Protocol of the Session on October 16, 2013

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie ganz herzlich zu unserer heutigen, 41. Sitzung des Landtags NordrheinWestfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien, die noch nicht sehr zahlreich vertreten sind.

Für die heutige Sitzung haben sich fünf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden wie immer dem Protokoll beigefügt werden.

Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich Ihnen gerne drei Hinweise für den heutigen Tag geben.

Erstens: Die Fraktionen haben sich inzwischen darauf verständigt, dass zu Tagesordnungspunkt 15 – Vierter Änderungsvertrag zwischen dem Land Nordrhein-Westfalen und den Landesverbänden der jüdischen Gemeinden von Nordrhein und Westfalen Lippe sowie der Synagogen-Gemeinde Köln – und zu Tagesordnungspunkt 16 – Körperschaftsstatusgesetz – keine Debatte geführt werden soll, sodass die dafür vorgesehenen Redezeiten entfallen. Gibt es dagegen Widerspruch? – Das ist nicht der Fall. Dann haben wir das so gemeinsam vereinbart.

Zweitens möchte ich Sie darüber informieren, dass sich die Fraktionen darauf verständigt haben, dass zu Tagesordnungspunkt 14 – Krebsregistergesetz – eine mündliche Ergänzung zur Beschlussempfehlung durch den Berichterstatter erfolgen soll und die vorgesehenen Reden der Fraktionsmitglieder im Übrigen zu Protokoll gegeben werden. – Das haben Sie zur Kenntnis genommen.

Mein letzter Hinweis betrifft einen Vorgriff auf die noch zu verabschiedende Geschäftsordnung. Zur Klarstellung weise ich darauf hin, dass, wie in den Fraktionen sicherlich mitgeteilt, die Vereinbarung über die abstimmungsfreie Zeit zwischen

12:30 Uhr und 14:00 Uhr ab sofort nicht mehr gelten wird. – Auch das haben Sie zur Kenntnis genommen. Das ist insbesondere für den Verlauf des heutigen Vormittags und Mittags entscheidend.

Nach diesen drei Vorbemerkungen kann ich aufrufen:

1 Qualität im Unterricht muss oberste Priorität

haben

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/4210

In Verbindung mit:

Katastrophales Abschneiden Nordrhein

Westfalens beim Schulleistungsvergleich

muss Kurswechsel der rot-grünen Schulpolitik zur Folge haben

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/4211

Die Fraktion der CDU hat mit Schreiben vom 14. Oktober 2013 gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt; der Antrag trägt die Drucksachennummer 16/4210. Die Fraktion der FDP hat ebenfalls mit Schreiben vom 14. Oktober 2013 gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu der aufgeführten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt; dieser Antrag trägt die Drucksachennummer 16/4211. Beide aktuelle Themen werden in verbundener Debatte als Tagesordnungspunkt 1 behandelt.

Ich eröffne hiermit die Aussprache zur Aktuellen Stunde. Als erster Redner vonseiten der CDUFraktion hat Herr Kollege Kaiser das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nordrhein-Westfalen ist auf den hinteren Plätzen beim „IQB-Ländervergleich 2012. Mathematische und naturwissenschaftliche Kompetenzen am Ende der Sekundarstufe I“ gelandet, bei dem Vergleich in Physik sogar auf dem letzten Platz. Das ist eine Blamage für das Industrieland Nummer eins.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Das kann nicht unser Anspruch sein. Wenn wir das Industrieland Nummer eins sind, dann müssen wir auch den Anspruch haben, bei den Leistungsvergleichen zumindest in der Spitzengruppe zu liegen. Denn es geht ja nicht nur um einen sportlichen Wettbewerb, bei dem Mitmachen das Entscheidende ist – nein, bei diesem Wettbewerb geht es um Lebenschancen. Es geht darum, ob der Start ins Berufsleben leichter gelingt oder nicht. Deshalb sind die Ergebnisse so erschreckend. Aus diesem Grunde dürfen wir nicht zur Tagesordnung übergehen.

Hier können wir wirklich zeigen, ob wir jedem Kind seine Chance geben oder, wie es Rot-Grün sagt, kein Kind verloren gehen darf; denn schlechte Ergebnisse bei den mathematisch-naturwissenschaftlichen Leistungen in den Schulen bedeuten auch schlechte Anschlussmöglichkeiten.

Der Blick auf die Studienabbrecher macht das deutlich. Von den Studierenden, die im Jahr 1999 begonnen haben, haben im Jahr 2008 64,7 % ihr Studium abgeschlossen. Das heißt, Nordrhein

Westfalen liegt bei den Studienabbrechern auf dem

vorletzten Platz. Bei der Ausbildungsabbrecherquote liegen wir bei etwa 25 %.

Es gibt verschiedene Ursachen dafür. Jeder aber, der Betriebe besucht und mit Ausbildern spricht, hört: Gerade im Bereich der mathematischnaturwissenschaftlichen Kompetenzen sind wir nicht gut. Auch hier ist Nordrhein-Westfalen also kein Vorbild. Deshalb ist es naheliegend, dass wir uns zusammen mit diesen Ergebnissen mit den Auswirkungen und Zusammenhängen befassen und fragen: Gibt es dafür vielleicht Erklärungen?

Eines wird – so schlecht waren die Ergebnisse, Frau Ministerin Löhrmann deutlich –: Wenn hier jetzt nicht gehandelt wird, ist das nicht nur ungerecht und unsozial, sondern wir gefährden auch nachhaltig den Standort Nordrhein-Westfalen. Das können wir nicht hinnehmen.

