Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen, sofern schon im Plenarsaal anwesend! Ich heiße Sie zu unserer heutigen, 47. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen herzlich willkommen. Mein Gruß gilt wie immer unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich acht Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der CDU und der Fraktion der PIRATEN Drucksache 16/4633 – Neudruck
Die Fraktionen von CDU und Piraten haben mit Schreiben vom 16. Dezember 2013 gemäß § 95 Abs. 1 der Geschäftsordnung zu dieser aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner für die antragstellende Fraktion der CDU Herrn Kollegen Dr. Optendrenk das Wort.
Guten Morgen! Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer! Auch wenn wir eben eine Andacht hatten – jetzt sind wir wieder mitten im Parlamentarismus. Auch wenn der Umstieg nicht ganz einfach ist, möchte ich es an der Stelle doch versuchen.
Herr Minister, der Morgen wird für Sie vielleicht nicht ganz so schön; denn Ihr Effizienzteam ist politisch ineffizient, ein Auslaufmodell, und wird auch als solches hier aus der Debatte herausgehen.
Das Schöne für uns als Parlament ist, dass wir das seit Ihrer Ankündigung in der Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses in der letzten Woche von Ihnen persönlich wissen: Dieses Effizienzteam soll nach Ihrer Bekundung im Sommer 2014 auslaufen. Sie haben gleichzeitig angekündigt, dass Sie dann einen Abschlussbericht vorlegen werden. Auf diesen Bericht freuen wir uns schon heute.
Spannend ist in diesem Zusammenhang die Zusammensetzung der Gruppe Ihres sogenannten Effizienzteams, denn diese Gruppe soll nach Ihrer Darstellung die Landesregierung bei der Aufstellung des Landeshaushaltes beraten. Darin finden sich aber nicht nur Regierungsmitglieder – wie der Finanzminister und der Chef der Staatskanzlei – wieder, da sind nicht nur zwei ehemalige Staatssekretäre, deren Sachverstand Sie berechtigterweise nutzen möchten; nein, da werden auch die Fraktionsvorsitzenden von SPD und Grünen, Römer und Priggen, sowie die beiden haushalts- und finanzpolitischen Sprecher der Koalitionsfraktionen beratend tätig.
Um es deutlicher zu formulieren: Die Landesregierung lässt sich in formalisierter, institutionalisierter Form nicht nur von externen Sachverständigen beraten – was natürlich ihr gutes Recht ist –; nein, sie lässt sich seit drei Jahren auch von vier Kollegen aus den beiden Regierungsfraktionen institutionalisiert beraten. Dieser Beraterkreis hat eine eigene Geschäftsstelle, die im Organigramm des Finanzministeriums abgebildet ist. Sogar die vier externen Berater der Unternehmensberatung haben eine Ministeriums-Telefonnummer, als seien sie ein Teil der Behörde.
Sie sehen: Dieser Prozess der Beratung scheint sehr auf Dauer angelegt, ist kein politischer Abstimmungsprozess wie etwa eine Koalitionsrunde oder ein Fachaustausch, wie er in der parlamentarischen Praxis zwischen Regierung und den sie tragenden Fraktionen seit Jahrzehnten in Deutschland üblich und zulässig ist. Nein, es ist eine organisatorisch verfestigte Beratung einer Staatsgewalt durch eine andere. Deshalb verstößt Ihr „Ineffizienzteam“ gegen unsere Landesverfassung, Herr Minister.
Die Kollegen der FDP, der Piraten und der CDU, auch ich selbst, haben Sie mehrfach in Kleinen Anfragen sowie in Sitzungen des Haushalts- und Finanzausschusses um Auskunft über die Tätigkeit des Effizienzteams und insbesondere um die Vorlage der den Mitgliedern des Effizienzteams zur Verfügung gestellten Unterlagen gebeten.
Wir haben das zu Recht mit unserem Auskunfts- und Informationsrecht als Abgeordnete begründet. Sie, Herr Minister, und Ihr Staatssekretär haben das bisher verweigert. Wenn Sie sich überhaupt rechtlich geäußert haben, dann haben Sie sich auf den Standpunkt gestellt, das parlamentarische Informationsrecht sei „derzeit“ aus Ihrer Sicht nicht gegeben.
