Walter Pilger

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Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Minister Reinholz, Sie haben schon öfter in dieser Wahlperiode über Vergabegesetz und Ähnliches geredet und da sind wir schon einiges gewohnt gewesen, aber das, was Sie hier jetzt an Eierei, an Begründung geliefert haben, das war wirklich ein Höhepunkt.
Einen Punkt will ich nur mal herausgreifen. Sie sagen hier zur Einleitung Ihres Redebeitrags, es gebe kein Vollzugsdefizit. Wieso sind Sie denn von Ihrer eigenen Sie tragenden Mehrheitsfraktion Anfang des Jahres aufgefordert worden, das Mittelstandsförderungsgesetz zu novellieren? Doch weil erkannt wird an vielen Stellen in diesem Land, dass das, was bei uns im Vergaberecht passiert, einfach nicht mehr ausreichend ist. Da gehen Sie hier hin und sagen, es gibt kein Vollzugsdefizit. Das ist nicht mehr nachvollziehbar. Der Rest war auch nur ein Schönschwätzen dafür, dass Sie einfach in dieser Frage uneinig sind.
Ich muss auch noch was zu meinem sehr geschätzten Kollegen Günther sagen. Herr Günther, wir arbeiten eigentlich auch im Wirtschaftsausschuss sehr gut zusammen, aber für das, was Sie heute hier machen mussten, haben Sie mein Mitgefühl. Sie haben sich hier hingestellt, Sie wissen auch persönlich, dass es hier einen Handlungsbedarf gibt. Sie bekommen keine Mehrheit in Ihrer eigenen Fraktion,
Sie bekommen keine Einigkeit mit der Landesregierung und müssen hier versuchen zu retten, was zu retten ist. Dann haben Sie Ihren Redebeitrag so aufgebaut, dass Sie sagen, na ja, es gibt einen Streit zwischen Rot und Dunkelrot, das ist der Hauptgrund, warum wir ablehnen, und sagen dann hier nichts mehr zum Gesetzentwurf, sondern schließen sich dem an, was Herr Carius hier in der Begründung gemacht hat, nämlich es zu negieren, eine sehr tiefgründige Debatte, eine lange Debatte, die wir auch gut im Ausschuss geführt haben, und dann am Ende hinzugehen und zu sagen in der Argumentation, es gibt dieses, dieses, dieses, dieses Defizit, die Landesregierung sollte es regeln, sie hat es bis heute nicht geregelt und es geht auch bis zum Ende der Legislatur nicht und weil wir das selber nicht regeln konnten, lehnen wir einen Gesetzentwurf der SPD ab. Wenn Sie keinen Fraktionszwang hätten, würden wir sehen, wie zerstritten Ihre Fraktion in der Frage ist, und dann hätten wir hier Mehrheitsverhältnisse, die nicht mehr die Landesregierung stützen könnten.
Deswegen bin ich enttäuscht darüber, dass Sie die Debatte im Ausschuss mit uns nicht geführt haben mit dem Ziel, eine gute Regelung gemeinsam zu schaffen, sondern mit dem Ziel, als CDU einem Gesetzentwurf der SPD aus grundsätzlichen Erwägungen heraus nicht zuzustimmen. Danke schön.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Kurzarbeiter- und Weiterbildungsregelungen sind die wesentliche Ursache dafür, dass sich der Thüringer Arbeitsmarkt noch als relativ stabil erweist, sie sind also tauglich. Ohne Wenn und Aber gilt, die Verlängerung der Inanspruchnahme von Kurzarbeit war und ist richtig. Kurzarbeit sorgt für den Erhalt der Verantwortung der Arbeitgeber gegenüber den Arbeitnehmern und sie sorgt für den Erhalt der Bindung der Arbeitnehmer an den Betrieb. Im Zusammenhang mit der möglichen und erwünschten Qualifizierung übernimmt Kurzarbeit mehr als nur eine Brückenfunktion für wirtschaftlich bessere Zeiten. „Qualifizierung jetzt“ bietet die Chance zur individuellen Förderung und zur betrieblichen Weiterentwicklung und „Qualifizierung jetzt“ bietet die Chance zur Anpassung des Betriebs an absehbare Marktanforderungen und letztlich auch der Sicherung des künftigen Fachkräftebedarfs. Zusammengefasst also von uns eine klare Antwort auf die von den Kollegen der LINKEN implizierte Fragestellung zur Tauglichkeit: Ja, wir sind davon überzeugt, dass sowohl Kurzarbeit als auch Qualifizierung außerordentlich tauglich sind. Sie bewahren Thüringen derzeit vor einer Arbeitsmarktkrise großen Ausmaßes und sie bewahren Zehntausende Menschen vor Arbeitslosigkeit. Dass es dabei auch manchmal Umsetzungsprobleme gibt, ist keinerlei Grund, an der Tauglichkeit zu zweifeln. Der Bundesagentur für Arbeit sei ausdrücklich gedankt für ihr außerordentliches Engagement bei der Umsetzung der Regelungen. Sie hat sich als leistungsfähige Behörde erwiesen. Ich erwarte, dass sie von der Landesregierung unterstützt wird, z.B. durch den zielgerichteten Einsatz der vom Land geförderten Qualifikationsberater. Wenn die Landesregierung heute ebenso wie wir überzeugt ist von der Verlängerung der Kurzarbeit, dann freut uns das. Zur Erinnerung: Als Olaf Scholz im Februar erklärte, das Kurzarbeitergeld auf bis zu 24 Monate verlängern zu wollen, wurde dies von CDU/CSU grundsätzlich abgelehnt. Der CDU-Arbeitsmarktpolitiker Brauksiepe sah keinen Handlungsbedarf. Der CDU-Mittelstandsvertreter Fuchs erklärte: „Das ist mit der Union nicht zu machen, weil es die Beitragszahler zu stark belastet.“ - beides in der BILD am 20. Februar. Im gleichen Zentralorgan der CDU erklärte Laurenz Meyer dann sechs Wochen später am 2. April: „Wir müssen alles unternehmen, damit möglichst viele Arbeitnehmer in den Betrieben bleiben.“ Immerhin - besser eine späte Einsicht als keine.
In Thüringen ist in der gesamten Legislaturperiode von der CDU Arbeitsmarktpolitik kleingeschrieben worden. Abwarten und Wegschauen war und ist das Motto im Wirtschaftsministerium, der Markt sollte alles regeln. Werte Kolleginnen und Kollegen von
der Union, spätestens in den letzten Monaten sollten Sie begriffen haben, der zügellose Markt wird zu nichts anderem als zu eklatanter sozialer Ungerechtigkeit und zum Chaos führen.
Erforderlich ist politische Gestaltung, erforderlich ist eine aktive Arbeitsmarktpolitik. Aktive Arbeitsmarktpolitik ist nicht nur das Gebot der Stunde, sondern auch das Gebot der Thüringer Verfassung. Schließlich sagt Artikel 36: „Es ist ständige Aufgabe des Freistaats, jedem die Möglichkeit zu schaffen, seinen Lebensunterhalt durch frei gewählte und dauerhafte Arbeit zu verdienen.“ Wenn man sich das vor Augen führt, dann hat diese Landesregierung gegenüber dem Verfassungsauftrag versagt. Sie hat spätestens jetzt - über die Unterstützung bundesrechtlicher Regelungen wie der Kurzarbeit hinaus - in der Arbeitsmarktpolitik eine Menge zu tun, nämlich sich um all diejenigen zu kümmern, die von diesen Regelungen bereits nicht mehr profitieren oder noch nie profitieren konnten, wie z.B. viele ehemalige Leiharbeiter und langzeitarbeitslose Menschen. Sie hätte gemeinsam mit den Gewerkschaften - Opel sollte ihr eine Lehre sein - für die Vorlage von Arbeitsmarktkonzepten zu sorgen. Aber Fehlanzeige, stattdessen Beschwichtigung, Schönrederei und Schmücken mit fremden Federn.
