Protocol of the Session on April 9, 2014

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie ganz herzlich willkommen zu unserer heutigen, 56. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich zwölf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich Sie gerne darüber informieren, dass der Chef der Staatskanzlei mit Schreiben vom 8. April 2014 mitgeteilt hat, dass die Landesregierung beabsichtigt, in der Plenarsitzung morgen, am 10. April 2014, zum Thema „Ergebnis der Verhandlungen mit den kommunalen Spitzenverbänden über einen Ausgleich möglicher finanzieller Auswirkungen einer zunehmenden schulischen Inklusion im Zuge der Umsetzung des 9. Schulrechtsänderungsgesetzes“ zu unterrichten. Die Unterrichtung soll durch die Ministerin für Schule und Weiterbildung erfolgen und ist als letzter Tagesordnungspunkt vorgesehen. Die Hintergründe dafür sind Ihnen allen bekannt. Die sich aus dieser Ergänzung ergebenden Änderungen sind der aktuellen Tagesordnung im Intranet bzw. im Internet zu entnehmen.

Mit dieser Vorbemerkung, die den Ablauf des morgigen Tages betrifft, treten wir nunmehr in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt

1 Zukunft des rheinischen Braunkohlereviers –

weiteres Verfahren zu Garzweiler II

Unterrichtung durch die Landesregierung

In Verbindung mit:

SPD und Grüne opfern Arbeitsplätze sowie die sichere und bezahlbare Energieversorgung in Nordrhein-Westfalen dem Koalitionsfrieden

Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der FDP Drucksache 16/5473

Die Unterrichtung erfolgt durch Frau Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, der ich jetzt das Wort erteile.

Vielen

Dank. – Frau Präsidentin! Meine Damen und Her

ren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die Landesregierung möchte ich heute den Landtag über die Zukunft des rheinischen Braunkohlereviers und das weitere Verfahren zu Garzweiler II unterrichten.

Ich schicke eines grundsätzlich vorweg: Gemeinsam hat die rot-grüne Landesregierung seit der Regierungsübernahme 2010 auch in der Energiepolitik stets ihre Verantwortung wahrgenommen und Verlässlichkeit bewiesen. Das wird auch weiterhin gelten.

Die Landesregierung ist und bleibt ein verlässlicher Partner, auch beim Thema „Garzweiler II“: Partner für die Bürgerinnen und Bürger in der Region, für die betroffenen Unternehmen und für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Bergbau und bei den Zulieferern.

Nordrhein-Westfalen ist das Energieland Nummer eins in Deutschland. Darum ist es für uns und für Deutschland insgesamt von großer Zukunftsbedeutung, dass hier eine Energiepolitik gemacht wird, die sich durch Klarheit, Verantwortung und Verlässlichkeit auszeichnet. Und das werden wir tun.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Am 28. März dieses Jahres haben wir in der Koalition energiepolitisch wichtige Entscheidungen für die Zukunft des rheinischen Braunkohlereviers getroffen. Wir übernehmen die Verantwortung dafür, dass die Fortführung des Tagebaus Garzweiler II energiepolitisch notwendig ist.

Wir übernehmen damit zugleich die Verantwortung dafür, dass die Ortschaften Keyenberg, Kuckum, Unter- und Oberwestrich sowie Berverath umgesiedelt werden müssen. Das betrifft insgesamt 1.620 Menschen.

Wir schaffen Klarheit, indem wir bis Mitte 2015 eine neue Leitentscheidung für den Zeitraum nach 2030 treffen.

Wir haben bei dieser Leitentscheidung das politische Ziel, auf die Umsiedlung des Ortsteils Erkelenz-Holzweiler, des Hauerhofs und des Guts Dackweiler verzichten zu können. Auch damit schaffen wir Verlässlichkeit.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Ich betone ausdrücklich: Diese Entscheidungen waren jetzt notwendig. Jeder, der sich mit den Abläufen bei den anstehenden Entscheidungen des dritten Umsiedlungsabschnitts auskennt, weiß das. Es war zwingend, am Montag der vergangenen Woche eine Stellungnahme der Landesregierung zur energiepolitischen Notwendigkeit von Garzweiler II an den Braunkohlenausschuss zu schicken. Denn der Braunkohlenausschuss tagt am 28. April. Ohne diese energiepolitische Stellungnahme hätte ein zentraler Baustein gefehlt, um das Umsiedlungsverfahren zu eröffnen.

Es kann auch keine Rede davon sein, dass unsere Entscheidung plötzlich gekommen sei. Seit Monaten gibt es in der Region eine auch öffentliche Diskussion zu dieser Frage. Und auch hier im Landtag haben wir noch am 27. März darüber diskutiert.

Zudem wurden wir seit Monaten aus der Region um eine Entscheidung gebeten. Ausgelöst durch Medienberichte über die zukünftige Haltung von RWE zur Braunkohle gab es vor Ort Sorgen – Sorgen, ob und wie es mit dem Tagebau weitergeht.

Aus diesen Gründen musste entschieden werden. Und wir haben entschieden.

