Torsten Koplin

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Last Statements

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herr Minister!
Meine Frage ist: Welche aktuellen Kenntnisse haben Sie zur Entwicklung der Kosten für Eigenanteile in Pflegeeinrichtungen und wie werden die bewertet?
Vielen Dank!
Eine Nachfrage, also wenn es das Briefing hergibt.
Wir schauen, ja.
Frau Ministerin Drese, auch an dieser Stelle selbstverständlich gute Besserung weiterhin!
Wir haben das als Sozialausschuss schon gesandt, ich möchte es an der Stelle nur noch mal bekräftigen, aber Frau Ministerin hat mehrfach betont, dass auch auf ihre Initiative hin im November 2019 die Arbeits- und Sozialminister/-innenkonferenz eine Arbeitsgruppe eingerichtet hat. Bis zum Herbst zumindest gab es da noch nichts zu vermelden, lediglich die Bemühungen, dass man zusammenkommen wollte. Vielleicht gibt es da eine neue Entwicklung, die man Ihnen mit an die Hand gegeben hat. Können Sie da was sagen zu?
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen trat im Jahr 2009 rechtsverbindlich in Deutschland in Kraft. Dieses Übereinkommen wurde am 13. Dezember 2006 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen beschlossen und ist am 3. Mai 2008 in Kraft getreten. Heute Vormittag ist mir aufgefallen, dass heute der internationale Tag der Menschenrechte ist.
Es ist ein zünftiger Anlass, also gerade diesen Vorschlag hier Ihnen zu unterbreiten.
In 50 Artikeln – ich bin jetzt noch mal wieder beim Übereinkommen über die Rechte der Menschen mit Behinderungen –, in 50 Artikeln werden Regelungen hinsichtlich der Lebenssituation, des Bedarfes und der Notwendigkeiten für eine gleichberechtigte und selbstbe
stimmte Lebensweise von Menschen mit Behinderungen getroffen. Sie geht von einer Begriffsdefinition und Perspektive aus, die zum einen das Wesen der inklusiven Gesellschaft deutlich macht und zum anderen aufzeigt, wie weit wir in der Gesellschaft davon noch entfernt sind.
Artikel 1 der UN-Behindertenrechtskonvention definiert den Begriff „Menschen mit Behinderungen“. Er bezieht sich auf Personen, die räumlichen und gesellschaftlichen Barrieren ausgesetzt sind, die sie in Wechselwirkung mit langfristigen körperlichen, seelischen, geistigen oder Sinnesbeeinträchtigungen – und jetzt zitiere ich – „an der vollen, wirksamen und gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft hindern“. Dieser Ansatz geht also davon aus, dass die Behinderungen in der Gesellschaft und im Umfeld zu verorten sind, was wiederum dazu führt, dass, sobald diese Behinderungen vollständig abgebaut sind beziehungsweise umfängliche Maßnahmen für die Selbstbestimmung getroffen werden, im Idealfall Behinderungen nicht mehr als solche wahrnehmbar sind und die Teilhabe für alle gesichert ist. Das übergeordnete Ziel allen politischen und gesellschaftlichen Handelns ist deshalb, Barrieren abzubauen, räumliche Barrieren, Barrieren in der Kommunikation, letztlich Barrieren in den Köpfen, oder nicht letztlich, eigentlich zuerst.
Mit dem vorliegenden Antrag fordert die Fraktion DIE LINKE, dass sich Mecklenburg-Vorpommern hinsichtlich der politischen Teilhabe und Herstellung der Verfassungswirklichkeit zum Grundrecht auf allgemeine, unmittelbare, freie, gleiche und geheime Wahlen endlich an die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention macht. Dass Theorie und Verfassungswirklichkeit weit auseinanderdriften, meine sehr geehrten Damen und Herren, haben wir mit unserer Großen Anfrage „25 Jahre Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern“ – die Antwort ist vorliegend auf Drucksache 7/5155 – in Erfahrung gebracht. Und dabei wurde Erschreckendes zu Tage gefördert: Lediglich 7,86 Prozent der Wahllokale zur Landtagswahl 2016 und 8,69 Prozent der Wahllokale zur Kommunal- und Europawahl 2019 waren vollständig barrierefrei. Die Teilhabe am politischen Leben, insbesondere die Verwirklichung des Grundrechts auf allgemeine Wahlen, ist in Mecklenburg-Vorpommern damit nicht in erforderlichem Umfang gewährleistet.
Für die mehr als 360.000 Menschen mit Behinderungen im Land ist das eine nicht hinnehmbare Situation. Mehr als die Hälfte der Menschen mit Behinderungen – 194.000, so die uns aktuell vorliegenden Zahlen – und damit mehr als zehn Prozent der Gesamtbevölkerung unseres Bundeslandes haben eine Schwerbehinderung. Die meisten von ihnen mit einem Behinderungsgrad von mehr als 50 Prozent sind 65 Jahre und älter. Circa 2 Prozent sind unter 15 Jahre alt. Ein Großteil der Menschen mit Behinderungen ist demnach im wahlberechtigten Alter. Auch für Menschen mit altersbedingten Einschränkungen und chronischen Erkrankungen ist die Teilnahme an den Wahlen durch Barrierefreiheit endlich vollumfänglich sicherzustellen.
Spätestens zum September 2021 – zumindest der Wahltermin für die Bundestagswahl mit dem 26. September 2021 steht ja bereits fest – ist der nicht haltbare Zustand zu beenden, sind Wahlen barrierefrei auszugestalten und ist die UN-Behindertenrechtskonvention umzusetzen. Dafür liegt Ihnen heute unser Antrag vor. Artikel 9 der UN-Behindertenrechtskonvention regelt in
Umsetzung der Barrierefreiheit, dass die Vertragsstaaten, ich zitiere, „geeignete Maßnahmen mit dem Ziel“ treffen, „für Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang zur physischen Umwelt, zu Transportmitteln, Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen, sowie zu anderen Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit in städtischen und ländlichen Gebieten offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, zu gewährleisten“. Zitatende.
Zur Teilhabe am politischen und öffentlichen Leben ist in Artikel 29 der UN-Behindertenrechtskonvention geregelt – ich zitiere ein weiteres Mal –: „Die Vertragsstaaten garantieren Menschen mit Behinderungen die politischen Rechte sowie die Möglichkeit, diese gleichberechtigt mit anderen zu genießen, und verpflichten sich, … sicherzustellen, dass Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt mit anderen wirksam und umfassend am politischen und öffentlichen Leben teilhaben können, sei es unmittelbar oder durch frei gewählte Vertreter oder Vertreterinnen, was auch das Recht und die Möglichkeit einschließt, zu wählen und gewählt zu werden...“ Zitatende.
Spätestens mit der UN-Behindertenrechtskonvention gibt es für Barrierefreiheit keinen Ermessensspielraum mehr. Barrierefreiheit ist verpflichtend, und so muss es sich in gesetzlichen Regelungen und in der Wahlordnung wiederfinden. Bisherige Regelungen zur Durchführung von Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern setzen auf Freiwilligkeit. Die Landeswahlordnung ist gespickt mit Kannregelungen, aber hat keine tatsächlichen Verbindlichkeiten. Zu barrierefreien Wahllokalen heißt es: „Die Gemeindewahlbehörden teilen in der Wahlbekanntmachung … und in der Wahlbenachrichtigung mit, welche Wahlräume barrierefrei sind.“
Ist jedoch weit und breit kein Wahllokal barrierefrei, kann auch keines benannt werden, und damit hat es sich, da es keine Verpflichtung gibt. Pech gehabt für alle, die darauf angewiesen sind! Jene können dann unter Umständen nur erschwert oder auch gar nicht von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen. Es ist besorgniserregend, dass nicht einmal jedes zehnte Wahllokal hierzulande barrierefrei ist und laut den Antworten auf die Große Anfrage, die ich bereits zitierte, ganze drei Landkreise in Mecklenburg-Vorpommern auf kein einziges vollständig barrierefreies Wahllokal verweisen können. Für 60 Prozent der Wahllokale wurde in den Antworten auf die Große Anfrage angegeben, sie seien teilweise barrierefrei. Teilweise barrierefrei oder wahlweise auch barrierearm oder barrierereduziert bedeutet noch lange nicht barrierefrei, denn mit einer Rampe zum Haupteingang ist es noch lange nicht getan.
Um die Wahrnehmung der Rechte von Menschen mit Behinderungen uneingeschränkt zu ermöglichen, müssen Hürden für die Wahlberechtigten abgebaut und Wahlen zukünftig vollumfänglich barrierefrei sichergestellt werden. Zu den Maßnahmen, wie wir sie uns vorstellen, gehören folgende:
Wahllokale und Wahlräume in öffentlichen Gebäuden
sind so auszuwählen, dass sie den Kriterien der Barrierefreiheit spätestens am Wahltag entsprechen, und zwar nicht nur ansatzweise, sondern vollumfänglich.
Auch Ausgabestellen für Briefwahlunterlagen müssen
barrierefrei zugänglich und Briefwahlen ohne Angaben von Gründen möglich sein.
Es ist darauf zu achten, dass auch die Infrastruktur,
die Anbindung der Wahllokale an den barrierefreien öffentlichen Personennahverkehr gewährleistet ist und ausreichend geeignete Parkplätze zur Verfügung stehen.
Wahlunterlagen, Wahlinformationen und Wahlbenach
richtigungen müssen barrierefrei sein, das heißt, sie müssen in leichter Sprache zur Verfügung stehen.
Für blinde und seheingeschränkte Menschen sind
die Unterlagen und Inhalte von vornherein und nicht erst auf Nachfrage erkenntlich und verständlich zu machen. Stimmzettelschablonen der Blinden- und Sehbehindertenvereine inklusive einer hörbaren Erklärung sind in jedem Wahllokal vorzuhalten, so auch weitere Hilfs- und Unterstützungsmittel für Menschen mit Sinneseinschränkungen, körperlichen, kognitiven, psychischen Beeinträchtigungen, darunter Leitsysteme.
