Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 21. Sitzung des Landtages von Mecklenburg-Vorpommern. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 21. und 22. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 21. und 22. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.
Gemäß Paragraf 4 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung benenne ich für die 21. und 22. Sitzung den Abgeordneten Dietmar Eifler zum Schriftführer.
Die Fraktionen der CDU und SPD haben einen Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 7/1168 zum Thema „Absackung Autobahn 20 Höhe Tribsees“ vorgelegt. Wir werden diese Vorlage, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach angemessener Zeit für eine Verständigung innerhalb und zwischen den Fraktionen nach dem Tagesordnungspunkt 2 aufrufen. Ich werde das Wort zur Begründung dieses Dringlichkeitsantrages erteilen sowie die Abstimmung über dessen Aufsetzung durchführen. Ich sehe und höre auch dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der CDU hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Medizinische Versorgung in ganz MecklenburgVorpommern sichern“ beantragt.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! „Medizinische Versorgung in ganz Mecklenburg-Vorpommern sichern“ lautet das Thema der heutigen Aktuellen Stunde. Spitzfindige Beobachter können natürlich die Frage stellen, ist das Thema nicht immer aktuell. So ist es und ich möchte gleich eingangs die Frage beantworten, warum wir gerade dieses Thema zur heutigen Sitzung ausgewählt haben. Da gibt es eigentlich mehrere Gründe:
Erstens sind wir zurzeit in den Haushaltsberatungen, diskutieren auch beispielsweise im Wirtschaftsausschuss über das geplante Stipendienprogramm. Ich denke, der Minister wird darauf näher eingehen. Dann starten heute in Berlin die Sondierungsgespräche auf Bundesebene, wo, denke ich mal, das Thema „Medizinische Versorgung“ auch eine wichtige Rolle spielen wird. Und nicht zuletzt – das war für uns der Ansatzpunkt, das Thema heute aufzurufen –, 4. Oktober, Sie haben es mitverfolgt, in Karlsruhe die Verhandlung über eine Klage von zwei abgewiesenen Medizinstudenten. Ich werde darauf eingehen. Das sind alles Gründe, die uns bewegt haben, heute im Landtag in der Aktuellen Stunde dieses Thema zu besprechen.
Wie ist die Lage in Mecklenburg-Vorpommern? Ich will kurz darauf eingehen. Das Angebot an Ärzten hat sich auch hier in den letzten Jahren ebenso wie in anderen Ländern deutlich verknappt. Es gibt medizinisch unterversorgte Gebiete, das Durchschnittsalter der Allgemeinmediziner liegt aktuell bei 54, und 148 niedergelassene Allgemeinmediziner werden in den nächsten fünf Jahren das Renteneintrittsalter erreichen. Sie kommen dann hinzu zu den 128 vakanten Hausarztsitzen.
Was machen wir im Land bisher? Ich habe es angesprochen, wir planen – und das ist im Koalitionsvertrag festgelegt –, ein Stipendienprogramm auf den Weg zu bringen für Studenten, die sich verpflichten, im Anschluss an ihr Studium fünf Jahre hier ambulant, stationär oder auch im öffentlichen Gesundheitsdienst tätig zu sein. Sie erhalten ab dem Physikum künftig eine monatliche Zuwendung in Höhe von 300 Euro. Die Mittel, Sie haben es alle mitbekommen, sind im Haushalt für 2018 und für 2019 eingestellt und das Projekt soll dann auch fortgeführt werden.
Es gibt weiterhin Verbesserungen bei der Weiterbildung zum Facharzt. 2008 wurde ein Investitionskostenzuschuss für Hausarztpraxen in medizinisch unterversorgten Gebieten eingeführt und – da bin ich ganz dankbar, dass das heute in der Presseberichterstattung zur Aktuellen Stunde aufgegriffen wurde – das Land geht durchaus innovative Wege. Ich denke an das Projekt „Land│Rettung“ in Vorpommern-Greifswald, was wir als CDU-Fraktion von Anfang an mit begleitet und unterstützt haben. Jede schwierige Situation bietet ja immer eine Chance, und ich glaube, auf dem Gebiet, auch wenn man sich bundesweit so umhört, brauchen wir uns nicht zu verstecken. Da gibt es durchaus gute Projekte, wenn ich mir das anschaue. Das angesprochene Projekt mit dem Thema „Retter-App“, der Tele-Notarzt, der jetzt sozusagen in die Spur gekommen ist, das sind gute Geschichten.