Dieser nun fünf Jahre in der Arbeitsmarktpolitik anhaltende Zustand wird zum Glück am 30. August beendet sein. Ich bin mir sicher, die bisherige Landesregierung samt der sie tragenden Fraktion kann sich dann der Qualifikation widmen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, zu den Aussagen bezüglich der Arbeitsmarktinstrumente, Herr Minister, werden wir wahrscheinlich morgen noch vor einem interessierten Fachpublikum in der Nacht vom Freitag auf Samstag bei dem Tagesordnungspunkt 21 reden.
Zu der Frage der privaten Wette, ich wette eigentlich nicht, weil ich zu viel Geld für Lotto-Scheine ausgebe, damit bei uns im Wahlkreis auch genug an Lotto-Mitteln von Ihnen über die Landtagsabgeordneten verteilt werden können. Deswegen kann ich mir das zusätzlich nicht mehr leisten, aber wir zählen trotzdem zusammen nach dem 30.08.2009. Vielleicht noch eine Bemerkung: Zur Frage des Pragmatismus kann ich Ihnen nur sagen, die haben Sie wenigstens vor unserer Fraktion bisher gut verbergen können. Das ist Ihnen auf jeden Fall gelungen.
Vielleicht noch mal was zu der Aktuellen Stunde, die heute gekommen ist. Ich habe so den Eindruck gehabt, dass die Aktuelle Stunde zum Thema Kurzarbeit von der Fraktion DIE LINKE einfach nur als Platzhalter benutzt worden ist, damit ein anderes Thema hier verhindert werden konnte, weil sie da keinen Einfluss darauf nehmen kann. Trotzdem ist es ja interessant gewesen. Interessant war auch, dass Herr Günther dann gesagt hat, insgesamt war das ja ein guter Anfang, aber dann wurde es doch schwach. Schwach wurde es dann, Herr Günther, als ich Ihnen nachgewiesen habe, dass Sie als CDU zumindest auf Bundesebene sich vehement
gewehrt haben gegen die Regelung, die Sie hinterher als wirksam und gut für Thüringen hier verkauft haben. Ich sage das noch mal, damit es klar bleibt: Wir haben in Berlin dafür gesorgt, unser Arbeitsminister hat dafür gesorgt, dass die Kurzarbeit in Verbindung mit Qualifizierung in der verlängerten Version in dieser Krisenzeit durchgesetzt werden konnte gegen anfänglich erheblichen Widerstand aus Ihren Reihen. Ich habe es zitiert von Ihren sogenannten Experten für Arbeitsmarkt- und Mittelstandspolitik. Deswegen kann ich es gut verstehen, dass Sie es sagen, aber der schwache Teil war an Ihrer Stelle, weil Sie nicht über eigene Politik hier geredet haben. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, auch ich will noch einmal, nachdem mein Kollege Höhn zu der juristischen Seite Stellung genommen hat, versuchen, den sozialpolitischen Blickwinkel zu suchen und nehme auch zum Anlass die aktuelle Berichterstattung in der Arbeitsmarktforschung vom IAB, die heute in der Presse eine Rolle gespielt hat, denn dort ist ja tatsächlich ein umfangreiches Resümee über die ersten vier Jahre Hartz IV vorgelegt worden. Festgestellt wurden dort unter anderem erhebliche Mängel in der Beratung und Betreuung. Ein erheblicher Teil dieser Mängel wird sich auch in dieser Klageflut niederschlagen und das war von Anbeginn der Inkraftsetzung des SGB II offensichtlich. Nun kann man trefflich über die handwerklichen Mängel im Gesetzgebungsverfahren streiten, das ist auch hier gemacht worden, und einen der gravierendsten Mängel hat aus unserer Sicht das Bundessozialgericht in dieser Woche sehr zu Recht betont, die verfehlten und unzureichenden Regelsätze für Kinder. Nicht nur da zeigt sich, dass die von den CDU-Bundesländern damals im Bundesratskompromiss mit Vehemenz vertretene Philosophie, den Druck auf Arbeitslose zu erhöhen, falsch war und ist. Nach vier Jahren ist nun auch wissenschaftlich noch einmal untermauert, dass Ursachen für Langzeitarbeitslosigkeit in erster Linie fehlende Arbeitsplätze sind und nicht etwa der Unwillen der Arbeit Suchenden. Es hat sich aber auch herausgestellt, dass frühere Sozialhilfeempfänger mit dem SGB II bessere Chancen zur beruflichen Integration haben als zuvor. Deshalb ist die von den Kollegen der LINKEN auch heute wieder mantrahaft vorgetragene These „Hartz IV muss weg“ eben genauso grundfalsch wie die Annahme der CDU, dass Langzeitarbeitslosigkeit durch schlechtere Förderung und höheren Druck auf die Arbeit Suchenden abgebaut werden könnte. Die nun wirklich nicht neue Erkenntnis lautet stattdessen, das SGB II und dessen Umsetzung sind ohne ideologische Scheuklappen zu verbessern, und zwar schnell. Wenn sehr zu Recht in dieser Studie von Mängeln in der Beratung und Betreuung berichtet wird, dann hat diese Landesregierung daran ihren unmittelbaren Anteil. Sie wusste nämlich nichts Besseres, als bewährte Beratungsangebote und Arbeitsförderungsinstrumente des Landes zu zerschlagen. Die originäre Arbeitsmarktförderung des Landes wurde von fast 180 Mio. € 1999 auf aktuell noch 3,7 Mio. gekürzt. Der gesetzliche Auftrag der Jugendberufshilfe im Ausführungsgesetz des Landes zum SGB VIII Kinder- und Jugendhilfe wurde ebenso wie die Förderung bis fast zur Unkenntlichkeit eingedampft. Schließlich wurde am 1. August 2005 bereits die Förderung zur Unterstützung von Arbeitsloseninitiativen, Arbeitslosenberatungs- und Arbeitslosenselbsthilfegruppen eingestellt. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als die
Mitarbeiter in den Grundsicherungsämtern mit dem Aufbau der neuen Strukturen bis über die Halskrause hinaus ausgelastet waren. Jede zusätzlich qualifizierte Beratung und Unterstützung hätte damals und würde heute Konfliktstoff beseitigen, der sich auch vor den Sozialgerichten wiederfindet. Sie wäre hilfreich für beide Seiten, für die arbeitslosen Menschen, die sich auf eine neue Situation einstellen mussten und für die Mitarbeiter in den Grundsicherungsämtern, die in einem Kraftakt ohnegleichen mit dem Aufbau einer völlig neuen Behördenstruktur befasst waren und auch eigentlich noch sind.
Die SPD-Landtagsfraktion hat mehrfach einen konstruktiven Umgang der Landesregierung mit der Etablierung des SGB II eingefordert. Wir wollten, dass die Landesregierung Gestaltungsverantwortung mit übernimmt, dass sie die Kommunen, die freien Träger und die Betroffenen unterstützt. All das stößt unverändert auf taube Ohren. Rückzug auf Nichtzuständigkeit, Abwarten, Hoffen auf die Selbstheilungskräfte des Marktes, Schuldzuweisung an andere, das war und ist Realpolitik der CDU-Landesregierung und der sie tragenden Fraktion. Eine der Konsequenzen dieser Ignoranz ist die Klageflut an den Sozialgerichten.
