Protocol of the Session on July 10, 2013

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie ganz herzlich zu unserer heutigen, 36. Sitzung des Landtags NordrheinWestfalen. Mein Gruß gilt unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich fünf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden wir wie immer in das Protokoll aufnehmen.

Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich einen ganz besonderen Gast, der auf unserer Zuschauertribüne Platz genommen hat, begrüßen. Es ist der Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin. Herzlich willkommen, Ralf Wieland.

(Allgemeiner Beifall)

Verehrter Herr Präsident Wieland! Lieber Kollege Wieland! Wir freuen uns sehr, dass Sie den Landtag von Nordrhein-Westfalen besuchen. Kollege Wieland ist bereits seit gestern hier im Haus und hat sich unseren Landtag, der als Gebäude in diesem Jahr 25 Jahre alt wird, mit großem Interesse angeschaut. Im Namen des Hohen Hauses begrüße ich Sie noch einmal ganz herzlich.

Ihr Besuch, Herr Kollege Wieland, ist Ausdruck der engen freundschaftlichen Beziehungen zu den übrigen Landesparlamenten im föderativen System der Bundesrepublik Deutschland. Im Januar hatte das Präsidium des Landtags Nordrhein-Westfalen Gelegenheit, Ihr Abgeordnetenhaus kennenzulernen. Seit gestern setzen wir den begonnenen Dialog hier in Nordrhein-Westfalen fort. Ich bin sicher: Das wird nicht der letzte Besuch sein, weder der letzte Besuch des Präsidiums in Berlin noch der letzte Besuch der Kolleginnen und Kollegen in Berlin und sicherlich auch nicht Ihr letzter Besuch. Wir wünschen Ihnen weiterhin einen guten Aufenthalt, interessante Einblicke in eine laufende Plenarsitzung und freuen uns gemeinsam mit Ihnen gleich auf eine spannende Debatte im Rahmen der Aktuellen Stunde. Seien Sie uns herzlich willkommen, und kommen Sie recht bald wieder.

(Allgemeiner Beifall)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich eine weitere Anmerkung zu machen. Die Fraktionen haben sich zwischenzeitlich darauf verständigt, die Tagesordnung um einen weiteren Punkt zu ergänzen. Als neuer Tagesordnungspunkt 23 wird eingefügt: „Zustimmung des Landtags Nordrhein-Westfalen gemäß § 64 Abs. 2 zur Veräußerung von Liegenschaften des Sondervermögens Bau- und Liegenschaftsbetrieb Nordrhein-Westfalen (BLB NRW) “ – Vorlage

16/1023. Hierzu liegen mit Drucksache 16/3515 die Beschlussempfehlung und der Bericht des Haus

halts- und Finanzausschusses vor. Eine Debatte ist dazu nicht vorgesehen. – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so und haben entsprechend die Tagesordnung ergänzt.

Nach dieser Vorbemerkung können wir in die Beratung der heutigen Tagesordnung eintreten.

Ich rufe auf:

1 Entscheidungen zu Datteln IV und BoAPlus –

Landesregierung muss industriepolitische

Verantwortung übernehmen

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/3502

In Verbindung mit:

Landtag Nordrhein-Westfalen begrüßt Entscheidung des RVR – Zielabweichungsverfahren zügig durchführen

Eilantrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/3503

Die Fraktion der CDU hat mit Schreiben vom 8. Juli dieses Jahres gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Die Fraktion der FDP hat ebenfalls mit Schreiben vom 8. Juli fristgemäß den Eilantrag eingebracht.

Ich eröffne die Beratung und erteile für die antragstellende Fraktion Herrn Kollegen Hovenjürgen das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am vergangenen Freitag, dem 5. Juli 2013, haben die Verbandsversammlung des Regionalverbandes Ruhr als Regionalrat und der Regionalrat Köln zukunftsweisende Entscheidungen für den Industriestandort Nordrhein-Westfalen getroffen. Sowohl die Antragstellung zu einem Zielabweichungsverfahren zum Standort Datteln 4 als auch die Grundlagen für den Neubau des Kraftwerks BoAPlus in BergheimNiederaußem sind in den jeweiligen Gremien mit den Stimmen von CDU, FDP und SPD gefasst worden. Es ist ausdrücklich zu begrüßen, dass die SPD in den jeweiligen Gremien die Chancen ergriffen hat, die parlamentarischen Mehrheiten, die auch hier im Landtag vorhanden wären, für eine positive Entscheidung zu nutzen.

Umso weniger nachvollziehbar ist es, dass im vorgelegten Entwurf des Landesentwicklungsplans für konventionelle Kraftwerke ein elektrischer Mindestwirkungsgrad von 58 % vorgesehen ist. Hier ist von den Grünen offensichtlich der Ausstieg aus der Koh

leverstromung durchgesetzt worden, was gleichzeitig mit dem Ende des Kraftwerkserneuerungsprogramms gleichzusetzen ist. Die Landesregierung riskiert damit die sichere Energieversorgung unseres Landes und die Zukunft des Industriestandorts Nordrhein-Westfalen.

Bevor gleich wieder seitens der Vertreter der Koalitionsparteien in Richtung Datteln 4 das Lied vom Murks der Vorgängerregierung gesungen wird

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

es ist immer schwierig, wenn man auf dem falschen Bein „Hurra“ schreit, liebe Kolleginnen und Kollegen –, darf ich an dieser Stelle feststellen, dass es in einem so aufwendigen Verfahren sicherlich auch zu Fehleinschätzungen kommen kann,

(Marc Herter [SPD]: Gekommen ist!)

dass man dann aber auch den Mut besitzen muss, den Versuch zu unternehmen, diese Fehler zu korrigieren.