Die Nutzung unterstützender neuer Technologie ist zu
verstärken. Erfreulicherweise gibt es die ja.
Wahlleiterinnen und Wahlleiter sind für die Belange
von Menschen mit Behinderungen zu sensibilisieren und zu schulen sowie Ansprechpersonen in jeder Gemeinde zu benennen. Diese sind möglichst gut vernetzt und kümmern sich um die Ausstattung der Räume, Bereitstellung von Hilfsmitteln, stehen für Fragen zur Verfügung und organisieren und optimieren die Vorgänge rund um die Wahlen.
Für stationäre Einrichtungen wie Pflegeeinrichtungen
und Hospize sind mobile Wahlteams vor Ort einzusetzen.
Der Landeswahlleiter beziehungsweise in unserem
Fall die Landeswahlleiterin ist angehalten, bei allen Vorgängen Barrierefreiheit als Kriterium und Maßstab grundsätzlich mitzudenken und die Kommunen bei der Umsetzung zu unterstützen.
Sehr geehrte Damen und Herren, in einem Schreiben an Politikerinnen und Politiker des Landes appellierte kürzlich das Deutsche Institut für Menschenrechte, die Wahl zum 8. Landtag Mecklenburg-Vorpommerns nach den Maßgaben der UN-Behindertenrechtskonvention durchzuführen. Wir alle haben dieses Schreiben bekommen. Es ist höchste Zeit und ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es war uns ja klar, dass Sie diesen Antrag ablehnen. Spannend ist ja eigentlich immer, was Sie so an Gründen anführen, warum Sie einer Sache, die wir unterbreiten, nicht zustimmen können. Und da gibt es ja die Klassiker, das lasse ich jetzt mal außer Acht.
Aber was mich so konsterniert, ist, dass Sie so unambitioniert sind. Wenn da wenigstens so der Biss gewesen wäre, ja, also, das gilt hier, die UN-Behindertenrechtskonvention ist eine Konvention, die wir uns zu eigen gemacht haben, und wir stellen fest, wir können noch nicht alle Kriterien vollständig erfüllen – das haben wir ja auch dargelegt in unserem Antrag im Feststellungsteil –, dass daraus die Ambition erwächst zu sagen, ja, wir werden uns das und das schrittweise vornehmen und auf dem Weg werden wir uns mehr und mehr diesem Ideal, das Sie ja, Herr Minister, auch noch mal mit Blick auf den Maßnahmenplan selbst erwähnt haben, werden wir uns dem nähern, aber keineswegs.
Und das ist, das ist nicht nur traurig, das ist irgendwie erbärmlich, muss ich sagen,
weil es geht hier nicht, wie es gesagt wurde, es geht nicht um Ziele – also da müsste sich nicht der Minister Ziele stellen –, sondern rechtliche Normen. Regierung und auch wir selber sind gebunden an solche Konventionen und da können wir uns das nicht aussuchen. Wir
können feststellen, dass wir das Ideal noch nicht erreicht haben, und dann erwächst daraus die Notwendigkeit zu sagen, wie gehen wir dann weiter. Ich komme nachher noch mal zu Zahlen, wo das hinführen würde, wenn wir so weitermachen.
Die AfD überrascht mal so, mal so. Diesmal gibt sie den Regierungssprecher und sagt, Mensch, also Deutschland müsste Vorbild der Welt sein, wir sind doch schon so gut und so. Ich finde, wir fallen immer mehr zurück. Wir fallen in Wirtschaftsfragen zurück, in Fragen der Forschung, was Patententwicklung betrifft,
im Klimaschutz fallen wir zurück.
Und hier zumindest treten wir auf der Stelle und Sie sagen, ist in Ordnung so. Weiß nicht, vielleicht sollten Sie das mit der Alternative in Ihrem Namen noch einmal überdenken.
Frau Tegtmeier gibt Anlass zur Erwiderung, weil Sie sagten, Frau Tegtmeier, es darf nicht dazu führen, dass dann die Zahl der Wahllokale reduziert wird. Das ist mit unserem Antrag in keiner Weise verbunden gewesen. Das darf auch nicht das Ziel sein, im Gegenteil, die Wahllokale sollen wohnortnah sein. Da gibt es gute Beispiele, aber es gibt auch Beispiele, die darauf hinweisen, dass die Entfernungen immer länger werden.
Und das ist eine Sache, wir haben, welche Auswüchse das nehmen kann, haben wir gerade bei der USPräsidentschaftswahl gesehen, wo dann extrem weit die Wahllokale von den Wohnorten entfernt waren, und die ganzen Hürden, die dann auch noch eine Rolle spielen, gehören hier jetzt nicht hin. Also das ist nicht unser Ansinnen.
Und dass es Geld kostet, das ist klar. Demokratie kostet Geld und eine inklusive Gesellschaft kostet auch Geld. Aber sie zahlt sich in jedem Falle aus, Demokratie, was den Zusammenhalt und die Zukunftsfähigkeit eines Landes betrifft und die inklusive Gesellschaft, weil dann alle Talente, die wir, die die Menschen haben, zum Tragen kommen können, keine Barrieren mehr davor sind. Das ist ja das Anliegen und ist das Ansinnen. Und dass man das nicht von heute auf morgen machen kann, ist völlig klar.
Ich hatte vorhin zwei Zahlen genannt, und zwar 2016 gab es 7,86 Prozent barrierefreie Wahllokale, drei Jahre später waren es 8,69. Das ist ein Delta von 0,83 Prozent in drei Jahren, macht knapp 0,28 Prozent pro Jahr. Wenn wir so weitermachen wie jetzt, nämlich das laufen lassen oder, besser gesagt, gar nichts machen, brauchen wir 326 Jahre, bis wir barrierefreie Wahllokale haben.
Ja, und wenn man das jetzt Revue passieren lässt gedanklich, merkt man, wie absurd das ist. Die Rechnung zeigt auf, das ist völlig absurd. Und das, muss ich mal sagen, das kann nicht unser Anspruch sein
zu sagen, wir nehmen das so hin, wenn wir einerseits Worte wie „Teilhabe sichern“, „Demokratie stärken“, „inklusive Gesellschaft in der Bildung“, wir halten das hoch und an anderer Stelle dann nicht. Und dafür gibt es auch Beispiele. Frau Friemann-Jennert hat ja die Argumente der CDU vorgetragen, und damit will ich dann schließen, also da muss man aber konsistent bleiben.
Herr Reinhardt, der sitzt ja in der gleichen Reihe,
hat gerade zu Protokoll gegeben, weil er von den Medien gefragt wurde, wie ist denn das jetzt eigentlich in CoronaZeiten mit der Ausübung des Wahlrechts, Sie erinnern, in der „Schweriner Volkszeitung“ und im „Nordkurier“ sind Sie zitiert worden am 7. Dezember mit den Worten – und ich finde es sehr vernünftig, was Sie gesagt haben –: „‚Wahlen sind Kernbestandteil der Demokratie‘... Die gesetzlich vorgeschriebenen Regularien müssten mit Blick auf Chancengleichheit eingehalten werden …“ Punkt und Zitatende.
Finde ich wunderbar, da muss man aber sich auch treu bleiben, auch an dieser Stelle. Das erwarten wir von Ihnen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin, danke für das Wort!
Sehr geehrte Damen und Herren, auf der Landtagsdrucksache 5617 dieser Legislaturperiode liegt Ihnen die Beschlussempfehlung des Sozialausschusses sowie der Bericht über die Beratungen im Ausschuss zum Gesetzentwurf der Landesregierung zur Änderung des Landesausführungsgesetzes SGB IX und anderer Gesetze vor. Eine Erste Lesung im Plenum des Landtages zu diesem Gesetzentwurf fand am 26. August dieses Jahres statt, wobei beschlossen wurde, für die weiterführende Beratung den Gesetzentwurf federführend in den Sozialausschuss sowie mitberatend an den Finanzausschuss zu überweisen.
Der Sozialausschuss beriet in insgesamt vier Sitzungen zum Gesetzentwurf. In seiner 100. Sitzung am 21. Oktober führte der Ausschuss im Zuge der Beratungen eine öffentliche Anhörung durch. Für die Stellungnahmen der beteiligten Sachverständigen in sowohl schriftlicher als
auch mündlicher Form möchte ich mich hier erneut bedanken.
Unter den Expertinnen und Experten herrschte große Einigkeit darüber, dass die Artikel 1 und 2 des Gesetzentwurfes aufgrund der Corona-Krise eine notwendige Maßnahme darstellen. Durch die über diese Artikel vorgesehene Änderung der Landesausführungsgesetze zu den Sozialgesetzbüchern IX und XII wird das auf Bundesebene verabschiedete Sozialdienstleister-Einsatzgesetz entsprechend in Mecklenburg-Vorpommern umgesetzt. Ziel ist es dabei, weiterhin die soziale Infrastruktur und ihre entsprechenden Angebote zu erhalten. Dabei wurde auch geregelt, dass das Sozialdienstleister-Einsatzgesetz nicht zulasten der Eingliederungs- und Sozialhilfeträger gehen soll.
Ebenso wurde durch die angehörten Sachverständigen die Verschiebung des Inkrafttretens der Teile des Wohlfahrtsfinanzierungs- und -transparenzgesetzes begrüßt, die sich auf die Neustrukturierung der sozialen Beratungslandschaft beziehen. Da die für die Umsetzung dieser Neuordnung zuständigen Ämter in den Landkreisen und kreisfreien Städten im Verlauf des Jahres in die Bekämpfung der Corona-Krise vor Ort sehr stark eingebunden waren und es auch weiterhin sind, wie wir wissen,
fehlten und fehlen die notwendigen Kapazitäten, um eine entsprechende Umsetzung des Wohlfahrtsfinanzierungs- und -transparenzgesetzes zu gewährleisten. Eine unvollständige Umsetzung wäre in keinem Fall im Interesse der Hilfebedürftigen. Zudem wird auch ausreichend Zeit benötigt, um eine landeseinheitliche Beratungslandschaft mit hohen Qualitätsstandards sowie einer gesicherten Finanzierung für die Leistungsträger zu schaffen.
