Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 34. Sitzung des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 34., 35. und 36. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall, damit gilt die Tagesordnung der 34., 35. und 36. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.
Gemäß Paragraf 4 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung benenne ich für die 34., 35. und 36. Sitzung die Abgeordneten Christiane Berg und Karen Larisch zu Schriftführern.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich – ja, wenn sie denn da wäre, aber ich mache es auch … ach, sie steht draußen, ich weiß nicht, vielleicht hört sie mich – unserer Kollegin Martina Tegtmeier ganz herzlich nachträglich zu ihrem runden Geburtstag gratulieren.
Die Fraktion DIE LINKE hat einen Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 7/2062 zum Thema „Lage in Afghanistan umgehend neu bewerten, Abschiebungen bis auf Weiteres aussetzen“ vorgelegt. Wir werden diese Vorlage, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach angemessener Zeit für eine Verständigung innerhalb und zwischen den Fraktionen nach dem Tagesordnungspunkt 3 aufrufen. Ich werde das Wort zur Begründung dieses Dringlichkeitsantrages erteilen sowie die Abstimmung über dessen Aufsetzung durchführen. Ich sehe und höre auch dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Ich möchte jetzt gern die Gelegenheit nutzen und auf der Besuchertribüne Schülerinnen und Schüler der Regionalen Schule aus Dassow begrüßen. Herzlich willkommen.
Sie haben jetzt die Gelegenheit, dem von mir aufzurufenden Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde, zu lauschen. Die Fraktion der SPD hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Die Partnerschaft zwischen dem Leningrader Gebiet und Mecklenburg-Vorpommern auch in schwierigen Zeiten weiter pflegen und verstärken“ beantragt.
Aktuelle Stunde Die Partnerschaft zwischen dem Leningrader Gebiet und Mecklenburg- Vorpommern auch in schwierigen Zeiten weiter pflegen und verstärken
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Wer die Zeitungen heutzutage oder in den letzten Tagen und in den letzten Wochen aufschlägt, der wird immer mehr zur Kenntnis nehmen müssen, dass sich die Lage zwischen
den westlichen Staaten, zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union auf der anderen Seite und Russland immer weiter – nicht nur verbal – verschärft.
Wenn man mit den Menschen in unserem Land spricht, dann wird eins immer wieder deutlich: Die Menschen auch bei uns in Mecklenburg-Vorpommern haben Angst, haben Angst vor dem Säbelgerassel, den gegenseitigen Vorwürfen und dem Umstand, dass offensichtlich Bedrohungen die Gespräche ersetzen sollen. Aber diese Situation, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, beeinträchtigt nicht nur die Gefühle der Menschen, sie beeinträchtigt natürlich auch das reale Leben, sie beeinträchtigt die Wirtschaft, den Finanzverkehr, auch hier in MecklenburgVorpommern.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, man darf sicherlich Zweifel daran haben, ob die Vorgehensweise der russischen Regierung in den Jahren vor 2014 gegenüber der Ukraine tatsächlich das ist – ich würde es mal freundlich so umschreiben –, was man unter einem guten nachbarschaftlichen Verhältnis versteht. Es ist auch sicherlich keine Frage, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dass die Besetzung der Halbinsel Krim ein Fall ist, den es so nach dem Krieg 1945 hier in Europa nicht gegeben hat, nämlich, dass tatsächlich mit militärischen Mitteln die Grenzen verrückt werden sollten. Das alles ist eine Sache.
sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, weder wir hier im Landtag noch die Landesregierung in MecklenburgVorpommern waren im Jahr 2014 berufen, darüber zu entscheiden, ob die Sanktionen der Europäischen Union gegen Russland angemessen waren. Deswegen müssen wir uns heute, im Jahr 2018, nicht Gedanken darüber machen, ob wir die Entscheidung damals, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, so getroffen hätten. Die ist ja zwischenzeitlich auch immer wieder verlängert worden.
Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, worüber wir uns im Klaren werden müssen, sind die wirtschaftlichen Auswirkungen auf Mecklenburg-Vorpommern und auch die Auswirkungen auf das gesellschaftliche und politische Leben. Wenn man sieht, dass sich das Russland-Geschäft Mecklenburg-Vorpommerns im Nachgang zu den EUSanktionen und Gegensanktionen im Jahr 2016 im Vergleich zu den Vorjahren von 1,1 Milliarden auf nur noch 642 Millionen Euro nahezu halbiert hatte, dann zeigt das, dass diese Sanktionen auch auf Mecklenburg-Vorpommern konkrete Auswirkungen haben.
