Sabine Bangert
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Last Statements
Vielen Dank! – Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat: Vor dem Hintergrund, dass sich an der Volksbühne gerade eine Kollaboration mit kolossalem Kollateralschaden entwickelt,
weil Chris Dercon zwar ein wunderbarer Mensch mit tollen konzeptionellen Ideen ist, aber sich gerade herausstellt, dass die Intendantenwahl eine Fehlbesetzung ist: Welche Schritte unternimmt der Senat jetzt,
dass die Volksbühne im Sinne ihrer Tradition ein Theater bleibt und keine Eventspielstätte wird? – Vielen Dank!
Herr Regierender Bürgermeister! Chris Dercon ist ein wunderbarer Mensch, aber leider kein Theaterintendant.
Ich frage Sie noch einmal vor dem Hintergrund, dass die Volksbühne längst international interdisziplinär ist und seit Jahren Choreografen, Musiker, bildende Künstlerinnen und Künstler und Kompagnien einlädt:
Was meint Ihr Kulturstaatssekretär Renner, wenn er von einem radikalen Neustart der Volksbühne spricht?
Frau Radziwill! Da haben Sie uns gerade indirekt eine Beeinflussung des Ausschussbüros unterstellt, die diesen Bericht erarbeitet haben, aber jetzt erst mal der Reihe nach. Ich möchte mich erst einmal beim Ausschussbüro bedanken, bei Frau Vollbrecht, Herrn Ninnemann und Herrn Hellriegel. Sie haben uns die Arbeit großartig erleichtert. Vielen herzlichen Dank dafür!
Und mein zweiter Dank gilt Wolfgang Brauer, der als Vorsitzender den Ausschuss ebenso umsichtig wie fair geleitet hat. Auch da noch mal herzlichen Dank, lieber Wolfgang Brauer!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Lüscher! Wie fühlt man sich eigentlich, wenn man in regelmäßigen Abständen auf der Baustelle steht und ein Baudesaster als Erfolgsgeschichte verkaufen muss? Sie alle kennen das Spiel. Man baut aus Bierdeckeln ein Kartenhaus in dem Wissen, dass es irgendwann schiefgeht. Man spielt bewusst mit dem Risiko. Wenn aber dieses Spiel zur Maxime des politischen Handelns wird, dann wird es gefährlich und teuer. So geschehen bei der Sanierung der Staatsoper.
Wissentlich wurde hier ein hochriskantes Bauvorhaben von politisch Verantwortlichen vorangetrieben. Nun versucht uns die Regierungskoalition von SPD und CDU weiszumachen, das alles wäre nicht vorhersehbar gewesen, die schlechte Bausubstanz, der Baugrund. Wie ignorant ist das denn, Frau Radziwill? Die Staatsoper stand bereits Anfang 2000 wegen des katastrophalen baulichen Zustands kurz vor dem Entzug der Betriebsgenehmigung.
Alle wussten das! Insofern ist das Ansinnen von SPD und CDU regelrecht unverschämt.
Nein, meine Damen und Herren von SPD und CDU, nicht die Umstände und auch nicht das Wetter sind schuld. Beim Sanierungsdesaster Staatsoper offenbart sich eine kollektive Verantwortungslosigkeit als Regierungsprinzip. Die Zeugen Michael Müller, heute Regierender Bürgermeister, von 2011 bis 2014 Stadtentwicklungssenator, und seine Vorgängerin im Amt, Ingeborg Junge-Reyer, präsentierten sich vor dem Untersuchungsausschuss als uninformiert und nicht zuständig. Das gleiche Bild bei den Vernehmungen des ehemaligen Regierender Bürgermeisters und Kultursenators Klaus Wowereit und des Kulturstaatssekretärs André Schmitz. Niemand übernimmt die Verantwortung für das Bau- und Planungsdesaster. Schlimmer noch, selbst Entscheidungen, die der politischen Spitze vorbehalten waren, wie zum Beispiel Ausschreibungen auf Basis einer Entwurfsplanung, sollen auf der Arbeitsebene entschieden worden sein. Die politisch Verantwortlichen machen sich einen schlanken Fuß und schieben ihre Verantwortung für Bauverzögerungen sowie Kostenexplosion der Arbeitsebene zu. Das ist schlicht und ergreifend skrupellos!
Hinzu kommen die akut auftretenden Erinnerungslücken, die auftauchen, wenn eine politische Entscheidung gefällt wurde. Ingeborg Junge-Reyer konnte sich nicht erinnern, wer die Senatsvorlage zur Aufhebung des Wettbewerbsergebnisses eingebracht hatte. Diese Masche hat System. Die politische Ebene formuliert Fragen für Diskussionen, erteilt aber weder Weisungen noch fällt sie förmliche Entscheidungen. Die Mitarbeiter der Verwaltung betrachten diese Hinweise als Entscheidungen und handeln danach. So funktioniert Berlin, und es ist höchste Zeit, dass sich da etwas ändert!
Hinzu kommt, dass die Bauverwaltung die Finanzverwaltung im laufenden Planungs- und Bauverfahren der Sanierung der Staatsoper mehrfach falsch oder unzureichend informiert hat. Diesen Schluss legen die Aussagen des Finanzstaatssekretärs Klaus Feiler nahe. Demnach wurde die interne Risikobewertung, wenn es überhaupt eine gab, der Finanzverwaltung nicht mitgeteilt bzw. falsch dargestellt, und absehbare Kostensteigerungen wurden nicht weitergegeben. Eine Vollständigkeit der Unterlagen wurde vorgetäuscht. Ein effektives Controlling von Bauvorhaben dieser Größenordnung findet nicht statt. Stattdessen ist die Finanzverwaltung darauf angewiesen, dass die Fachverwaltungen von sich aus alle Risiken und Probleme mitteilen. Hier zeigen sich die Abgründe des Berliner Verwaltungshandelns.
(Ülker Radziwill)
Über den vorliegenden Endbericht konnte mit der Regierungskoalition SPD und CDU kein Einvernehmen hergestellt werden. Dies ist bedauerlich, weil die Arbeit im Untersuchungsausschuss und die Zeugenvernehmungen fraktionsübergreifend einvernehmlich verliefen. Dieses Einvernehmen endete mit Vorlage des Entwurfs des Abschlussberichts durch das Ausschussbüro. Wir hätten diesen Entwurf in seiner Gesamtheit mitgetragen, deshalb haben wir ihn auch vollständig unserem Sondervotum beigefügt. Die Koalition verändert aber den Abschlussbericht massiv in seiner Kernaussage. Sie verschleiert die Ursachen für das Baudesaster und lenkt von der kollektiven Verantwortungslosigkeit der gesamten politischen Spitze ab. Die Koalition zeigt damit deutlich, dass sie weder die Arbeit des Untersuchungsausschusses respektiert noch bereit ist, daraus Lehren für zukünftige Bauvorhaben zu ziehen.
In unserem Sondervotum ergänzen und konkretisieren wir einige Sachverhaltsdarstellungen und Schlussfolgerungen mit Zitaten der befragten Zeuginnen und Zeugen aus den Wortprotokollen des Untersuchungsausschusses, um einen aussagekräftigen Eindruck von den handelnden Personen zu vermitteln.
Ein wesentlicher Teil unseres Sondervotums sind unsere im Rahmen des Untersuchungsausschusses erarbeiteten Handlungsempfehlungen für zukünftige Bauvorhaben. Teilweise muten die gewonnenen Erkenntnisse banal an, sie sind es aber nicht. Erstens: Erst planen, dann bauen!
Bei der Sanierung der Staatsoper waren der Bedarf vor Baubeginn nicht endgültig festgelegt und die gesamte Planung für das Projekt nicht fertiggestellt. Es kann aber nur das angeboten und ausgeführt werden, was die Planung vorgibt. Wenn dafür zu kurze Fristen vorgegeben werden, sind Störungen in der Bauausführung vorprogrammiert. Zusätzlich wurden parallel zu den laufenden Baumaßnahmen immer wieder neue und veränderte Nutzerwünsche geäußert und ohne Beachtung der Risiken vom Bedarfsträger „Kulturelle Angelegenheiten“ bis zum heutigen Tag akzeptiert. Umplanungen, Neuplanungen sowie Zeitverzögerungen und Mehrkosten sind die Folgen. Damit muss Schluss sein! Die Vergabe von Aufträgen ohne fertiggestellte Gesamtplanung muss bei allen öffentlichen Bauprojekten ausgeschlossen werden. Teilbauplanungsunterlagen sind nicht ausreichend. Wir brauchen eine Planung, die eine Inbetriebnahme des Bauwerks ohne weitere Nachbesserungen ermöglicht.
Zweitens: Unsere gesetzlichen Regelungen über die Abläufe von Bauplanungen und Mittelbereitstellung sind nur für die regelmäßig wiederkehrenden Vorhaben geeignet, also für Schulen oder für Kitas. Für Sondervorhaben wie Opernhäuser, Zentral- und Landesbibliothek, ICC, Mär
kisches Museum und jetzt wieder das Marinehaus sind die gesetzlich vorgegebenen Fristen nicht ausreichend, um notwendige Vorplanungen mit der gebotenen Sorgfalt und Seriosität durchzuführen. Wir müssen die Möglichkeit schaffen, schon Mittel für Voruntersuchungen und Planungen zu verausgaben, bevor die Aufnahme in die Investitionsplanung erfolgt, auch wenn dies das politische Risiko der Ablehnung aufgrund zu hoher Gesamtkosten beinhaltet.
Projektprüfung: Aktuell ist die Projektprüfung der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung auf die Aussagen der Fachverwaltung und der planenden Bereiche ihrer Verwaltung angewiesen. Eine reale Prüfung kann nicht stattfinden, da viele Unterlagen nicht mitgeliefert werden. Die zuständige Senatsverwaltung, der Bedarfsträger muss lediglich durch Unterschrift bestätigen, dass die erforderlichen Unterlagen vorliegen, zum Beispiel Wirtschaftlichkeitsberechnungen, die bei der Staatsoper u. a. für das unterirdische Bauwerk komplett fehlen. Notwendig ist hier eine Prüfung durch unabhängige Prüferinnen und Prüfer.
Verantwortungsübernahme: Die Führungsmentalität der Berliner Verwaltung führt derzeit regelmäßig in die kollektive Verantwortungslosigkeit. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind letztendlich mit der Verantwortung für Entscheidungen immer wieder allein gelassen und fühlen sich überfordert. Diese Mentalität müssen wir ändern. Notwendig ist hier die strukturelle Stärkung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter durch strikte Regelung und klare Definition der Verantwortlichkeiten.