Sehr geehrte Damen und Herren, im Zusammenhang mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wurde durch einige der Expertinnen und Experten im Verlauf der Anhörung erneut darauf hingewiesen, dass bei der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes in Mecklenburg-Vorpommern noch immer kein auskömmlicher Mehrbelastungsausgleich mit den zuständigen Trägern vereinbart wurde. Zusätzlich muss auch bei der Umsetzung des Wohlfahrtsfinanzierungs- und -transparenzgesetzes und der damit verbundenen Neustrukturierung der sozialen Beratungslandschaft eine Abstimmung mit den Angeboten nach dem Bundesteilhabegesetz vorgenommen werden, um so eine gegenseitige Bereicherung zu ermöglichen. In der Anhörung wurde zudem darauf hingewiesen, dass es durch die Verschiebung des Inkrafttretens notwendig ist, den Umgang mit dem Modellprojekt im Landkreis Vorpommern-Greifswald zu klären, um dort weiterhin die Finanzierung sichern zu können.
Sehr geehrte Damen und Herren, im Nachgang zur Anhörung wurde dem Sozialausschuss durch die Fraktion DIE LINKE ein Entschließungsantrag vorgelegt. Dieser sah vor, die Landesregierung zum einen aufzufordern, für die Neustrukturierung der sozialen Beratungslandschaft entsprechende Standards festzulegen und eine Zuwendungsvereinbarung zu erlassen, zum anderen enthielt dieser Antrag die Forderung an die Landesregierung, die Verhandlungen mit der kommunalen Ebene zur Konnexität im Zusammenhang mit dem Bundesteilhabegesetz
weiterzuführen und zeitnah einen auskömmlichen Mehrbelastungsausgleich zu garantieren. Der Sozialausschuss hat diese Entschließung jedoch mehrheitlich abgelehnt.
Durch den mitberatenden Finanzausschuss wurde empfohlen, den Gesetzentwurf insgesamt unverändert anzunehmen. Im Sozialausschuss wurde auf der 106. Sitzung am 25. November die Schlussberatung zum Gesetzentwurf durchgeführt. Hierbei fand der Gesetzentwurf die Zustimmung der Fraktionen von SPD und CDU, während sich die Fraktionen der AfD und DIE LINKE enthielten. Dementsprechend liegt Ihnen nun heute diese Beschlussempfehlung des Sozialausschusses vor.
Ich möchte Sie nun im Namen des Sozialausschusses um Ihr Votum zum Gesetz zur Änderung des Landesausführungsgesetzes SGB IX und anderer Gesetze bitten und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Natürlich möchte ich die Gelegenheit nutzen, unseren Änderungsantrag noch mal zu begründen. Und ich bedanke mich bei Frau FriemannJennert. Sie haben sich die Mühe gemacht, zu begründen, warum Sie ihn ablehnen werden. Ich bedauere das Ergebnis Ihrer Überlegungen, aber ich finde das immer gut, wenn wir begründen können, warum wir etwas begehren oder etwas ablehnen.
Zunächst ist festzustellen, wie vorhin schon mehrfach betont wurde, dieses Gesetz umfasst zum einen die Hilfen für die kommunale Ebene, die sich ergeben aus dem Gesetz über den Einsatz der Einrichtungen und sozialen Dienste zur Bekämpfung des Coronavirus aus dem März dieses Jahres – bis zu 75 Prozent werden ersetzt auf der Bundesebene oder über die Bundesebene –, und unser Land gibt 25 Prozent dazu. Das ist sehr gut so, und das begrüßen wir auch. Der Ansatz, warum wir diesen Änderungsantrag erneut – nach Behandlung auch im Sozialausschuss – gestellt haben, ist, dass die bisherigen Argumente für uns nicht so plausibel und stichhaltig waren, dass wir gesagt haben, nee, jetzt kommen wir zu anderen Überlegungen. In der Tat, die drei Punkte, die wir begehren, haben nach wie vor Bestand.
Aus den Worten von Frau Friemann-Jennert spricht vor allen Dingen die Hoffnung, dass man sich einigen wird, darauf, dass eine vernünftige Lösung gefunden wird und – jetzt rede ich über diesen Aspekt der Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes – dass man dahin kommt, dass die kommunale Ebene einen angemessenen Ausgleich bekommt. Unser Motiv, warum wir diesen Gedanken in einem Antrag sowohl im Ausschuss als auch hier
gestellt haben, lag darin begründet, dass die kommunale Ebene, insbesondere der Städte- und Gemeindetag, sehr deutlich darauf hingewiesen hat, welche Probleme sich damit ergeben, dass wir es ja mit einem Novum zu tun haben. Das hat es vorher noch nicht gegeben, dass ein Gesetzentwurf den Landtag auch in Zweiter Lesung passiert, ohne dass die finanziellen Grundlagen, die mit dem Verfassungsgebot der Herstellung von Konnexität verbunden sind, geklärt sind. Und zwischenzeitlich gab es den Hinweis, der an den Ausschuss ergangen ist, ja, man konnte sich nicht einigen, stellt das fest und geht davon aus, dass man im November 2021 eine Überprüfung durchführt und dann sieht, welche Kosten oder Mehrkosten, etwaige Mehrkosten der kommunalen Ebene, denn tatsächlich entstanden sind.
Das ist für uns aus der Linksfraktion ungenügend gewesen als eine Aussage, weil das verschiebt diese ganze Problematik in die Zuständigkeit einer anderen Legislaturperiode. Wir haben aber die Hausaufgaben zu machen, hier ist mit einem Gesetz die notwendige Konnexität herzustellen. Und dass das möglich ist, davon gehen wir nach wie vor aus und haben deshalb gesagt, diese Entscheidung muss zeitnah fallen, und haben das entsprechend mit einer Terminsetzung verbunden.
Warum kommen wir auf den Schlüssel von 1 : 75? Weil das ein Erfahrungswert ist, wo diejenigen, die sich um Hilfebedürftige kümmern, auch noch in der Lage sind, das in der erforderlichen Qualität durchzuführen. Und die Fachwelt, aber auch in der Praxis, wenn man mit Beraterinnen und Beratern spricht, ob das nun aus der Agentur ist oder aus den anderen Bereichen, die sich um Hilfebedürftige kümmern, sagt, ein idealer Schlüssel ist 1 : 75. Deswegen haben wir ihn hier so in Anwendung gebracht. Wir wissen ja selbst, was das für eine Zumutung ist, wenn Einzelne fachlich beraten wollen, wenn sie sich um die Schicksale der Einzelnen kümmern wollen und vor einem Berg von Akten sitzen und den nicht abgearbeitet bekommen. Das bringt beide Seiten – diejenigen, die Hilfe suchen, und diejenigen, die Hilfe organisieren wollen – in eine schwierige Situation, in die wir sie nicht laufen lassen dürfen. Deswegen der Schlüssel, der ist also der guten fachlichen Praxis entnommen.
Und der dritte Punkt, wir werden das heute Abend noch mal haben, das Wohlfahrts...förderung...
...finanzierungs- und -transparenzgesetz ist weiterentwicklungsbedürftig. Wir sehen ja jetzt, wie es umgesetzt wird, wie es in der Praxis angewendet wird, und wir erkennen aber auch die Schwachstellen. Und wir werden uns heute Abend noch mal damit zu beschäftigen haben, dass es durchaus ein Konflikt ist, wenn Gemeinnützigkeit gefährdet wird durch überhöhte Vergütungen und Tantiemen. Und um klarzustellen, was geschieht auf diesem Gebiet, in dem in hohem Maße öffentliche Gelder zum Einsatz kommen, um diese Transparenz herzustellen, die notwendig ist, um das Vertrauen auch in den Sozialstaat zu gewährleisten, wollen wir weitere Kriterien einführen. Das ist möglich!
Frau Friemann-Jennert argumentierte so, dass man bestimmte Daten wie Vergütungen aus rein rechtlichen Gesichtspunkten nicht darstellen dürfe. Da haben wir uns ja selbst eines Besseren belehrt. Mit dem Sparkassenge
setz haben wir ja eine Regelung geschaffen – haben wir lange drüber diskutiert, ne, Herr Liskow? –, eine Regelung geschaffen, wo, weil es sich um Institute, Einrichtungen und Strukturen von öffentlichem Interesse handelt, weil da öffentliche Gelder eine Rolle spielen, dass wir beim Sparkassengesetz zum Beispiel eine solche Regelung geschaffen haben, dass Vergütungen angezeigt werden müssen. Dass es in der Praxis zu Schwierigkeiten kommt an dieser Stelle und sich einige auch davorstellen und sagen, machen wir nicht, steht auf einem anderen Blatt. Dass wir es können, wenn wir es wollen, haben wir bewiesen. Insofern behalten wir unser Ansinnen hier mit dem Änderungsantrag aufrecht und ich bedanke mich an der Stelle für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Präsidentin!
Herr Förster und Abgeordnete der AfD, aber ich spreche Sie jetzt persönlich an. Es ist ja bekannt, dass Sie die Auswirkungen des Corona-Virus bagatellisieren und es in Ihrer Partei und in Ihrem Umfeld viele gibt, die es glatt ignorieren. Aber dass Sie sich verstiegen haben zu sagen, wir wären sozial verweichlicht,
wenn wir uns Sorgen darum machen, dass Menschen erkranken, dass Krankenhäuser über die Leistungsgrenzen arbeiten, dass Menschen bis zum Umfallen um andere Menschenleben kämpfen, das ist nicht hinnehmbar, ist inakzeptabel und muss hier zurückgewiesen werden.
Es hat in den letzten 24 Stunden 590 Tote gegeben, 590 Tote, die es ohne diesen Virus nicht gegeben hätte.