Wir haben, und das ist gestern noch mal von der Ärztekammer dargestellt worden, mehr ausländische Ärzte – 785 sind hier aktiv, 684 davon in Krankenhäusern. Die Zahl hat sich seit 2010 mehr als verdoppelt. Also auch hier ist Bewegung drin. Wenn ich mir die Überschrift in der SVZ vom 1. März anschaue, die gab sich sehr hoffnungsvoll, die Zahlen der Hausärzte hätte sich etwas erhöht. Das stimmt ja auch, aber ich warne davor, jetzt sozusagen voreilig die Hände in den Schoß zu legen und sich damit zufrieden zu geben. Die Zahl der Studiereden ist auf einem hohen Niveau in dem Bereich, das ist so, aber – ich glaube, wir sind uns einig, und das ist ja der entscheidende Punkt in der Diskussion, die jetzt auch in Karlsruhe vor dem Gericht geführt wird – angehende Mediziner sind so etwas wie Goldstaub hier im Land und es ist die Frage, ob wir diesem Goldstaub mit der jetzigen Praxis gerecht werden. Bei diesem Beispiel sehen Sie, das ist keine Frage, die alleine Gesundheitspolitiker zu klären haben. Da sind dann viele gefragt, und auch die Frage, wer noch alles mit eingebunden werden muss – das Land allein wird es nicht lösen –, werden wir zu diskutieren haben.
Im Oktober, ich habe es gesagt, am 4. Oktober war es, ist das Thema in Karlsruhe verhandelt worden. Zwei Medizinstudenten, die wegen ihrer Noten abgelehnt wurden, haben dort geklagt. Das Urteil erwarten wir, glaube ich, alle mit Spannung. Auch für Mecklenburg-Vorpommern ist das durchaus ein Thema, was spannend sein wird, denn wir haben in Deutschland rund 9.000 Studienplätze im Bereich Medizin zurzeit und wir haben eine aktuelle Bewerberlage von 40.000. Wenn wir uns die Zahlen aus den letzten Jahrzehnten anschauen, ich habe mal rausgesucht die Zahl vom Wintersemester 1994/1995, dort standen 7.366 Studienplätze 15.753 Bewerbern gegenüber, also eine Quote von zwei zu eins. Heute liegt die Quote bei fünf zu eins. In Mecklenburg-Vorpommern haben wir eine ähnliche Situation. Wir haben rund 400 Erstsemester in Greifswald und in Rostock an der Uni, aber viermal so viele Bewerber.
Nun gehört zur Wahrheit dazu, dass es heute schon Möglichkeiten gibt, auch neben dem Numerus clausus einen Studienplatz zu bekommen. 20 Prozent werden zentral über den NC vergeben, über 60 Prozent der Studienplätze entscheiden die Unis selbst, wobei natürlich auch dort die Abiturnote ausschlaggebend ist, und 20 Prozent der Plätze können mit sehr viel Ehrgeiz und sehr viel Sitzfleisch über Wartesemester ergattert werden. Und nun stellt man sich mal das Beispiel vor: Mit einem durchaus akzeptablen Abiturnotenschnitt von 1,7 würde wahrscheinlich jedes Unternehmen, jeder Wirtschaftszweig sofort mit Kusshand die Bewerber nehmen, aber in diesem Bereich bleibt den jungen Leuten die Tür versperrt, und möchte jemand eine Landarztpraxis aufmachen, muss er schon mal bis zu 14 Wartesemester überbrücken. Wenn man sich dann noch das Medizinstudium anschaut, was danach kommt, sind das natürlich alles Zeitabläufe, die nicht gerade sehr motivierend auf die jungen Leute in dem Bereich wirken. Die Alternativen sind auch klar – das kenne ich aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis, auch hier aus Schwerin –, dann geht man halt ins Ausland und ist erst mal weg, oder man geht an eine Privat-Uni studieren. Ich wage es, die These aufzustellen, dass diejenigen, die im Ausland studieren, die woanders sind, die weggehen, am Ende des Tages nicht unbedingt bereit sind, ihre Arbeit an einer Landarztpraxis in Ducherow oder Neukalen aufzunehmen. Von daher, glaube ich, ist es wichtig, dass wir uns vor Ort darum kümmern, dass die jungen Leute hier im Land eine Perspektive haben.