Frau Walsmann, bedanken Sie sich bei Ihren Kollegen im Wirtschafts- und Sozialministerium, von „nichts tun“ kommt eben „nichts Gutes“. Aber ich bin mir sicher, die Landesregierung wird auch diesmal ihre Hände in Unschuld waschen wollen und Schuldige aufzählen. Ich bin mir aber auch sicher, am 30. August ist diese politische Ignoranz zu Ende. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, die beste Vereinbarkeit von Familie und Beruf wurde kürzlich von der Bundesfamilienministerin in einer Tagung mit den Arbeitgeberverbänden als Schlüssel angesehen, um die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern zu schließen. Eine Erweiterung des Berufswahlverhaltens und mehr Frauen in zukunftsorientierten Berufen waren weitere Forderungen. Die Ignoranz der Landesregierung gegenüber diesen Forderungen wurde von meiner Kollegin Ehrlich-Strathausen bereits dargestellt. Wenn allerdings selbst die CDU-Bundesfrauenministerin beklagt, dass die durchschnittlichen Löhne der Frauen in Westdeutschland gegenüber ihren männlichen Kollegen 24 Prozent niedriger liegen und wenn der Thüringer Landesfrauenrat einen Unterschied von 58 Prozent in den ostdeutschen Bruttolöhnen feststellt, dann wird ein weiterer Handlungsbedarf offensichtlich. Wir brauchen mehr Lohngerechtigkeit, nicht nur zur Herstellung von Chancengleichheit zwischen Frauen und Männern, aber eben auch deshalb. An diesem Punkt verleugnet die CDU-Bundesministerin ganz im Sinne ihrer Partei die Realität. Lohnangleichung zwischen Männern und Frauen ist eben nicht nur mit einer Änderung des Rollenverhaltens zu erreichen, schon gar nicht in der Thüringer CDU, da erfolgt die Rolle bekanntlich rückwärts, nein, wir brauchen mehr,
wir brauchen einen gesetzlich geregelten und Existenz sichernden Mindestlohn. Dies ist eine elementare Voraussetzung für soziale Marktwirtschaft. Selten wurde das deutlicher als in der Anhörung zur Leiharbeit. Dort hat einer der Unternehmensvertreter betont, dass das erzielte Einkommen nichts mit der Existenzsicherung des Arbeitnehmers zu tun habe. Das ist ein Verständnis von brutalst möglicher Marktwirtschaft und nicht von sozialer Marktwirtschaft. Zu solch einer Kultur, zu solch einem Selbstverständnis kommt es, wenn neoliberale Politik es ver
säumt oder verweigert, innerhalb der Marktwirtschaft Regeln festzulegen. Aus guten Gründen haben wir eine Thüringer Verfassung, die in Artikel 36 einen völlig anderen Auftrag erteilt. Ich erlaube mir zu zitieren: „Es ist ständige Aufgabe des Freistaats, jedem die Möglichkeit zu schaffen, seinen Lebensunterhalt durch frei gewählte und dauerhafte Arbeit zu verdienen.“ Wir erleben in der heutigen Diskussion, dass viele Frauen in Thüringen weit davon entfernt sind, ihren Lebensunterhalt entsprechend dem Verfassungsauftrag zu verdienen. Es sind nicht nur Frauen, die unter diesen Bedingungen in Thüringen arbeiten; es sind aber vor allen Dingen Frauen. Das bedeutet für die Zukunft übrigens auch - und da hat ja gerade meine Vorrednerin darauf hingewiesen -, dass Altersarmut auch vorrangig weiblich sein wird. Im Umkehrschluss heißt das, dass Frauen diejenigen sind, die von der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes am meistens profitieren. Deshalb noch einmal: Soziale Marktwirtschaft setzt Regeln voraus, die von allen Akteuren einzuhalten sind; und Politik ist aufgefordert, diese Regeln zu schaffen, es ist im Sinne unserer Verfassung ihre Aufgabe. Deshalb ist der Widerstand der CDU-Landesregierung gegen einen gesetzlich geregelten Mindestlohn nicht nur frauenfeindlich, er ist auch die Verweigerung, den Verfassungsauftrag ernst zu nehmen. Man kann sich bei den auf dem Tisch
liegenden Fakten nicht hinstellen und behaupten oder hoffen, dass derartige Lohnunterschiede und Benachteiligungen allein durch den Markt zu regeln wären. Wenn es je eines Beweises bedurft hätte, dass Politik für Zähmung der Marktwirtschaft in der Verantwortung steht, dann liebe Kolleginnen und Kollegen, insbesondere von der CDU, empfehle ich Ihnen in den heutigen Zeiten Tag für Tag das Studium der Wirtschaftsseiten in den Zeitungen. In diesen Tagen genügen auch die Schlagzeilen. Der Hilferuf nach politischer Verantwortung von denen, die den Karren in den Dreck gefahren und vorgestern noch jeden politischen Einfluss verdammten, ist weder zu übersehen noch zu überhören.
Ein Hilferuf aber sollte uns wichtiger sein, der Hilferuf all derjenigen, die in Thüringen nicht von ihrer Hände Arbeit leben können und die sich mit keinen horrenden Abfindungen aus der Verantwortung stehlen können. Wie gesagt, es sind nicht nur, aber vor allen Dingen Frauen, die unsere Hilfe brauchen. Deshalb noch einmal: Wer deren Lohndiskriminierung beseitigen will, wer unseren Verfassungsauftrag ernst nimmt, der muss für einen gesetzlichen Mindestlohn eintreten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich nehme es gleich vorweg, meine Fraktion wird den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf gerichtliche Überprüfung der Tariffähigkeit der Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalserviceagenturen, kurz CGZP, unterstützen. Der wichtigste Grund für die Unterstützung dieses Antrags ist für meine Fraktion offensichtlich, die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften (CGZP) ist keine Gewerkschaft, sondern eine Pseudoarbeitnehmerorganisation.
Das hat die Anhörung zu unserem Antrag „Gesetzliche Mindeststandards für Leiharbeitnehmer verbessern“ im Wirtschaftsausschuss deutlich gezeigt. Ich erinnere da an die Stellungnahme von Prof. Dr. Schüren, der uns als geschäftsführender Direktor des Instituts für Arbeits-, Sozial- und Wirtschaftsrecht der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster auch gleich auf die gesetzlich bereits vorhandenen Möglichkeiten hinwies. Deshalb, weil die CGZP nicht die Eigenschaften einer Gewerkschaft besitzt, weil sie gar nicht in der Lage ist, Arbeitnehmerinteressen wirksam zu vertreten, und weil die rechtlichen Voraussetzungen gegeben sind, haben wir die Pflicht, der Gesetzgebung und Rechtsprechung Geltung zu verschaffen. Wir können schon aus Gründen der sozialen Hygiene nicht tatenlos zusehen, wenn ein we
sentliches Element des sozialen Friedens zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern einseitig zulasten der Arbeitnehmer ausgehöhlt wird. Es gibt in Thüringen eine Vielzahl von Arbeitnehmern, und dazu zähle ich die durch die CGZP vertretenen ebenfalls, die ihre Arbeitskraft weit unter Wert hergeben. Sie tun dies, weil sie nicht über eine entsprechende Marktmacht verfügen, also eine schlechte Verhandlungsposition haben. An dieser Stelle kommen nach unserer Verfassungsordnung die Gewerkschaften ins Spiel. Sie aggregieren die Interessen der Arbeitnehmer und erhöhen die Macht ihrer Mitglieder durch Bündelung wesentlich, so zumindest die Theorie. In der Praxis zeigt sich leider etwas anderes. Die sogenannten gelben Arbeitnehmerorganisationen sind eben gerade nicht in der Lage, die Macht ihrer Arbeitnehmer zu bündeln und sich damit zum sozialen Gegenspieler der Arbeitgeber aufzuschwingen. Sie verfügen nicht über die entsprechende Durchsetzungskraft schon mangels Mitgliederschaft. Eine Arbeitnehmervereinigung muss nach der vom Bundesverfassungsgericht bestätigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bestimmte Mindestvoraussetzungen erfüllen, um tariffähig und mithin Gewerkschaft sein. Schon heute erfüllt die CGZP verschiedene dieser Voraussetzungen nicht, bei anderen ist die Erfüllung zumindest zweifelhaft. Tariffähig kann nämlich nur eine Arbeitnehmervereinigung, eine Koalition im Sinne von Artikel 9 Abs. 3 unseres Grundgesetzes sein, deren satzungsmäßige Aufgabe die Wahrnehmung der Interessen ihrer Mitglieder als Arbeitnehmer ist, wohlgemerkt als Arbeitnehmer, nicht die der Arbeitgeber. Die Rechtsprechung fordert von Arbeitnehmervereinigungen, die tariffähig und Gewerkschaft sein wollen, weiterhin Durchsetzungskraft gegenüber dem sozialen Gegenspieler, die sogenannte Mächtigkeit. Die Durchsetzungskraft ist zunächst an der Mitgliederstärke und ihrer Streuung im satzungsgemäßen Organisationsbereich zu messen. Alles, was ich über den Mitgliederbestand und die Art der Mitgliederwerbung der CGZP bisher vernommen habe, taugt nicht dazu, ausreichende Mächtigkeit zu bescheinigen, denn es kommt auf die tatsächliche Durchsetzung an. Diese kann aber eine Arbeitnehmervereinigung mit nur wenigen Mitgliedern regelmäßig nicht gewährleisten.