Hochgerechnet, weil Sie ja immer so tun, das wären keine Größenordnungen,
sind es fast eine viertel Million Menschen Übersterblichkeit. Ob Sie das wohl mal zur Kenntnis nehmen wollen,
ist meine Frage, die ich ja hier nicht stellen will, also ist sie nur rhetorisch gestellt. Es ist unerträglich, sich das anzuhören.
Im Übrigen ist es auch falsch – und damit möchte ich schließen –, dass sich hier niemand interessiert hätte für Krankenhauskeime. Krankenhauskeime sind mehrfach Thema im Landtag gewesen.
Wir haben uns damit auseinandergesetzt und Vorschläge unterbreitet.
Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Fliehkräfte, die das Land ökonomisch und politisch spalten, sind unverkennbar ungleiche Löhne, Einkommen und Vermögen, ungleiche Chancen für Männer und Frauen, ungleiche Bildungszugänge, zunehmende Polarisierung.
Das Panorama sozialer Ungleichheit erhält Risse des gesellschaftlichen Zusammenlebens, ohne dieses verblassen Zukunftsaussichten. Anders gesagt: keine Zukunftsfähigkeit ohne gesellschaftliche Solidarität, ohne gesellschaftlichen Zusammenhalt und keinen gesellschaftlichen Zusammenhalt ohne eine unabhängige, transparente und gemeinnützig handelnde Wohlfahrt. Das ist die erste der drei zentralen Positionen der Linksfraktion im Ergebnis der Arbeit des PUA.
Im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss ging es um weit mehr als um verurteilungswürdiges Agieren von Verbandsfunktionären, um dubiose Verträge, um suspekte Verquickungen von Partei- und Verbandskarrieren, um bedenkliches Behördenhandeln, um ein zweifelhaftes Verständnis von Gemeinnützigkeit. Worum es im Grunde genommen ging und geht, ist Verantwortung oder das Wahrnehmen von Verantwortung. Welche Verantwortung zum Beispiel tragen wir, die Abgeordneten des Landtags Mecklenburg-Vorpommern, für die Einhaltung des Verfassungsgebotes nach Artikel 19 Absatz 2, der da lautet: „Die soziale Tätigkeit der Kirchen, der Träger der freien Wohlfahrtspflege und der freien Jugendhilfe wird geschützt und gefördert.“
Hat nicht die Politik durch unauskömmliche Finanzierung Helfer in Not selbst in Nöte gebracht? Hat nicht der Paradigmenwechsel von Fürsorge hin zu Marktlogik, Wettbewerb und Leistungsmythen dazu geführt, dass den Wohlfahrtsverbänden sowohl eine soziale Rendite – und das niemandem anderen, nur der Wohlfahrt –, sowohl eine soziale Rendite als auch eine wirtschaftliche Rendite abverlangt wird?
Unter dem Stichwort „Verantwortung“ müssen wir, das ist unsere Auffassung, zunächst selbst Schlüsse ziehen für unser Handeln:
Erstens. Wir brauchen präzise Analysen, um die Bedarfe zu ermitteln. Es gibt Analysen, es gibt Sozialberichterstattung, aber es gibt sie nicht in der Präzision, wie wir sie brauchen, und auch nicht für unser Land insgesamt. Wir brauchen eine bedarfsgerechte Finanzierung und wir brauchen eine wirksame Kontrolle. Das Wohlfahrtsfinanzierungs- und -transparenzgesetz ist ein Instrument, das im Verlauf des Wirkens dieses Parlamentarischen Untersuchungsausschusses auf den Weg gebracht wurde. Es ist ein Fortschritt gegenüber all dem, was vorher war, aber es ist noch nicht von der Güte, wie wir es benötigen. Und das hat vorhin ja auch eine Rolle gespielt.
Das alles, sehr geehrte Damen und Herren, entlässt nicht diejenigen aus der Verantwortung, die an herausgehobener Stelle in der Wohlfahrt tätig sind. Einige, sie sind namentlich bekannt, haben ihre Verantwortung nicht wahrgenommen, mehr noch, sie haben Ihren Zugriff zu Schalthebeln missbraucht und so die ehrenwerte, aufopferungsvolle Arbeit von mehr als 60.000 engagiert arbeitenden Haupt- und Ehrenamtlichen in Misskredit gebracht und mit Füßen getreten. Sie haben die Wohlfahrt als Selbstbedienungsladen und als Akquisefeld behandelt, mit Immobilien, mit Versicherungen, mit Medizinprodukten, mit Beratungsleistungen. Auch wenn noch untersucht wird und es nicht in jedem Falle rechtlich, sozusagen strafrechtlich belangt werden kann, es ist auf alle Fälle ein Handeln, das mit dem moralischen Anspruch der Wohnfahrt unvereinbar war und ist.
Sehr geehrte Damen und Herren, die zweite zentrale Position der Linksfraktion im Ergebnis des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses lautet: Die Ergebnisse des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses müssen in zweifacher Hinsicht als Zäsur begriffen werden. Einerseits geht es um Rückbesinnung auf die Werte der Wohlfahrt. Freie Wohlfahrt beziehungsweise die Unabhängigkeit der Wohlfahrt heißt auch Parteienunabhängigkeit. Es ist ein himmelweiter Unterschied, ob ich mich aus sozialen Motiven in einer Partei und zugleich in einem Verband engagiere oder ob ich das Engagement im Verband zur Parteikarriere benutze. Erstgenanntes ist begrüßenswert, das andere nicht. Freie Wohlfahrt heißt Gemeinnützigkeit. Sie ist dann gefährdet, wenn überhohe Vergütungen und Gefälligkeitszahlungen über den Tisch gehen.
Wir erwarten von der Wohlfahrt, dafür zu sorgen, die eigenen Werte zu wahren. Die Ergebnisse des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses müssen auch genutzt werden, um Wohlfahrt neu zu denken. Das ist grundsätzlich im Zeitalter der Digitalisierung geboten. Es ist hier in Rede stehend vor allem geboten, um die gemeinnützigen Vereine und ihre nicht marktfähigen Hilfeangebote von den mittlerweile aufgebauten Konzernstrukturen zu entflechten. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss hat offengelegt, dass die verwickelten Strukturen mit all den jeweiligen Tochterunternehmen nicht mehr transparent sind.
Wir schlagen vor, dass unter Federführung der gerade erst eingerichteten Strategieabteilung der Staatskanzlei eine Arbeitsgruppe „Zukunft der Wohlfahrt in MecklenburgVorpommern“ unter Einbeziehung von Verbänden, Ver
waltung und Politik gebildet wird, womit ich bei der dritten zentralen Position zu den Ergebnissen des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses bin.
Die Landesregierung, die Ministerien müssen sich, wie es der Name „Ministre“ sagt, als Dienende verstehen. Das haben sie nicht immer. Es geht nicht an, dass Fördermittel regelmäßig erst Mitte des Jahres ausgezahlt werden können. Und es geht nicht an, dass die Erstellung notwendiger Richtlinien Monate und Jahre dauern. Und es geht nicht an, dass Verwendungsnachweisprüfungen sich über die Dauer von bis zu fünf Jahren hinziehen. All das haben wir in diesen 60 Sitzungen, von denen der Vorsitzende gesprochen hat, erhoben, vieles andere mehr auch. Davon zeugt der Bericht in Gänze, aber auch das umfängliche Sondervotum unserer Fraktion, in dem wir zum einen zum Verfahren Stellung bezogen haben und zum anderen deutlich gemacht haben, wie wir die einzelnen Ergebnisse bewerten.
Ich möchte Sie also noch mal neugierig machen, falls es noch nicht gelungen ist, sich damit auseinanderzusetzen, das zu lesen beziehungsweise auszugsweise darin zu blättern. Der Parlamentarische Untersuchungsausschuss endet, das Thema nicht. Wir haben ein großes Interesse daran, eine zukunftsfähige Wohlfahrt in diesem Land zu haben, die gut aufgestellt ist, so gut aufgestellt ist, dass sie ihren Zielen gerecht werden kann und den Notwendigkeiten entspricht für Menschen, die Hilfe benötigen, für Menschen in Not da zu sein.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit und möchte es nicht verabsäumen, mich ebenfalls wie zwei der Vorredner, wie der Vorsitzende und Herr Ehlers, recht herzlich beim Ausschusssekretariat zu bedanken für eine professionelle Arbeit, für eine engagierte Arbeit und für eine korrekte Arbeit. Herzlichen Dank auch dafür!
Vielen Dank!
Auch an dieser Stelle, zu diesem Tagesordnungspunkt stehe ich vertretend für meinen geschätzten Kollegen Karsten Kolbe und möchte unsere Position abgeben zu Ihrem hier vorliegenden Antrag.
Heute legen Sie uns als AfD-Fraktion einen Antrag über vermeintlich finanzielle Hilfen für Studierende vor. Bevor ich mich konkret mit dem Inhalt auseinandersetze, lassen Sie mich zunächst meiner Verwunderung Ausdruck verleihen. Als meine Fraktion noch vor der Sommerpause einen Antrag einreichte, Studierenden unter die Arme zu greifen, die aufgrund der Pandemiebedingungen ihren Nebenjob verloren hatten und damit in ihrer Existenz massiv bedroht waren, haben Sie sich, meine Damen, meine Herren – Damen ist ja nicht –, Herren, nicht zu einer Zustimmung durchringen können.
Sie haben auch keine alternative Lösung präsentiert. Es war Ihnen also schlichtweg egal, wie diese Gruppe von Studierenden über die Runden kommt.
In der letzten Sitzung hat die Landesregierung – wir haben es eben gerade auch noch mal von der Ministerin gehört –, aus unserer Sicht ziemlich spät, aber besser als nie, einen Gesetzentwurf vorgelegt, der die Regelstudienzeit für BAföG-Bezieherinnen und -Bezieher um ein Semester verlängert, um so Rechtssicherheit für die Studierenden auf der einen Seite zu schaffen und erhöhten Bürokratieaufwand für die Studierendenwerke auf der anderen Seite zu minimieren. Auch in diesem Fall konnten Sie sich nicht dazu durchringen, die Gesetzesänderung positiv zu votieren. Auch hier haben Sie unmittelbar keine Alternativen auf den Tisch gelegt, sodass man auch hier das Fazit ziehen musste, dass Ihnen diese Frage nicht so wichtig war. Ansonsten hätten Sie anders votiert oder sich intensiver eingebracht.
