Protocol of the Session on June 21, 2013

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie alle ganz herzlich willkommen zu unserer heutigen, 35. Sitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 13 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wir haben auch heute jemandem zum Geburtstag zu gratulieren. Ich gratuliere ganz herzlich in Ihrer aller Namen Herrn Kollegen Dr. Joachim Stamp von der Fraktion der FDP zu seinem Geburtstag. Alles Gute!

(Allgemeiner Beifall)

Neben den Glückwünschen werden wir alle miteinander versuchen, den Plenartag heute so zu gestalten, dass Sie noch rechtzeitig zu Ihrer privaten Feier kommen können.

(Zuruf von der FDP)

Nein, das würde ich ihm auf gar keinen Fall wünschen, dass diese Sitzung hier heute seine private Feier ist. Ich glaube, dafür gibt es noch angenehmere Umgebungen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, nach diesem Glückwunsch und den kleinen Vorbemerkungen treten wir nunmehr in die Beratung unserer heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

1 Gegen Bevormundung und Entmündigung

von Wirten und Gästen

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/3301

Die Fraktion der FDP hat mit Schreiben vom 17. Juni dieses Jahres gemäß § 90 Abs. 2 unserer Geschäftsordnung zu dieser aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der antragstellenden Fraktion dem Fraktionsvorsitzenden der FDP, Herrn Kollegen Lindner, das Wort.

Frau Präsidentin! Verehrte Damen, meine Herren! Guten Morgen! Wir haben vor einigen Wochen hier im Landtag über ein Rauchverbotsgesetz debattiert. Der Landtag hat

dieses Gesetz mit der Mehrheit von SPD und Grünen beschlossen.

Ein solches Gesetz kann allerdings nicht zu den Akten genommen werden; denn erst nach dem Beschluss zeigt sich, ob es dem Praxistest genügt. Wenn für uns hier ein Gesetzgebungsverfahren abgeschlossen ist, dann beginnt für die Menschen im Land die Prüfung, ob das, was sich ein Parlament als Willensbildung vorgenommen hat, das Leben der Menschen im Alltag tatsächlich verbessert.

(Beifall von der FDP und den PIRATEN – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Deshalb wollen wir dieses Gesetz nun einem Praxistest unterziehen und im Übrigen prüfen, ob das, was die regierende Mehrheit im Landtag beschlossen hat, auch ihren eigenen Zielen genügt. Das will ich an zwei Punkten tun.

Erstens. In der Theorie heißt es im Koalitionsvertrag von SPD und Grünen – ich zitiere –: „Zivilgesellschaftliches und Bürgerschaftliches Engagement in Nordrhein-Westfalen stärken“. In der Praxis zeigt sich jetzt, dass das Rauchverbotsgesetz das Brauchtum in Schützenvereinen und im Karneval massiv bedroht und gefährdet.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Deshalb haben die dort Aktiven inzwischen die Vorarbeiten für eine Volksinitiative aufgenommen. Sie sehen sich in ihrer Tradition gefährdet.

Niemals hat es Beanstandungen wegen des Rauchens in Zeltveranstaltungen gegeben, und dennoch hat die Mehrheit hier im Landtag, ohne dort eine Ausnahme vorzusehen, ein striktes Rauchverbot verhängt.

Deshalb fragen die Initiatoren dieser Volksinitiative zu Recht: Was hat sich seit dem 20. Dezember 2007 – also seit der Verabschiedung des Nichtraucherschutzgesetzes von CDU und FDP – bei der Durchführung unserer traditionellen Feste geändert, dass das Gesetz zum 1. Mai 2013 geändert werden musste? – So die Initiatoren der Volksinitiative.

Im Brauchtum hat die Koalition das Ehrenamt also nicht gefördert und gestärkt, sondern behindert und geschwächt. Das können wir bereits nach wenigen Wochen sagen.

(Beifall von der FDP)

Zweitens. Die Theorie – Regierungserklärung von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft vom 12. September 2012 – sieht folgendermaßen aus – Zitat –: „Mittelstand und Handwerk können sicher sein, dass die Landesregierung ein offenes Ohr für ihre Anliegen hat.“

In der Praxis gefährdet Rot-Grün mit dem Rauchverbotsgesetz eine ganze Branche; denn in den Eckkneipen hat eine Vielzahl von Kleinstunternehmern jetzt keine Chance mehr, ihr Geschäftsmodell

aufrechtzuerhalten. Erste Branchenumfragen zeigen: Mehr als 70 % der Wirte von Kneipen und Bars beklagen Umsatzeinbrüche von bis zu 60 %. Da wird ein Geschäftsmodell von Menschen zunichtegemacht, die mitunter keine berufliche Alternative haben – alles nur, um ideologische Vorstellungen zum Durchbruch zu bringen.