Ist die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften als Organisation überhaupt ausreichend leistungsfähig? Verfügt sie über hinreichend Fachpersonal zur Analyse und Bewertung wirtschaftlicher Zusammenhänge? Gibt es genug Fachkräfte zur Durchführung und Überwachung der Anwendung von Tarifverträgen? Wie viele hauptamtliche Funktionäre hat sie? Ist sie in der Lage, Streikaktionen zu organisieren? Kann sie Arbeitgeber überhaupt unter Druck setzen? Das sind einige der Fragen, die vor Gericht erörtert und beantwortet werden müssen. Da das Arbeitsgericht die Entscheidung über die Gewerk
schaftseigenschaft im Beschlussverfahren trifft, in dem von Amts wegen die relevanten Sachverhalte ermittelt werden müssen, trifft die CGZP eine umfangreiche Mitwirkungs- und Darlegungspflicht. In der mutmaßlich wichtigen Frage, wie viele Mitglieder die CGZP in welchen Organisationsbereichen hat, wird der Verband endlich belastbare Angaben machen müssen - zumindest, wenn er dazu selbst in der Lage ist. In einer Verhandlung vor dem Arbeitsgericht in Berlin im Jahre 2006 hat die CGZP Angaben über ihre Mitgliederstärke verweigert. Die Kammer hat zwar die Klage aus formalen Gründen abgewiesen, Richter Thorsten Spatz habe aber erhebliche Zweifel an der Tariffähigkeit der CGZP, wie er bei der Verkündung des Urteils ausführte. Auch der Nachweis, dass die Tarifverträge tatsächlich eingehalten werden, wäre von der CGZP zu führen, um die Mitwirkungspflichten nicht zu verletzen. Das wird schwerlich gelingen. Die Tatsache, dass die CGZP Tarifverträge abschließt, ist für sich genommen noch kein Indiz für Mächtigkeit. Sie kann es auch gar nicht sein. Denn ich erinnere an die Arbeitsgemeinschaft unabhängiger Betriebsangehöriger AUB. Diese hatte unter Herrn Schelsky, dem langjährigen Vorsitzenden der AUB, seit Anfang der 70er-Jahre unzählige Tarifverträge geschlossen. Und wie erst jüngst, also fast 30 Jahre nach ihrer Gründung, zutage kam, war diese Vereinigung wohl eher eine Arbeitnehmerorganisation von Arbeitgebers Gnaden. Es sind zweistellige Millionenbeträge für Beratungen an Herrn Schelsky geflossen, aus denen sich die AUB finanzierte. Schelsky selbst räumte ein, ich war verdeckt als Lobbyist für Siemens tätig. Ich halte Ähnliches, wenn auch vielleicht nicht in diesem Ausmaß, auch bei anderen vorgeblichen Arbeitnehmerorganisationen für möglich. Und ich möchte nicht, dass wir dies auch erst nach 30 Jahren feststellen und die betroffenen Arbeitnehmer 30 Jahre lang Löhne gezahlt bekommen, die die Arbeitgeber mehr oder weniger mit sich selbst aushandeln. Dies sollten wir unseren Arbeitnehmern ersparen. Deshalb halte ich eine gerichtliche Überprüfung der CGZP für dringend geboten. Die sogenannte Gegnerfreiheit war hier nicht gegeben. Die AUB besaß demzufolge lange Zeit nicht die Tariffähigkeit und sie hat trotzdem Tarifverträge geschlossen - Tarifverträge, die Grundlage für viele Arbeitnehmer waren. Gegnerfreiheit bedeutet aber nicht nur finanzielle, sondern auch personelle Unabhängigkeit vom sozialen Gegenspieler, also z.B. von Unternehmen bzw. Arbeitgebern. Unter den Gewerkschaftsmitgliedern dürfen folglich nicht solche sein, die gegenläufige soziale Interessen haben. Auch hier habe ich bei der CGZP Zweifel. Sie, meine Damen und Herren von der CDU, kommen mir jetzt sicher mit dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts, das seinen Sitz hier in Erfurt hat, aus dem Jahre 2006. Das BAG gelangte, das will und kann ich gar nicht verschweigen, zu dem Ergebnis, die Christliche Ge
werkschaft Metall CGM sei als tariffähige Gewerkschaft anzuerkennen. Dies bedeutet allerdings noch nicht, dass auch die Dachorganisation, die CGZP, diese Eigenschaft besitzt. Und das BAG hat aus meiner Sicht gerade den Punkt der Mächtigkeit nicht genügend gewürdigt. Es stellt sich für mich an dieser Stelle die Frage, wie das Gericht überhaupt zu dieser Ansicht gelangen konnte, denn die CGM hat meines Erachtens eben gerade mangels Mitglieder nicht die Mächtigkeit, ebenbürtig mit Arbeitgebern zu verhandeln, ihre Forderungen im Ernstfall auch im Arbeitskampf durchzusetzen und über die Einhaltung der Vereinbarungen zu wachen. Es gab in der Vergangenheit auch durchaus schon andere Einschätzungen der Gerichte zu dieser Frage. So hat das Arbeitsgericht Stuttgart am 12. September 2003, also morgen vor fünf Jahren, durch Beschluss festgestellt, dass die CGM eben keine tariffähige Gewerkschaft im arbeitsrechtlichen Sinne ist. Auch andere Arbeitsgerichte haben zuvor schon Christlichen Arbeitnehmervereinigungen den Gewerkschaftsstatus abgesprochen. Und noch ist nahezu jedes Klageverfahren auf equal pay zugunsten des Arbeitnehmers oder aber per Vergleich beendet worden. Es kann ja auch kein Argument sein, dass noch kein Bundesland oder der Bund selbst von dem in § 97 Abs. 1 Arbeitsgerichtgesetz vorgesehenen Recht Gebrauch gemacht hat. Dort heißt es, in den Fällen des § 2 a Abs. 1 Nr. 4, also in Fällen über die Entscheidung eines Gerichts für Arbeitssachen über die Tariffähigkeit und die Tarifzuständigkeit einer Vereinigung wird das Verfahren auf Antrag einer räumlich und sachlich zuständigen Vereinigung von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern oder der obersten Arbeitsbehörde des Bundes oder der obersten Arbeitsbehörde eines Landes, auf dessen Gebiet sich die Tätigkeit der Vereinigung erstreckt, eingeleitet. Warum steht dies im Gesetz, wenn es keiner anwenden soll? Wie ist es denn dort hineingekommen? Ich sage, es steht wohlweislich dort drin. Es ist Usus, Verfahren per Vergleich zu beenden und dann ergehen eben keine Urteile. Dies hilft aber nur den Klägern im Einzelfall und nicht allen Betroffenen. Dieses Dilemma wird mit § 97 nun eben ausgeschaltet. Und irgendjemand muss immer den Anfang machen, warum nicht Thüringen?