Heute nun legen Sie einen eigenen Antrag vor und nachdem ich die Überschrift gelesen hatte, war ich schon ganz gespannt, mit welcher innovativen Idee Sie jetzt um die Ecke kommen würden, um den Studierenden finanziell unter die Arme zu greifen. Dann habe ich mir den recht dünnen Antrag vorgenommen und festgestellt, dass Ihnen gar nicht so recht was eingefallen ist. Nach einem kurzen Feststellungsteil fordern Sie die Landesregierung auf, wörtlich, „sich auf Bundesebene dafür einzusetzen, dass auch Studenten, die im Sommersemester 2020 an einer staatlichen Hochschule immatrikuliert waren und keinen Anspruch auf Förderung nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz haben, bei Inanspruchnahme
der um ein Semester verlängerten Regelstudienzeit für das zusätzliche Semester eine finanzielle Hilfe in Form eines rückzahlbaren Darlehens erhalten, dessen Zinssatz der durchschnittlichen Inflationsrate und dessen Rückzahlungsmodalitäten denen eines BAföG-Darlehens entsprechen“.
Um das noch mal zu verdeutlichen: Sie wollen ein rückzahlbares Darlehen auf den Weg gebracht sehen. Als Zinssatz soll die durchschnittliche Inflationsrate dienen. Aus welchem Zeitraum Sie diese durchschnittliche Inflationsrate gewinnen wollen, ist nicht näher erklärt und die Rückzahlung soll nach dem Studium erfolgen, wie beim BAföG. Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen, meine Herren von der AfD, ich habe einige Zeit darüber nachgedacht, ob ich irgendetwas überlesen oder nicht bedacht habe, aber ich bin da einfach nicht schlauer geworden. Was Sie hier beantragen, das ist nichts anderes als ein Studienkredit, ein Instrument in der Studienfinanzierung, welches es bereits längst gibt und auf das viele Studierende in ihrer Not bereits zurückgreifen mussten.
Allein bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau, dem größten Kreditgeber für Studierende, haben sich die Kredite der Studierenden von 2019 auf dieses Jahr um mehr als das Dreifache, nämlich von 18.000 auf nunmehr 60.000 erhöht. Selbst wenn Sie jetzt ein tolles Angebot hier vorlegen und beim Bund auf offene Ohren stoßen würden, würden Sie denjenigen Studierenden, die nicht so lange warten konnten, bis die AfD endlich auch mal Politik für Studierende macht, gehörig vor den Kopf stoßen, denn natürlich haben viele von ihnen, denen das Wasser bis zum Hals stand, sich längst verschulden müssen. Das haben die Zahlen ja auch deutlich dargelegt.
Allerdings – und damit steigt meine Verwunderung dann noch ein Stück weiter – legen Sie doch Konditionen fest, die noch schlechter sind als die bisher bereits verfügbaren Angebote. Ein wesentliches Kriterium stellt bekanntlich der Zinssatz dar. Da sagen Sie, dieser solle der durchschnittlichen Inflationsrate entsprechen. Da Sie das nicht genauer definieren, habe ich mir mal die letzten drei Jahre angeschaut: 2017 1,5 Prozent, in 2018 1,8 Prozent und vergangenes Jahr 1,4 Prozent. Die KfW, die ansonsten mit einem Zinssatz von über 4 Prozent jenseits von Gut und Böse liegt, hatte diesen coronabedingt jedoch auf 0 Prozent abgesenkt.
Und auch das Bundesverwaltungsamt als zweitgrößter Vermittler von Bildungskrediten – immerhin rund 10.000 im letzten Jahr – bietet einen Zinssatz von 0,52.
Diesen zwei Beispielen ließen sich noch weitere Kreditgeber im Bildungsbereich – oft Stiftungen oder auch vereinzelt Studierendenwerke selbst – hinzufügen. Aber allein die Konditionen der beiden größten Anbieter verdeutlichen, dass Ihr Vorschlag überhaupt keinen Zugewinn darstellen würde. Ganz offenbar machen Sie, meine Herren von der AfD, nicht nur schlechte Politik, sondern wären im Zweifelsfall auch ganz unseriöse Kreditmakler. Ihren Antrag werden wir daher ablehnen. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Danke, Frau Präsidentin!
Herr Professor Dr. Weber, ich möchte zurückweisen, was Sie hier vorgetragen haben, wir würden hier politische Spielchen betreiben. Wir beziehen uns auf Ihren Antrag. Und nun bringen Sie immer eine gewisse Portion Gerissenheit mit ans Rednerpult und ich kann auch nachvollziehen, dass Sie um Ihren Antrag kämpfen wollen, aber das Rechen- und Zahlenwerk, das Sie jetzt hier gerade vorgetragen haben, ist Ihrem Antrag nicht zu entnehmen.
Und insofern ist es unseriös, etwas zu postulieren, es im Vagen zu halten und die Berechnungsgrundlagen nicht mitzuliefern. Wenn Sie die erst nachliefern, versetzen Sie uns nicht in die Lage, das so weit fachkundig abzuschätzen. Also unsere Position haben wir dargelegt, und auch wenn man Ihrem Rechenwerk folgen würde, ist es immer noch, es bleibt nachteilig. Sie können es drehen oder wenden, wie Sie wollen, es bleibt nachteilig für die Studierenden.
Danke!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich dachte schon, ich muss jetzt sozusagen mit eingezogenem Schwanz wieder da von dannen ziehen.
Und mein Kollege Peter Ritter ist so gewieft in der Geschäftsordnung, dass er mich darauf hinwies, ich könnte ja noch erwidern.
Also in der Tat, wir reden ja über eine Situation, die ein halbes Jahr betrifft. Das ist ausgeführt worden von der
Ministerin, auch von den Kollegen. Und Ihr Rechenbeispiel lässt sich nur nachvollziehen, Herr Professor Dr. Weber, wenn Sie es so vortragen, wie Sie es hier gemacht haben. Die Bezugnahme, die Sie jetzt gewählt haben, hat immer eine Von-bis-Spanne gehabt. Sie haben in Ihrem Antrag – und das halte ich für unseriös – offengelassen, welche Bezugsgröße Sie für die Inflationsratenberechnung denn nun in Anwendung bringen wollen.
Und ich hatte die letzten drei verfügbaren Daten oder die letzten drei Jahre genommen, und es ist dementsprechend nicht klar, was Sie denn nun in Anwendung bringen wollen. Und wenn es Ihnen darum gegangen wäre, nun wirklich eine Unterscheidung herzustellen zwischen den Instrumenten, die gelten, und dem, was Sie sich ausgedacht haben, dann hätten Sie das auch durchgerechnet. Haushaltswahrheit, Haushaltsklarheit – das hätte Dr. Jess Ihnen dann schon in die Feder diktiert, wenn Sie das wirklich bis zu Ende gedacht hätten. Das wollte ich ganz gern noch loswerden. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will in die gleiche Kerbe schlagen wie der Finanzminister. Also es ist in der Tat äußerst irritierend. Sie sind ja als Sozialpolitiker hier nach vorne getreten, weil wir haben uns das angeschaut und haben gesagt, ja, das ist ein vorzügliches sozialpolitisches Thema, zumal wir in der vergangenen Sitzungswoche ja darüber gesprochen haben und Sie aufbegehrten bei dem Vorwurf, Sie würden also Ihr soziales Herz nicht so recht zeigen, sage ich mal mit meinen Worten. Und Sie sagten, Sie würden ganz vornan sein bei sozialen Themen. An dieser Stelle war das jetzt nicht zu erkennen.
Und ich sehe es genauso wie mein Vorredner. Hier ist eine Aneinanderreihung von Fakten, die stehen erst einmal. Die Interpretation kann man so oder so auslegen. Wir sind der Auffassung, Mecklenburg-Vorpommern ist kein armes Land. Und wenn man sich die Berichte des Landesrechnungshofs über die Jahre anschaut, wird immer wieder darauf verwiesen, Mecklenburg-Vorpommern hat Schwächen in der Wirtschaftsstruktur, unbestritten, aber die Finanzsituation ist robust.
Dass alle Länder, auf Bundesebene wie die einzelnen Bundesländer selbst, jetzt besondere Kraftanstrengungen unternehmen müssen, um der Situation Herr zu werden, liegt völlig auf der Hand. Dazu ist gestern, denke ich mal, ausgiebig etwas gesagt worden. Aber hier wird die Sache an den Pranger gestellt und gesagt, naja, also das führt zu einer Situation, wo nichts in die Balance kommt.
Wir sehen natürlich hier ganz große Probleme auf uns zukommen, auch für die Zukunft und sehr langfristig. Aber die Frage ist: Welche Alternative hätten wir denn
jetzt? Sollen wir sagen, nee, wir halten das Portemonnaie des Landes zu und gefährden die Gesundheit der Bevölkerung oder setzen die Existenz von Unternehmungen, vor allen Dingen auch von Arbeitsplätzen und somit auch die Existenz von zahllosen Familien aufs Spiel? Das ist in der Tat das, was man gemeinhin als „Verelendungstheorie“ bezeichnet, zu sagen, also sollen die mal machen, das prangern wir an und dann werden wir diejenigen, die irritiert, voller Angst sind, unzufrieden, verärgert, wütend, zu uns ziehen können und stehen dicke da. Also das halte ich unter den gegebenen Umständen – und wir sind wirklich in einer ganz brisanten Situation – für völlig verantwortungslos.