(Beifall von der FDP)

Auf der anderen Seite haben viele Wirte in Nordrhein-Westfalen seit 2007 in den Nichtraucherschutz investiert. Deren Investitionspläne werden hier mit einem Federstrich zunichtegemacht.

Was sagt eigentlich der Wirtschaftsminister des Landes dazu, dass Frau Steffens bei einer der führenden Branchenmessen im Bereich Tabak, die wir in Nordrhein-Westfalen zu Gast haben, jetzt ebenfalls ein striktes Rauchverbot verhängen will? Alle Bemühungen des Veranstalters, die Messehalle zu einem multifunktionalen Veranstaltungsraum zu machen, sind von der Verwaltung zunichtegemacht worden mit dem Ergebnis, dass in der Branche darüber nachgedacht wird, diese Messe aus Nordrhein-Westfalen abzuziehen.

(Zuruf von Inge Howe [SPD])

Verehrte Damen, meine Herren, wir können bilanzieren: Mit dem Rauchverbotsgesetz in NordrheinWestfalen dokumentieren Sie, dass Ihre Zusagen für Ehrenamt, Brauchtum und Mittelstand nichts weiter als Lippenbekenntnisse sind. Das zeigt sich in der Praxis.

(Beifall von der FDP)

Der Nichtraucherschutz war auch für uns stets ein Anliegen. Deshalb haben wir hier im Landtag 2007 ein Nichtraucherschutzgesetz verabschiedet. Da, wo Kinder und Jugendliche sind, in der Gastronomie, in öffentlichen Räumen und Bildungseinrichtungen soll nicht geraucht werden dürfen, um diejenigen, die sich in ihrer Gesundheit oder einfach in ihrer privaten Lebensführung beeinträchtigt fühlen, nicht zu belasten.

Unser Nichtraucherschutzgesetz, das wirklich eines war, hatte zum Ziel, Verhältnismäßigkeit und Vernunft zu bewahren.

(Beifall von der FDP)

Es ging darum, auch Privaten eine Nische für ihren individuellen Genuss zu lassen, einer Minderheit zu erlauben, ihre Bedürfnisse und Wünsche auszuleben.

Diese Vorstellung geht den Grünen vollständig ab. Das in Rede stehende Gesetz trägt ja offensichtlich Ihre Handschrift. Man braucht nur in Ihr aktuelles Bundestagswahlprogramm zu schauen. Sie wollen gute Bildung, gute Arbeit, gute Gesundheit – alles gut, und was gut ist, definiert eine Partei, nämlich Bündnis 90/Die Grünen. Das geht so weit, dass es in dem Entwurf Ihres Wahlprogramms – das hat die

Wochenzeitung „DIE ZEIT“ dieser Tage in Erinnerung gerufen – heißt: Wir lehnen die Entfernung von Körperbehaarung ab. – Also gewissermaßen Achseln unter Naturschutz! Sie wollen über Menschen bestimmen, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes: mit Haut und Haaren.

(Lebhafter Beifall von der FDP, der CDU und den PIRATEN)

Zu dieser Politik hat Karl Popper, der kritische Rationalist, einen Kommentar abgegeben. Er hat gesagt: „Die Hybris, die uns versuchen lässt, das Himmelreich auf Erden zu verwirklichen, verführt uns dazu, unsere gute Erde in eine Hölle zu verwandeln.“ Genau das ist der totalitäre Anspruch von Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall von der FDP – Vereinzelt Beifall von der CDU)

Meine Damen und Herren, es ist ja nicht so, dass die Bedenken in der SPD nicht geteilt würden. 18 Abgeordnete der Sozialdemokratie haben in einer Protokollerklärung ihre Bedenken zum Ausdruck gebracht, als wir das Gesetz beschlossen haben. 18 Abgeordnete der SPD haben mit Bedenken zugestimmt.

Die Redezeit.

Das zeigt die große Disziplin der Sozialdemokratie, die wir im Augenblick auch in der Debatte Steinbrück beobachten können. Was in anderen Parteien los wäre, wenn eine Kanzlerkandidatur so in die Hose geht, mag man sich gar nicht ausmalen. Aber da sind Sie diszipliniert.

(Rainer Schmeltzer [SPD]: Ganz dünn!)

Sie achten bitte auf die Redezeit.

Mein letzter Gedanke. – Es gibt Alternativen, verehrte Damen und Herren von der SPD. In Berlin regieren SPD und CDU: Ausnahmeregelungen gestattet, auch Raucherräume. In Baden-Württemberg ist das ebenso. In Hamburg regiert die SPD allein: Kneipen, Raucherräume, Ausnahmen für Zelte.

(Zuruf von Stefan Zimkeit [SPD])