Last but not least, eine Empfehlung für zukünftige Untersuchungsausschüsse: Ein Minderheitenrecht ist bei der Abstimmung über Inhalte von Abschlussberichten nicht vorgesehen. Der Opposition wird ein Sondervotum zugebilligt, um Erkenntnisse und Abläufe darzustellen. Der Inhalt des Berichtes wird von der Regierungsmehrheit bestimmt und beschlossen. Im vorliegenden Abschlussbericht führte dies zum Teil zu grotesken politisch motivierten Veränderungen des Berichtsentwurfs. Im Interesse einer kritischen Untersuchung und Sachaufklärung regen wir an, das Minderheitenrecht auf das Verfassen und Verabschieden von Abschlussberichten auszuweiten. Und wir fordern mehr Transparenz. Die Unterlagen von Untersuchungsausschüssen müssen nach Abschluss der Arbeit grundsätzlich der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Das betrifft Protokolle und Dokumente, die während der Arbeit des Untersuchungsausschusses keiner Vertraulichkeit unterlagen.
Die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses zur Staatsoper machen einmal mehr deutlich, dass es ein Weiter-wie-bisher nicht länger geben darf. Wir müssen
endlich aus den gemachten Fehlern lernen! Meine Fraktion freut sich, wenn unsere Handlungsempfehlungen nicht nur, aber vor allem im politischen Raum Gehör finden, diskutiert und umgesetzt werden. Wir wollen und können die gleichen Fehler nicht immer wieder machen. Lassen Sie uns gemeinsam für die künftige Planung und Umsetzung von Großprojekten Konsequenzen aus den bisherigen Baudesastern ziehen!
Wir Grüne stehen dafür bereit, unsere Stadt zukunftsfähig weiterzuentwickeln. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Frau Senatorin Kolat! Wie groß ist die Ausbildungsplatzlücke derzeit, und wie verbindlich sind die Absprachen, die Sie mit der Berliner Wirtschaft in der Kommission getroffen haben?
Es ist zwar keine Frage, ich war nur etwas irritiert, dass der stellvertretende Senatssprecher sich vor Frau ClaßenBeblo unterhalten hat, während der Bericht diskutiert wird. Ich bitte den Präsidenten, darauf ein bisschen zu achten.
(Vizepräsident Andreas Gram)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich diskutiere immer gern arbeitsmarktpolitische Themen, aber bei diesem arbeitsmarktpolitischen Rundumschlag der Piraten fällt es mir schwer, und wie gewohnt gehen sie außerordentlich kreativ mit bestehenden Zuständigkeiten um, aber das werden wir im Ausschuss diskutieren.
Ich möchte den zentralen Punkt Ihrer Forderung herausgreifen, alle Berliner Jobcenter in einem kommunalen Betrieb zusammenzufassen. Liebe Piraten, das müssten Sie wissen, Sie waren zwar zu dem Zeitpunkt noch nicht in diesem Haus, aber das Thema ist vor über zehn Jahren bereits gelaufen. Es wurde gesetzlich die Grundlage für die Option 2004 gelegt, und in der Folge gab es 69 Landkreise oder kreisfreie Städte, die die Option gezogen haben. Zu diesem Zeitpunkt wurde das vom rotroten Senat eingehend geprüft. Wir hatten auch überlegt, die Option zu ziehen, aber es gab erhebliche Schwierigkeiten in der Umsetzung durch die Zweistufigkeit der Verwaltung, es wäre eine enorme Mammutbehörde geworden, und man hat sich damals dagegen entschieden. Im zweiten Versuch, um 2010, wurde noch einmal geprüft, ob die Option eine sinnvolle Maßnahme ist. Nach der Evaluation im Bund ergaben die Arbeitsgemeinschaften aber kein eindeutiges Ergebnis, was das bessere Modell ist.
Mittlerweile haben wir Jobcenter, die relativ gut funktionieren, wo es aber auch noch einen deutlichen Verbesserungsbedarf gibt. Das haben Sie in Ihrem Antrag nicht so definiert. Ich war irritiert, Herr Spies, dass Sie die KGStStudie als Grundlage genommen haben, denn die Empfehlungen der KGSt-Studie gehen in eine deutlich andere Richtung. Sie stellt das Modell auch nicht infrage. Darin ist nicht das Modell, das Berlin optiert.
Sie hätten die außerordentlich schleppende Umsetzung der Maßnahmen der KGSt-Studie kritisieren können. Wir
haben bereits im April 2013 dazu einen Antrag eingebracht mit dem Titel „Arbeit der Jobcenter effektiv gestalten“. In dem Antrag ging es genau darum, Steuerungsdefizite möglichst schnell zu beheben. Der Antrag wurde abgelehnt, Sie haben sich enthalten. Das Verfahren ist zwar transparenter geworden, aber nicht schneller.
Was in Berlin fehlt, um die Arbeit der Jobcenter nachhaltig zu verbessern, ist der politische Wille. Welche Empfehlungen aus der KGSt-Studie mitgetragen werden und welche abgelehnt werden – da bringt uns Ihr Antrag nicht weiter. Ihr Antrag läuft der gegenwärtigen Debatte hinterher. Sie hätten z. B. eine gute Betreuung von geflüchteten Menschen in den Jobcentern einfordern können, auch das wäre sinnvoll und unterstützenswert gewesen. All dies machen Sie nicht, daher ist Ihr Antrag nicht einmal schaufenstertauglich. – Tut mir leid!
Vielen Dank! – Ich habe keinen Kerl zu Hause; ich muss meine Mülltonnen schon seit Jahrzehnten irgendwie aus dem Keller oder von sonst wo hochhieven und habe dies immer gut hinbekommen.
Herr Senator! Die Frage ist aber: Sehen Sie nicht, dass ausgerechnet ein Unternehmen mit Landesbeteiligung eine Vorbildfunktion hätte, für Frauen einen gleichberechtigten Zugang zu sämtlichen Tätigkeiten zu schaffen und hier nicht in diskriminierender Weise Frauen von bestimmten Bereichen auszuschließen?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der wohl wichtigste Schlüssel zur Integration geflüchteter Menschen ist der Zugang zum Arbeitsmarkt und damit zu qualifizierter und vor allem existenzsichernder Beschäftigung.
Ob uns der Antrag der Piraten in seiner Kleinteiligkeit hier weiterbringt, wage ich zu bezweifeln. In der Praxis geht es um wesentlich mehr. Denn ob die Integration von geflüchteten Menschen in den Arbeitsmarkt gelingt, hängt ganz wesentlich vom gesellschaftlichen Klima ab, und dieses Klima ist gerade im Begriff zu kippen. Das liegt nicht nur an der großen Anzahl von geflüchteten Menschen, die jetzt zu uns kommen, das hat in erster Linie damit zu tun, dass die Menschen das Gefühl haben, den politisch Verantwortlichen von SPD und CDU ist das Problem vollständig entglitten. Und dafür trägt im Bereich der Arbeitsmarktintegration die gleichnamige Senatorin Dilek Kolat die Verantwortung.
Ja, Frau Senatorin Kolat! Im Schatten von Mario Czaja ist es leicht, das eigene Versagen zu verstecken.
Als Senatorin für Arbeitsmarkt und Integration hätten Sie die idealen politischen Instrumente in der Hand, um gezielt zu koordinieren. Stattdessen muss McKinsey angeheuert werden, weil Sie der Sache nicht gewachsen sind. Das ist eine politische Bankrotterklärung.
Mit Ihrem Versagen stehen Sie aber leider nicht alleine da. Ohne Plan geht der gesamte Senat an die Arbeitsmarktintegration geflüchteter Menschen. Es gibt einzelne Maßnahmen, aber keine Strategie, wie bestehende Angebote in die Breite gebracht und verstetigt werden können. Das ist fatal, denn wenn Geflüchtete schnell den Einstieg in den Arbeitsmarkt schaffen sollen, braucht es gezielte Unterstützung und ein gemeinsames Vorgehen aller Akteure.
Insbesondere bei der Anerkennung formaler Berufsqualifikation stockt es seit Jahren in Berlin. Die Verfahren laufen äußerst zäh und dauern viel zu lange. Noch wichtiger ist es, die nichtdokumentierten Fertigkeiten und Kompetenzen der geflüchteten Menschen zu erfassen. Das betrifft 80 Prozent der Personen, die hier Zuflucht
(Burgunde Grosse)
und Schutz suchen. Vielen sind auch die Qualifikationsnachweise im Kriegsgebiet oder auf der Flucht verloren gegangen.
Hier komme ich zu einem ganz zentralen Punkt: Solange Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber, Politik und Bildungseinrichtungen wenig Bereitschaft zeigen, nichtformales und informelles Lernen anzuerkennen, erschweren sie geflüchteten Menschen den beruflichen Ein- und Aufstieg, und noch schlimmer: Sie erschweren die gesellschaftliche Teilhabe. Damit ihre Integration gelingt, muss ihr Wissen und Können sichtbar sein. Wir müssen Qualifikationen zertifizieren, die in der Praxis erworben wurden, und bei Bedarf ergänzende Qualifizierung ermöglichen.
Wichtig ist, dass dafür Standards entwickelt werden, die für die Unternehmen aussagekräftig sind. Hier ist der Senat gemeinsam mit den Kammern und Trägern in der Verantwortung, ein Verfahren zu entwickeln, das sicherstellt, dass geflüchtete Menschen entsprechend ihren Fähigkeiten beschäftigt werden können. Zudem bietet die frühzeitige Erfassung der Qualifikationen die Grundlage dafür, dass die Jobcenter individuelle Eingliederungsvereinbarungen mit den erforderlichen Qualifizierungsmaßnahmen erstellen können, damit sich geflüchtete Menschen nach der Integration in Arbeit im Rahmen beruflicher Aus- und Weiterbildung weiterqualifizieren können. Wenn dies nicht passiert, riskieren wir, dass geflüchtete Menschen in prekäre, ungesicherte Jobs gedrängt werden, und dann heißt es nicht, Frau Senatorin Kolat, „Willkommen in Arbeit!“, sondern dann heißt es „Willkommen in prekärer Beschäftigung!“
Angesichts des in vielen Branchen bestehenden Fachkräftemangels wäre dies verantwortungslos für die Zukunft Berlins und gegenüber den Geflüchteten.
Apropos Fachkräftemangel: Im personensensiblen Bereich Kita, Schule, Pflege brauchen die Beschäftigten ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis. Wie geflüchtete Menschen ein solches bekommen, ist bis heute ungeklärt. Damit besteht für Geflüchtete faktisch ein Arbeitsverbot für diese Bereiche, wo wir dringend Personal benötigen. Das gilt selbst für Praktika. Bis heute haben Sie, Frau Kolat, dieses Problem nicht gelöst. Im Ausschuss konnten Sie nicht einmal sagen, was Sie diesbezüglich bisher unternommen haben. „Wir sind dran!“– haben Sie lapidar verlauten lassen. Das ist zu wenig, Frau Kolat! Sie stehen in der Verantwortung, die Zukunftsbarrieren zu beseitigen. Geflüchteten Menschen müssen alle Berufe offenstehen!