(Beifall von der CDU)

Seitens der CDU-Fraktion haben wir immer betont, dass die Grundlage für Bildungserfolg guter Unterricht ist. Deshalb haben wir mit dem Schulkonsens die ideologische Strukturfrage beiseite geräumt und Schulen und Schulträgern neue Handlungsmöglichkeiten eröffnet. Es macht uns jetzt aber auch frei, uns um das eigentliche Thema, nämlich die Unterrichtsqualität, zu kümmern. Ich halte das Thema, das jetzt ansteht, für das Megathema in der Bildungspolitik.

Deshalb, Frau Ministerin Löhrmann, war es für mich überraschend, wie schnell Sie wieder mit Patentlösungen oder auch Ablenkmanövern dabei waren.

Erster Ansatz: Man gibt der Opposition Mitschuld. Dazu nur so viel: Wir haben natürlich von 2005 bis 2010 gerne regiert. Vorher gab es 39 Jahre andere Farben, die es jetzt seit drei Jahren auch wieder gibt. Wichtig ist aber: Die Festlegung in der KMK, diese Vergleichsuntersuchungen anzustellen, sind genau in unsere Zeit gefallen; denn wir haben ein Interesse daran zu sehen: Wo stehen wir? Was müssen wir tun, damit wir entsprechend leistungsfähig und konkurrenzfähig sind? Das heißt, insoweit sind wir damit in der Verantwortung und wollen uns da auch nicht herausstehlen. Ich glaube, es hilft in dieser Frage auch nicht, wenn man mit den üblichen parteipolitischen Reflexen reagiert.

(Beifall von der CDU und Ministerin Sylvia Löhrmann)

Wir wollen Handlungsreflexe ablegen. Deshalb ist es, Frau Löhrmann, vielleicht nicht immer so sinnvoll, wenn man dann mit den Patentrezepten kommt. Bei einem von Ihnen, was ich gelesen habe, war ich doch ein bisschen irritiert. Ich zitiere aus „Focus Online“, was ich gestern Abend aus dem Internet abgeschrieben habe:

„Nach Bundesländer-Schulvergleich – NRW setzt jetzt auf DDR-Ausbildung für seine Lehrer

Die Schulministerin von Nordrhein-Westfalen zieht aus dem schlechten Abschneiden ihrer Schüler beim Bundesländer-Vergleich eine eigenwillige Lehre. Künftig will sie sich die DDRAusbildung vieler ostdeutscher Lehrer zum Vorbild nehmen.“

Liebe Frau Löhrmann, mit diesen Patentrezepten müssen Sie uns nicht befassen. Sie lösen nämlich nichts, und sie bringen uns auch nicht weiter.

(Beifall von der CDU und der FDP)

Wir als CDU sind der Meinung: Jetzt geht es erst einmal darum, zu analysieren und dann vielleicht Handlungskonzepte aufzustellen. Wir müssen uns fragen: Wie viele Stunden im Bereich Mathematik, Biologie, Physik und Chemie fallen eigentlich strukturell aus? Wie hoch ist der Unterrichtsausfall insgesamt in diesen Fächern? Wie viele Unterrichtsstunden werden an einer Schule fachfremd erteilt? Welche Fortbildungen gibt es für fachfremd erteilten Unterricht? – Das sind nur einige wenige Fragen, die uns ein Stück weiterbringen.

Sie wissen, wir haben in der Zeit der schwarzgelben Regierung die Lehrerausbildung neu gestaltet. Wir haben dabei insbesondere auf Prof. Baumert gehört, der gesagt hat, es gehe um die Fachlichkeit des Lehrers. Die Fachlichkeit kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Deshalb ist das wichtig.

Man kann sich aber auch mit Kleinigkeiten befassen. Ich habe mir gestern Abend einmal den Spaß gemacht und habe, soweit das im Internet verfügbar war, die Stundentafel einer nordrhein-westfälischen Gesamtschule mit der Stundentafel einer sächsischen Mittelschule verglichen.

Siehe da, in den Klassen 5 bis 10 hat ein nordrheinwestfälischer Gesamtschüler 44 Pflichtwochenstunden in den Fächern Mathematik, Biologie, Chemie und Physik.

In Sachsen hat er während seiner Schullaufbahn 52 Pflichtstunden. Dazu kommen in Sachsen sieben Stunden für Technik und Computer.

Für diejenigen, die sich mit dem Thema nicht jeden Tag befassen, heißt das: Ein Schüler, der 40 Wochen im Jahr in die Schule geht und während der Schullaufbahn acht Wochenstunden mehr hat, erhält in Sachsen bis zum Abschluss am Ende der zehnten Klasse 320 Unterrichtsstunden mehr in den Fächern Mathematik, Biologie, Physik und Chemie.

Man braucht dafür gar nicht ganz tief zu schauen, aber wenn das so ist, liefert das schon ein Erklärungsmuster beziehungsweise einen Hinweis darauf, wo wir genauer hinsehen und welche Strategie wir verfolgen müssen.

Wir wissen: Sachsen bildet im technisch

gewerblichen Bereich gut aus. Wir müssen diesen

Anspruch auch haben, wenn wir für uns beanspruchen, Industrieland Nummer eins zu sein.

Ihre Redezeit, Herr Kollege.

Deshalb sollten wir die Zeit dazu nutzen, statt Schwarzer-Peter-Spiele zu beginnen und falsche Apologetik zu betreiben, in dieser Aktuellen Stunde vielmehr festzustellen, dass am Leistungsniveau unserer Schulen nachhaltig gearbeitet werden muss.

Wir sollten diese Aktuelle Stunde auch dazu nutzen zu sagen: Wir wollen – vielleicht ähnlich wie beim Schulkonsens – pragmatisch und nicht ideologisch nach Lösungen suchen.

Die Redezeit, bitte.