In einer der letzten Sitzungen des HFA hat Ihr Staatssekretär dann noch eine weiter reichende Behauptung aufgestellt, die darauf hinauslief, die Tätigkeit des Effizienzteams sei grundsätzlich dem parlamentarischen Frage- und Informationsrecht entzogen. Es kam dann noch besser: Es entspre
che – so sagte der Staatssekretär damals – nicht der Lebenswirklichkeit, wenn die Mitglieder des Effizienzteams, die der Landesregierung angehören, vorbereitende Unterlagen erhalten, die Mitglieder des Effizienzteams, die dem Parlament angehören, aber davon ausgeschlossen würden. Insofern bekämen sie natürlich alle die gleichen Unterlagen, damit sie auch richtig beraten könnten.
Mit der Einschätzung – ich sage es deutlich, Herr Staatssekretär – dieser Praxis haben Sie sogar recht. Nur vernachlässigt die Landesregierung dabei mal wieder das Verfassungsrecht.
Das Problem ist: Diese Konstruktion ist schief. Deshalb hat unsere Fraktion den unabhängigen Gutachterdienst des Landtags um Erstellung eines Rechtsgutachtens zu Grund und Grenzen dieser Tätigkeit des Effizienzteams in Bezug auf die parlamentarischen Informationsrechte gebeten.
Dieses Gutachten ist dann vom Landtag extern vergeben worden und liegt seit letzter Woche vor. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass diese Tätigkeit des Effizienzteams als solche jedenfalls nicht dem Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung der Landesregierung zuzuordnen ist.
Um es klarer zu sagen: Die Berufung darauf, dass Sie uns nichts sagen müssen, und die Beteiligung von Abgeordneten in Ihrem Beraterstab – das schließt sich von Verfassungs wegen gegenseitig aus.
Außerdem stehe dann – so sagt der Gutachter – die unterschiedliche Behandlung der Abgeordneten durch selektive Einbeziehung bestimmter Abgeordneter in diese Arbeit in einem sehr deutlichen Spannungsverhältnis zu strengen und formalen Gleichheitsrechten der Abgeordneten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, bewusst nicht gerichtet an die Landesregierung, sondern an die Abgeordnetenkollegen der Koalitionsfraktionen: Das ist sehr eindeutig. Bereits die Einrichtung des Effizienzteams durch Ministerpräsidentin Kraft und ihren Finanzminister sorgt dafür, dass es in diesem Hohen Hause Abgeordnete erster und zweiter Klasse gibt. Und das darf nicht sein.
Ich frage mich allen Ernstes, ob Sie das einfach so über sich ergehen lassen wollen – wortlos und schweigend.
Herr Priggen, Fraktionsvorsitzender der Grünen, Sie haben in 2008 gegenüber der damaligen CDUgeführten Landesregierung ein wichtiges Urteil er
stritten. Sie haben die Parlamentsrechte geltend gemacht als Ihre und als unser aller Rechte. Jetzt sind Sie selber Mitglied des Effizienzteams. Wollen Sie sich nicht wirklich langsam einmal für die Rechte aller Abgeordneten in gleicher Weise einsetzen?
Ich habe den Minister Anfang der Woche schriftlich gebeten, uns nunmehr auf der Basis dieses Rechtsgutachtens alle Unterlagen, die das Effizienzteam erhalten hat, zur Vorbereitung unserer Sitzungen hier zur Verfügung zu stellen. Ich habe gebeten, dass dies bis Januar passieren möge. Damit wäre das Parlament dann endlich gemeinsam auf Augenhöhe.
Ich freue mich auf die Übersendung des Gutachtens. Ich freue mich auf parlamentarische Beratungen zu diesen Vorschlägen. Denn Haushaltssanierung ist in der Tat eine große Gemeinschaftsaufgabe und nicht eine Aufgabe von externen Beratungen. – Herzlichen Dank.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauerinnen und Zuschauer im Saal und zu Hause! Die Oppositionsfraktionen reklamieren seit über einem Jahr ihre Rechte in Bezug auf Informationsgewährung seitens der Landesregierung im Zusammenhang mit dem Effizienzteam. Auf wesentliche Aspekte der formalen Zusammensetzung des Effizienzteams und der Arbeit, das dieses verrichtet, kann ich auf den Kollegen Optendrenk Bezug nehmen. Soweit es hierzu weiterer Ausführungen bedarf, werde ich diese machen.