Die zu uns kommenden Menschen sind eine Chance für unsere Stadt. Es liegt an uns zu beweisen, dass unsere Gesellschaft imstande ist, Menschen unterschiedlichster Herkunft aufzunehmen, sie zu integrieren und gemeinsam gestärkt aus diesem Prozess hervorzugehen. – Ich danke Ihnen!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sein oder nicht sein – das ist die Frage, die sich den Bühnen am Kurfürstendamm derzeit in aller Härte stellt. Um bei Hamlet zu bleiben: Misslich ist in dieser Situation, dass weniger im Staate Dänemark als bei den politisch Verantwortlichen in Berlin etwas faul ist.
Ganz konkret: Die politische Unterstützung für die Bühnen am Kurfürstendamm fehlt.
Herr Oberg! Da geht es auch um Existenzen, Sie brauchen das insofern nicht ins Lächerliche zu ziehen! –
Stur wird der Denkmalschutz für die Bühnen verweigert. Damit besteht ein krasses Versäumnis weiter fort, insbesondere für die Komödie. Meine Damen und Herren von der Koalition! Man kann einen politischen Fehler, den man begangen hat, auch mal zugeben und korrigieren. Allem Anschein nach fehlt Ihnen dazu aber die Größe.
Das ist unbegreiflich, denn schützenswert sind die Bühnen am Kurfürstendamm allemal. In den Zwanzigerjahren nach den Konzepten von Max Reinhardt von dem Thea
terarchitekten Oskar Kaufmann erbaut, etablieren sie erstmals den Theaterstil eines Boulevardtheaters im deutschsprachigen Raum. Vorbild waren vergleichbare Theater, besonders in Paris und Wien. Aus diesem Grund ist die Komödie ein rangloses doppelgeschossiges Logentheater und als Ausdruck des Zeitgeistes der Zwanzigerjahre bis heute einzigartig in der Welt. Allein die architekturgeschichtliche Bedeutung beider Spielstätten rechtfertigt, dass die Bühnen unter Denkmalschutz gestellt werden.
Es muss unverzüglich gehandelt werden, denn mit dem neuen Investor hat sich die Situation weiter verschärft. Die gegenwärtigen Pläne zeigen, dass er nicht mehr den Neubau eines Theaters im Ku’damm-Karree, sondern den Abriss der denkmalgeschützten Theater plant. Die Bühne soll nun unter die Erde; geplant ist die Einrichtung eines multifunktionalen Theaterraums im Untergeschoss. Unverständlich ist, warum die Landespolitik gegenüber dem neuen Investor abtaucht; der Kultursenator ist auch schon abgetaucht – wie schön. Das war in der Vergangenheit nicht so. Gegenüber dem früheren Investor hatte das Land Berlin wegen der Bedeutung der beiden Theater von Anfang an unmissverständlich klargestellt, dass ein Leerstand der beiden Theater, insbesondere aber deren Abriss politisch ausgeschlossen und planungsrechtlich unzulässig ist. Sämtliche weitere Planungen in dem Ensemble wurden an die Fortführung des Theaterbetriebs gekoppelt, und zwar unter der Leitung der erfolgreichen Intendanten Woelffer.
In der aktuellen Situation aber ist der Rest Schweigen, um wieder mit Hamlet zu sprechen. Nein, meine Damen und Herren von der CDU und der SPD, das ist nicht akzeptabel, denn Komödie und Theater am Kurfürstendamm sind wichtige Bestandteile der kulturellen Infrastruktur der City-West.
Herr Oberg! Sie vielleicht nicht, weil ihr kultureller Horizont nicht bis in die City-West reicht, viele andere aber schon.
Sonst wüssten Sie auch, weil Sie sonst so schlau sind, dass die Bühnen am Kurfürstendamm mit 250 000 Besucherinnen und Besuchern pro Jahr die bestbesuchten Theater in Berlin sind.
Bei der Neugestaltung des Ku’damm-Karrees müssten die Bühnen am Kurfürstendamm daher angemessen berücksichtigt und der Spielbetrieb in den bestehenden Räumlichkeiten dauerhaft gewährleistet werden. Dann könnte Herr Oberg vielleicht auch mal in die Bühnen am Kurfürstendamm gehen.
Ja, natürlich!
Die Auslastungsquote liegt bei über 80 Prozent.
Herr Oberg! Wir können das gleich klären, ja?
Aber nichtsdestotrotz, Herr Oberg: Viele Besucherinnen und Besucher besuchen die Ku’damm-Bühnen, und diese sind beliebt. Ich glaube nicht, dass der Kultursenator eine Theaterschließung im Wahljahr riskieren will. Deshalb hoffe ich doch sehr, dass die Koalition zur Einsicht gelangt und die Ku’damm-Bühnen rettet, denn da hängen Existenzen dran, da hängen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen dran, und die Bühnen sind wirklich wertvoll für die City-West. – Vielen Dank!
Herr Schlede! Nach der Anhörung im Kulturausschuss, die nunmehr schon vier Wochen her ist, waren wir uns fraktionsübergreifend einig, dass wir einen Entschließungsantrag machen, um den Senat zu stärken, in Verhandlungen mit dem Investor zu gehen. Sie vergessen das immer: Wir sind die Legislative, und manchmal hilft es der Exekutive – so funktioniert auch eine Demokratie –, dass die Legislative etwas unterstützt und den Weg vorgibt. Sie haben nicht darauf reagiert. Sie haben auch auf den Antrag nicht reagiert. Sie sagen permanent: Ja, wir wollen die Ku’damm-Bühnen retten! – Aber ich habe weder von Herrn Jahnke noch von Ihnen, Herr Schlede, irgendeinen Vorschlag bekommen – nicht mal ansatzweise –, wie Sie die Ku’damm-Bühnen retten wollen. Herr Woelffer hat uns klargemacht, dass es um sechs Monate geht, weil der Investor ziemlich auf die Tube drückt. Wenn da wirklich etwas passieren soll, müssen wir jetzt in die Puschen kommen – oder genauer: Sie müssen in die Puschen kommen –, sonst sind die Bühnen nämlich verloren.
Schieben Sie es auch im Kulturausschuss nicht auf die lange Bank, sondern lassen Sie uns gemeinsam – wir sind uns ja anscheinend alle einig – konkret überlegen, wie wir da weiter vorgehen! Ich glaube, es ist auch ein Konsens da. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Frau Senatorin Kolat! Wie wollen Sie sicherstellen, dass nichtdokumentierte Qualifikationen der Geflüchteten – das betrifft immerhin 80 Prozent der Geflüchteten – erfasst und zertifiziert werden, um zu verhindern, dass sie unter ihrem Qualifikationsniveau in prekäre und ungesicherte Beschäftigungen gedrängt werden?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor dem Hintergrund des Interviews mit Manfred Rettig im heutigen „Tagesspiegel“ frage ich den Regierenden Bürgermeister und Kultursenator – oder den Senat: Können Sie ausschließen, dass es im Rahmen der Realisierung des Berliner Beitrags im Humboldt-Forum zu Umplanungen und damit zu Zeitverzögerungen und Kostensteigerungen kommt? – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Herr Regierender Bürgermeister! Sie haben gerade von der einen Wand geredet, und Herr Rettig hat in dem Interview gesagt, dass man beachten solle, dass selbst die Verschiebung einer Wand zehn Ingenieursleistungen nach sich ziehen könnte. Habe ich Sie richtig verstanden? Es wird außer der Verschiebung der einen Wand zu keinen weiteren baulichen Umplanungen kommen bei der Realisierung?
Nein, nein, nein. Er ist der Auftraggeber, er ist der Nutzer. Und Rettig hat in seinem Interview noch mal eindringlich auch speziell das Land Berlin angesprochen. Ich denke, das hat er nicht ohne Grund gemacht. – Können Sie mir die Antwort geben, dass es keinerlei weitere Umplanungen gibt, also das Land Berlin nicht ursächlich für etwaige Kostensteigerungen oder Zeitverzögerungen ist? – Vielen Dank!
Herr Oberg hat mich als blöd bezeichnet. Das muss ich mir nicht gefallen lassen!
Ja, Frau Lange, so kann man mangelhafte kulturpolitische Entscheidungen auch schönreden. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Berliner Kultur soll mehr Geld bekommen, das ist dringend notwendig und längst überfällig. Allerdings drängt sich der Verdacht auf, dass diese Erhöhung in erster Linie der 2016 anstehenden Wahl geschuldet ist. Kulturpolitisch begründet oder gar
(Vizepräsident Andreas Gram)
inhaltlich untersetzt ist bis auf die Tariferhöhung, die im Übrigen fast ausschließlich an die institutionell geförderten großen Einrichtungen geht, rein gar nichts. Die freie Szene geht, anders als Sie es dargestellt haben, wieder zum großen Teil leer aus. Künstlerinnen und Künstler, die in diesem Bereich arbeiten, sind von tariflicher Bezahlung, von Mindestlohn und Mindesthonoraren angesichts der finanziellen Ausstattung weit entfernt. Frau Lange, Sie wissen genau, dass Mindesthonorare nur gegen eine geringere Anzahl von Förderungen umgesetzt werden können.
Wie ignorant muss man eigentlich sein, um die prekären Bedingungen nicht zu sehen, unter denen z. B. die Kinder- und Jugendtheater arbeiten? Das, was Sie an Mitteln nachschieben, reicht vorne und hinten nicht. Es gibt wenige Ausnahmen, die von einer Erhöhung profitieren: die Schaubühne, das Maxim-Gorki, das Hebbel am Ufer und das Berliner Ensemble. Angesichts des strukturellen Defizits ist das nicht schlecht, aber letztendlich nur Peanuts. Der kulturpolitische Knaller allerdings ist die Aufstockung der Mittel für die Volksbühne. Um 3,7 Millionen Euro wird die Förderung im kommenden Haushalt erhöht. Davon sollen allein für die Vorbereitung der neuen Intendanz 2,2 Millionen Euro zur Verfügung stehen. Warum und wofür ist unklar. Diese Summe ist ein Vielfaches des sonst Üblichen, und die Reduzierung um 750 000 Euro, zu der sich die Koalition durchgerungen hat, macht es auch nicht besser. Angesichts der unzureichenden Finanzierung vieler Häuser und insbesondere der freien Gruppen ist es unangemessen, ein einzelnes Haus derart zu protegieren.
