführerinnen und Geschäftsführer sind informiert. Die Fraktionen haben sich einvernehmlich darauf verständigt,
Finanzierung des SPNV sicherstellen“, Drucksache 16/6129 in der Fassung des Neudrucks – auf die Plenarsitzung im November zu verschieben
morgigen Donnerstag – „Chancen zur Profilierung eröffnen – Abschaffung von Noten für das Arbeits- und Sozialverhalten rückgängig machen“; das ist ein Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/6862 – ebenfalls auf die Plenarsitzung im November zu verschieben.
Erhebt sich gegen diese Änderungen der Ihnen vorliegenden Tagesordnung für heute und morgen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann haben wir so beschlossen und werden auch so verfahren.
Die neuen Nummerierungen, die sich aufgrund der eben beschlossenen Änderungen ergeben, und die geänderten Endzeiten werden dann entsprechend aus unserer aktualisierten Tagesordnung, die als Live-Tagesordnung allen zur Verfügung steht, ersichtlich sein.
Die Fraktion der FDP hat mit Schreiben vom 29. September dieses Jahres gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu einer aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erster Rednerin vonseiten der antragstellenden Fraktion Frau Kollegin Gebauer das Wort.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin Löhrmann sprach mich natürlich gleich auf meine grüne Jacke an. Das kann ich sofort zurückgeben an Frau Beer mit ihrem blauen Schal.
Wir sind ja nun liberal, und ich kann Ihnen sagen: Selbst wenn ich vorhätte, morgen im Dirndl zu kommen, wäre das auch keinen Kommentar unserer Landtagsfraktion wert.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Gegenstand dieser heutigen Aktuellen Stunde ist das vom VBE in Auftrag gegebene und am vergangenen Freitag vorgestellte Gutachten von Herrn Dr. Rösner von der Technischen Universität in Dortmund.
Ich möchte in diesem Zusammenhang gerne mit einem Zitat beginnen, und zwar mit einem Zitat eines anderen Bildungsforschers, nämlich Herrn Prof. Dr. Dollase, auf die Frage nach seinem Wunsch für dieses Schuljahr 2014/2015. Mit Erlaubnis der Präsidentin würde ich gerne zitieren.
„NRW-Schulpolitik basiert auf falschen Annahmen über die Realität, die leider auch aus der Wissenschaft zur Verfügung gestellt werden.“
An diese Mahnung, an diese Worte fühlte ich mich bei der Vorstellung des Gutachtens am vergangenen Freitag teilweise stark erinnert. Man darf sich beim Blick in dieses Gutachten an der einen oder anderen Stelle sehr wundern, wie „wissenschaftlich“ hier agiert wird, nämlich wer bzw. was alles als wichtige wissenschaftliche Quelle benannt wird und herhalten muss.
Meine Damen, meine Herren, die FDP hat seit der rot-grünen Regierungsübernahme im Jahr 2010 stets gemahnt und auch gefordert: Das Gymnasium darf nicht sterben. Damals – und daran hat sich bis heute nicht viel geändert – wurde vonseiten der Grünen, wurde vonseiten der SPD immer wieder behauptet, das Gymnasium sei nicht gefährdet. Aber mit diesem Gutachten – und nicht allein mit diesem Gutachten – und den sich anschließenden Forderungen des VBE bestätigt sich sehr wohl unsere Befürchtung der Salamitaktik, nämlich das scheibchenweise Aus dieser Schulform.
Beabsichtigt ist offenkundig, das Gymnasium nunmehr gleich von zwei Seiten in die Zange zu nehmen. Die erste Maßnahme ist die direkte Attacke auf das bestehende Gymnasium im ländlichen Raum. Die dortigen Gymnasien sollen in Gesamtschulen umgewandelt werden, wenn vor Ort neben dem Gymnasium zum Beispiel keine Realschule mehr besteht. Der Argumentation des Gutachtens folgend sei das vielfältige Schulangebot dann nicht mehr komplett, und Kinder müssten auspendeln. Um das zu verhindern, sollen nach dem Willen von Dr. Rösner und dem VBE die Gymnasien – wie dargelegt – in Gesamtschulen umgewandelt werden.
