Protocol of the Session on April 21, 2016

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich begrüße Sie alle ganz herzlich zu der 111. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich sechs Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden wir wie immer in das Protokoll aufnehmen.

Auch heute feiert ein Kollege in unseren Reihen und mit uns gemeinsam Geburtstag. Ich gratuliere dem Kollegen Jens Geyer von der Fraktion der SPD in unser aller Namen ganz herzlich. Herzlichen Glückwunsch im Namen des Hohen Hauses,

(Beifall von allen Fraktionen und der Regie- rungsbank)

einen wunderschönen heutigen Geburtstag und vor allen Dingen ein gutes neues Lebensjahr, versehen mit viel Gesundheit!

(Zuruf)

Heute haben wir keinen vergessen. Das ist gut so.

Wir treten nunmehr in die heutige Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Schwache Wirtschaft in den NRW-Regionen,

Einbruch der Industrieproduktion, Nullwachstum, Wirtschaftskrise – Sprach- und strategielose Landesregierung gefährdet Zukunft des Wirtschaftsstandorts Nordrhein-Westfalen

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der FDP Drucksache 16/11754

In Verbindung mit:

Wirtschaftliche Entwicklung in NordrheinWestfalen: Rot-Grün muss Alarmsignale endlich zur Kenntnis nehmen und in der Wirtschaftspolitik grundlegend umsteuern

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU Drucksache 16/11755

Die Fraktion der FDP hat mit Schreiben vom 18. April 2016 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung des Landtags zu der erstgenannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Die Fraktion der CDU hat mit Schreiben ebenfalls vom 18. April 2016 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu der als Zweites aufgeführten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich habe die beiden Beantragungen miteinander verbunden, sodass ich die verbundene Aussprache im Rahmen einer Aktuellen Stunde eröffne und als erstem Redner vonseiten der Fraktion der FDP Herrn Kollegen Lindner das Wort erteile.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wir sprechen über das Wirtschaftswachstum, das für viele ein abstrakter Begriff ist; aber seine Auswirkungen sind konkret. In einer prosperierenden Wirtschaft wird investiert, werden Gewinne erzielt, und deshalb wachsen dem Staat auch höhere Einnahmen zu. Er ist stabiler finanziert. In einer prosperierenden Wirtschaft werden neue Unternehmen gegründet, Arbeitsplätze geschaffen und bestehende Arbeitsplätze sind sicherer. In einer prosperierenden Wirtschaft wird mehr Wohlstand erzielt, der natürlich auch über Tarifabschlüsse den Beschäftigten zugutekommt. Wachstum hebt also wie die Flut alle Boote – die kleinen und die großen.

Wenn Wachstum fehlt, ist es für die Menschen schwieriger, für sich selbst individuell sozialen Aufstieg zu organisieren. Das ist die große Frage, die auch Sie von der Regierung beschäftigt: Was tun wir für die Menschen, die mit ihrer persönlichen Lebenssituation noch nicht zufrieden sein können? In welcher Gesellschaft gelingt es ihnen besser, in ihrem Leben Fortschritt zu erzielen – in einer stagnierenden Gesellschaft, in der die Verbesserung der eigenen Lebenssituation nur im harten Verteilungskampf möglich ist, oder in einer dynamisch wachsenden Gesellschaft, in der man sich mit Fleiß und Talent ein Stück am größer werdenden Wohlstand erarbeiten kann?

Wachstumsorientierte Politik ist also geradezu ein Gebot sozialer Gerechtigkeit. Deshalb ist die Debatte, die wir führen müssen, für die Sozialdemokratie so peinlich.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die Lage bei uns in Nordrhein-Westfalen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist schon seit vielen Jahren in dieser Hinsicht angespannt. Nordrhein-Westfalen hat seit vielen Jahren eine Wachstumslücke auf den Bund von etwa 0,4 Prozentpunkten im Jahr. Im vergangenen Jahr hat das nordrhein-westfälische Wirtschaftswachstum aber zero betragen: null, gar nichts, rote Laterne in Deutschland. Berücksichtigt man die wachsende Bevölkerungszahl, ist das ProKopf-Bruttoinlandsprodukt in Nordrhein-Westfalen sogar um einen halben Prozentpunkt gesunken.

Das heißt, Nordrhein-Westfalen stagniert nicht nur, sondern Nordrhein-Westfalen schrumpft in seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Der Abstand zum Bundesdurchschnitt der Länder beträgt jetzt per annum über zwei Prozentpunkte. Selbst Brandenburg ist im vergangenen Jahr um 2,7 % gewachsen.