Allein mit diesem Vorbereitungsetat könnte das Solistenensemble Kaleidoskop weit über zehn Jahre abgesichert werden. Aber für dieses renommierte Kammerorchester gibt es kein Geld. Nein, Sie stellen lieber Chris Dercon einen Blankoscheck aus. Deutlicher kann man die Schieflage und die Ungerechtigkeit der Berliner Kulturförderung nicht vor Augen führen.
Und beim Stichwort Ungerechtigkeit sind wir gleich bei der Förderung der freien Szene insgesamt. Was hatten Sie nicht alles versprochen? Und nun? Nichts ist erledigt. Es sind zwar mehr Mittel eingestellt, aber letztendlich gibt es in wesentlichen Teilen keine Struktur, die garantiert, dass die Mittel erstens ausgegeben werden können und zweitens auch bei denjenigen landen, die sie benötigen. Wir brauchen mehr Freiräume für die künstlerische Entwicklung und müssen die Kooperation zwischen Institutionen und institutionell geförderten Einrichtungen und der freien Szene stärken. Unsere Anträge, die dies zum Ziel hatten, haben Sie abgelehnt, genauso wie ein optimiertes, mit den Akteuren der freien Szene abgestimmtes Raumprogramm, das den Mangel an Ateliers und Produktionsräumen beseitigen soll. Für die Absicherung bereits vor
handener Räume bietet die Koalition überhaupt keine Lösung an.
Die absoluten Verlierer im Haushalt sind die darstellenden Künste im Bereich der Basis- und Spielstättenförderung. In der Förderstruktur im Rahmen der Konzeptförderung für Theater und Tanzgruppen schreiben Sie ebenso die prekäre Finanzierung fort. Seit Jahren schlagen die Jurys Alarm, viele namhafte Gruppen können nicht mehr gefördert werden.
Gern rühmt sich der rot-schwarze Senat mit der vielfältigen Kulturszene Berlin. Doch wenn es darum geht, sie angemessen zu finanzieren, duckt er sich weg, und die Koalition lässt die Dinge laufen. Meine Fraktion hat ein Modell zur Abhilfe formuliert, nämlich jährlich 10 Millionen Euro zusätzlich für die freie Szene in allen Sparten zur Verfügung zu stellen. Was macht aber Rot-Schwarz? – Sie lehnen das ab. Schlimmer noch, Sie streichen im Haushalt die Förderung für die Radial-Stiftung und damit die wichtigste Infrastrukturmaßnahme für die freie Szene. Deutlicher können Sie Ihr Desinteresse gegenüber der freien Berliner Tanz- und Musikszene nicht zeigen.
Und dann komme ich auch gleich noch zum nächsten Skandal. Dieser betrifft die City-Tax. Anstatt hier endlich für Transparenz zu sorgen, überlässt die Koalition die Mittel aus der City-Tax dem Kultursenator und seinem Staatssekretär zur freien Verfügung. Durch den Übertrag aus 2015 werden im kommenden Jahr 7 Millionen Euro nach Gutsherrenart verteilt – ein schönes Wahlkampfgeschenk im Wahljahr 2016. Als Haushaltsgesetzgeber sollten Sie sich für diese Entscheidung schämen, meine Damen und Herren von der SPD und der CDU! Diese Mittel gehören in den Kulturhaushalt.
Und so komme ich zu meinem Fazit: Trotz der Erhöhung wird dieser Haushalt nach wie vor der Bedeutung der Kultur in unserer Stadt in keinster Weise gerecht. Eine grundlegende Perspektive für mehr Balance in der Förderpolitik wird es auch unter Rot-Schwarz nicht geben. – Ich danke Ihnen!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch wenn die Erwerbslosenzahlen in Berlin rückläufig sind, besteht kein Grund zum Feiern, denn die Berliner Jobcenter verzeichnen Einbrüche bei den Integrationsquoten. Dieses Paradox erklärt sich damit, dass alle gut Ausgebildeten dank der boomenden Konjunktur in Jobs sind. Übrig geblieben sind langzeiterwerbslose Menschen, die verstärkt gefördert werden müssen. Hinzu kommt die Aufgabe zur Arbeitsmarktintegration von geflüchteten Menschen, die für uns alle eine enorme Herausforderung sein wird. Das kostet Geld und braucht gutes Personal. Was im Haushalt an Instrumenten eingestellt ist, wird der Situation nicht gerecht. Das von Senatorin Kolat dazu vorgelegte Zehn-Punkte-Papier ist eine Farce.
Aber egal, was wir heute beschließen: Für sämtliche im Haushalt stehenden arbeitsmarktpolitischen Instrumente besteht die Gefahr, dass sie gar nicht umgesetzt werden können. Das liegt nicht am fehlenden Geld, denn das steht im Haushalt. Nein! Es fehlt an einem Dienstleister, der die gesamten Förderinstrumente im Bereich Arbeit, Integration und Frauen umsetzt. Monatelange Verschleppung bei der Fertigung von Ausschreibungsunterlagen, wochenlange Verzögerung eines rechtzeitigen EU-weiten Ausschreibungstermins und nun tagelange Diskussion um den sachgerechten Übergang des Fördermanagements zum 1. Januar 2016 – verantwortungsloser kann man mit Berliner Arbeitsmarktpolitik nicht umgehen.
Während Senatorin Kolat durch die Gegend reist, Erfolgsgeschichten erzählt und Metropolenkonferenzen veranstaltet, bahnt sich in Berlin eine arbeitsmarktpolitische Katastrophe an. Betroffen sind 1 200 Maßnahmen, 2 400 Beschäftigte in Arbeitsverhältnissen, 2 100 Teilnehmer und Teilnehmerinnen von Qualifizierungsmaßnahmen. Sie alle müssen im Jahr 2016 weiterfinanziert werden.
Kritisch ist auch die Situation der Berliner Jobcoaches, weil viele der über 200 Arbeitsverträge zum Jahresende auslaufen. Gefährdet sind die Beratungsprozesse von fast
10 000 erwerbslosen Menschen bzw. Menschen in öffentlich geförderter Beschäftigung. Bis zu 300 Berliner Beschäftigungs- und Qualifizierungsträger bekommen Probleme. Sie können die Miete nicht mehr zahlen, müssen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter kündigen, weil geplante Anschlussmaßnahmen nicht oder verspätet beginnen. Betroffen ist auch der Übergang in die neue ESFFörderperiode. Träger von ESF-Maßnahmen werden seit sechs Monaten auf den 1. Januar 2016 vertröstet. Es ist ein Skandal, dass Senatorin Kolat erstens die Dramatik der Situation unterschätzt und zweitens nicht in der Lage ist, fristgerecht eine normale Fördermittelvergabe zu organisieren. Wenn Sie den Akteuren der Berliner Arbeitsmarktpolitik ehrlich schöne Weihnachten und ein gutes neues Jahr wünschen wollen, dann hilft uns der Beschluss dieses Haushalts nicht, sondern nur eine schnelle und vor allem dauerhafte Lösung des Problems. – Vielen Dank!
Vielen Dank! In der roten Nummer haben Sie schon angekündigt, in welche Bereiche die Mittel der City-Tax gehen, also z. B. Einzelstipendienförderung. Bleiben Sie in den Bereichen, oder gehen Sie noch in ganz neue Bereiche?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Liebe Burgunde Grosse! Ich hätte nie gedacht, dass ich mal solch eine Rede von der arbeitsmarktpolitischen Sprecherin der SPD höre und dass sich die SPD so positioniert.
Mein geschätzter ehemaliger Kollege Wolfgang Wieland hat einmal gesagt: Große Koalition ist großer Mist.
Wir sehen wirklich, wohin das bei Ihnen führt. Vor allem zeigt sich aber, wie teuer auch manches erkauft werden muss, zum Beispiel ein Mindestlohn oder die abschlagsfreie Rente ab 63. Aber manchmal schätzt man den Umfang der Kröte, die man zu schlucken bereit ist – hier das Tarifeinheitsgesetz – auch als zu groß ein, und man läuft Gefahr, daran zu ersticken. So geht es gerade der Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles, Sozialdemokratin und IG-Metall-Mitglied. Ihr zentrales Projekt, die Versöhnung der SPD mit den Gewerkschaften, droht zu scheitern. Sie rechnete mit der Unterstützung für ihr Tarifeinheitsgesetz, denn schließlich sind breite Bevölkerungsanteile betroffen von den ständigen Streiks der Bahn oder bei den Fluggesellschaften, in den Krankenhäusern und in den Kitas. Alle sind angenervt, und in solchen Situationen ist es dann verlockend, die besonders offensiv auftretenden Berufs- und Spartengewerkschaften, allen voran die GDL und die Vereinigung Cockpit, per Gesetz zum Frieden zu zwingen. Frau Nahles wähnte sich mit ihrem Gesetz zur Erzwingung der Tarifeinheit schon in sicheren Gefilden.
Aber plötzlich rumort es auch bei den Gewerkschaften beim DGB, auch den Industriegewerkschaften, die das Vorhaben bislang unterstützt haben, sie zeigen sich mittlerweile außerordentlich skeptisch. Verdi, die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft lehnen das Gesetz ohnehin ab. Und plötzlich ist Frau Nahles nahezu allein zu Haus. Uneingeschränkte Unterstützung kommt nur noch von den Arbeitgeberverbänden. Das müsste die Bundesarbeitsministerin und alle SPD-Mitglieder doch außerordentlich nachdenklich stimmen.
Wir lehnen das Gesetz zur Tarifeinheit ab. Für uns stellt eine gesetzlich erzwungene Tarifeinheit einen inakzeptablen Eingriff in das Grundrecht der Koalitionsfreiheit und eine Verletzung des Minderheitenschutzes dar. Hier konnten unsere verfassungsrechtlichen Bedenken auch nicht ausgeräumt werden. Ganz im Gegenteil: Nicht wie Sie es dargestellt haben, hat der Wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags unsere Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes in dem von unserer Bundestagsfraktion beauftragten Gutachten bestätigt. Der Beamtenbund dbb und der Marburger Bund haben im Übrigen bereits Klage angekündigt, sollte das Gesetz in Kraft treten.
Für uns haben alle Beschäftigten und alle Berufsgruppen das Recht, sich in Gewerkschaften zu organisieren. Und in letzter Konsequenz haben sie das Recht, für ihre Anliegen zu streiken. Auch diese Freiheit gehört zu unserer
(Burgunde Grosse)
Demokratie. Sie ist ein wertvolles Gut und darf nicht beschnitten werden.