Sehr geehrte Kolleginnen, sehr geehrte Kollegen, es ist letztendlich das Aufrechterhalten des Gesprächsfadens mit der russischen Seite, insbesondere mit unseren Partnern in der Leningrader Region, sodass es uns gelungen ist, die Exporte und Importe im Jahr 2017 wieder auf einen Betrag von rund 1 Milliarde Euro zu steigern. Daran zeigt sich, Gespräche und das Miteinander sind das eigentliche Mittel, um das weiterzuentwickeln. Aber wir müssen uns an dieser Stelle natürlich auch überlegen – ich habe es am Anfang angesprochen –, wie wir eigentlich mit der Situation weiter umgehen wollen. Die Men
schen in diesem Land haben ein Interesse daran zu erfahren, wie sich der Landtag, wie sich die Landesregierung dazu verhält, dass heute im Jahr 2018 nicht nur bei uns in Mecklenburg-Vorpommern, sondern weit darüber hinaus immer stärkere Zweifel daran bestehen, ob die Sanktionspolitik in dieser Form tatsächlich der richtige Weg ist.
Unser Land, liebe Kolleginnen und liebe Kollegen, ist ein kleines Land, aber wir haben es in den vergangenen Jahren geschafft, zu einer, ich will es mal Verbindungsstelle nennen zwischen den Ostseeanrainerstaaten, zwischen unseren nördlichen und östlichen Partnern und der Mitte Europas auch hier in Deutschland zu werden. Deswegen haben wir vor diesem Hintergrund eine besondere Verantwortung. Diese besondere Verantwortung machen wir natürlich immer wieder deutlich, indem wir die Gespräche mit unseren Partnern im Leningrader Gebiet und in der Region Sankt Petersburg suchen.
Wir sind in den vergangenen Jahren häufig für diese Politik kritisiert worden, aber dass sich heute die Situation zumindest in dieser Region wirtschaftlich und auch gesellschaftlich durchaus positiv darstellt, ist letztendlich das Verdienst des Umstandes, dass wir diesen Gesprächsfaden nicht haben abreißen lassen. Und es ist in erster Linie auch ein Verdienst der damaligen Landesregierung unter ihrem Ministerpräsidenten Erwin Sellering, der auch aus diesem Land immer wieder dafür kritisiert wurde. Wenn der neue russische Botschafter in Berlin gerade vor ein paar Tagen erklärt hat, dass es nicht nur aufgrund dieser Politik zwischen Mecklenburg-Vorpommern und seinen russischen Partnern ein besonderes deutsch-russisches, ja, sogar ein besonderes russischmecklenburg-vorpommersches Verhältnis gibt, dann ist auch das ein Verdienst des früheren Ministerpräsidenten.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das heißt nicht, dass wir nicht mit offenen Worten gegenüber unseren Gesprächspartnern in Russland die Probleme, die bestehen, tatsächlich ansprechen sollen. Aber es bedeutet im Endeffekt auch, dass wir mit unseren Partnern in Russland offen darüber diskutieren müssen, ob die bisherige Politik von Sanktionen und Gegensanktionen im Jahr 2018 noch sinnhaft ist.
Meine Kolleginnen und Kollegen, ich will jetzt mal jemanden zitieren, der relativ unverdächtig ist für ein SPDFraktionsmitglied dieses Landtages. Ich erlaube mir den sachsen-anhaltischen Ministerpräsidenten Reiner Haseloff zu zitieren, der gesagt hat, dass die Sinnhaftigkeit dieser Russlandsanktionen sich heute immer mehr infrage stellen würde, dass sie inzwischen ein wirkungsloses Instrument wären und, ich zitiere: „Und die Wahrscheinlichkeit, dass es Wirkung entfaltet, wird von Tag zu Tag geringer.“
Deswegen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist es unsere Aufgabe, sich auch in Mecklenburg-Vorpommern noch stärker dafür einzusetzen, dass in absehbarer Zeit ein Ausstieg aus dem Kreis von Sanktionen und Gegensanktionen zwischen Europa und Russland gefunden wird.
Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, es gab am Anfang dieser Diskussion, ob Sanktionen eingeführt werden sollen oder nicht, eine grundsätzliche Aussage von allen westlichen Staaten. Diese Sanktionen sollen sich nicht – sollen sich nicht – gegen die Bevölkerung richten, sondern sie sollen tatsächlich die russische Staatsführung beziehungsweise ihr wirtschaftliches Umfeld treffen. Wenn wir uns die Situation heute anschauen, dann ist es genau umgekehrt. Wir können Lebensmittel nur in begrenztem Maße nach Russland exportieren, aber auf der anderen Seite werden Finanzgeschäfte von russischen Oligarchen, wenn es denn erforderlich ist, auch mal wieder von der Sanktionsliste runtergenommen. Es ist genau das, was eigentlich nicht beabsichtigt worden ist.
Wenn Sie mir das so nicht glauben, dann will ich Ihnen ein konkretes Beispiel nennen: Gerade vor wenigen Wochen ist durch die US-amerikanische Regierung eine Vielzahl von russischen Unternehmen, die sogenannten Oligarchen gehören, auf eine Sanktionsliste gesetzt worden, unter anderem der Aluminiumkonzern Rusal. Die Konsequenz war, die Aktien der amerikanischen Wettbewerber stießen durch die Decke, die Aluminiumpreise stiegen mit der Konsequenz, dass sich auch amerikanische Aluminium nutzende Konzerne bei der amerikanischen Regierung beklagten und sagten, das kann doch nicht sein, dass unsere Produkte dadurch teurer werden. In der Folge diskutiert die amerikanische Regierung in der Öffentlichkeit darüber, diesen Konzern wieder von der Sanktionsliste zu nehmen. Das ist die Realität der Sanktionspolitik im Jahre 2018.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn wir das so sehen und wenn wir die politischen Äußerungen nicht nur bei uns im Land zur Kenntnis nehmen, dass wir die Sinnhaftigkeit dieser Sanktionspolitik tatsächlich infrage stellen müssen, dann sind wir hier in MecklenburgVorpommern noch stärker gefordert, als wir das in der Vergangenheit ohnehin schon waren, nämlich die Gesprächsfäden, die wir mit Russland haben, weiter zu stärken und weiter auszubauen, übrigens nicht nur die wirtschaftlichen Kontakte auszubauen, die für unser Land wichtig sind – Russland war immer ein wichtiger Wirtschaftspartner für Mecklenburg-Vorpommern, auch nach 1991 –, sondern es geht im Endeffekt darum, die gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und wissenschaftlichen Kontakte weiter zu stärken.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es lässt sich doch heutzutage niemandem mehr erklären, dass man auf der einen Seite mit einem deutschen Kreuzfahrtschiff oder einem europäischen Kreuzfahrtschiff nach Sankt Petersburg fahren kann, dort drei Tage ohne ein zusätzlich beantragtes Visum die Stadt besichtigen kann, aber wir russischen Bürgern nicht die Möglichkeit geben, gleichermaßen zum Beispiel eine Woche Urlaub in diesem Land zu machen. Das ist die Realität, über die wir heute im Jahr 2018 reden. Das macht deutlich, dass wir an einem Punkt angekommen sind, wo es sinnvoll ist, darüber nachzudenken, ob die bisherige Politik richtig ist.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zu dem Punkt kommen, es hat sich in der Vergangenheit immer eins bewiesen: Sanktionen oder auch kriegerische Auseinandersetzungen, wenn man das mal überspitzen will, haben nie dazu beigetragen, dass Menschen vernünftig im Miteinander auskommen.