Meine Damen und Herren, die Leiharbeitsbranche befindet sich in einem tarifpolitischen Abwärtssog. Zwar gilt seit 2003 das Prinzip des IFP, Zeitarbeitnehmer in einem Betrieb müssen so gestellt werden wie die Beschäftigten, die dort fest angestellt sind. Dies gilt jedoch nicht, wenn für Leiharbeiter ein eigener Tarifvertrag existiert. Eine Vereinbarung zwischen der DGB-Tarifgemeinschaft und dem Bundesverband Zeitarbeit von Februar 2003 sah einen Stundenlohn von rund 11 € für einfache Facharbeit vor. Damit gab es eine Übereinkunft mit den großen Unternehmen der Branche. Die sonst weitge
hend bedeutungslose sogenannte Christliche Gewerkschaftsbewegung vereinbarte jedoch parallel Tarifverträge. Diese lagen weit unter dem DGB-Niveau. Weitere Verbands- und eine Vielzahl von Haustarifverträgen haben die Mindeststundensätze für die unterste Lohngruppe auf zwischen 5 und 6 € sinken lassen. Auch das spezielle Schutzkonzept des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes ist nicht nur meines Erachtens durch sachwidrigen Unterbietungswettbewerb angeblicher Arbeitnehmerorganisationen weitgehend außer Kraft gesetzt. Abweichungen vom gesetzlichen Lohngleichheitsgebot können auch nicht tarifgebundene Arbeitgeber nutzen, wenn sie im Arbeitsvertrag auf einen einschlägigen Tarifvertrag Bezug nehmen. Die Folge ist, Zeitarbeitsunternehmen können sich so den billigsten Verbandstarifvertrag aussuchen. In Tarifverhandlungen kann die Arbeitgeberseite dann darauf verweisen, dass die Konkurrenz alle Verhandlungsergebnisse mühelos unterbieten kann. Das zeigt aus meiner Sicht, dass die Interessen der Arbeitnehmer in dieser Branche momentan nicht wirksam vertreten werden können. Wir müssen im eigenen Interesse die Abwärtsspirale des Lohnniveaus vieler Arbeitnehmer unterbrechen. Die geltenden Gesetze lassen dieses zu. Der Alltag zeigt uns den Handlungsbedarf. Zweifel am Ausgang eines solchen Verfahrens bestehen kaum, da Tariffähigkeit und damit die Gewerkschaftseigenschaft der CGZP daran scheitern, dass der Verband und ein Großteil seiner angeschlossenen Mitglieder mächtig im Sinne der Rechtsprechung wären.
Meine Fraktion wird dem Antrag der Fraktion DIE LINKE zustimmen. Und auch Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen der Fraktion der CDU, täten gut daran, dem Antrag zuzustimmen. Wenn Sie unsere Rechtsordnung schützen und für Klarheit sorgen wollen, wenn Sie das hohe Gut des sozialen Friedens für bewahrenswert halten, wenn Sie die Sorgen und Nöte der Beschäftigten der Leiharbeitsbranche ernst nehmen, wenn Sie es ehrlich meinen mit der nunmehr häufiger von der Landesregierung vertretenen Auffassung, dass die Löhne in Thüringen steigen müssen, dann sollten, ja, dann müssen Sie diesen Antrag unterstützen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Minister Reinholz, ich bin ein bisschen enttäuscht. Ich hatte gehofft, dass das, was ich heute morgen als aktuelle Nachricht aus einem anderen Bundesland gelesen habe, auch dazu führt, dass sich bei Ihnen im Haus noch mal mit der gesamten Frage beschäftigt wird.
Es ist so, dass es anscheinend dem überwiegenden Teil der CDU auch hier im Hause egal ist, dass unsere Verfassung - und hier meine ich die Verfassung des Grundgesetzes - auch Regeln für die Wirtschaft festlegt. Alles, was daraus abgeleitet wird, wird von Ihnen als sozialistisches Teufelswerk dargestellt. Davon müssen Sie sich lösen, das ist nicht so. Diese Verfassung, das Grundgesetz für die Bun
desrepublik Deutschland, legt klare Regeln fest.
Zu diesen Regeln gehört unter anderem die Tarifautonomie. Die Tarifautonomie ist zu schützen. Für die Tarifautonomie bestehen gewisse Voraussetzungen auf beiden Seiten. Ich habe mich noch mal gemeldet, weil Ihr Kollege sich heute Morgen sowohl im DeutschlandRadio als auch in Focus-Online anders geäußert hat, nämlich Ihr Kollege Laumann, Arbeitsminister in Nordrhein-Westfalen. Herr Laumann hat in einem Interview unter dem Titel „Bonus für Gewerkschaftsmitglieder“ gesagt: „Es entstehen Scheingewerkschaften, die nur dafür da sind, Tarifverträge zu unterbieten. Es gibt schon einige Entwicklungen,“ - ich zitiere ihn weiter - „die machen uns große Sorge und am Ende einer weiteren Erosion der Tarifverträge steht ja, dass der Ruf immer lauter wird, der Staat soll es regeln.“ Dann sagt er weiter: „Wir in Nordrhein-Westfalen sind aber der Meinung, dass Privat vor Staat geht, dass Selbstverwaltung vor staatlichen Entscheidungen geht.“ Daraus leitet er dann ab, dass man Tarifverträge braucht, starke Gewerkschaften, Flächentarifverträge, und er verlangt auch starke Arbeitgeberorganisationen. Auch die Erosion der Arbeitgeberseite in Bezug auf Tarifverträge und Tarifautonomie sieht er als Bedrohung für das, was CDU-ler, die sich auch auf Einheitsgewerkschaften berufen, Arbeitsminister der CDU in Nordrhein-Westfalen, in den Vordergrund stellen.
Dann will ich noch etwas zitieren. Vielleicht ist das ja ein Grund dafür, dass Sie ein wenig darüber nachdenken. „Dafür“ - sagt er nämlich - „brauchen wir keine Scheingewerkschaften, dafür brauchen wir im Übrigen“ - und das bezieht sich wahrscheinlich auch auf die Christlichen Gewerkschaften - „auch nicht immer mehr Gewerkschaften, die nur ganz kleine Berufsgruppen mit sehr individuellen Interessen vertreten, sondern wir brauchen Flächentarifverträge, um auch für Branchen noch etwas erreichen zu können.“ Er verweist auch darauf, dass der CDU-Landesverband der stärkste in der CDU ist und sich mit dieser Auffassung sehr schwergewichtig innerhalb der Gesamtpartei durchsetzt.
Sie können heute noch gegen den Antrag der LINKEN stimmen. Sie werden sich überlegen müssen, was Sie machen, wenn ein Bundesparteitag von Ihnen sich damit beschäftigt hat. Das gibt auf jeden Fall noch Hoffnung in Ihren Reihen, zwar nicht in Thüringen, aber es gibt sie noch. Danke.
Gerne.
Danke. Ich wusste nicht, ob es noch weiter geht mit dem Zitat. Ich habe auf diese Gesetzesstelle ja selber in meinem ersten Beitrag hingewiesen. Aus meiner Sicht gibt es nicht nur die rechtliche Möglichkeit, aus meiner Sicht gibt es einen Zwang, die Rechtsordnung zu schützen.
Aus diesem Grund ist die Regierung aus meiner Sicht verpflichtet, ein solches Verfahren zu machen. Es auf den Bund abzuschieben, ist von daher nicht zulässig, weil es sich hier um Tarifverträge und Tarifvertragsbereiche handelt, die uns hier insbesondere in Thüringen sehr stark angehen. Danke.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, ich werde mich in meinen Ausführungen auf die beiden hier zur Diskussion stehenden Anträge beziehen und werde deswegen auch nicht auf die vielen eher populistischen Aussagen von Herrn Kubitzki eingehen. Ich sage mal, um diese Zeit hat er die von meiner Seite aus umsonst.
