Protocol of the Session on April 5, 2017

Lieber Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich heiße Sie alle ganz herzlich willkommen zu unserer heutigen, 141. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich insgesamt zehn Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Mit großer Freude werden wir ebenfalls in das Protokoll aufnehmen, dass ein Kollege heute seinen Geburtstag mit uns feiert. Herr Kollege Karlheinz Busen von der FDP-Fraktion wird – und das darf ich sagen, er hat es erlaubt – 66 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch, Herr Kollege Busen! Alles Gute!

(Beifall von allen Fraktionen und der Regie- rungsbank)

Dass wir heute viel Zeit miteinander verbringen werden, ergibt sich aus der Tagesordnung.

Vor Eintritt in die Tagesordnung, liebe Kolleginnen und Kollegen, möchte ich Sie noch einmal daran erinnern, dass sich alle im Landtag vertretenen Fraktionen zwischenzeitlich darauf verständigt haben, den ursprünglich für Freitag vorgesehenen Tagesordnungspunkt 8 „Gesetz zur Änderung des Landesbeamtengesetzes Nordrhein-Westfalen (LBG NRW)“, Drucksache 16/13532, ein Gesetzentwurf der Fraktion der CDU, mit dem heutigen Tagesordnungspunkt 13 „Engpässe in der Unterbringungseinrichtung für Ausreisepflichtige (UfA) Büren beseitigen – Landesregierung muss Kapazitäten umgehend erweitern“, Drucksache 16/14172, ebenfalls ein Antrag der CDU-Fraktion, zu tauschen.

Die Fraktionen haben sich außerdem darauf verständigt, den ursprünglich ebenfalls für Freitag vorgesehenen Tagesordnungspunkt 7 „Ehrenamtliches Engagement auch im Steuerrecht fördern“, Drucksache 16/14661, ein Antrag der SPD-Fraktion und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, mit dem heutigen Tagesordnungspunkt 7 „System zur Akkreditierung von Studiengängen auf sichere Rechtsgrundlage stellen und weiterentwickeln“, Drucksache 16/14660, ebenfalls ein Antrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, zu tauschen.

Ich sehe, dass sich dagegen kein Widerspruch erhebt. Dann verfahren wir so. Damit ist die Tagesordnung für heute respektive im Vorgriff schon die Tagesordnung für Freitag geändert.

Damit treten wir in die Bearbeitung der heutigen Tagesordnung ein. Ich rufe auf:

1 Aufklärung muss Chefsache sein – Landesre

gierung muss im Fall Amri drängende Fragen beantworten

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/14749

Die Fraktion der CDU hat mit Schreiben vom 3. April dieses Jahres gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu dem genannten aktuellen Thema der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat vonseiten der antragstellenden Fraktion der CDU Herr Kollege Laschet jetzt das Wort.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit über drei Monaten hält uns der furchtbare Anschlag vom Berliner Breitscheidplatz immer noch in Atem, und das zu Recht. Es war der größte islamistische Anschlag, den wir in Deutschland erlebt haben. Die Opfer: zwölf unschuldige Menschen, auch aus Nordrhein-Westfalen. Der Täter: ein behördenbekannter Gefährder aus Nordrhein-Westfalen.

Öffentlichkeit und Opfer verlangen zu Recht Aufklärung: Wie konnte es dazu kommen? Hätte man den Mann stoppen können? Hätte man den Anschlag verhindern können? Diese ganz normalen Fragen stellt sich jeder Mensch. Ich finde, die müsste sich auch eine Regierung stellen.

Es geht doch darum – wenn das an einem Montag in Berlin passiert und die ersten Informationen offenkundig werden –: Was ist dann die Rolle eines Regierungschefs? Sagt er nach innen und nach außen: „Ich erwarte jetzt volle Transparenz“? Will er dann sehen: Sind bei uns Dinge schiefgelaufen? Welche Fehler wurden gemacht? Wo sind Schwachstellen, die man abbauen kann?

Von Anfang an ist das Gegenteil passiert!

(Zuruf: Ein Unding!)

Am Mittwoch nach dem Anschlag gibt Herr Jäger, der Innenminister, eine Pressekonferenz. Der Täter war nicht einmal öffentlich zur Fahndung ausgeschrieben. Diese Pressekonferenz und alles, was man sagt, dient nur einem einzigen Ziel, nämlich zu erklären: Der war in Berlin, der war weg, wir haben mit nichts etwas zu tun. – Das konnten Sie selbst an diesem Mittwoch noch gar nicht wissen, Herr Minister Jäger. Deshalb war das von Anfang an exakt das falsche Signal.

Was hätten Sie sich denn vergeben, wenn Sie gesagt hätten: „Es war ein schrecklicher Anschlag. Ich will jetzt sehen, was bei mir in Nordrhein-Westfalen schiefgelaufen ist. Hier bin ich verantwortlich. Ich will

Schwachstellen abbauen. Ich bin der Chefaufklärer in dieser Sache, nicht der Chefverteidiger“?