Gleichzeitig ist unbestritten: Die Tarifpolitik der Gewerkschaften lebt von Solidarität. Tarifpluralität erfordert deshalb Kooperation zwischen den Gewerkschaften. Nur solidarisch können alle Beschäftigten angemessen vertreten und in ihren Anliegen unterstützt werden. Das Tarifeinheitsgesetz stellt die Existenzberechtigung von Minderheitengewerkschaften infrage und wird daher nicht den notwendigen Betriebsfrieden schaffen. Ein Kampf um die Betriebe ist vorprogrammiert, denn kleinere Gewerkschaften müssen versuchen, größer und mächtiger zu werden, gut zu beobachten momentan bei der Deutschen Bahn. Denn immerhin bekommt der Gewinner am Ende alles, vor allem den gültigen Tarifvertrag.
Anders als das Gesetz vorgibt, wird die gesetzliche Tarifeinheit aber nicht die Solidarität unter den Beschäftigten stärken, im Gegenteil: Die Konkurrenz zwischen den Gewerkschaften wird sich verschärfen, Solidarität und Kooperation lassen sich nämlich nicht verordnen und schon gar nicht gesetzlich erzwingen. Beides ist nur auf freiwilliger Basis zu haben.
Meine Kollegin Breitenbach hat es schon gesagt: Es ist Aufgabe der Gewerkschaften und nicht die Aufgabe der Politik, diese Basis herzustellen.
Deshalb unterstützen wir den Antrag der Linken, in dem der Senat aufgefordert wird, dem Gesetz zur Tarifeinheit im Bundesrat nicht zuzustimmen. Das empfehle ich im Übrigen auch den Kolleginnen und Kollegen, zumindest von der SPD: Ziehen Sie die Notbremse! Sie laufen gerade Gefahr, wieder an die Wand zu fahren. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Bibliotheken sind unverzichtbare Bildungs- und Kultureinrichtungen. In Berlin befinden sie sich in einer dramatischen personellen und finanziellen Situation. Sparmaßnahmen und Rationalisierungsprozesse bei Fachpersonal und Medienausstattung sowie die Auslegung der Kosten- und Leistungsrechnung in den Bezirken bedrohen erheblich ihre Arbeitsfähigkeit und damit die Qualität ihrer fachlichen
Ausrichtung. Deshalb braucht Berlin ein aktuelles Bibliothekskonzept.
Staatssekretär Renner wirbt seit seiner Berufung für die Schwerpunkte Räume, kulturelle Teilhabe und Digitalisierung. Falls Sie es noch nicht bemerkt haben, meine Damen und Herren von SPD und CDU: Die öffentlichen Bibliotheken Berlins sind das Paradebeispiel für dieses Anliegen. Sie vereinen öffentliche Kulturräume, bieten die Chance zur Teilhabe und arbeiten umfänglich mit Digitalisierung. Noch besser könnten sie dies tun, wenn sie mehr Unterstützung erhalten würden, und zwar auch von uns aus diesem Parlament.
Bereits vor über einem Jahr haben wir den Senat aufgefordert, zusammen mit den Bezirken und unter Beteiligung von Bibliotheken, Vertreterinnen und Vertretern von Bibliotheken und Expertinnen und Experten die inhaltlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen für die Weiterentwicklung der Berliner Bibliotheken zu erarbeiten. Nichts ist passiert. Mitte der Neunziger hat es in Berlin das letzte Mal ein solches Konzept gegeben – vor 20 Jahren! Etliche Gutachten und Pläne von namhaften Expertinnen und Experten sowie politischen Akteuren hat es seitdem zu den Bibliotheken gegeben. Nichts ist umgesetzt oder angewandt worden. In der Anhörung im Kulturausschuss wurde auch die Notwendigkeit eines Bibliotheksentwicklungskonzeptes deutlich gemacht. Dennoch zeigt sich die Koalition beratungsresistent und sieht keinen Handlungsbedarf. Diese Ignoranz ist unerträglich.
Wie kann es sein, wenn man bedenkt, was sich in dieser Stadt in Sachen Demografie und im interkulturellen Leben seitdem alles verändert hat, wie der digitale Medienwandel allgemein in unserem Alltag angekommen ist?
Damit Bibliotheken auch zukünftig ihrer gesellschaftspolitischen Aufgabe gerecht werden können, muss der Dreiklang aus Räumen, Personal und Medienetat gesichert werden. Zwischen Land und Bezirken werden sonst vor allem die öffentlichen Bezirkseinrichtungen zerrieben, und die gute Arbeit der Landesbibliothek wird immer weiter abflachen. Daher frage ich Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition: Warum verwehren Sie sich einer Entscheidung darüber, wie die Bibliothekslandschaft der Zukunft in Berlin aussehen soll? Ohne Vision, ohne Landeskonzept werden die Bibliotheken auf Dauer zu Verlierern der Stadtentwicklung und Digitalisierung werden. Im Kulturausschuss wurde deutlich, dass die Landesebene überhaupt keine Kompetenzen in Sachen Bibliotheken wahrnehmen will. Unsere Fraktion hat übrigens ein umfangreiches Positionspapier zu den
(Präsident Ralf Wieland)
Berliner Bibliotheken verabschiedet. Wenn Sie Bedarf haben – Sie finden es auf unserer Homepage.
Welche Pläne haben Sie eigentlich mit der Zentral- und Landesbibliothek? – Derzeit wohl keine. Die ZLB ist kein Thema mehr für Sie. Neubau – gestorben. ZLB – gestorben. Welt der Sprachen im Humboldt-Forum – gestorben. Bessere Kooperation im Verbund mit den Bibliotheken, Teilung von Aufgaben und Ressourcen, Definition gemeinsamer Visionen – alles egal? – Das kann doch nicht wahr sein! Der gerade gescheiterte ZLB-Neubau ist ein Beispiel dafür, wie wichtig es ist, ein fundiertes Konzept zu erstellen, bevor man losrennt und Architekturentwürfe in Auftrag gibt. Wäre es nicht naheliegend, das jetzt für 2016 angekündigte Bedarfskonzept gleich mit einem Konzept zur Bibliothekslandschaft ganz Berlins zusammenzufügen, abzugleichen und aufzustellen? Und was ist mit den Wissenschaftsbibliotheken Berlins, den Universitätsbibliotheken, den privaten Wissenschaftsbibliotheken, der Staatsbibliothek? Alle teilen die Herausforderung der Digitalisierung mit der ZLB und den öffentlichen Bibliotheken der Bezirke. Kein Thema für ein gemeinsames Konzept für die Landespolitik? – Das kann ich einfach nicht glauben.
Es geht hier nicht nur, aber es geht auch um Geld, und es geht darum, die notwendigen gemeinsamen Ziele zu definieren. Es geht um ein Konzept für alle Bibliotheken im Land Berlin und um deren Finanzierung. Es reicht nicht, wenn wir den Bibliotheken mal hier und da ein paar EU-Mittel, SIWA-Mittel oder Lottomittel zukommen lassen. Die Bibliotheken brauchen langfristig eine bessere und solidere Finanzierung. Nur dann können sie den Herausforderungen und Investitionen gerecht werden, die ihnen bevorstehen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU! Schaffen Sie jetzt die Voraussetzungen dafür und stimmen Sie unserem Antrag zu. Berlin braucht ein aktuelles Bibliothekskonzept, das auch die Wissenschaftsbibliothek mit einschließt. – Vielen Dank!
Herr Schlede! Ist Ihnen eigentlich bekannt, dass die ZLB schon seit geraumer Zeit intensiv mit etlichen Bezirksbibliotheken kooperiert, sich mit denen austauscht, Shared Services betreibt, also dass im Grunde genommen die Zusammenarbeit schon in vielen Bereichen stattfindet, aber dass es einfach auch untersetzt, dass es ausgeweitet
werden muss? Da gibt es Möglichkeiten trotz Zweistufigkeit der Verwaltung. Diese Möglichkeiten wären viel intensiver zu nutzen, aber dafür müssen Sie natürlich auch die Voraussetzungen und Strukturen schaffen.
Herr Kollege Prieß! Meinen Sie nicht, es wäre sinnvoll, wenn der Regierende Bürgermeister und Kultursenator Ihren Ausführungen auch lauschen würde?
Frau Czyborra! Sie haben gerade ausgeführt, dass die Frauenvertreterinnen gestärkt werden, also dass es ganz toll wirkt irgendwie. Haben Sie meiner Kollegin Kofbinger eigentlich zugehört? Sie hat einen ganz konkreten Fall geschildert, wo die Frauenvertreterin völlig allein dagestanden hat und sogar noch gebasht wurde, weil sie sich eingesetzt hat. Wie bewerten Sie denn diesen Vorgang? Den kennen Sie doch auch.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Geschichte des Hauptstadtfinanzierungsvertrags ist lang, und das ist ein zäher und undurchsichtiger Prozess gewesen. Daher unterstützen wir den Piraten-Antrag, der hier mehr Transparenz einfordert. Notwendig ist dies insbesondere für die Kultur, denn die Verhandlungen über die Aufnahme von Berliner Kultureinrichtungen in Bundesförderung sind nicht nachvollziehbar: Die Auswahl erschließt sich nicht logisch, und es gibt keine nachvollziehbare Systematik. Es ist auch kein Geheimnis, dass zahlreiche Tauschleistungen nur erfolgten, um die Errichtung der Stiftung Oper zu ermöglichen. Ein einfaches Fortschreiben kann somit keine Lösung sein, zumal eine Definition von Kultur von gesamtstaatlicher Bedeutung bis heute im politischen Rahmen nicht erfolgt ist – unglaublich, aber wahr!
Berücksichtigt sind vor allem die großen und teuren Einrichtungen. Dabei gibt es inzwischen viele, auch kleine Institutionen, die durch ihre internationale Arbeit und bundesweite Einmaligkeit längst Anspruch auf eine dauerhafte Bundesförderung hätten – Beispiel: das Deutsche Zentrum für Poesie. Zudem muss die gesamtstaatliche Bedeutung der bereits im Hauptstadtfinanzierungsvertrag aufgeführten Kultureinrichtungen hinterfragt werden. Eine Evaluation, wie es die Piraten fordern, ist daher sinnvoll.
Letztendlich müssen wir uns aber politisch darüber klarwerden, was unsere Kriterien für die gesamtstaatliche Bedeutung sind – Repräsentationsanspruch für die Bundesrepublik, internationale Ausstrahlung, Einmaligkeit der Institution oder historische Bedeutung wären hier geeignet. Ziel kann es nicht sein, dass Berlin allein wegen Einsparmaßnahmen die Gelegenheit nutzt, Aufgaben an den Bund abzustoßen. Es kann auch nicht sein, dass Einrichtungen in die Bundesförderung übergehen wollen, weil die Berliner Förderung zu unsicher ist. Berlin muss sich zu seinen Einrichtungen bekennen und Verantwortung übernehmen. Kultur darf nicht zum Verhandlungsspielball von Interessen werden, und wir wollen keinen Ausverkauf der Berliner Kultureinrichtungen an den Bund.