Der von den beiden Koalitionspartnern in Berlin vor wenigen Tagen beschlossene 3. Armuts- und Reichtumsbericht sorgte offensichtlich schon im Vorfeld für politische Bewegung. Schon die Diskussion der letzten Monate brachte die Kolleginnen und Kollegen der CDU im Bund, aber auch hier im Land auf Trab. Innerhalb der Bundesregierung wurde der Bericht als rot-grünes Relikt noch nie wirklich von der Union gelitten, also wurde in Berlin insbesondere vom Bundeswirtschaftsminister dagegen gehalten. Er mäkelte, dass die ab 2006 stattgefundene positive wirtschaftliche Entwicklung und der Abbau der Arbeitslosenzahlen nicht berücksichtigt wurde. Immerhin monierte er nicht, dass die Reichen sowohl im Berichtszeitraum als auch danach reicher wurden. Im Ergebnis ist der CDU der Versuch der Bagatellisierung nicht gelungen. Wir müssen auf allen politischen Ebenen zur Kenntnis nehmen, dass sich die Schere zwischen Arm und Reich weiter geöffnet hat. Das sorgt offensichtlich auch innerhalb der Thüringer CDU für Handlungsdruck. Endlich wird der über lange Jahre gepflegte Widerwillen und die Untätigkeit rund um die Sozialberichterstattung beendet. Deshalb begrüße ich ausdrücklich im Namen meiner Fraktion die Anträge der CDU und der LINKEN. Beide fordern die Landesregierung auf, tätig zu werden. Das kann nicht wirklich schaden, nein, es ist gut so. Tätig zu werden in dem Sinne, dass der Landtag endlich möglichst aktuelle Thüringer Daten in die Hand bekommt. Ich erwarte, dass die Landesregierung in der Lage ist, fundierte Aussagen zur Situation und zum Abbau von Armut zu treffen. Wir haben deshalb zunächst auf das Einreichen eines eigenen Antrags verzichtet. Offenbar scheint doch parteiübergreifend Einvernehmen darin zu bestehen, dass wir zur qualifizierten Bewertung der Situation diese spezifischen Thüringer Daten benötigen. Ob man nun Konsequenzen aus dem Armuts- und Reichtumsbericht zieht oder Folgerungen, das ist letztlich egal. Wichtig hingegen ist, dass die bisherige Abwehrhaltung der Landesregieung gegenüber einer derartigen Berichterstattung aufgegeben wurde.
Handlungsbedarf, meine Damen und Herren, wird aufgrund der Ergebnisse des Berichts der Bundesregierung auch in Thüringen bestehen. Es gibt keinen Anlass anzunehmen, dass die zentralen Aussagen des Berichts in Thüringen etwa nicht zutreffen würden. Demnach nimmt die Ungleichverteilung der Einkommen zu, zumindest für den Zeitraum zwischen 2002 und 2005 sind die Bruttolöhne zurückgegangen. Ich unterstelle, dass Thüringen in diesem Bereich eine besonders negative Rolle einnehmen wird. Wir haben bei der Diskussion um die Leiharbeit und um den Mindestlohn immer wieder die Niedriglohnideologie dieser Landesregierung vor Augen geführt bekommen. Das hat jetzt schon Folgen. Der Fachkräftemangel in einigen Bereichen ist unübersehbar. Und siehe da, der Wirtschaftsminister fordert ak
tuell, und zwar am 02.07.2008, auf einer CDU-Fachtagung die Wirtschaft zur Zahlung höherer Löhne auf. Es ist aber schwer, die einmal gerufenen Niedriglohngeister wieder aus den Köpfen zu verbannen. Schwer vor allen Dingen dann, wenn die Landesregierung politisch immer wieder anders handelt. Bei der Diskussion zur Leiharbeit haben wir erneut feststellen müssen, dass diese CDU-Landesregierung und die sie tragende Mehrheitsfraktion alles dafür tut, das selbst bestehende außerordentlich niedrige Tarifvereinbarungen weiter unterlaufen werden dürfen. Erstmalig im Jahr 2008 und längst nicht in allen Bereichen ist es den DGB-Gewerkschaften gelungen, den Trend jahrelanger Reallohnverluste umzukehren. Der Bundesbericht beschreibt in diesem Zusammenhang als eine Ursache der Reallohnverluste ausdrücklich die stark sinkende Tarifbindung in Deutschland, besonders in Ostdeutschland. Ihre ignorierende Haltung, liebe Kolleginnen und Kollegen der CDU, gegenüber dem missbräuchlichen Umgang mit Tarifverträgen, Ihre Abwehr von Mindestlöhnen, Ihre schulterzuckende Akzeptanz von Hungerlöhnen, Ihre Untätigkeit im Bereich der Leiharbeit und der öffentlichen
Auftragsvergabe, Ihre öffentliche Förderung von Niedrig- und Niedrigstlöhnen, all das sorgt für Armut in Thüringen. Sie werden bei Ihrem eigenen Antrag wohl kaum darum herumkommen, die Folgen Ihrer Politik auch zu beschreiben. Als besonders armutsgefährdete Gruppen werden im Bundesbericht Arbeitslose und Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung sowie Alleinerziehende genannt. Es ist bedauerlich, dass die CDU in ihrem Antrag Alleinerziehende nicht ausdrücklich als spezifische Gruppe genannt hat, auf die ein besonderes Augenmerk zu richten ist.
Die Bundesregierung betrachtet weiterhin die Zunahme des Niedriglohnbereichs auch bei Vollzeiterwerbstätigkeit mit Sorge. Die Thüringer Landesregierung geht damit offenkundig nach wie vor völlig sorglos um. Die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich zeichnet sich dadurch aus, dass nur das oberste Einkommenszehntel einen leichten Zuwachs in der Einkommensverteilung hat, während die mittleren Einkommensanteile stagnieren und die unteren fünf Einkommenszehntel gar sinken. Weiterhin wird auf den Zusammenhang zwischen geringer Qualifikation und höheren Armutsrisiken verwiesen. Schließlich wird die Teilhabe an Erwerbsarbeit als der entscheidende Faktor der Armutsvermeidung angesehen, vorausgesetzt, es handelt sich um eine sozial abgesicherte und vollzeitnahe Beschäftigung und vorausgesetzt, es erfolgt eine Lohnzahlung, die den Menschen ein Auskommen ohne zusätzliche
ergänzende Transferleistungen ermöglicht. Als Gegenstrategien werden unter anderem faire Arbeitsbedingungen und angemessene Erwerbseinkommen eingefordert. Alles brandaktuelle Themen, nicht nur auch, sondern gerade in Thüringen.
Meine Damen und Herren, der Aufschrei der Kollegen der CDU war groß, als der Bundesarbeitsminister die Vorstellung der vorläufigen Ergebnisse sehr zu Recht mit der Forderung nach einem Mindestlohn verbunden hat. Ich bin gespannt, welche Daten uns die Landesregierung für Thüringen offerieren wird und wie sie sich dann argumentativ gegen einen Mindestlohn aussprechen kann. Ich bin mir sicher, dass die Mehrheitsfraktion dieses Landtags dies gemeinsam mit der Landesregierung dennoch tun wird, aber die Argumentation wird Ihnen nach Vorlage auch Ihrer Daten noch schwerer fallen. Wer Armut bekämpfen will und Mindestlöhne verweigert, der ist politisch unglaubwürdig.
Wer Arbeit um jeden Preis propagiert, der will eine ungezügelte, nicht aber eine soziale Marktwirtschaft.
Noch eine Anmerkung sei gestattet. Armut wirkt sich bei Kindern besonders dramatisch aus. Sie mindert zu einem frühen Zeitpunkt die Chancen, das spätere Leben eigenverantwortlich zu gestalten. Der Kreislauf sich immer wieder reproduzierender Armut ist nicht mehr zu übersehen. Und die zunehmende Spaltung der Gesellschaft ist nirgends deutlicher als in unseren Kindergärten und Schulen. Gleichzeitig ist aber auch die Chance nirgends größer als im Kindesalter, Armut zielgerichtet und nachhaltig abzubauen. Das setzt zunächst und vorrangig die Versorgung bedürftiger Kinder mit ausreichender und gesunder Ernährung voraus. Der Handlungsbedarf ist unübersehbar. Ein Vorschlag auch meiner Fraktion zur Bekämpfung der Kinderarmut gemeinsam mit den Kommunen ab dem neuen Schuljahr liegt seit Monaten im Sozialausschuss. Außer Vertagung in den Herbst, Abwarten auf bundesgesetzliche Neuregelung und Ankündigungspolitik ist seitens der Landesregierung nichts geschehen.
Meine Damen und Herren, die hier beantragte Berichterstattung darf nicht zu weiteren Verzögerungen bei der Bekämpfung der Kinderarmut führen. Viel zu viel Zeit wurde durch Ignoranz und Lavieren der Landesregierung schon verloren. Die Bekämpfung der Kinderarmut hat keine Zeit bis zur Verteilung von Wahlkampfgeschenken. Berichte, so wichtig sie auch sind, sorgen nicht für eine vollen Bauch armer Kinder, die zunehmend mangel- und fehlernährt sind.