Bemerkenswert ist, dass dieser Schlussfolgerung die, wie ich finde, waghalsige These zugrunde liegt, dass in jeder noch so kleinen Kommune letztendlich jeder weiterführende Bildungsgang vertreten sein muss. Wenn Sie sich die Bildungslandschaft anschauen, dann werden Sie feststellen, dass das bis dato weiß Gott nicht überall gegeben ist.
Darüber hinaus wird auch gezielt verharmlosend davon gesprochen, dass es sich ja nur um einige wenige Standorte in Nordrhein-Westfalen handle.
In Wahrheit, meine Damen und Herren, soll hier aber ein argumentativer Automatismus etabliert werden. Denn im Umkehrschluss, wenn es sich tatsächlich um nur einige wenige Standorte handelt, könnte man auch individuelle Lösungen vor Ort anbieten und müsste sich nicht über Gesetzesvorhaben oder Ähnliches Gedanken machen.
Sie bzw. der VBE aber meinen, dass, wenn eine Schulform des vielfältigen Schulsystems ausläuft, auch der Rest wegmuss, und das, obwohl es immer Kommunen gegeben hat, in denen nicht – wie ich bereits dargelegt habe – alle Schulformen vorgehalten worden sind.
Dieser Vorstoß, der hier in Angriff genommen wird, soll ein weiteres Tor eröffnen, um in Zukunft viele Gymnasien gerade auf dem Land zu schließen.
Ich sage Ihnen: Die FDP erkennt die Probleme rückläufiger Schülerzahlen gerade im ländlichen Bereich und stellt sich ihnen.
Natürlich ist die Sicherung eines weiterführenden Schulangebotes in Kommunen aus den vielfältigsten Gründen, die wir alle kennen, wichtig und richtig. Selbstverständlich schließt das auch neu gegründete Sekundarschulen mit ein. Natürlich muss man auch über die Weiterführungsgrößen von Schulen diskutieren, deren Zahl zum Beispiel in anderen Bundesländern geringer ist.
Aber, meine Damen und Herren, es kann und darf nicht sein, dass die bereits bestehenden Bevorzugungen, die wir hier für einige wenige Schulformen in Nordrhein-Westfalen haben, an dieser Stelle auch noch verschärft werden sollen.
Wenn wir notwendige Verbesserungen durchführen müssen und auch wollen, dann müssen diese für alle Schulformen gelten, dann müssen alle Schulformen faire und gleiche Bedingungen erhalten.
Die zweite Attacke auf das Gymnasium ist schleichender: Der Bildungsauftrag des Gymnasiums soll von innen ausgehöhlt werden.
Bereits vor der Sommerpause haben der Philologen-Verband und die Landeselternschaft der Gymnasien zu Recht gewarnt, dass Rot-Grün die pädagogische Ausrichtung des Gymnasiums infrage stelle. Und – das wissen Sie – Rot-Grün hat ja bereits jegliche Zugangskriterien an die Gymnasien gestrichen.
Nun greift der VBE die Forderung aus dem rotgrünen Koalitionsvertrag aus dem Jahre 2010 auf, dass jeder am Gymnasium aufgenommene Schüler dort zum Abschluss geführt werden muss. Er muss dort also nicht nur aufgenommen werden, sondern er muss am Gymnasium verbleiben und dort seinen Abschluss – welchen auch immer – machen.
Meine Damen und Herren, der Bildungsauftrag des Gymnasiums, leistungsstärkere Schüler auf ein Hochschulstudium vorzubereiten, wird mit dieser Maßnahme ad absurdum geführt.
An der Tür bleibt lediglich der Name „Gymnasium“ stehen. In Wahrheit aber ist das Gymnasium dann eine Gesamtschule. An dieser Stelle schließt sich – welch Wunder! – mit der Forderung des VBE nach der Umwandlung von Gymnasien in Gesamtschulen der Kreis.
Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluss. Die Schließung von Hauptschulen ist vielerorts oftmals leider nur noch eine Formsache. Die Realschule steht dank rot-grüner Bildungspolitik bereits auf der Liste der bedrohten Schulformen.