Ein weiterer Punkt, der, glaube ich, neben der Note besprochen werden muss, ist einfach, dass für künftige und angehende Ärzte ebenso andere Dinge, wie soziale Kompetenz, wie Empathie, eine Rolle spielen müssen, denn auch jemand, der vielleicht ein 2,2-/2,5-Abitur hat, kann am Ende ein guter Arzt sein. Ich glaube, dieses Bewusstsein gilt es hier zu schärfen.
Das ist ja auch eine der Forderungen – und deswegen der Blick in Richtung Bund –, eine der Kernforderungen gewesen bei uns im Regierungsprogramm von CDU/CSU auf Bundesebene. Ich bin sehr optimistisch, dass wir
diesen Punkt in den anstehenden Verhandlungen dort reinverhandelt bekommen, denn am Ende steht die Frage, ob wirklich der Numerus clausus das entscheidende Auswahlkriterium sein muss.
Wir sind alle gespannt und blicken nach Karlsruhe auf die Entscheidung, und je nachdem, wie sie ausfällt, muss uns klar sein, dass das natürlich auch bedeutet, dass mehr Geld in die Hand genommen werden muss. Das gehört zur Wahrheit dazu, dass natürlich ein Medizinstudium etwas kostenintensiver ist. Ich habe mal die Zahl herausgesucht aus einer Publikation: Der Germanistikstudienplatz kostet die Hochschule keine 4.000 Euro, beim Medizinstudium sind das 20.000 Euro, weil natürlich Labore et cetera, Arbeitsmaterialien vorgehalten werden müssen. Also ist es auch eine Geldfrage, und da muss man sich am Ende des Tages gemeinsam darauf verständigen, ob wir bereit sind, das Geld in die Hand zu nehmen.
Unabhängig von dem Urteil in Karlsruhe wissen auch viele, dass es den Masterplan Medizinstudium 2020 gibt, der maßgeblich von der alten Bundesregierung unter Minister Gröhe vorangetrieben wird. Wir haben das im Wahlprogramm so fortgeschrieben, dass wir das umsetzen wollen auf Bundesebene. Da müssen aber auch alle mitmachen. Da müssen die Kultusminister der Länder mit dabei sein, auch müssen die Finanzminister der Länder mit im Boot sein. Am Ende des Tages ist klar, wenn wir dort mehr machen wollen, mehr junge Leute ausbilden wollen, um dem drohenden Mangel an Ärzten/Landärzten zu begegnen, brauchen wir mehr Geld im System und vor allem müssen die Unikliniken in dem Bereich gestärkt werden. Wir sind auf jeden Fall in dem Bereich gesprächsbereit, wenn es um diese Fragen geht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Gerade für das Flächenland Mecklenburg-Vorpommern ist es wichtig, dass wir junge Leute ausbilden. Das ist einfach ganz entscheidend an der Stelle. Die medizinische Versorgung darf nicht darunter leiden, dass wir den jungen Leute den Weg zum Studium verbauen. Da muss es also Mittel und Wege geben, dass nicht nur 1,0-Abiturienten hier zum Medizinstudium zugelassen werden. Und wir brauchen dafür dringend ein Zusammenwirken aller Kräfte, weil – ich habe es eingangs gesagt – das ist eine Frage, die Landespolitik nicht alleine lösen kann, nicht mal der Gesundheitsminister alleine lösen kann, weil da viele Faktoren zusammengreifen. Da müssen also die Hochschulen, da muss die Politik, da müssen die Kammern, da müssen alle gemeinsam mit ins Boot.