Ich bin davon ausgegangen, dass Sie zur Kenntnis nehmen, wie die Finanzlage des Landes ist, und dass Sie zur Kenntnis nehmen, dass wir zwar kein armes Land sind, aber es in diesem Land Armut gibt. Und es ist unbestritten, wir haben das im Sozialausschuss behandelt und wir haben das hier auch in Debatten diskutiert. Ich verweise nur auf Redebeiträge meiner Kollegin Jacqueline Bernhardt, die mehrfach darauf verwiesen hat, dass nahezu jedes dritte Kind in Armut oder in Armutsnähe lebt, dass wir viele Menschen haben, die tagtäglich sechs oder acht Stunden auf Arbeit gehen und trotzdem mit dem Geld nicht existenzsichernd klarkommen können. Henning Foerster hat gestern darüber gesprochen, dass notwendig ist eine armutssichere Entlohnung von 11,63 Euro, wenn man mit Renteneintritt nach...
35, Henning?
... 45 Arbeitsjahren zumindest eine Rente bekommen will, die oberhalb der Armutsgrenze ist.
Und wenn man die Situation von Seniorinnen und Senioren sich anschaut, ist es so, dass wir – Sie können das nachschauen – in Sachen Grundsicherung, also Sozialhilfe für Seniorinnen und Senioren, im Moment über 21.100 Bezugsfälle haben. Das heißt, 5,2 Prozent der Seniorinnen und Senioren – das sind etwa jede 20. Rentnerin und jeder 20. Rentner – brauchen Grundsicherung, weil sie mit dem Geld nicht klarkommen.
Und da ist die Frage, wie geht man mit einer solchen Situation um. Ich denke, da sind wir uns einig, dass man einer solchen Situation den Kampf ansagen muss, weil, Armutssituation widerspricht zum einen ethischen Ansprüchen, denn wir haben, wenn wir in die Landesverfassung schauen, in Artikel 4 und 5 die Bezugnahme a) aufs Grundgesetz und b) auf die Menschenrechtskonvention. Wenn man sich die UN-Menschenrechtskonvention anguckt, Artikel 3, steht drin, dass jeder ein Recht auf Leben, auf Freiheit hat. Und Freiheit und Armut sind zwei Dinge, die sich ausschließen. Wer in Armut lebt, ist nicht frei, ist Zwängen unterworfen, zumindest einigen und auch deutlichen, denn Armut hat auch Auswirkungen auf die gesundheitliche Situation, Armut in einem reichen Land grenzt aus, stigmatisiert.
Und letztendlich, da gibt es eine interessante Studie zum Beispiel, von Professor Rosenstock, liegt schon ein paar Jahre zurück, dass Menschen, die arm sind, deutlich weniger Lebenserwartung haben. Den Unterschied zwischen der durchschnittlichen Lebenserwartung eines Professors und eines Menschen, der hinten auf diesen Müllfahrzeugen, die diese wirklich schwere Arbeit leisten,
bei Wind und Wetter die Tonnen bewegen und hinten raufstellen, hat er untersucht. Der Unterschied der Lebenserwartung beträgt sieben Jahre.
Ich sage das alles, weil aus meiner Sicht sind das alles Daten, die sind nicht unbekannt, die müssen aufrütteln, mit denen dürfen wir uns nicht abfinden. Und wenn wir wissen, wir sind jetzt in einer besonderen Situation – über die Verschuldungssituation ist gesprochen worden –, steht doch die Frage, und die wird aus meiner Sicht viel zu wenig reflektiert und seitens der AfD ist das überhaupt nicht benannt worden, steht doch die Frage: Wer zahlt es nachher? Also der Zahlungsplan ist das eine. Und dass die Ministerpräsidentin gesagt hat, in den Jahren, also bis 2044, möchte sie in politischer Verantwortung sein, das ist ja eine ehrenwerte Ankündigung, nach dem Motto, ich habe jetzt zu verantworten, dass dieses Land in derartige Schulden geht, und ich will in politischer Verantwortung dieses Land wieder aus der Schuldensituation herausführen – das ist also die wohlmeinende Interpretation der Botschaft –, dann steht das zwar für sich, aber die Frage ist: Wer zahlt das alles? Wer zahlt das?
Und ich habe erwartet, dass Sie darauf nicht eingehen und schon gar nicht darauf eingehen, dass Sie sagen, ja, wir müssen diejenigen, die in diesem Land vor der Corona-Krise auch sehr davon profitiert haben, dass gespart wurde, bis die Schwarten knacken, und auch ihren Reibach machen konnten, dass die Reichen und Superreichen dieser Gesellschaft endlich zur Solidarität in dieser Gesellschaft mit herangezogen werden müssen.
Das ist das Mindeste. Anders geht es auch nicht im Übrigen.
Es gibt ein sehr interessantes Buch, ist schon ein paar Jahre her, dass es verlegt wurde, 2015/2016, Thomas Piketty: „Das Kapital im 21. Jahrhundert“. Also das ist nicht eine Abschrift linker Politik. Das ist ein französischer Ökonom, der ganz klar seziert, wie verhalten sich, wie sind die sozioökonomischen Daten sowohl in Zentral- und Westeuropa als auch in Asien und Amerika. Und er stellt fest, dass 0,1 Prozent der Bevölkerung, auf diese 0,1 Prozent der Bevölkerung weltweit konzentrieren sich über 90 Prozent aller Vermögenswerte. Und auf 0,1 Prozent der Einkommensbezieherinnen und Einkommensbezieher fallen Einkommen höher als 1,5 Millionen Dollar – die Eurowerte hat er in Dollar umgerechnet – pro Jahr.
So, was bedeutet das? Man kann ja sagen, die leisten viel und die sind eben erfolgreich am Markt und so weiter. Er kommt zu dem Schluss – und das halte ich für frappierend und für sehr interessant –, er kommt zu dem Schluss, dass sie es sind, die Reichen und Superreichen, die die ökonomischen Grundlagen unseres Gemeinwesens, und er meint damit also sozusagen das Modell des Kapitalismus, so, wie wir ihn erleben in einer fortgeschrittenen technisch-technologischen Version, also auch Deutschland wird ja reflektiert, und er begründet das damit, dass er sagt, diejenigen, die über derartige Einkommens-, Vermögens- und Erbschaftswerte verfügen, höhlen das Gemeinwesen aus, weil sie sich drei Punkte zunutze machen:
Erstens. Sie haben in der Regel eine Monopolstellung in der Wirtschaftswelt. Gestern gerade ist hier die Rolle von Bill Gates problematisiert worden. Das haben Sie aus politisch-ideologischen Gründen gemacht, aber das ist ja auch ein Fakt, erst mal nur.
Zum Zweiten sagt er, wer über so große Vermögen verfügt, kann auf Skalenwerte hoffen. Das heißt, über die Masse erreichen sie, dass sich ihre Kapitalrendite auf fünf, sechs und mehr Prozent beläuft pro Jahr, während die Kapitalrenditen des Mittelstandes und kleiner Vermögen maximal zwei Prozent ausmachen. Das hat zur Folge, dass sich diese Vermögenswerte, die ja jetzt schon riesig sind, innerhalb von 30 Jahren verdreifachen. Das sind gigantische Summen.
Und der ökonomische Hintergrund dieses Effekts besteht darin, dass es ein ökonomisches Gesetz gibt, das in diesen Verhältnissen wirkt, dass die Rendite größer ist als die Wertschöpfung. Also die können immer darauf rechnen, dass sie mit ihren hohen finanziellen Vermögensmassen mehr Reibach machen als andere.
Damit höhlen sie, damit höhlen sie das Gemeinwesen aus, weil sie sich gleichzeitig der Solidarität entziehen. Darauf will ich hinaus, Herr Förster.
Das heißt für uns, ich will begründen, dass es notwendig ist, eine Vermögensabgabe einzuführen, eine Vermögensabgabe,...
Also danke, dass Sie mich auffordern, das auf den Punkt zu bringen!
... eine Vermögensabgabe, die zum einen sich bezieht auf die gegenwärtige Krisensituation, und zum anderen muss es eine angemessene, sage ich mal, Solidarität in der Gesellschaft geben. Der Ex-Bundeskanzler Schröder hat immer gesagt: Starke Schultern müssen starke Lasten tragen!
Nö, hat er doch recht, hat er doch recht.
Ich bin absolut kein Fan von Gerhard Schröder, aber wenn er recht hat, hat er recht in dem Punkt. Und auf was anderes will ich an der Stelle nicht hinaus. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit und danke schön fürs Zuhören!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Der Abgeordnete Herr Strohschein hat uns gerade wissen lassen, dass Sie an dem Thema, das jetzt zuvor eine Rolle spielte, schon lange gearbeitet haben und die Rede ein Jahr zuvor geschrieben haben.
Die Rede, die ich jetzt hier – drei Jahre, ne? –, die Rede, die ich jetzt hier in den Händen halte, die hätte schon vor einem Jahr geschrieben werden sollen,
wenn es um den Sachverhalt geht,
denn wir sind von Mitgliedern der Community und von Abgeordneten aus CDU, SPD und GRÜNEN verschiedener Landtage, wie zum Beispiel Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, wie im Saarland, darauf aufmerksam gemacht worden, dass es Momente der Diskriminierung in Fragen der Blutspende gibt.
Und der Hintergrund ist der, dass, wenn es um Diskriminierung geht, ja der Blick zuallererst ins Grundgesetz gelangen muss. Das Grundgesetz, das wissen wir, Artikel 3 Absatz 3 besagt, es gibt ein Diskriminierungsverbot und daraus abgeleitet das seit August 2006 geltende Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz. Das schreibt vor, dass niemand hierzulande seiner Herkunft, seiner Hautfarbe, seines Geschlechts, seiner Religion wegen, seiner Weltanschauung wegen, einer Behinderung etwa, des Alters oder – und darum geht es an dieser Stelle – der sexuellen Identität benachteiligt werden darf.
Ich hab das eben gesagt, Herr de Jesus Fernandes, der Weltanschauung. Ja, und die politische Auffassung ist darin eingeschlossen.