Die Auswahl der Institutionen, die im Hauptstadtfinanzierungsvertrag aufgenommen werden, muss umsichtig beraten und die aktuellen kulturpolitischen Entwicklungen müssen bei den Neuverhandlungen berücksichtigt werden. Diesbezüglich steht einiges an: das HumboldtForum, das Museum der Moderne, das Archiv der Robert-Havemann-Gesellschaft, das Bauhausarchiv oder aber auch Sasha Waltz & Guests sowie die derzeit durch den Hauptstadtkulturfonds geförderten Festivals. Welche Ausführung soll es dazu im Hauptstadtkulturfonds geben? Wir sind sehr gespannt.
Kürzlich haben der Kultursenator und sein Staatssekretär noch ein weiteres Thema auf die kulturpolitische Agenda gesetzt, und zwar durch ihr Agieren in Sachen Volksbühne. Finanziert der Bund Doppelstrukturen in Berlin und hat damit Legitimationsprobleme gegenüber anderen Bundesländern? – Deutlich wird an diesem Beispiel, wie wenig kulturelle Bundeseinrichtungen in Berlin im Fokus der Berliner Regierungspolitik stehen und dass die Schnittstelle zur Landespolitik und zur Landeskultur nicht gepflegt wird. Dass es ein Mitwirkungsrecht und eine Mitwirkungspflicht Berlins bei bundesfinanzierten Einrichtungen gibt, wird ignoriert, oder es wird unabgestimmt agiert, wie wir es beim Humboldt-Forum erleben konnten. Dies fördert sicherlich nicht die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Bund.
Bei der Neuverhandlung des Hauptstadtfinanzierungsvertrags geht es auch um den Hauptstadtkulturfonds – ein ebenso gutes wie wichtiges Förderinstrument für die hauptstädtische Kulturszene. Der Fonds ist von seiner Programmatik her und in seiner Wirkung für die Kulturszene im gesamten Bundesgebiet unverzichtbar. Die geförderten Projekte haben eine Strahlkraft weit über Berlin hinaus. Aber der HKF ist mit den Jahren auf Kosten von hoch renommierten Künstlern und Künstlerinnen als Hilfskonstrukt missbraucht worden – ich nenne beispielhaft Sasha Waltz. Das ist verantwortungslos und schadet der Weiterentwicklung sowohl derer, die hier geparkt sind, als auch derer, denen die dringend notwendigen Mittel dann nicht zur Verfügung stehen. Wir brauchen endlich Klarheit! Regelförderungen gehören in den Bundeshaushalt oder in den Landeshaushalt, aber nicht in den Hauptstadtkulturfonds.
Wir haben jetzt die Chance, eine Systematik in der Auswahl von Einrichtungen gesamtstaatlicher Bedeutung einzuführen, neuen Einrichtungen die Übernahme durch den Bund zu ermöglichen und die Kompetenzen der Berliner Kulturszene langfristig mit Bundeseinrichtungen zu vernetzen. Nutzen wir diese Chance! – Vielen Dank!
(Renate Harant)
Kollegin Lange! Das spricht nicht für eine Regierungsfähigkeit, die Worte, die Sie gerade gesprochen haben.
Wenn Sie sich schon an solchen Punkten in Ihrer Koalition nicht einig werden, ist es eher peinlich.
Deshalb danken wir den Piraten, dass sie die Initiative ergriffen haben, die die SPD letztes Mal schon angekündigt hat
Herr Schneider! Jetzt bin ich dran! –,
denn der Antrag der Piraten eröffnet uns die Möglichkeit, sich aus heutiger Sicht offen und kritisch damit auseinanderzusetzen, unter welchen Umständen und mit welchen Begründungen Menschen auf die Ehrenbürgerliste Berlins gelangt sind.
Wofür steht diese Liste? – Das Ehrenbürgerrecht ist die bedeutendste Auszeichnung Berlins. Sie kommt Persönlichkeiten zugute, die sich in hervorragender Weise um unsere Stadt verdient gemacht haben. 118 Personen tra
gen derzeit den Titel „Ehrenbürger Berlins“. Und seit 1813 werden die Personen schon ausgewählt. Es ist schon eine lange Zeit, also seit über 100 Jahren.
Aber es ist auch Fakt, dass diese Ehrenbürger Berlins in unterschiedlichen politischen Systemen und mit eigenen Interpretationen von Verdiensten ernannt wurden. 1948 erfolgte eine kritische Auseinandersetzung, und fünf Ehrenbürger wurden aus der Liste gestrichen, darunter Adolf Hitler, Göring und Goebbels.
Auch nach der Wiedervereinigung Deutschlands musste entschieden werden, wie mit den in Ostberlin ernannten Ehrenbürgern bei einer gesamtstädtischen Berliner Ehrenbürgerliste verfahren wird. Das war Anfang der Neunzigerjahre. Da gab es etliche Streichungen. Es gab auch einen Menschen, der wieder aufgenommen wurde, nachdem er gestrichen wurde, Bersarin, der erste sowjetische Stadtkommandant in Berlin.
Heute, 70 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, sollten wir innehalten und hinterfragen, wie es um die Bewertung dieser geehrten Verdienste steht. Wie dringend eine Reflexion notwendig ist, hat die kürzlich in diesem Haus geführte Debatte um die Aberkennung der Ehrenbürgerwürde Paul von Hindenburgs gezeigt. Die historische und politikwissenschaftliche Forschung hat sich seit 1948 erheblich weiterentwickelt. Das wird in diesem Haus niemand bestreiten. 70 Jahre nach Ende der Nazi-Herrschaft ist es Zeit, unter Berücksichtigung wissenschaftlich fundierter Erkenntnisse eine Neubewertung bzw. Prüfung der Ehrenbürgerliste Berlins vorzunehmen.
Da es bei der Ehrenbürgerliste aber um mehr als eine historische Einordnung der Verdienste geht, denn wir vergeben die Würde an auch noch lebende Persönlichkeiten, reicht uns das Ansinnen der Piraten nicht aus, die Kommission zur Prüfung der Liste lediglich aus Historikern zu besetzen und nur nach neuesten historischen Erkenntnissen zu prüfen.
Außerdem, liebe Piraten, die Hälfte der Menschheit ist auch weiblich, also wir wollen nicht nur Historiker,
auch wenn Ihre Fraktion das nicht so widerspiegelt, dass die Hälfte der Menschheit weiblich ist,
aber vielleicht gibt Herr Kowalewski da mal Nachhilfe.
Wir schlagen die Berufung einer unabhängigen Expertinnen-/Expertenkommission vor, die neben Historikern und Historikerinnen mit Politologinnen/Politologen und
(Brigitte Lange)
Kulturwissenschaftlerinnen/-wissenschaftlern besetzt ist und die mit einer wissenschaftlich fundierten Begutachtung beauftragt wird. Meine Damen und Herren von CDU und SPD! Es ist legitim und längst überfällig, dass eine solche Debatte geführt wird. Wir sollten diese Prüfung jetzt dringend vornehmen.
Vor zwei Wochen, am 24. April, wurde dem Gründungsdirektor des Jüdischen Museums in Berlin Michael Blumenthal die Berliner Ehrenbürgerwürde verliehen. Blumenthals Vater war im Laufe der Novemberpogrome 1938 für mehrere Monate im Konzentrationslager Buchenwald interniert. Im Frühjahr 1939 flüchteten Michael Blumenthal und seine Familie aus Deutschland nach Schanghai und emigrierten dann 1947 in die USA. Daran erinnerte Blumenthal in seiner ebenso beeindruckenden wie berührenden Dankesrede anlässlich der Verleihung der Ehrenbürgerwürde. Er sagte, er sei selbst jahrelang überzeugt gewesen, dass ihn nichts mehr mit seiner Heimatstadt verbinde oder je wieder verbinden könne, er, der einst ausgebürgert wurde und aus Berlin fliehen musste.
Als Gründungsdirektor des Jüdischen Museums ist Michael Blumenthal nach Berlin zurückgekehrt. Diese Zeit bezeichnet Blumenthal heute als die reichste und befriedigendste Zeit seines Lebens. Möglich war dieses Projekt für ihn nur – ich zitiere Michael Blumenthal –, „weil es eben in Berlin war, in diesem neuen, toleranten und schönen Berlin des 21. Jahrhunderts“. Genau das ist der Punkt. Mit der Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Michael Blumenthal steht dieses neue, tolerante und schöne Berlin des 21. Jahrhunderts, also wir alle, in der Pflicht zu prüfen, ob historisch bedingte Entscheidungen zur Verleihung von Ehrenbürgerwürde unseren heutigen demokratischen Standards noch standhalten können.
Wir müssen den Mut haben, die Liste zu überprüfen und ggf. auch zu korrigieren. Michael Blumenthal ist in der Folge der Machtergreifung Hitlers aus Deutschland geflohen. Paul von Hindenburg hat entscheidend dazu beigetragen, dass Blumenthal und seine Familie in Deutschland nicht mehr sicher waren. Ich finde es politisch unverantwortlich und unerträglich, dass Blumenthal und Hindenburg nun gemeinsam auf der Ehrenbürgerliste Berlins stehen. – Vielen Dank!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das große Theater um die City-Tax oder – passender wäre vielleicht – die große Lüge um die City-Tax: Gestartet ist die ganze Geschichte ja mit der Idee: Berlins Strand ist die Kultur. Daher wäre eine Kulturtaxe sicher besser gewesen. Das hat sich nicht durchgesetzt. Dann tauchte die City-Tax auf. Große Versprechen für die Aufstockung im Bereich der Kultur wurden von der Koalition in Aussicht gestellt. Die Ernüchterung folgt auf dem Fuße. Trotz genauer Kalkulation der potenziellen Mehreinnahmen wurden die Bereiche Kultur, Sport und Tourismus mit einem Platzhalter von 1 000 Euro im Haushaltsentwurf abgespeist, wir erinnern uns gut daran. Die Frustration unter den Kulturschaffenden war groß. Der Senat verteilte weiter Trostpflaster. Dann kam es zum großen Showdown, und dieser hätte nicht hinterhältiger inszeniert werden können: Die Entscheidung der Koalitionsfraktionen bei den letzten Haushaltsberatungen war ein klares Nein zur Verwendung der Steuermehreinnahmen aus der City-Tax für die Bereiche Kultur, Tourismus und Sport.
Ja, meine Damen und Herren, auch Herr Schneider von der SPD! Wir wissen, dass Steuereinnahmen nicht zweckgebunden werden können.
