Protocol of the Session on November 21, 2018

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 49. Sitzung des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet.

Meine Damen und Herren, am vergangenen Wochenende erreichte uns die traurige Nachricht, dass unser ehemaliger Kollege Dr. Henning von Storch am 12. November in Rostock verstorben ist. Dr. Henning von Storch war von 2002 bis 2011 Mitglied des Landtages MecklenburgVorpommern. Sowohl in der 4. als auch in der 5. Wahlperiode eröffnete er als Alterspräsident die erste Sitzung des Landtages und leitete sie bis zur Wahl der Landtagspräsidentin. Dr. Henning von Storch war Mitglied im Landwirtschaftsausschuss sowie im Rechts- und Europaausschuss. Neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt engagierte er sich in verschiedenen Funktionen auf kommunaler Ebene. Ich bitte Sie, sich zum Gedenken an Dr. Henning von Storch von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Ich danke Ihnen. Vielen Dank, dass Sie sich zu Ehren des Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, am Schluss der vergangenen Sitzung hatte ich angekündigt, anhand des Plenarprotokolls alle Redebeiträge und Zwischenrufe vor dem Hintergrund nochmals genau zu prüfen, dass wegen der zum Teil sehr hitzigen Debatte der amtierenden Präsidentin eine Äußerung, die mit einem Ordnungsruf belegt werden muss, entgangen sein könnte. Ich hatte auch angekündigt, gegebenenfalls nachträglich entsprechende Ordnungsmaßnahmen zu ergreifen.

Die Prüfung hat Folgendes ergeben: Der Abgeordnete Kramer hat zunächst als Zwischenruf und dann in einer Rede ein Wort benutzt, dass von der Gesellschaft als Schimpfwort und als abwertende Bezeichnung für Menschen mit dunkler Hautfarbe verstanden wird. Wenn ein Abgeordneter ein solches Wort in einer öffentlichen Sitzung des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern verwendet, muss er sich über dessen Konnotation bewusst sein. Vor diesem Hintergrund erteile ich Ihnen, Herr Kramer, einen Ordnungsruf. Einen weiteren Ordnungsruf erteile ich dem Abgeordneten Ritter, der sich in der Folge sehr emotional über die Verwendung des Begriffes empört hat und dabei die Grenzen zu persönlichen Beleidigungen überschritten hat.

Im weiteren Verlauf der Sitzung haben weitere Abgeordnete das Wort verwendet, um zu verdeutlichen, dass dieses Wort als Schimpfwort verstanden wird und in einer Plenardebatte nicht verwendet werden sollte. Ich bitte deshalb alle Abgeordneten, ihre Wortwahl auch in Zwischenrufen genau abzuwägen und zu einer angemessenen Debattenkultur zurückzukehren. Von persönlichen Angriffen sollte in jedem Fall abgesehen werden.

Meine Damen und Herren, mit Schreiben vom 13. November 2018 ist mir mitgeteilt worden, dass sich die Fraktion der Bürger für Mecklenburg-Vorpommern, kurz BMV, in die Fraktion Freie Wähler/Bürger für Mecklenburg-Vorpommern, kurz Freie Wähler/BMV, umbenannt hat.

Die vorläufige Tagesordnung der 49., 50. und 51. Sitzung liegt Ihnen vor. Die Beratung zum Tagesordnungspunkt 18 entfällt, da der Antragsteller den Antrag auf Drucksache 7/2804 zurückgezogen hat.

(Minister Dr. Till Backhaus: Schade!)

Wird der so geänderten, vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 49., 50. und 51. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.

Meine Damen und Herren, die Fraktion DIE LINKE hat beantragt, eine Aussprache gemäß Paragraf 43 Nummer 2 der Geschäftsordnung des Landtages zum Thema „Aktuelle Vorwürfe rund um die landeseigene Ihlenberger Abfallentsorgungsgesellschaft“ als Zusatztagesordnungspunkt auf die Tagesordnung zu setzen. Des Weiteren liegt Ihnen auf Drucksache 7/2865 ein Dringlichkeitsantrag der Fraktion DIE LINKE unter dem Thema „Verantwortung für das Mecklenburgische Staatstheater konsequent wahrnehmen“ vor. Die Fraktionen der CDU und SPD haben einen Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 7/2867 vorgelegt unter dem Thema „Peene-Werft braucht Hilfe – Bund ist in der Pflicht“.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr gut!)