Wir sind wiederum gehalten, darauf zu achten, dass Verfassungstext Verfassungswirklichkeit wird oder ist, besser noch, und dass Gesetze, die auch wir selbst erlassen beziehungsweise die auf Bundesebene Wirkung entfalten für die gesamte Bundesrepublik, dass die auch umgesetzt werden. Und schaut man sich die geltende Richtlinie zur Gewinnung von Blut und Blutbestandteilen und zur Anwendung von Blutprodukten an, wird deutlich, dass homo- und bisexuelle Männer nicht Blut spenden dürfen, es sei denn, sie können nachweisen, wie denn auch immer das geschehen kann, dass sie ein Jahr zuvor keinen Sex hatten, im Verlauf eines Jahres zuvor keinen Sex hatten.
Dass nicht alle Menschen Blut spenden können, liegt auf der Hand. Das hat was damit zu tun, dass es Menschen gibt, die aufgrund von chronischen Erkrankungen, von akuten Infektionserkrankungen oder missbräuchlichem Drogenkonsum nicht dafür geeignet sind, dass sie Blut weitergeben, weil die Empfängerinnen und Empfänger von Blutspenden natürlich auf die Sicherheiten, das steht ganz oben an, vertrauen müssen.
Wie kommt es nun dazu, dass es ein solches Diskriminierungsmoment in der besagten Richtlinie gibt? Der Hintergrund ist der, dass Ende der 70er-, Anfang der 80er-Jahre mit dem Erkennen und Auffinden des HI-Virus man zu der Auffassung gelangte, dass Homo- und Bisexuelle aufgrund der Gefährdungen und der Risiken, die mit diesem Virus verbunden sind, nicht geeignet sind für eine Blutspende, und man schloss sie zunächst gänzlich von der Blutspende aus. Das wurde dann revidiert. Es gab im Jahr 2015 ein Gerichtsurteil des Europäischen Gerichtshofes. Das besagte, dass ein Ausschluss für diese Personengruppe gänzlich nicht statthaft ist, und damit war auch klar, dass die Rechtsprechung und die Rechtsetzung
zunächst in Deutschland sich bewegen muss. Das ist 2017 geschehen.
Die Bundesärztekammer, die diese Richtlinie faktisch verfügt, hat sie dahin gehend modifiziert, dass gesagt wurde, ja, eine Blutspende ist möglich, wenn es diese Frist gibt. Es wurde jedoch das Moment der Diskriminierung nicht völlig ausgelöscht, weil nach wie vor gesagt wird, also sexuelle Identität allein wird schon belegt mit einer solchen Frist. Wir sagen, das ist unangemessen. Das ist auch in der Sache nicht gerechtfertigt, weil der Europäische Gerichtshof 2015 zugleich befand, dass es, wenn es um Fristen geht oder wenn es um Einschränkungen bei der Blutspende geht, diese gemessen werden müssen an den Möglichkeiten und den technischen Gegebenheiten, die jeweils vorliegen, um etwaige Ausschlussgründe, die im Risikoverhalten liegen könnten, näher zu bestimmen. Bei HIV ist es mittlerweile eine Frist von sechs Wochen. Insofern sind die zwölf Monate, die seit nunmehr etwa drei Jahren in dieser Richtlinie stehen und eine Diskriminierung für die bi- und homosexuellen Männer darstellen, dass diese nicht mehr in der Sache gerechtfertigt ist.
Wir appellieren an Sie, genauso, wie es Abgeordnete in den besagten Landtagen schon getan haben, dass wir sagen, es muss eine Veränderung an dieser Stelle geben, und adressieren diesen Veränderungswillen an die Bundesebene und verlangen eine Neuordnung und neue Richtlinie an dieser Stelle. Wir hoffen sehr darauf, dass Sie sagen, ja, das ist also völlig einsichtig, dass man sich da bewegen muss, zumal für uns das eingangs schon erwähnte Gebot des Grundgesetzes und daraus abgeleitet, wie gesagt, das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz gilt, wie für alle anderen auch. Insofern ist es in der Sache geboten, diesem Antrag zu entsprechen, und auch rechtlich geboten. Wir hoffen auf Ihre Zustimmung. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Eigentlich wäre es auch nicht der Herr Koplin, sondern der Herr Kolbe. Der hätte gern die Auseinandersetzung geführt. Er ist auch sehr sach- und fachkundig zu diesem Thema
und kann das gesundheitsbedingt nun leider nicht führen, das Wort an dieser Stelle. Karsten Kolbe, gute Besserung!
Aber ich würde gerne vortragen.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liest man den Antrag des fraktionslosen Abgeordneten, könnte man leicht den Eindruck gewinnen, wir befänden uns gar nicht im Landtag von MecklenburgVorpommern, sondern bei einer Sitzung der Vereinten Nationen. Der Antrag hat unmittelbar nichts mit Mecklenburg-Vorpommern zu tun und ignoriert gänzlich, dass Bundesländer im Grundsatz keine eigene Außenpolitik gestalten. Ich könnte es mir daher einfach machen, uns für nicht zuständig zu erklären, und den Antrag einfach ablehnen. Ich habe mich aber gefragt, welche Motivation mit der Antragstellung verfolgt wird und welche tiefer gehende Zielstellung dahintersteckt. Lassen Sie mich daher zunächst kurz zum Konflikt selbst ausführen.
Mit dem Zerfall der Sowjetunion nahmen die kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Armenien und Aserbaidschan um Bergkarabach – ein Gebiet in etwa fünfmal so groß wie Rügen – rasant zu, nachdem sich Bergkarabach 1988 von Aserbaidschan getrennt und 1991 zur unabhängigen Republik erklärt hatte. Bis zur Vereinbarung eines Waffenstillstands im Mai 1994 starben zwischen 25.000 und 50.000 Menschen. Hunderttausende wurden vertrieben, es kam zu ethnischen Säuberungen und grausamer Gewaltanwendung. Dabei machten sich beide Seiten Menschenrechtsverletzungen aller Art schuldig. Vertreibungen, Plünderungen und die Zerstörung ganzer Dörfer wie auch Geiselnahmen und die Erschießung von Gefangenen prägten den Verlauf des Krieges. An diesem Ort zeigte sich wie an jedem anderen, es ist vor allem die Zivilbevölkerung, die unter den Schrecken des Krieges zu leiden hat.
Im Konflikt geht es nicht nur um das Gebiet von Bergkarabach, sondern auch um sieben aserbaidschanische Provinzen in der Umgebung Bergkarabachs, die seit 1993 von armenischen Truppen ganz oder zum Teil besetzt sind und aus denen die Mehrheit der aserbaidschanischen Binnenvertriebenen stammt. Seine Bevölkerung setzt sich nach den Vertreibungen heute fast ausschließlich aus Armeniern zusammen.
Das Gebiet wurde in der internationalen Gemeinschaft nicht als unabhängiger Staat anerkannt, nicht einmal von der Republik Armenien, von der es finanziell, militärisch und politisch weitgehend abhängig ist. Nach dem viertägigen Aprilkrieg im Jahr 2016, der durch einen Waffenstillstand in Moskau verhandelt wurde, ist die als „Frozen Conflict“ bezeichnete Auseinandersetzung jetzt wieder eskaliert und mehrere ausgehandelte Waffenstillstandsverhandlungen stellten sich bis jetzt als äußerst fragil dar. Auf beiden Seiten gibt es erneut Todesopfer zu beklagen. Insbesondere die Einmischung der Türkei in den Konflikt – immerhin Mitglied des selbsternannten Wertebündnisses NATO – lässt die Sorgen vor einer weiteren Eskalation wachsen.
So ist kurz und knapp beschrieben die gegenwärtige Ausgangslage. Und nun kommt Herr Arppe mit einem solchen Antrag um die Ecke und bezieht vollkommen einseitig Stellung und zeigt sein ganzes völkerrechtliches Verständnis, indem er einseitig das Selbstbestimmungsrecht der Völker postuliert, ohne auch nur mit einer Silbe das Prinzip der territorialen Integrität zu erwähnen,
geschweige denn eine argumentationsbasierte Abwägung dieser beiden zentralen Kategorien des Völkerrechts vorzunehmen.
Nun könnte man lapidar sagen, das dürfe man eigentlich nicht erwarten, aber es bleibt die Frage im Raum, was er denn eigentlich bezwecken wollte. Er hat zum Schluss gesagt, worum es ihm ginge, aber aufschlussreich ist daneben eben auch ein Video auf Social-Media-Kanälen. Herr Arppe präsentiert sich mit armenischer Flagge auf dem Schreibtisch und armenischem Wappen auf dem Pullover. Dort schwadroniert er davon, dass eine Niederlage des ältesten christlichen Staates unmittelbare Auswirkungen auf Europa hätte. Herr Arppe wörtlich, die Islamisierung unseres Kontinents würde einen weiteren Schub bekommen, der Einfluss Erdoğans, vor allem in Deutschland, würde weiter steigen.
Weiter führt er aus, schon heute würde der türkische Machthaber die Bundesrepublik als Eroberungsgebiet betrachten, und was heute den Armeniern geschehe, treffe morgen vielleicht schon uns. Daher laute auch die zentrale Botschaft, die Deutschen sollten wie die tapferen Armenier sein und nicht ihre Heimat und Identität aufgeben.
Das erklärt nun auch, warum er in dieser hochkomplexen Gemengelage vollkommen einseitig Partei ergreift und damit de facto nichts anderes macht, als weiter Öl ins Feuer zu gießen. Aus verbrämter Weltsicht heraus müssen die bisherigen Bemühungen auf Vermittlung zwischen den Konfliktparteien wie durch die Minsk-Gruppe der OSZE ja Teufelszeug sein. Diese sehen sechs grundlegende Schritte zur Konfliktlösung vor: neben einer Rückführung der sieben Provinzen in der Umgebung Bergkarabachs unter aserbaidschanische Staatshoheit auch einen Interimsstatus für das Gebiet Bergkarabachs, der Sicherheit und Selbstbestimmung für seine Bevölkerung garantiert, die zukünftige Regelung des Staates Bergkarabachs durch gesetzlich bindende Willensbekundung oder auch das Recht aller Vertriebenen und Flüchtlinge auf Rückkehr in ihre Heimatorte. Bei allen Schwierigkeiten sind das international verhandelte Pfeiler, die einen friedlichen Übergang in der Region ermöglichen könnten.