Ich nutze heute die erste parlamentarische Möglichkeit, die sich nach der Entscheidung bietet, um das Landtagsplenum zu unterrichten, nachdem Minister Duin in der vorigen Woche den Wirtschaftsausschuss informiert hat.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – La- chen und Widerspruch von der CDU und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von CDU und FDP, ich habe Ihre Reaktionen wahrnehmen können. Wenn Ihre Kritik lautet, wir hätten das Parlament vorher informieren sollen, dann kann ich nur sagen: Bevor eine Entscheidung gefallen ist, kann ich das Parlament nicht informieren. Das ist leider so; es tut mir schrecklich leid.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN – Zu- rufe von der CDU und der FDP)

Meine Damen und Herren, die Entscheidungen der Koalition haben eine breite öffentliche Diskussion ausgelöst.

(Zurufe von der CDU und der FDP)

Nach meiner Wahrnehmung hat es in dieser Diskussion auch Ungenauigkeiten und Irrtümer gegeben. Darum ist heute eine gute Gelegenheit, hier im Landtag Irrtümer auszuräumen.

Zum Teil werden Irrtümer auch politisch bewusst verbreitet. Beispielhaft dafür ist der gemeinsame Antrag von CDU und FDP, der heute zusammen mit der Unterrichtung unter TOP 1 beraten wird. Er hat den Titel: „SPD und Grüne opfern Arbeitsplätze sowie die sichere und bezahlbare Energieversorgung in Nordrhein-Westfalen dem Koalitionsfrieden“.

Wenn Sie mir die Bemerkung gestatten: Es ist schon ein Kunststück, in den Titel eines einzigen Antrags so viele falsche Aussagen zu packen.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Um diese falschen Aussagen richtigzustellen:

Tatsächlich opfern wir keine Arbeitsplätze, sondern wir schaffen im Gegenteil ein Maß an Investitions- und Planungssicherheit, das es so in keinem anderen Industriebereich gibt. Das wiederum ist eine wesentliche Grundlage für sichere Arbeitsplätze.

(Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Tatsächlich sind unsere energiepolitischen Entscheidungen kein Risiko für unsere Energieversorgung. Im Gegenteil: Sie wird dadurch sicherer werden.

Ich glaube, manche Irrtümer lösen sich auf und mancher politischen Polemik geht die Luft aus, wenn man einmal ganz nüchtern darlegt, was beschlossen wurde, was nicht beschlossen wurde, was noch beschlossen werden muss und wie es eigentlich auf der Zeitachse aussieht, auf der wir uns bewegen.

Grundlage der Entscheidung war ein wochenlanger Prozess mit vielen auch vertraulichen Gesprächen mit Unternehmen und Betroffenen vor Ort, auch Gewerkschaften. Hier wurde die Grundlage für die Entscheidung gelegt. Das bedeutet übrigens nicht – das sage ich sehr offen –, dass wir uns mit den Gesprächspartnern immer in allen Punkten einig waren; das ergibt sich aus der Natur der Sache.

Ich möchte die wesentlichen Fakten zusammenfassen, zunächst für den Teil bis ca. 2030:

Die Landesregierung stellt mit ihren Entscheidungen klar, dass die Fortführung des Tagebaus Garzweiler II bis mindestens 2030 sicher ist. Dieser Tagebau gewährleistet somit auch weiterhin eine gesicherte und ausreichende Rohstoffversorgung von Braunkohlekraftwerken. Damit trägt er wesentlich zur Versorgungssicherheit in Nordrhein-Westfalen, aber auch in der gesamten Bundesrepublik bei.

Weil die Fortführung des Tagebaus Garzweiler II notwendig ist, ist zugleich die Umsiedlung der Erkelenzer Ortschaften, die ich genannt habe, notwendig. Es werden also noch einmal etwa 1.600 Menschen ihre Heimat verlassen müssen.

Die Landesregierung hat damit für die Stadt Erkelenz sowie die betroffenen Umsiedlerinnen und Umsiedler des dritten Abschnitts für einen verlässlichen Rahmen gesorgt.

Dieser Rahmen ermöglicht der bergbautreibenden RWE Power AG über viele Jahre den Abbau von rund 100 Millionen t Rohbraunkohle jährlich in den drei Tagebauen vor Ort. Denn – das wird bei der aktuellen Debatte oftmals vergessen – das Rheinische Revier hat noch zwei weitere Großtagebaue. Nach aktuellem Stand der Braunkohlevorräte und dem bisherigen Abbauverlauf wird es bis Anfang 2030 noch für Inden reichen, über 2045 hinaus für Hambach.

Vielleicht hat die Opposition es vergessen: Es war diese Landesregierung, die 2011 und 2013 mit der Genehmigung der Umsiedlung von Manheim und von Morschenich für diesen Teil des Reviers eine sehr weit in die Zukunft reichende Versorgungs- und Planungssicherheit geschaffen hat.

Kommen wir zur Zeit ab 2030, zu einer neuen Leitentscheidung. Die Landesregierung und die sie tragenden Parteien und Fraktionen kennen ihre industriepolitische Verantwortung für das rheinische Braunkohlerevier. Niemand kann ernsthaft leugnen, dass sich seit der letzten Leitentscheidung einer Landesregierung zur Braunkohle – das war im Jahr 1991 – die Rahmenbedingungen in der europäischen und deutschen Energiewirklichkeit verändert haben. Diese gewollten Veränderungen haben bereits begonnen. Ich nenne die Stichworte: Liberalisierung der Energiemärkte, Energiewende, massiver Aufwuchs erneuerbarer Energien. – Es ist also ganz offensichtlich eine Notwendigkeit, jetzt eine neue Leitentscheidung ins Auge zu fassen und dem Rheinischen Revier eine klare und langfristige Perspektive auch für den Zeitraum nach 2030 zu bieten.