Umso unverständlicher finden wir es, dass es in diesem Zusammenhang Haushaltstitel gibt, die gesperrt werden sollen. Das verstehen wir dann auch nicht. Eine Begründung, warum Sie diese Haushaltstitel sperren, haben Sie bis heute nicht geliefert. Daher haben wir gemeinsam mit den Piraten diesen Antrag gestellt. Es war absehbar, dass das Hotel- und Gaststättengewerbe gegen die City-Tax klagt, denn das Projekt war vom Senat von Anfang an schlecht kommuniziert. Sie haben das Hotel- und Gaststättengewerbe in den Verhandlungen vor den Kopf gestoßen. Die hätten die Abgabe mitgetragen, die City-Tax in dieser Form nicht.
Doch, doch! – Mit dem Nachtragshaushalt haben Sie eine Korrektur vorgelegt; das freut uns. Aber wollen wir uns als Haushaltsgesetzgebende wirklich von laufenden Klagen gegen Steuern und andere Einnahmen abhängig machen? – Sicherlich nicht.
Wie wäre es mit einem Happy End für die City-Tax, indem die Mittel ab dem ersten Euro für Kultur, Tourismus und Sport zur Verfügung gestellt werden? Die Kultur ist für die Stadt eine wichtige Ressource. Wir sind schon immer der Meinung, dass auch der Kultur die CityTax oder auch die Steuermehreinnahmen, die das Land ansonsten generiert, zur Verfügung gestellt werden sollten. In den nächsten Haushaltsberatungen können Sie
(Renate Harant)
beweisen, ob es Ihnen ernst damit ist, diese Bereiche zu stärken. – Vielen Dank!
[Beifall bei den GRÜNEN und den PIRATEN – Beifall von Frau Dr. Manuela Schmidt (LINKE) – Torsten Schneider (SPD): Woher wissen Sie, dass die Verbände das mitgetragen hätten? – Zuruf von den Grünen: Wir reden mit denen!]
Vielen Dank, Herr Präsident! – Wie will der Senat der Bevölkerung und den Partnern im Humboldt-Forum vermitteln, dass das Konzept „Welt.Stadt.Berlin“ das Anliegen der Humboldt-Brüder erfüllt und nicht, wie aus der bisherigen Konzeptvorlage abzuleiten ist, eine aufdringliche Berlin-Reklame, sprich: einen Narzissmus, zur Schau stellt, wie Berlin die Welt geprägt haben soll? – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Der Artikel im „Tagesspiegel“ war weit gehaltvoller als die Konzeptskizze, stelle ich fest. – Herr Renner! Was meinen Sie mit Ihrer Aussage im Interview der „Berliner Morgenpost“ vom 22. März, dass bei der Kommunikation des Konzepts die Zeitachse nicht eingehalten worden sei, und welche Folgen leiten sich aus diesem Schnellschuss mit der Konzeptskizze dann ab?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Aufstockung der Förderung für die freie Szene in Berlin ist dringend erforderlich. Da habe ich jetzt auch noch keinen Widerspruch, nicht mal von der SPD, gehört. Die künstlerischen Produktionen der freien Szene haben längst höchste Professionalität erreicht. Um dieses Niveau zu halten und den hier arbeitenden Künstlerinnen eine Perspektive zu schaffen, brauchen wir aber eine Reform im
(Renate Harant)
Berliner Fördersystem. Die Mittel aus allen Töpfen, egal ob Basis-, Spielstätten-, Konzept- oder Einzelprojektförderung, sind für alle künstlerischen Sparten komplett überbucht, und die institutionell geförderten Häuser haben viel zu wenig Programmmittel, um Produktionen der freien Szene adäquat zu realisieren. In einer Werkstattreihe zur Frage des Reformbedarfs im Kulturbetrieb habe ich intensive Gespräche sowohl mit den Akteuren aus der freien Szene als auch aus den institutionell geförderten Häusern geführt – über alle Sparten hinweg. Deutlich wurde, dass Berlin zwar gute Strukturen hat, aber die einzelnen Instrumente eklatant unterfinanziert sind. Eine Weiterentwicklung ist nicht möglich, es gibt keine Lösung für die langfristige Förderung bewährter Ensembles und für Neueinsteigerinnen fehlen die Mittel. Daraus folgt: Wir brauchen mehr Geld im System der öffentlichen Kulturförderung.
Eine Verbesserung der Kulturförderung insbesondere für die freie Szene haben sowohl der neue Kultursenator als auch sein Staatssekretär versprochen. Die erste Gelegenheit dazu haben Sie nicht genutzt. Trotz hoher Steuermehreinnahmen für das Land Berlin geht die Kultur im Nachtragshaushalt nahezu leer aus. Es gibt lediglich etwas zur Kofinanzierung von EU-Mitteln, und das ist auch dringend notwendig, sonst könnten die Programme gar nicht umgesetzt werden. In der Investitionsplanung kommt Kultur nicht vor. Daher stelle ich fest: An einer strukturellen Verbesserung für die Kulturszene in Berlin arbeiten weder der Senat noch die Koalition von SPD und CDU.
Wir teilen das Grundanliegen des Linken-Antrags, mehr Mittel für die freie Szene in Berlin zur Verfügung zu stellen. Ob ein neuer Fonds hier das richtige Instrument ist, darüber müssen wir uns erst austauschen. Der Vorschlag kommt aus der Koalition der freien Szene und wurde 2013 als Interimslösung entwickelt, um die Mittel aus der City-Tax in einem raschen und unbürokratischen Verfahren selbst verwalten zu können. Das war einmal, inzwischen ist das Thema City-Tax zu einem der peinlichsten Kapitel von SPD und CDU geworden. Bis zu 50 Prozent der Einnahmen sollten der Kultur zugutekommen. Letztendlich – das Ergebnis ist ernüchternd – schrumpfte der kulturelle Anteil auf ein Drittel der Einnahmen, aber erst ab 25 Millionen Euro. Aber selbst dies ist bis heute ein leeres Versprechen. Das kann die Koalition jetzt ändern. Entsperren Sie die Mittel, sodass wir überhaupt Einnahmen bei den Ressorts Kultur, Tourismus und Sport verbuchen können!
Die City-Tax ist richtig und wichtig und braucht ein schnelles, unbürokratisches und transparentes Verfahren zur Vergabe der Mittel. Hierfür aber eine Parallelstruktur neben dem Berliner Haushalt zur Förderung der freien Szene auszubauen, ob über einen Fonds, eine Stiftung oder einen Board, sehen wir sehr kritisch. Wir sollten
sehr genau überlegen, ob wir uns die parlamentarische Kontrolle über die Kulturförderung beschneiden wollen.
Wir habe gute jurierte Verfahren in Berlin, die es zu stärken gilt. Hier sollten wir im Rahmen der anstehenden Haushaltsberatungen diskutieren, wie wir Handlungsspielräume ausbauen, damit die Förderung dauerhaft und nicht in Abhängigkeit von der City-Tax Bestand hat. – Ich danke Ihnen!
Vielen Dank! – Herr Regierender Kultursenator! Die inhaltlichen Planungen für das Humboldt-Forum laufen seit 2011. Es gibt auch Workshops in Dahlem, was Ihnen sicherlich bekannt ist. Wollen Sie mit der Aktion, jetzt die Stiftung Stadtmuseum in das Humboldt-Forum zu
nehmen und die ZLB rauszukicken, das ungeliebte Projekt Stiftung Stadtmuseum ein bisschen aufpeppen und die vakante Leitungsposition attraktiver machen? Ist das der Hintergrund Ihrer jetzigen spontanen Initiative?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Da SPD und CDU in diesem Haus offenbar immer noch nicht gewillt sind, die Rolle Hindenburgs bei der Machtergreifung Hitlers kritisch zu hinterfragen, möchte ich Ihnen gern eine Brücke bauen und noch mal verstärken, was Herr Brauer bereits gesagt hat, indem er auf die Hintergründe verwies, die zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Paul von Hindenburg geführt haben. Die Zeitnähe zur Machtergreifung Hitlers hat Herr Brauer bereits genannt. Und ein ganz entscheidender Punkt ist, dass die Verleihung der Ehrenbürgerwürde auf Antrag der NSDAP erfolgte, die damit ganz eindeutig die Rolle Paul von Hindenburgs bei der Machtergreifung Hitlers würdigte. Die Nazis waren Hindenburg zu Dank verpflichtet, hatte er doch mit diversen Unterschriften Gesetze in Kraft gesetzt, die den Weg in die nationalsozialistische Diktatur erst ermöglicht haben.
In diesem Zusammenhang auffällig ist auch das Datum der Verleihung der Ehrenbürgerwürde. Sie wissen es. Es ist der 20. April 1933 – Hitlers Geburtstag –, und wir fragen uns, warum dieses Datum in der Ehrenbürgerliste nicht zu finden ist. Ich frage mich, wer hier eigentlich Geschichte ausradiert, Herr Lubawinski.
Der zweite Punkt wiegt noch schwerer. Ich habe dies bereits bei der Einbringung des Antrags ausgeführt, aber angesichts des Verlaufs der Debatte werde ich ihn noch einmal wiederholen, denn er scheint nicht bei allen angekommen zu sein. Der Beschluss über die Verleihung der Ehrenbürgerwürde von Paul von Hindenburg am 20. April 1932 war unrechtmäßig. Die Kommunisten waren bereits aus dem Parlament verbannt. Obwohl sie gewählte Abgeordnete waren, durften sie nicht mehr
(Brigitte Lange)
abstimmen. Sie waren verfolgt und interniert. Die SPD nahm an der Abstimmung erst gar nicht teil.
Nun frage ich Sie, meine Damen und Herren von der SPD und von der CDU, wie Sie diese Umstände bewerten, unter denen dieser Beschluss zustande gekommen ist. Rechtmäßig und ein demokratischer Vorgang war dies eindeutig nicht.
Es ist aber nicht allein der unrechtmäßige Vorgang, über den es heute abzustimmen gilt. Paul von Hindenburg hat als Reichspräsident den Nationalsozialisten die Machtergreifung ermöglicht und ist damit auch mitverantwortlich für die Folgen, die bis in die heutige Zeit reichen.
In einer toleranten und weltoffenen Stadt, wie Berlin es heute ist, können die Taten von Paul von Hindenburg nicht mehr für ehrenwert gehalten werden. Schön wäre es, wenn dieses Parlament heute ein starkes Zeichen setzen würde, indem es Paul von Hindenburg von der Ehrenbürgerliste streicht, auch im Hinblick auf eine potenzielle Bewerbung Berlins um die Olympischen Spiele. – Vielen Dank!
Herr Schneider! Ich glaube, Sie machen es sich hier ein bisschen einfach.