Ich glaube, da ist noch Einiges zu tun. Wir müssen Anreize schaffen für junge Ärzte. Da ist, das ist aus meiner Sicht ganz wichtig, das Stipendienprogramm, was wir jetzt auf den Weg bringen, ein guter Weg – ich komme zum Schluss –, und wir müssen über eine Quote für Landeskinder nachdenken, denn ich glaube, jemand, der aus der Region kommt, ist eher bereit, hier Verantwortung zu übernehmen, hier seinen Arbeitsplatz zu suchen. Von daher gibt es in dem Bereich viel zu tun. Lassen Sie es uns gemeinsam anpacken! – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Einen recht herzlichen guten Morgen! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die medizinische Versorgung der Bevölkerung steht im Vordergrund allen Handelns der Landesregierung. Das haben wir auch im Koalitionsvertrag so festgelegt. Nichtdestotrotz geht es darum, einerseits dafür zu sorgen, dass wir eine gute stationäre, teilstationäre und tagesklinische Betreuung anbieten, andererseits dafür zu sorgen, dass die 1,6 Millionen Bürger des Landes in besonderer Weise durch niedergelassene Ärzte gut versorgt werden. Außerdem ist natürlich auch im Koalitionsvertrag verankert, dass wir neue Wege gehen müssen, um insgesamt den neuen Herausforderungen gerecht zu werden, und mit den neuen Möglichkeiten der Medizin und Telemedizin, aber eben auch durch neue innovative Projekte, die gerade Länder ausprobieren können, Dinge auf den Weg bringen.
Von daher bin ich allen Haus- und Fachärzten im Land dankbar. Wir haben davon immerhin 2.442, die in Praxen arbeiten und die die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung sicherstellen, und zwar vom Kleinkind bis zum Seniorenalter. Von daher ist das eine hervorragende Leistung, die qualitativ hochwertig angeboten wird.
Die Kassenärztliche Vereinigung hat den Versorgungsauftrag, den Sicherstellungsauftrag insgesamt auf den Weg gebracht. Die KV ist flexibler geworden, hat sich in den letzten Jahren intensiv darum gekümmert, neue Zuschüsse für den Hausarzt und auch für die Fachärzte auszuloben. Immerhin werden jetzt 75.000 Euro für eine Niederlassung bereitgestellt oder für eine Außenstelle. Ich meine, das sind gute Angebote, die am Ende dazu beitragen können, dass die Versorgung weiterhin sichergestellt wird, auch wenn 125 Arztpraxissitze frei sind. Wenn Sie das ins Verhältnis setzen, können wir in den meisten Regionen eine gute Versorgung abdecken.
Andererseits bin ich auch den Krankenkassen sehr dankbar, die heute, glaube ich, zahlreich hier auf der Tribüne zuhören und wahrscheinlich den Minister ein bisschen prüfen, wie weit er mit seinen Gedanken geht. Guten Morgen, meine Damen und Herren!
Ich finde, wir haben in dieser Frage eine hervorragende Zusammenarbeit in den letzten Monaten und in den letzten Jahren, und auch meine Vorgänger haben, denke ich, ein gutes Verhältnis zu den Krankenkassen aufgebaut. Es geht darum, dass wir einerseits die Krankenkassen und die Leistungserbringer anhören und diskutieren, welche besonderen Modellprojekte wir im Land Mecklenburg-Vorpommern – auch für den Bund – ausprobieren können.
Eines der Themen, das in den letzten Wochen und Monaten eine entscheidende Rolle spielte – und bei der Planung für den zukünftigen Landeskrankenhausplan wird sicherlich auch die Frage aufgeworfen –, ist, wie viele Krankenhäuser kann sich Mecklenburg-Vorpommern leisten und soll sich Mecklenburg-Vorpommern leisten.
Ich will darauf hinweisen, dass wir in den letzten Jahren unsere Hausaufgaben als Land Mecklenburg-Vorpommern gemacht haben. Wir haben über 10.000 Krankenhausbetten abgebaut. Das heißt, wir haben nicht die Absicht, ein Krankenhaus zu schließen, wir wollen die Grund- und Regelversorgung in Mecklenburg-Vorpommern aufrechterhalten.
Das sage ich in besonderer Weise den LINKEN, aber auch der AfD, die ab und zu immer wieder mal behaupten, dass Krankenhausstandorte in Gefahr sind.
Dann, glaube ich, kommen wir auch zu einer sachlichen Debatte, aber nicht immer, wenn der Minister nicht da ist, andere Dinge in den Regionen des Landes MecklenburgVorpommern behaupten, die nicht tragen.
Nein, ich sage es noch mal am Beispiel Wolgast: Wir haben nicht die Absicht, eine weitere Station zu schließen.
(Peter Ritter, DIE LINKE: Ja, niemand hat die Absicht, niemand hat die Absicht! – Heiterkeit bei Simone Oldenburg, DIE LINKE)