Aber darum geht es Ihnen ja nicht, Herr Arppe!
Worum es in Wirklichkeit geht, ist...
Sonst hätten Sie ja darauf Bezug genommen. Kein Wort darüber vorhin!
Ich denke, es ist mehr als klar geworden, Sie benutzen den grausamen Konflikt im Südkaukasus, um Ihre völkischen und islamophoben Ansichten in ein Mäntelchen internationalistischer Solidarität zu kleiden. Damit lassen wir Sie hier aber nicht durchkommen. Ihren Antrag lehnen wir selbstredend ab. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Kaputtgegangen.
Genau.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Es ist durchaus originell von der antragsberechtigten Fraktion und der Sache angemessen, einen Tag des Jahres, der thematisch begründet wird, also den Weltpoliotag, zu nutzen, um sich mit dem Thema Impfen auseinanderzusetzen und darüber nachzudenken, welcher Verlauf historisch zu konstatieren ist und wo wir an dieser Stelle stehen. Ehrlich gesagt, habe ich mich dennoch etwas gewundert, weil Sie ja auf Ihrem Parteitag gesagt haben als CDU, also unser Hauptthema wird das Thema Bildung sein. Da habe ich vermutet, dass Sie Bildung dann auch bei dieser Gelegenheit aufrufen, aber insofern sind wir Ihnen dankbar, dass wir heute übers Impfen reden können.
Ja, da werden wir ja gespannt sein, was da von Ihnen noch kommt, genauso gespannt, dass Sie eventuell
nachher noch mal einen Redebeitrag bringen, was denn nun verändert werden soll, denn wir führen ja hier keine Gedenkstunde durch, sondern es geht ja darum, eine Standortbestimmung zu finden
und zu sagen, was muss und sollte sich ändern.
Im Ziel sind wir, denke ich, uns einig, und es gab hier Redebeiträge, die sehr interessant waren aus den Fraktionen und auch sehr lehrreich, denn uns eint das Ziel, die Häufigkeit von Erkrankungen zu minimieren, Todesfälle von Erkrankungen aufgrund von Infektionen nach Möglichkeit auszuschließen und insgesamt Erkrankungen zu vermeiden. Wir LINKEN haben uns mit dem Thema auseinandergesetzt und haben gesagt, wir kommen hier ans Rednerpult und unterbreiten sechs Vorschläge, was anders und was besser gemacht werden kann, um die Diskussion auch zu bereichern.
Erstens sind wir der Meinung – das hat hier schon eine Rolle gespielt –, dass die Prävention, insbesondere die gesundheitliche Aufklärung intensiviert werden muss. Wir haben eine Kampagne, wir haben Erfahrungen der Kampagne, das ist eine gute Voraussetzung, und – der Minister hat es gesagt – wir werden eine Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes haben. Das ist positiv, das schafft die Möglichkeiten, hier auch intensiver zu werben, denn die Prävention ist das A und O. Beim Gesundheitsschutz und hinsichtlich der Impfungen besteht sie ja gleich vierfach: individueller Schutz, Gemeinschaftsschutz, global und ein Schutz generationenübergreifend.
Ein zweiter Punkt, den wir aufrufen wollen, ist, M-V sollte sich für ein bundesweites Impfregister einsetzen. Wenn man sich mal anschaut, wer sich mit Impfstatistiken und Angaben zu Impfungen oder Impflücken alles so beschäftigt, dann gibt es eine große Vielfalt. Auch wenn wir statistische Daten haben, aber das RKI erhebt, die Kassenärztliche Vereinigung erhebt, es gibt eine Nationale Lenkungsgruppe Impfen, es gibt verschiedene Studien, zum Beispiel zu Kinder- und Jugendgesundheit, und alle beschäftigen sich damit und alle erheben ihrerseits Daten. Wichtig wäre, das zu bündeln auf bundesweiter Ebene, um auch valide Grundlagen, wissenschaftliche Grundlagen entsprechend zu haben, um zu analysieren und politisch zu gestalten. Mecklenburg-Vorpommern sollte sich also hier einbringen. Im Übrigen hätten wir bundesweit die Kinder- und Jugendärzte da an unserer Seite.
Drittens sollten wir uns einsetzen für die Einführung eines Bonussystems für Impfungen. Hier ist von mehreren problematisiert worden, wie ist das eigentlich mit der Impfpflicht und dem Impfzwang. Es gibt ja durchaus Nuancen zu überzeugen, Menschen zu gewinnen, dass sie sich impfen lassen. Dann gibt es die Impfpflicht, wie wir sie bei den Masern haben, die sanktionsbelegt ist mit zum Beispiel dem Umstand, dass man Kindertageseinrichtungen nicht aufsuchen kann oder als Pflegekraft in einem Krankenhaus nicht arbeiten kann. Es gäbe aber auch den Impfzwang, sozusagen, dass die Polizei dahintersteht. Zwang, das ist hier gesagt worden, ist nicht adäquat für eine demokratische Gesellschaft.
Aber wir sollten diejenigen belohnen, die sich impfen lassen, weil sie tun etwas für die eigene Gesundheit und für die Gemeinschaft und ersparen der Gemeinschaft
Gesundheitsfolgekosten. Insofern kann der Bonus eingeordnet werden in die bestehenden Bonussysteme der Krankenkassen, die es gibt und auf vielfältige Weise zum Tragen kommen. Das können Gutscheine sein, das kann eine Geldleistung sein, das kann eine Kur sein – also nicht mit Bestrafungen arbeiten, nicht zwingende Pflichten aufmachen, sondern mit Überzeugungskraft und vor allen Dingen mit entsprechenden Anreizen arbeiten.
Viertens. Wir haben das beim letzten Mal hier schon gesagt, Mecklenburg-Vorpommern sollte alljährlich einen Impfgipfel durchführen, aus mehreren Gründen. Es geht um Beschaffungsgrößen. Der Minister hat gesagt, wir haben 450.000 Impfdosen für die Influenza, wir haben aber 1,6 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner. Nicht alle können geimpft werden, das ist klar, aber deutlich mehr als eine Million könnten es, und die Weltgesundheitsorganisation sagt, mindestens 60 Prozent sollten bei einer Grippeschutzimpfung geimpft werden. Dann können wir ganz schnell ausrechnen, die Impfdosen werden nicht für alle oder würden nicht für alle reichen. Nun machen wir keine Panik, darum geht es nicht an der Stelle, es geht darum, wie wir zukünftig Größen bestellen, wann die eintreffen, und wenn, wie wir jetzt in der Pandemie uns noch nächstes Jahr auseinandersetzen müssen mit der Frage, wer wird zuerst geimpft und wer in der Folge. Das wird eine ernsthafte Diskussion und es wäre gut, wenn alle relevanten Akteure diesbezüglich an einen Tisch kommen.
Fünftens. Herr Peters hat versucht, also die Sache zu ideologisieren – ganz ideologiefrei ist es auch nicht –, als er sagte, na ja, wir sollten mal als LINKE auf unsere Bundesspitze einwirken und sagen, na ja, Sicht auf die Pharma. Ich halte es für hoch problematisch, dass der Gesundheitsschutz der Bevölkerung alleinig in den Händen von Unternehmungen liegt, was diese Sache betrifft, die nach anderen wirtschaftlichen Mechanismen arbeiten.
Einerseits haben wir – das ist auch unsere Verantwortung als Abgeordnete eines Landtages – für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung geradezustehen, und die börsennotierten Unternehmen, die zurzeit an Impfstoffen forschen, wenn es um Corona geht, aber auch Impfstoffe herstellen, sind ökonomisch nach anderen Mechanismen aufgestellt. Das ist jetzt ideologiefrei an dieser Stelle, weil ich sagen muss, das ist einfach zu konstatieren. Und wir sind der Meinung, nicht nur die Kontrolle da einzusetzen, sondern, wenn schon viel Geld in die Hand genommen wird, wie zum Beispiel über 700 Millionen Euro für die drei Unternehmen in Deutschland, die für den CoronaImpfstoff jetzt Verantwortung zeigen und forschen und den produzieren werden, wäre es wichtig, dass die Politik letztendlich auch Gestaltungskraft hat, indem es da schrittweise eine Beteiligung gibt.
Und sechstens und letzter Punkt: Wir sind der festen Überzeugung, dass Impfangebote als Bestandteil der Entwicklungshilfe zu sehen sind. Es ist gesagt worden, Polio ist nicht völlig ausgerottet. Es gibt mit Afghanistan und Pakistan zwei Länder, in denen sie noch wütet, was heißen kann, sie kann auch zurückkehren. Und diese Impfangebote müssen global sein. Dass einige Länder das nicht alleine stemmen können, liegt auf der Hand,
wenn man bedenkt, dass da Gesundheitssysteme nicht existent sind oder zusammengebrochen sind.
Deutschlands Entwicklungshilfe ist an der Stelle sehr wichtig. Deutschland hat sich verpflichtet, 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bereitzustellen für Entwicklungshilfe, macht das aber kaum. Wenn man sich die Zahlen anschaut, nicht jedes Jahr, sondern meistens erreichten wir nicht die 0,7 Prozent. Und wir sind der Meinung, dass die Fragen der Impfangebote auch Bestandteil der Entwicklungshilfe sein müssen. Auch dafür kann sich auf Bundesebene das Land MecklenburgVorpommern starkmachen. So weit unsere Vorschläge.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Herzlichen Dank auch für die Glückwünsche! Wir sind überglücklich, das können Sie sich sicherlich vorstellen. Ich wäre gern in der Nacht dann im Familienzimmer geblieben, aber es sind so viele Geburten zurzeit hier in Schwerin,
dass alles …
Genau.
… ausgebucht ist.