(Marc Herter [SPD]: Das machen wir!)

Auf diesen Weg ist man jetzt mit der Entscheidung für ein Zielabweichungsverfahren gegangen. Die Landesregierung hat nun den Auftrag, dieses Verfahren rechtssicher und trotzdem schnellstmöglich durchzuführen – und das abseits des bisher erlebten Koalitionsmurkses in diesen Fragen.

CDU und FDP haben bewiesen, dass sie bereit sind, zugunsten des Industriestandorts NordrheinWestfalen Verantwortung zu übernehmen. Ich gehe davon aus, dass wir dies, wenn es notwendig wäre, auch hier im Landtag tun würden.

Die Regierung hat also die Möglichkeit, die industriepolitischen Entscheidungen hier durch eine große parlamentarische Mehrheit abzusichern. Es liegt an ihr, ob sie diese Chance nutzt.

Allen hier im Hause ist klar, dass das Ziel der Energiewende mit den Maßgaben, die für 2050 avisiert sind, nur mit einer Absicherung der Energieversorgung zu erreichen ist und dass somit die Entscheidung für neue, effiziente Kohlekraftwerke auch ein Beitrag zur CO2-Reduktion in unserem Lande ist. Wenn zum Beispiel Datteln 4 schon am Netz wäre, hätten wir eine erhebliche Menge CO2 einsparen können, weil alte Kraftwerke vom Netz genommen worden wären. Datteln 4 stößt pro erzeugter Kilowattstunde 20 % weniger CO2 als Altkraftwerke aus. Mit anderen Worten: Jeden Monat, den das neue Kraftwerk später ans Netz geht, werden

ca. 100.000 t CO2 mehr emittiert. In einem Jahr sind dies sage und schreibe 1,2 Millionen t CO2.

Insofern wissen alle hier im Hause vertretenen Fraktionen, dass wir nur in Kombination mit mutigem Vorangehen beim Ausbau von regenerativen Energien und der Weiterwicklung der Speicherung von Energien sowie der Absicherung der Energieversorgung durch konventionelle Kraftwerke mit hohen Effizi

enzgraden das gemeinsame Ziel der Energiewende erreichen werden.

Es wäre gut, wenn die koalitionstragenden Fraktionen, hier insbesondere die SPD, aus den Beschlussfassungen des vergangenen Freitags und deren Zustandekommen erkennen könnten, dass es auch hier im Landtag Nordrhein-Westfalen die Möglichkeit einer politischen Absicherung des Industriestandorts Nordrhein-Westfalen zur erfolgreichen Bewältigung der Energiewende gibt.

Lassen Sie mich an dieser Stelle aber auch noch ein anderes in der Diskussion stehendes industrielles Großprojekt, nämlich den newPark in Datteln/Waltrop im Kreis Recklinghausen, ansprechen. Erfreulicherweise wird im Entwurf des Landesentwicklungsplans die Fläche newPark ausdrücklich erwähnt. Somit bleibt hier natürlich die Frage nach den Realisierungsmöglichkeiten im Raum, die nur dann gegeben sind, wenn sich die Landesregierung zur Bürgschaft für den Ankauf des Geländes durchringen kann. Diese Entscheidung ist für den Sommer in Aussicht gestellt.

Durch die nicht erfolgte Bürgschaftszusage im letzten Jahr sind allerdings Mehrkosten in Millionenhöhe entstanden, die von den Gesellschaftern, von denen ein großer Teil Städte im Stärkungspakt sind, in ihren Haushalten nicht dargestellt werden können. Eine Schuld an dieser Entwicklung trifft die Städte nicht.

Wer den newPark will, muss wissen – hier wende ich mich an die Landesregierung und die sie tragenden Fraktionen –: Wenn dieses Projekt trotz der Mehrkosten, die von den Gesellschaftern nicht zu verantworten sind, umgesetzt werden soll, ist neben dem Wirtschaftsministerium und dem Finanzministerium insbesondere der Innenminister gefragt. Wir werden sehr genau darauf achten, wie er hier agiert.

Wie gesagt: In diesem Hause gibt es eine breite Mehrheit zur Absicherung des Industriestandorts Nordrhein-Westfalen. Es liegt an Ihnen, diese zu nutzen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Hovenjürgen. – Für die FDP-Fraktion spricht Herr Kollege Brockes.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Zielabweichungsverfahren für Datteln 4 waren bereits Thema der Plenarsitzung im Juni. Damals haben Sie sich, meine Damen und Herren von SPD und Grünen, einer inhaltlichen Auseinandersetzung verweigert,

(Thomas Eiskirch [SPD]: Quatsch!)

weil beim RVR noch nichts verbindlich beschlossen sei. So haben Sie es auch gesagt, Herr Kollege Eis

kirch. Einzig Minister Duin hatte sich im Vorfeld gegen die grüne Ideologie gewandt. Im Plenum – also hier – durfte er nicht sprechen.

Ich zitiere Herrn Minister Duin:

Und deswegen wäre es gut, wenn wir zeitnah Entscheidungen treffen können, die dann die Inbetriebnahme von Datteln 4 auch ermöglichen.