Wir werden diese Vorlagen, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach angemessener Zeit für eine Verständigung innerhalb und zwischen den Fraktionen, nach dem Tagesordnungspunkt 2 aufrufen. Ich werde das Wort zur Begründung der Dringlichkeitsanträge erteilen sowie die Abstimmung über deren Aufsetzung durchführen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann werden wir so verfahren.

Meine Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich unserem Kollegen Dr. Wolfgang Weiß ganz herzlich zu seinem heutigen Geburtstag gratulieren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, AfD, DIE LINKE, Freie Wähler/BMV und auf der Regierungsbank)

Weiterhin möchte ich unseren Kollegen Dr. Gunter Jess, Karen Larisch, Dietmar Eifler und auch unserer erkrankten Präsidentin Sylvia Bretschneider, die bereits Geburtstag hatten, ganz herzlich nachträglich gratulieren.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, AfD, DIE LINKE und Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV)

Gemäß Paragraf 4 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung benenne ich für die 49., 50. und 51. Sitzung die Abgeordnete Christiane Berg zur Schriftführerin.

Meine Damen und Herren, ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der SPD hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zum Thema „100 Jahre Frauenwahlrecht, 100 Jahre Gleichstellung – Vieles wurde erreicht, Vieles ist noch zu tun“ beantragt.

Aktuelle Stunde 100 Jahre Frauenwahlrecht, 100 Jahre Gleichstellung – Vieles wurde erreicht, Vieles ist noch zu tun

Das Wort hat zunächst der Abgeordnete und Fraktionsvorsitzende Herr Thomas Krüger.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Im Zuge der Novemberrevolution veröffentlichte der Rat der Volksbeauftragten am 12. November 1918 einen Aufruf an das deutsche Volk, also ziemlich genau vor 100 Jahren. Darin stand, ich zitiere: „Alle Wahlen zu öffentlichen Körperschaften sind fortan nach dem gleichen, geheimen, direkten, allgemeinen Wahlrecht auf“ Grundlage „des proportionalen Wahlsystems für alle mindestens 20 Jahre alten männlichen und weiblichen Personen zu vollziehen.“ Zitatende. Dieser Aufruf wurde kurz darauf von der verfassungsgebenden deutschen Nationalversammlung sinngemäß beschlossen.

Meine Damen und Herren, für uns sind freie, gleiche und geheime Wahlen selbstverständlich geworden, auch wenn das für Ostdeutschland erst seit knapp 30 Jahren gilt. Für uns ist es selbstverständlich, dass Männer und Frauen das aktive und passive Wahlrecht haben. Wir wollen mit dieser Aktuellen Stunde daran erinnern, dass diese Selbstverständlichkeit vor 100 Jahren hart erkämpft werden musste. Meine Partei, die SPD, hat bereits 1891 in ihrem Erfurter Programm ein, Zitat, „Allgemeines, gleiches, direktes Wahl- und Stimmrecht mit geheimer Stimmabgabe aller über 20 Jahre alten Reichsangehörigen ohne Unterschied des Geschlechts für alle Wahlen und Abstimmungen“ gefordert.

(Torsten Renz, CDU: Donnerwetter!)

Es sollte dann damals noch fast 30 Jahre dauern, Kollege Renz,

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD)

bis diese Forderung endlich umgesetzt werden konnte. Auch damals musste man schon dicke Bretter bohren, nur die Situation, die gesellschaftliche Situation war damals anders und eine deutlich härtere als heute.

(Torsten Renz, CDU: Vor allem die 20 Jahre habe ich da eben rausgehört.)

Wir möchten heute auch an die ersten Parlamentarierinnen erinnern, die auf dem Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommerns in die Landtage gewählt wurden. Wir erinnern uns an Frau Elise Fincke, Mitglied des Landtages Mecklenburg-Schwerin seit 1919, an Frau Erna Weiland, Mitglied des Landtages Mecklenburg-Strelitz von 1918, an Else Höfs und Frau Ilse Charlotte Noack, Mitglieder des Preußischen Landtags ab 1921, an Frau Zinner, Mitglied des Pommerschen Provinziallandtags ab 1921.