(Beifall von der CDU und der FDP)

Seit Sonntag aber wissen wir – das hätte ich wirklich nicht für möglich gehalten, Frau Ministerpräsidentin –: Diese Strategie wurde aus der Chefetage so gesteuert. Man hat nicht gesagt „Lieber Innenminister, nächsten Dienstag ist Kabinettssitzung; ich will, dass du mir mal berichtest“, sondern wie bei der Kölner Silvesternacht ist das Prinzip der Staatskanzlei: verharmlosen, verbergen, vertuschen.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie haben der Öffentlichkeit – auch von diesem Pult aus – Aufklärung versprochen. Am Tag, nachdem Sie das versprochen haben, schreiben sich zwei Abteilungsleiter in der Staatskanzlei gegenseitig per Mail, das Jäger-Ministerium darum zu bitten, die Chronologie im Hinblick auf das, was außerhalb von NordrheinWestfalen falsch gelaufen ist, noch mehr zu optimieren. Es gab also quasi die Weisung an Herrn Jäger, seine Presse- und Öffentlichkeitsarbeit noch weiter zu verbessern mit dem Ziel, möglichst Schuldige außerhalb von Nordrhein-Westfalen zu identifizieren.

Der MCdS, also der Chef Ihrer Staatskanzlei, fragt, ob man nicht streuen sollte, dass die von Amri aufgesuchten Moscheen überwiegend nicht salafistisch geprägt seien. – Ja, mein Gott! Jeder wusste: Dieser Mann stand mit den schlimmsten Salafisten im Land in Kontakt. Das muss man dann auch öffentlich sagen und nicht eine Gegenstrategie entwickeln.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Was muss in den Köpfen der Opfer vor sich gehen, wenn sie so etwas erleben?

Deshalb will ich heute von Ihnen wissen, liebe Frau Ministerpräsidentin: Waren es Alleingänge in der Staatskanzlei, dass man diese Vertuschungsstrategie gestartet hat? Oder reden Sie nach außen anders, als Sie nach innen öffentliche Weisungen geben? – Das ist die Kernfrage, auf die wir heute eine Antwort erwarten.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das nächste Täuschungsmanöver betrifft nun den sogenannten unabhängigen Regierungsgutachter. Die Täuschungsmaschinerie in Ihrem Hause macht ja selbst vor Ihrem eigenen Regierungspartner nicht Halt. Oder wie erklären Sie sich, Frau Ministerpräsidentin, dass die Grünen sagen: „Dieser Gutachter kann nicht unabhängig gewesen sein; wir brauchen einen neuen Gutachter“? Einen solchen Vorgang habe ich den sieben Jahren Ihrer Amtszeit noch nicht erlebt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Die Ministerpräsidentin beruft jemanden, und die Grünen sagen: Nein, das ist nichts. Bitte einen neuen

Gutachter. – Das ist nach sieben Jahren des Regierungsstils, den Sie hier praktiziert haben, eine Misstrauenserklärung.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Sie haben den Menschen an diesem Pult im Landtag versprochen: Der Mensch, der berufen wird, wird unabhängig sein, autark arbeiten und Zugang zu allen Akten und Dokumenten haben. – In Bezug auf diese drei Punkte wissen wir heute, dass all das, was Sie hier erklärt haben, nicht eingetreten ist:

Zum Ersten: Der Gutachter verhandelt über die Modalitäten seines Wechsels an eine nordrhein-westfälische Universität und damit in den Landesdienst. Die Frage ist: Ist das die Unabhängigkeit, die Sie meinen? Wenn Sie meinen, dass er trotzdem unabhängig ist, warum sagen Sie nicht von vornherein: „Der, den ich berufen habe, ist zwar im Moment in Verhandlungen, ich halte ihn aber trotzdem für unabhängig“? Es musste erst aufgedeckt werden, worüber er hier im Land wirklich verhandelt.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Zum Zweiten: Zentrale Dokumente lagen dem Gutachter nicht vor. Wir wissen heute, dass der PUA inzwischen mehr Dokumente hat, als sie der Gutachter hatte. Sie wollten den Zugang zu allen Dokumenten ermöglichen. Ich frage mich inzwischen, ob sich nicht auch der Gutachter getäuscht fühlen muss, weil er mit wesentlichen Dokumenten nicht konfrontiert war und in der Öffentlichkeit als jemand erscheint, der Gefälligkeitsgutachten geschrieben hat.

(Beifall von der CDU)

Die Redezeit.

Zum Dritten erwähne ich das, was die Grünen hier vorsichtig „neuer Gutachter“ und die Grünen in Berlin „peinlich“ nennen. Damit ist die Regierungsverantwortung im Land NordrheinWestfalen gemeint.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Deshalb ist der PUA der richtige Ort für die Aufklärung. Ich hätte mir gewünscht, man hätte gleichermaßen im Deutschen Bundestag in Berlin einen PUA eingerichtet.

(Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

Das haben Volker Kauder und ich Anfang Januar vorgeschlagen. Aber die Sozialdemokraten in Berlin verweigern sich einem solchen Ausschuss.

(Zurufe von der SPD – Beifall von der CDU)

Die Redezeit, Herr Kollege Laschet.

Jetzt geht das ja weiter.

Herr Kollege Laschet, die Redezeit.