Es ist der Handel gewesen, es sind die Gespräche gewesen, die dazu geführt haben, dass Menschen zueinandergekommen sind und dass das Miteinander, das Verständnis ausgeprägt und verbessert worden sind.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, gerade vor dem Hintergrund – ich habe es ganz am Anfang meiner Rede angesprochen, und ich komme zum Ende –, gerade vor dem Hintergrund, dass die Situation zwischen den europäischen Staaten, zwischen den USA auf der einen Seite und Russland auf der anderen Seite weltweit immer konfliktreicher wird, haben wir eine entsprechende Verantwortung, hier verständnisvoll und sinnhaft zu agieren. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Liebe Gäste! Es ist ein hochaktuelles Thema, das die SPD-Fraktion angemeldet hat: „Die Partnerschaft zwischen dem Leningrader Gebiet und MecklenburgVorpommern auch in schwierigen Zeiten weiter pflegen und verstärken“. Das ist das, worauf ich in den letzten Tagen und Wochen ganz intensiv angesprochen wurde von Bürgerinnen und Bürgern, die sagen, wir wünschen uns einen guten Dialog mit Russland, eine gute Partnerschaft mit Russland, wir sehen die aktuelle große Anspannung mit Russland kritisch und schwierig und machen uns Sorgen. Deshalb bin ich fest davon überzeugt, dass wir auch in schwierigen Zeiten im guten Dialog mit Russland bleiben können, weil Russland unser Partner ist, aber weil sich auch mit Russland viele große internationale Konflikte gemeinsam lösen können.
Darüber hinaus können wir mit der regionalen Partnerschaft zum Leningrader Gebiet unseren Beitrag dazu leisten, im guten Dialog zu bleiben.
Wie Sie wissen, gibt es seit 2002 eine regionale Partnerschaft mit dem Leningrader Gebiet, also dem Gebiet um die Stadt Sankt Petersburg herum. Diese Kontakte bestanden schon zu DDR-Zeiten und wurden mit der deutschen Einheit weiter gepflegt. Wir haben als ostdeutsches Bundesland daran angeknüpft und haben viele gute, vertrauensvolle Kontakte auf politischer Ebene, im wirtschaftlichen Bereich und zunehmend im kulturellen und im Wissenschaftsbereich. Dazu hat vor allem mein Vorgänger, unser Ministerpräsident a. D. Erwin Sellering, beigetragen, der gerade in schwierigen Zeiten, wo es nicht Mainstream war, im Dialog mit Russland zu sein, wo es Kritik gab, auch in diesem Bundesland, an dieser Partnerschaft festgehalten hat.
Lieber Erwin, vielen Dank dafür! Gute Partnerschaften müssen auch schwierige Zeiten durchstehen. Das haben wir gemeinsam erreicht mit dem Leningrader Gebiet.
Dazu gehört der sogenannte Russlandtag, der seit 2014 alle zwei Jahre stattfindet und in diesem Jahr wieder stattfinden wird, im Herbst dieses Jahres. Dazu gehören auch Delegationsreisen. Kurz nach meinem Amtsantritt bin ich mit einer großen Wirtschaftsdelegation nach Sankt Petersburg und in das Leningrader Gebiet gereist und es gab viel Zuspruch, viel Mitmachen auch der Unternehmerinnen und Unternehmer. An dieser Stelle möchte ich ganz deutlich sagen, weil es immer wieder von Kritikern den Vorwurf gibt, na ja, euch geht es ja nur um wirtschaftliche Interessen, erstens ist es nicht schlecht, wirtschaftliche Interessen zwischen zwei Partnerschaften zu haben,
zweitens tragen wirtschaftliche Interessen natürlich zum Erhalt der Arbeitsplätze, zur Sicherung und zu neuen Arbeitsplätzen bei, was gut ist für beide Regionen, aber drittens – das habe ich in vielen Gesprächen mit den Unternehmerinnen und Unternehmern erlebt – basieren diese wirtschaftlichen Kontakte natürlich auf Vertrauen, auf Verständnis. Auch wirtschaftliche Kontakte tragen zu einer guten Partnerschaft bei. Sie sind nichts Schlechtes, im Gegenteil, sie sind gut für eine Partnerschaft.
Unsere Bevollmächtigte Bettina Martin war bei der Deutschen Woche in der letzten Woche in Sankt Petersburg und hat unser Land dort vertreten. Und wir wollen weitermachen mit dieser guten Partnerschaft.
Russland ist ein wichtiger Wirtschaftspartner für uns, immerhin auf Platz 3 im Außenhandel. Einige Beispiele: Wir haben im Holzcluster in Wismar mit Ilim Nordic Timber ein wichtiges Unternehmen und mit der Nord-StreamPipeline eine wichtige Unternehmung. An dieser Stelle möchte ich allen Kritikern sagen, die Nord-StreamPipeline ist wichtig für die Energieversorgung in ganz Deutschland und natürlich sichert sie auch bei uns Arbeitsplätze. Es ist ein gutes Projekt, und das wollen wir umsetzen.