Nun noch einmal konkret zu den beiden Anträgen. Bei den Kollegen der LINKEN bezweifele ich, dass bis zum Oktober 2008 ein qualifizierter Bericht von der Landesregierung vorgelegt werden kann. Das ist aus unserer Sicht zu kurzfristig, wird uns aber nicht daran hindern, diesem ansonsten positiven Antrag zuzustimmen. Bei dem Antrag der Kolleginnen und Kollegen der CDU fehlen mir drei wesentliche Schwerpunkte, deren Aufnahme ich anrege.
1. Das Augenmerk sollte auch gerichtet werden auf die Gruppe der Alleinerziehenden.
2. Es sollte weiterhin Wert gelegt werden auf die Darstellung der Einkommensverteilung im Freistaat Thüringen, also auf arm und reich. Und es sollte eine Frist für die Folgerungen benannt werden.
Die von den Kollegen der CDU vorgenommene Ausweitung der zu beteiligenden Akteure wird von uns ausdrücklich begrüßt.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte vorab noch einmal Frau Leukefeld bestätigen. Ich glaube, wir waren in unterschiedlichen Anhörungen im Ausschuss. Das, was Herr Kretschmer hier dargestellt hat, ist nicht das, was auch wir aus der Anhörung mitgenommen haben.
Auf die Bemerkung von Herrn Kretschmer möchte ich bestätigen: Ja, Rot-Grün hat diese Gesetzesänderung damals beschlossen, aber man sollte auch an der Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass das auf Wunsch der Wirtschaft, verbunden mit Zusagen geschehen ist, die dann weitgehend nicht eingehalten worden sind. Weil es nicht eingehalten worden ist, sind wir der Auffassung, dass wir mittlerweile aufgrund der Erfahrungen einen deutlichen Korrekturbedarf in diesem Gesetz haben. Deswegen haben wir auch diesen Antrag gestellt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch einmal daran erinnern, was die vier Forderungen des Antrags in Kurzform sind:
Erstens ging es um die Aufnahme der Leiharbeit in das Entsendegesetz - öfter gesagt -, und zwar auf der Basis des DGB-Tarifvertrags, das ist wichtig; zweitens um eine Begrenzung der Verleihzeit auf
höchstens ein Jahr; drittens um den Ausbau der Mitbestimmungsrechte der Betriebs- und Personalräte in den entleihenden Firmen auf die Zeitarbeitnehmer, nämlich Mitbestimmungsrechte, um diesen Prozess von Leiharbeit im eigenen Betrieb dann auch regeln zu können, und es ging viertens um die Begrenzung des maximalen Anteils von Leiharbeitnehmern in einem Betrieb.
Die CDU-Mehrheitsfraktion hat damals im Oktober 2007 - das haben wir auch hier schon gehört - der Überweisung unseres Antrags und einer folgenden Anhörung im Wirtschaftsausschuss zugestimmt. Deshalb möchte ich die wesentlichen Argumente, die damals von Herrn Kretschmer für die CDU-Fraktion genannt worden sind, noch einmal in Erinnerung rufen. Sie, Herr Kretschmer, betonten damals, dass Sie es schlecht finden würden, wenn Zeitarbeit missbraucht würde, um geltende Tarifverträge auszuhebeln oder Belegschaften auszukehren. Wenn das so wäre, dann könne man ja noch einmal bereden, wie man möglicherweise im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz Änderungen herbeiführen müsse, um Missbrauch einzuengen. Und schließlich ging es Ihnen um eine Aufhellung der Situation, um dann möglicherweise mit einer Beschlussempfehlung hier in den Landtag zurückzukommen. Die Beschlussempfehlung liegt vor. Sie ist eine Beschlussempfehlung der CDU-Mehrheit des Ausschusses und sie empfiehlt die Ablehnung des SPD-Antrags. Anders gesagt, die CDU-Mehrheit sieht keinen gesetzlichen Regelungsbedarf im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz; noch klarer gesagt, die CDU will die Arbeitsbedingungen für Zeitarbeitnehmer nicht verbessern.
Nach Meinung der CDU ist in der Branche in Thüringen und auch bundesweit offensichtlich alles in Ordnung. Das, liebe Kolleginnen und Kollegen, verwundert mich angesichts der Ankündigung damals im Plenum und der Ergebnisse der Anhörung doch sehr. Diese Beschlussempfehlung hat nun mit der Anhörung im Wirtschaftsausschuss nichts, aber auch gar nichts mehr zu tun, ganz im Gegenteil. Ich will das auch noch einmal deutlich machen. Der weitaus größte Teil der Angehörten hat sowohl Missbrauch beklagt, als auch Handlungsbedarf benannt. Lassen Sie mich stichwortartig nur einige Beispiele aufzählen. Die Adecco Personaldienstleistungen GmbH hält einen Mindestlohn auf der Basis des DGB zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrung für erforderlich. Das Unternehmen beklagt, dass Ausgründungen von Unternehmen und Verlagerungen an Zeitarbeitsfirmen zum Teil an eigens gegründete Zeitarbeitsfirmen eine missbräuchliche Nutzung der jetzigen Rechtslage wäre. Der Bundesverband Zeitarbeit plädiert für die Aufnahme in das Arbeitnehmerentsendegesetz auf der Grundlage des mit dem
DGB abgeschlossenen Tarifvertrags. Der Interessenverband deutscher Zeitarbeitsunternehmen betont die Notwendigkeit der Aufnahme in das Arbeitnehmerentsendegesetz auf der Basis des DGB-Tarifvertrags. Er berichtet über schwarze Schafe in der Branche mit Stundenlöhnen um die 3 € und den Missbrauch der Rechtslage durch spezifische Haustarifverträge. Der Interessenverband bestätigt auch Vollzugsdefizite bei der Mitbestimmung, die auf der Seite der Verleihunternehmen insbesondere wegen der Anonymität der Zeitarbeitnehmer schwierig zu realisieren wäre. Ein Selbstverständnis der Arbeitnehmer im Sinne einer gemeinsamen Belegschaft sei aufgrund der vielfältigen Einsatzstellen selten gegeben.
Manpower GmbH befürwortet ebenfalls die Aufnahme in das Arbeitnehmerentsendegesetz und kritisiert Ausgründungen. Randstad verweist auf die Position des Bundesverbandes Zeitarbeit und befürwortet die Aufnahme in das Arbeitnehmerentsendegesetz auf der Basis des DGB-Tarifvertrags. Der Arbeitgeberverband mittelständischer Personaldienstleister ANP schließlich gesteht den Wettbewerbsvorteil des mit dem Christlichen Gewerkschaftsbund geschlossenen Tarifvertrags ein und er verteidigt die Lohnhöhe von 5,77 € pro Stunde als marktgerecht und dann auch noch mit der Begründung, die Frau Leukefeld jetzt noch hier dargestellt hat. Die Gesellschaft für Arbeitnehmerüberlassung Thüringen, die GeAT, betont hingegen, dass Löhne unter 6 € unvertretbar sind. Damit bleibt als einziger anzuhörender Branchenvertreter der ANP, der einen Lohn unterhalb des DGB-Tarifvertrags für gerechtfertigt hält.