In Zahlen ausgedrückt bedeutet das: In diesem Landeshaushalt fehlen wegen des niedrigeren Wachstums in einem Jahr 500 Millionen €. Die Einkommen der Bürgerinnen und Bürger in Nordrhein-Westfalen wären im vergangenen Jahr um 18 Milliarden € höher gewesen, wenn wir nur das Wirtschaftswachstum des Bundesdurchschnitts gehabt hätten. NordrheinWestfalen wird durch die Wachstumsschwäche ärmer und perspektivloser. Und das ist Ihre Verantwortung!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Frau Kraft hingegen hat ja in einer bemerkenswerten Pressekonferenz gesagt: Nein, die Wachstumsschwäche Nordrhein-Westfalens sei dem Strukturwandel zu verdanken. Nordrhein-Westfalen stecke in einem Strukturwandel, und deshalb sei ja erklärbar, dass wir nicht so wachsen wie andere.

Seit 50 Jahren Strukturwandel! Sechs Jahre Regierung Rot-Grün – und immer noch Strukturwandel! Mit der Lage des Landes haben Sie nichts zu tun! Hat das Saarland – obwohl es jetzt Wachstum hat – nicht auch einen Strukturwandel in der Montanindustrie gehabt? Haben die ostdeutschen Länder, die 1989 mit gar nichts angefangen haben, keinen Strukturwandel gehabt? Wer jetzt immer noch vom Strukturwandel als Erklärung für die Wachstumsschwäche sprechen muss, der gibt in Wahrheit den politischen Offenbarungseid ab! Nichts anderes ist das.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Es ist auch in der Sache falsch.

Reiner Priggen wird gleich hier herkommen und sagen: All das, was die FDP sagt, ist falsch. Das alles kennen wir schon: abgedroschene Phrasen!

(Lachen und Beifall von der SPD und den GRÜNEN)

Das ist doch die Wahrheit. – Ich meine, wir kennen uns jetzt im 17. Jahr. Da kann man in etwa erahnen, was kommt, liebe Freundinnen und liebe Freunde.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Sprechen Sie mal mit anderen, Frau Kollegin! – Die Wirtschaftsforschungsinstitute sagen: Es handelt sich – weil die Schwäche bei uns flächendeckend, sektor- und branchenübergreifend zu verzeichnen ist – eben nicht nur um eine Frage des Strukturwandels. Das hat nichts mit Strukturwandel zu tun. Es hat etwas mit Ihrer Politik zu tun, meine Damen und Herren der Regierungskoalition!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Landesentwicklungsplan: Das Ziel ist, mehr industrielle Fläche zu vermeiden. – Das muss korrigiert werden.

Immer mehr Bürokratie von Tariftreue bis Hygieneampel: Bitte, entfesseln Sie den Mittelstand in Nordrhein-Westfalen!

Die Straßenverkehrsinfrastrukturinvestitionen sind auf dem niedrigsten Stand aller Zeiten. Sorgen Sie dafür, dass in Nordrhein-Westfalen die Infrastruktur in einem zukunftsfähigen Zustand ist!

Es wird eine ideologische Energiepolitik mit Leitentscheidungen zu Garzweiler betrieben. Dabei geht es lediglich noch um grüne Prestigeprojekte, die aber nichts zur nachhaltigen Energieversorgung dieses Landes beitragen.

(Beifall von der FDP und der CDU – Zurufe von der SPD)

All das führt zu dieser Wachstumsschwäche, die wir in Nordrhein-Westfalen haben. Ich kann es auch mit dem Satz sagen, den der Präsident der IHK NRW, Ralf Kersting, dafür vorgestern in der „Westfalenpost“ benutzt hat:

„Das Land sendet keine Signale, die das Vertrauen in den Standort stärken“, und zwar, weil die Wirtschaftspolitik in Nordrhein-Westfalen seit Jahren keine Priorität hat. Und wenn es Wirtschaftspolitik gibt, dann wird sie von Herrn Remmel gemacht.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Die Ergebnisse können wir hier beobachten.

Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Herr Duin hat gesagt, die Schwäche des Wachstums in NordrheinWestfalen sei – ich zitiere ihn – „unerfreulich, aber nicht überraschend“. Er bezieht sich darauf, dass wir stark durch Industrie und Energie geprägt sind und diese Branchen gegenwärtig Anpassungsprobleme haben. Ja aber, Herr Duin, warum denn? Doch auch wegen der falschen politischen Entscheidungen, die in Berlin getroffen werden. Wenn beim EEG zum Beispiel jetzt auch die Umlage auf den Eigenstrom gezahlt werden soll, wie das der sozialdemokratische Wirtschaftsminister beschlossen hat, dann schwächt das den Stahlstandort Nordrhein-Westfalen.

(Beifall von der FDP und der CDU)

Setzen Sie sich dafür ein, dass diese Dinge korrigiert werden!

(Beifall von der FDP und der CDU)

Am 14. April, dem Stahl-Aktionstag, standen die Sozialdemokraten Hannelore Kraft und Sigmar Gabriel vor den Stahlarbeitern und haben Krokodilstränen vergossen. In Berlin wird nichts verändert. Und während Sie da vor den Stahlarbeitern gestanden haben,