Das Informationsvakuum des Finanzministeriums in diesem Zusammenhang ist ein Dauerbrenner im Haushalts- und Finanzausschuss. Das Effizienzteam erbringt Beratungsdienstleistungen und diskutiert Dinge, wie wir jüngst erfahren durften.
Das Effizienzteam, bestehend aus diversen Beamten, aber auch dem Finanzminister und Kollegen dieses Hauses, ist ein Closed Shop – gebildet durch die Landesregierung, eingesetzt durch die Landesregierung, besetzt durch die Landesregierung. Seitens der Landesregierung werden die Minderheitsrechte der Opposition auf Information dadurch mit
Bei der Erlangung der Information kommt den Abgeordneten eines Parlaments ein strenger Gleichheitsgrundsatz zugute, nämlich der Grundsatz der Gleichheit der Abgeordneten zu Zwecken der Kontrolle der Regierung. Die Regierung hier in Nordrhein-Westfalen glaubt indessen, dass sie und die sie tragenden Fraktionen der SPD und der Grünen quasi in Gutsherrenmanier eine Zweiklassen-Abgeordnetengesellschaft gründen konnten. Beinahe könnte man glauben, dass wir wieder im Mittelalter angekommen sind und sagen müssen: Wir leben mitten im Feudalismus.
Streng genommen beinhaltet der Begriff „Feudalismus“ zwei voneinander getrennte Dimensionen: erstens das Verhältnis und die Gefolgschaftstreue des obersten Landesherrn zur Kriegerklasse – das sind die, die ein Lehen bekommen konnten, in dem Falle die Regierungsfraktionen, die im Effizienzteam vertreten sind –, zweitens die Herrschaftsverhältnisse der mit Lehen ausgestatteten Klasse nach unten zu der nicht lehensfähigen Bevölkerung, repräsentiert durch die Oppositionsfraktionen. – Dies ist auf keinen Fall hinnehmbar.
Dann stellt sich die Landesregierung in diversen Sitzungen, bei Anfragen und Nachfragen hin und sagt: Arkanbereich, Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Dies ist schon einmal das glatte Gegenteil dessen, was die Landesregierung seit diesem Jahr als Open-Government-Strategie in den Raum stellt. So geht es nun auch wieder nicht.
Insbesondere geht es nicht an, dass damit zugleich die Regierungsfraktionen praktisch zu den zur Gefolgstreue verpflichteten Kriegern – Feudalismus – werden, deren Aufgabe es aber eigentlich und ebenfalls ist, die Landesregierung im Sinne des Parlaments zu kontrollieren. Am wenigsten aber hat die Praxis der Landesregierung bezüglich des Effizienzteams etwas damit zu tun, dass sich die Landesregierung anschickt, Transparenz zum Selbstzweck zu erklären und eine Open-Government-Initiative anzustoßen, die ihren Namen nicht verdient.
So fragte ich Sie, sehr verehrter Herr Finanzminister, in einer aus meiner Sicht denkwürdigen auswärtigen Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses in der Akademie der Wissenschaften und der Künste in Düsseldorf im April dieses Jahres, ob sich der Finanzminister die Open-Government-Strategie der Landesregierung im Angesicht der dortigen Transparenzdefinition zu eigen macht.
Die Antwort, die die Opposition erhielt, ist so erstaunlich gewesen, dass ich an einem Zitat – leider – nicht vorbeikomme. Mit Erlaubnis des Präsidiums zitiere ich die Antwort auf diese Frage seitens des Herrn Finanzministers:
„Herr Schulz, proaktive Informationen: Wer mich kennt, weiß, dass ich in der Bandbreite dessen, was man aus Rechtsgründen nicht sagen darf, bis hin zu dem, was man aus Rechtsgründen sagen muss, immer derjenige bin, der den Zwischenraum, bei dem weder das eine noch das andere gilt, nicht als etwas wertet, über das man nicht reden muss und deswegen dann auch nicht redet, sondern dass ich das eher als etwas interpretiere, worüber ich reden darf und es dann auch tue.“