(Beifall vonseiten der Fraktion Freie Wähler/BMV)

Meine Damen und Herren, wenn wir uns unsere Gesellschaft anschauen, dann sind wir ohne Zweifel weitergekommen in den vergangenen 100 Jahren. Unser Grundgesetz stellt in einem kurzen unmissverständlichen Satz klar, was die Grundlage des Zusammenlebens in unserer Gesellschaft ist: „Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD, Torsten Renz, CDU, und Bernhard Wildt, Freie Wähler/BMV)

Weiter heißt es seit 1994: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Ja, meine Damen und Herren, die Aussage unseres Grundgesetzes, dass Männer und Frauen gleich sind, heißt nicht, dass wir die Gleichberechtigung heute schon in allen Lebensbereichen haben, heißt nicht, dass Gleichberechtigung wirklich überall schon gesellschaftliche Realität ist. Viele weitere Schritte zur Gleichstellung mussten in den vergangenen Jahrzehnten hart erkämpft werden.

Ich will an einige erinnern: So wurde im Jahr 1957 der sogenannte Gehorsamsparagraf gestrichen. Der Gehorsamsparagraf erlaubte es Ehemännern, alleine in den Angelegenheiten der Ehe zu entscheiden, beispielsweise über Wohnung oder Wohnort. Die Frau hatte da nichts mitzureden. Seit 1962 können Frauen dank der Pille selbstbestimmt über ihre Empfängnisverhütung entscheiden. Mit der gesamtdeutschen Einführung der Fristenlösung des Paragrafen 218 im Jahr 1995 wurde zumindest faktisch endlich das überwunden, was 120 Jahre lang Abertausende Frauen in Illegalität, Krankheit und Tod trieb.

Erst 1998 ist die Vergewaltigung in der Ehe für strafbar erklärt worden, damals übrigens gegen die Stimmen des heutigen Noch-Bundesinnenministers beschlossen. 2002 tritt das Gewaltschutzgesetz in Kraft, mit dem gewalttätige Partner der Wohnung verwiesen werden können. Und wer gestern die Nachrichten gesehen hat, die „Tagesschau“ gesehen hat, wie breit die Berichte darüber sind, was auch noch heute an Gewalt in Familien herrscht, der weiß, wie notwendig das war, seinerzeit dieses Gesetz zu verabschieden.

Meine Damen und Herren, heute scheint es für manchen Mann nur schwer erträglich, wenn er daran erinnert wird, dass Artikel 3 des Grundgesetzes und Artikel 13 der Landesverfassung auch reale Konsequenzen haben müssen. Ich will nur zum Beispiel daran erinnern, welchen Aufschrei es bei uns im Land gegeben hat, als die Ministerpräsidentin daran erinnerte, dass auch für die Justiz zu gelten habe, dass Männer und Frauen einen gleichberechtigten Zugang zu Beförderungsmöglichkeiten haben müssen.

Meine Damen und Herren, mehr hatte die Ministerpräsidentin seinerzeit nicht gesagt. Das reichte aber für eine breite Diskussion darüber, wie das umgesetzt werden könnte. Letztlich hat sich auch hier in der Debatte herausgestellt, dass die Ministerpräsidentin damit lediglich ihrer Aufgabe nach dem Grundgesetz und der Verfassung unseres Landes nachgekommen ist.

(Dr. Ralph Weber, AfD: Fake News!)

Meine Damen …

Da wird schon wieder „Fake News“ gesagt. Wissen Sie, Herr Professor, ich bin echt gespannt auf die Rede aus Ihrer Fraktion,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich nicht.)

weil Frauenkompetenz scheint bei Ihnen ja wirklich großgeschrieben zu werden.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ich nicht. Da hält sich meine Spannung in Grenzen. – Zuruf von Dr. Ralph Weber, AfD)

Meine Damen und Herren, das Frauenwahlrecht ist ein wichtiger Schritt hin zur Gleichberechtigung der Geschlechter gewesen. Wir sind inzwischen viele weitere Schritte gegangen, wir sind aber bei Weitem noch nicht am Ziel. Wenn wir uns unsere heutige Gesellschaft anschauen, dann gibt es sowohl bei der faktischen Gleichstellung als auch im Bewusstsein der Menschen noch viel zu tun. Lassen Sie mich hier nur auf die oftmals eingeschränkten Karrierechancen von Frauen eingehen oder auf die noch unterschiedliche Bezahlung von Frauen und Männern. Wir gehen in der Gesellschaft nur noch mühsam kleine Schritte voran.

Ich will an das Entgelttransparenzgesetz erinnern. Wir Sozialdemokraten hätten uns hier mehr vorstellen können.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ach ja?!)

Das Gesetz wirkt erst ab 200 Arbeitnehmern.

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Warum machen wir in Deutschland eigentlich so ein Geheimnis um unsere Löhne?

(Peter Ritter, DIE LINKE: Tja, hätte, hätte.)