Ich glaube auch, Sie verkennen das Signal, das von dieser Verweigerungshaltung ausgeht. In einer Zeit, in der
Fremdenhass, Islamfeindlichkeit und Antisemitismus wieder gesellschaftsfähig werden, in einer Zeit, in der eine Partei wie die AfD mit rechtspopulistischen und fremdenfeindlichen Inhalten in Landesparlamente einzieht, verweigern sich die Parlamentarier von CDU und SPD im Kulturausschuss dieses Hauses einer Debatte darüber, ob Hindenburg die Ehrenbürgerwürde Berlins aberkannt wird. Sie verweigern die kritische Auseinandersetzung über einen Mann, der nachweislich aktiv zur Zerstörung der Demokratie beigetragen hat, der maßgeblich an der Machtübernahme der Nazis beteiligt war, der den Weg in die nationalsozialistische Diktatur geebnet hat, der die Meinungsfreiheit beschnitten hat und der Terrorgesetze unterzeichnet hat.
Sie verweigern sich dieser Debatte, weil die SPD der Meinung ist, dass Hindenburg eine charismatische Heldengestalt des Ersten Weltkriegs war. So hat es zumindest der Kollege Lubawinski bei der Einbringung des Antrags ausgeführt. Dass Hindenburg als Reichspräsident den Nationalsozialisten die Machtergreifung ermöglicht hat und schon deshalb keine herausragende Persönlichkeit war, die sich um unsere Stadt verdient gemacht hat, wird in der SPD anscheinend nicht reflektiert.
Sie werfen uns auch noch vor, mit der Streichung Hindenburgs von der Ehrenbürgerliste Geschichte ausradieren zu wollen. Das Gegenteil ist der Fall. Sie verweigern sich doch der Diskussion um die Person Hindenburgs. Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen!
Wie schade, denn dieses Parlament würde ein starkes Zeichen setzen, indem es einen Mann wie Hindenburg von der Ehrenbürgerliste streicht. Dieses Parlament würde damit deutlich machen, dass wir aus der Geschichte gelernt haben und dass die Täter von damals nicht in Vergessenheit geraten, dass wir es nicht zulassen, dass sich Derartiges wiederholt.
Aber das will allem Anschein nach weder die SPD noch die CDU. Wir erinnern uns: Herr Lehmann-Brauns verstieg sich darin, uns zu erklären, dass der greise Hindenburg in einem verwirrten Zustand und seines ermüdeten Geistes kaum noch mächtig die Machtergreifung Hitlers ermöglicht habe. Aber auch hier müssen wir die Konsequenzen aus der Geschichte ziehen und darüber diskutieren, wie wir zukünftig verhindern, dass alte Männer, die schon gar nicht mehr wissen, was sie tun und wann es Zeit ist abzutreten, in einflussreichen politischen Ämtern verharren.
(Torsten Schneider)
Ihr Verhalten, meine Damen und Herren von der CDU und SPD, ist ebenso unerträglich wie die Tatsache, dass Hindenburg im Jahr 2015 noch immer auf der Ehrenbürgerliste Berlins steht. Sollten Sie nach wie vor der Meinung sein, dass Sie eine Streichung Hindenburgs von der Ehrenbürgerliste Berlins unangemessen finden, dann haben Sie wenigstens den Mut, das offen zu sagen! Aber beenden Sie Ihre Spielchen und Blockadehaltung, um sich um eine Entscheidung herumzumogeln! Ein derartiges Verhalten ist unwürdig und schadet unserem Haus. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Frau Senatorin Kolat! Sie haben gesagt, die Stellen werden über das Instrument FAV finanziert. Bis zu 75 Prozent werden aus dem Programm finanziert, 25 Prozent Eigenanteil. Wie stellen Sie den Kofinanzierungsanteil sicher, wenn Sie die Menschen bei den Bezirken anstellen? Das Land Berlin darf sich nicht selbst fördern, das ist untersagt.
Herr Goiny! Erinnern Sie sich noch an Ihre Aussagen auf Podiumsdiskussionen bei der Koalition der freien Szene in den Sophiensälen und im Radialsystem, die Sie bezüglich der Verwendung der City-Tax gemacht haben?
Herr Prieß! Finden Sie es nicht etwas seltsam, dass die Senatsbänke völlig leer sind und sich anscheinend niemand aus dem Senat für dieses wichtige Thema interessiert?
Ah, Herr Müller!
Frau Staatssekretärin Loth! Insgesamt werden in Berlin zum Jahresende rund 3 400 Bürgerarbeitsplätze wegfallen. Unter anderem fallen auch bei den soziokulturellen Frauenprojekten etliche weg. Wie gedenkt der Senat diesen Wegfall zu kompensieren?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Grundgedanke hinter dem Antrag der Piraten ist richtig. Wir haben eine Notsituation in der Kulturfinanzierung. Wir haben eine Schieflage zwischen dem, was in der Stadt an kreativem Potenzial da ist und eine öffentliche Förderung braucht und verdient, und dem, was wir mit öffentlichen Mitteln fördern. Das Problem sind aber nicht nur temporär in Not geratene Einrichtungen, die Grenzen sind überall erreicht, von der Opernstiftung bis zu den frei produzierenden Künstlerinnen und Künstlern, Einrichtungen und Strukturen in freier Trägerschaft.
(Philipp Magalski)
Tarifsteigerungen werden über die Reduzierung der Mittel für künstlerische Arbeit kompensiert. Künstlerinnen und Künstler können ihre Ateliers und Produktionsräume aufgrund von Mietsteigerungen nicht mehr zahlen. Museen haben keine Ausstellungsetats. Honoraruntergrenzen bei Künstlerinnen und Künstlern können trotz Anspruch auf Mindestlohn nicht garantiert werden.
Die Jurys der freien Gruppen und der Konzeptförderung müssen mit viel zu wenigen finanziellen Mitteln einigermaßen gerechte Förderentscheidungen fällen. Eine Wahl zwischen Pest und Cholera, so hat es die Jury letztes Mal bei der Konzeptförderung genannt. Hinzu kommt, dass durch die Wirtschaftskrise Drittmittel aus der Wirtschaft, von Stiftungen und Privaten massiv weggebrochen sind und hier für die gesamte Kulturszene Berlins Finanzlücken aufklaffen.
Wie in unserer Großen Anfrage zur Kultur deutlich wurde, hat der Senat hier weder den Überblick über das Ausmaß an Bedrohung noch sieht er einen Handlungsbedarf. Das ist ignorant und verantwortungslos.
Offensichtlich ist, es fehlt Geld im System. Durch Mehreinnahmen aus der City-Tax hätten wir die finanzielle Situation im Kulturbereich verbessern können. Stattdessen haben die Koalitionsfraktionen entschieden, dass der Kulturbereich nicht davon profitiert.
Aber, liebe Piraten, dieses haushälterische Versagen der Koalition können wir nicht mit einem Notfalltopf kompensieren. Die Idee von Notfalltöpfen ist im Übrigen nicht neu. Im Hauptstadtkulturfonds sollte es eine Reserve geben, die schnell im Sinne einer Feuerwehraktion Projekten zugutekommt, die sonst nicht realisiert werden können. Auch die Freien Projekträume haben einen ähnlichen Topf gefordert. Hintergrund ist aber immer ein temporärer Projektbezug.
Notfalltöpfe sind nicht geeignet für eine strukturelle Absicherung und schon gar nicht für Immobilienfragen. Hier brauchen wir andere Instrumente und vor allem endlich ein anderes kulturpolitisches Handeln des Senats und der Regierungskoalition.
Wir brauchen eine Liegenschaftspolitik, die der Kultur zugutekommt und ihr nicht schadet. Wir brauchen endlich Kulturkompetenz im Portfolioausschuss bei Finanzen. Wir können nicht warten, bis die Einrichtungen kulturpolitisch kaputtgespart worden sind, um sie dann mit großer Geste über einen Notfalltopf vor dem Aus zu bewahren. Letztendlich fordert der Piratenantrag eine Reserve im Kulturhaushalt, die ein solches Vorgehen legitimiert. Das lehnen wir als Grünen-Fraktion strikt ab.
Wir brauchen hier auch kein neues Entscheidungsgremium, denn wir als Parlament verantworten den Haushalt und die Finanzierung der Kultur, und dieser Verantwortung sollten wir endlich alle mal gerecht werden.
Die Idee der Kostenneutralität und der Vergabe von zinsgünstigen Darlehen ist vor dem Hintergrund der finanziellen Situation der Kulturlandschaft ebenso absurd wie politisch naiv. Die Möglichkeit zur Rücklagenbildung und langfristigen Haushaltsplanung hat nur ein Bruchteil der Kultureinrichtungen, aber selbst die Rücklagenbildung funktioniert nicht mehr. Lesen Sie doch die aktuelle rote Nummer zur finanziellen Entwicklung der landeseigenen Theater- und Orchesterbetriebe! Hier haben wir aktuell ein Defizit von 9,767 Millionen. Im letzten Jahr betrug das Defizit noch 1,778 Millionen. Unglaublich, aber der Senat bewertet diese dramatische Entwicklung als unproblematisch. Ich bin gespannt, wie sich das Parlament bei der Beratung dazu äußert.
Im Antrag werden auch die Kultureinrichtungen der Bezirke angesprochen. Das ist richtig, denn hier sind etliche bedroht. Aber die Ursachen hier sind doch vollkommen anders. Durch die Kosten-Leistungs-Rechnung sind die Kultureinrichtungen der Bezirke zu einem finanziellen Verlustgeschäft geworden, obwohl sie Teil der Daseinsvorsorge und infrastrukturell in einer modernen demokratischen Gesellschaft unverzichtbar sind. Und auch hier hilft kein Notfalltopf. Auch hier brauchen wir keine Feuerwehrlösung, sondern eine strukturelle Neuausrichtung.
Wir müssen uns fragen: Erkennen wir Notsituationen frühzeitig? Wie aussagekräftig sind Instrumente wie CiK? Und wie läuft die senatsinterne Kommunikation bei Immobilienverkäufen? Genau hier liegt für das Theater Hans Wurst Nachfahren und das Theater Morgenstern das Problem. Die verschleppte Kommunikation zwischen Kulturverwaltung und Finanzen ist ursächlich für den Verlust ihrer Spielstätten. Wir brauchen keinen Notfalltopf, sondern wir müssen die gesamte Struktur reformieren, um die Förderpolitik für Kultur in Berlin zeitgemäß zu gestalten. Wir brauchen eine Kulturförderpolitik, die zuverlässige und transparente Strukturen für alle Kulturakteure gewährleistet, und zwar von Anfang an und nicht erst, wenn es brennt. – Vielen Dank!