Noch deutlicher wurden die DGB-Gewerkschaften. Sie beschreiben in der Anhörung mehrere Beispiele von gravierendem Missbrauch. Im Bereich der IG Metall beschäftigt z.B. ein Thüringer Unternehmen 42 Prozent Leiharbeitnehmer, zum Teil über 4 bis 5 Jahre im gleichen Bereich, ein anderes Unternehmen gar 67 Prozent. Die Lohndiskrepanz bei Helfertätigkeit liegt zwischen 6,42 € für die Zeitarbeitnehmer und 13,55 € für Arbeitnehmer im geltenden IG Metall Tarifvertrag. Die Gewerkschaften berichten weiter, dass viele Leiharbeitnehmer zwar eine Entlohnung als Helfer erhalten, aber eingesetzt werden wie Facharbeiter. Ver.di berichtet anhand eines konkreten Beispiels eines Logistikunternehmens, wie bestehende Arbeitsplätze ausgegründet werden auf ein eigens gegründetes Zeitarbeitsunternehmen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, da geht es nicht mehr um Auftragsspitzen, nicht um berufliche Inte
gration zuvor Arbeitsloser, da geht es um Konkurrenzvorteile und Lohndumping. So einfach und so eindeutig ist das. Prof. Dr. Schüren - Frau Leukelfeld hat auch schon auf ihn hingewiesen - von der Universität Münster wiederum stellte eindrucksvoll dar, wie immer wieder unter Zuhilfenahme von Pseudogewerkschaftsmitgliedschaften Haustarifverträge selbst weit unterhalb des CGB-Tarifvertrags in der Branche auftauchen. Im Ergebnis also sehen in unterschiedlicher Art und Weise, bis auf den AMP und den Christlichen Gewerkschaftsbund, alle Anzuhörenden Handlungsbedarf, einerseits um offenkundig praktizierten Missbrauch in Zukunft zu verhindern und andererseits um für vergleichbare Wettbewerbsbedingungen zu sorgen. Das war zusammengefasst das Ergebnis der Anhörung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wenn wir uns nun vor Augen führen, dass in Thüringen fast 75 Prozent des Beschäftigungszuwachses bei den sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten seit 2005 von Leiharbeit bestimmt ist, wenn wir uns vor Augen führen, dass Thüringen mit einem Anteil von 3,7 Prozent Leiharbeitnehmern bundesweit an der Spitze liegt und dass davon rund 27.000 Menschen in Thüringen betroffen sind, wenn wir uns das und das Ergebnis der Anhörung vor Augen führen, dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist die Position der CDU-Mehrheiten im Ausschuss nicht zu verstehen. In der Debatte hat die CDU - wie heute auch Herr Kretschmar - auf das Fairnessabkommen der IG Metall mit Unternehmen der Zeitarbeitsbranche hingewiesen und so versucht zu begründen, dass offensichtlich vonseiten der Gewerkschaften kein akuter Handlungsbedarf gesehen wird bzw. dort alles geregelt werden kann. Sie wissen, dass das falsch ist. Das Fairnessabkommen ist ein Verzweiflungsakt, um wegen des möglichen und praktizierten Missbrauchs schlimmeres zu verhindern, nicht mehr und nicht weniger. Aus meiner Sicht ist es für einen Rechtsstaat bedenklich, weil es um nichts anderes geht als um das unternehmerische Versprechen, sich wenigstens an geltende Gesetze zu halten. Übertragen Sie das bitte mal auf den Alltag. Wo kämen wir denn hin, wenn wir für geltende Gesetze individuell ergänzende Vereinbarungen benötigen würden, damit sich die Menschen daran halten? Das stelle ich mir besonders interessant im Straßenverkehr vor. Selbst diese Vereinbarung kann die IG Metall nur dort umsetzen, wo es starke Betriebsräte in den Leihunternehmen gibt. Das Abkommen ist also nichts anderes als der Versuch, den offenkundig massiven Gesetzesmissbrauch mit gewerkschaftlichen Mitteln so weit wie möglich einzudämmen. Anders gesagt: Es ist ein Hilferuf nach klaren gesetzlichen Regelungen. Eigentlich ist dieser Hilferuf innerhalb eines Rechtsstaats makaber. Er unterstreicht die von Prof. Schüren beschriebene Gefahr, dass dauerhaft ausgeübtes Unrecht irgendwann zur Normalität wird. Dieses
Unrecht, meine Damen und Herren, haben wir im Ausschuss sämtlich drastisch vor Augen geführt bekommen. Ja, es gibt die schwarzen Schafe und sie nutzen jede legale oder halblegale Möglichkeit, jede Lücke. Sie schaden damit der Branche, vor allen Dingen aber Tausenden von Arbeitnehmern, nicht nur bei den Verleihfirmen, sondern bei all denjenigen, die sich vor solchem Dumping fürchten müssen. Die CDU-Mehrheit in diesem Landtag will den Missbrauch der Leiharbeit nicht eindämmen. Sie setzt damit weiter auf ihre Niedriglohnideologie und den Abbau von Arbeitnehmerrechten. Sie setzt darauf, obwohl dies eine wesentliche Ursache für die unveränderte Fachkräfteabwanderung und den bereits absehbaren Fachkräftemangel ist und das, obwohl es wesentliche Ursachen dafür sind, dass Tausende von Thüringern von ihrem Lohn trotz voller Erwerbstätigkeit nicht leben können. Diese Haltung verträgt sich nicht mit Ihren sonstigen Forderungen nach einer sozialen Marktwirtschaft. Soziale Marktwirtschaft braucht faire Regeln und faire Wettbewerbsbedingungen. Dies alles konterkarieren Sie mit Ihrer Auffassung. Sie wollen mit der Ablehnung dieses Antrags ebenso wie mit Ihrem Widerstand gegenüber dem Mindestlohn nichts anderes als eine gnadenlose Marktwirtschaft. Ihre eigene Ankündigung in der Oktobersitzung hat sich als leere Worthülse erwiesen. Offensichtlich ging es Ihnen nie darum, das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz von Missbrauch zu befreien und im Interesse der Arbeitnehmer und der Branche zu novellieren. Ich weiß nicht, was wir im Wirtschaftsausschuss noch hätten hören müssen, um die Einsicht der CDU zu wecken. Dieser Beschlussvorschlag ist aus unserer Sicht ein Schlag in das Gesicht der Arbeitnehmer und ihrer Gewerkschaften und er richtet sich gegen die Unternehmen, die das Schmuddelimage der Branche satthaben und Leiharbeit zu fairen Bedingungen anbieten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kretschmer, das, was Sie gerade hier geliefert haben, zeigt, dass meine Einschätzung zu Ihrer Haltung völlig richtig gewesen ist. Wenn Sie sagen, dass 700.000 Personen, die von diesen Arbeitsverhältnissen betroffen sind, eine zu vernachlässigende Größe sind, wenn es in Thüringen 3,7 Prozent der Arbeitnehmer sind...
Er hat von 1,5 Prozent bundesweit gesprochen; in Thüringen reden wir von 3,7 Prozent an allen Be
schäftigungsverhältnissen.
Wenn es Tarifverträge gibt mit Pseudogewerkschaften, Haustarifverträge, in denen Menschen zu Niedrigstlöhnen arbeiten müssen und diese Tarifverträge nur abgeschlossen worden sind, um gesetzliche Bestimmungen auszuhebeln, die nämlich diese Wahlmöglichkeit gelassen haben, dann zeigt das, dass an der Stelle etwas faul ist. Und das, was Sie hier gemacht haben, das will ich nur noch einmal für unsere Fraktion feststellen, bedeutet eindeutig, dass die Bewertung, die ich über Ihre Haltung zu Sozialstaat, zu Marktwirtschaft, zu Verdrängung, zu Wettbewerb genannt habe, völlig richtig war. Sie haben es noch einmal bestätigt. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich meine Ausführungen mit einem aufschlussreichen Zitat beginnen:
„Die aus dem künftigen Schüleraufkommen zu bedenkenden Konsequenzen für das bisherige Standortnetz der Schulen aller Schularten, das bisherige Unterrichtsangebot und den Personalbestand der Schularten sind gravierend. Reduzierungen in einem nicht unerheblichen Maße im regionalen Netz der Schulangebote dürften bei zurückgehenden Schülerzahlen unvermeidbar sein. Eigenständige Hauptschulklassen in der Regelschule dürften ebenso selten werden wie ein regional und sektoral differenziertes Angebot weiterführender beruflicher Schulformen. Das Fachklassenprinzip der Teilzeitberufsschule dürfte in weiten Teilen des Landes nicht mehr umsetzbar sein.“
Liebe Kolleginnen und Kollegen, diese Einschätzung ist nicht etwa jüngeren Datums. Sie stammt aus dem vom Kultusministerium in Auftrag gegebenen und von Prof. Dr. Zedler erarbeiteten Grundschulgutachten, das im September 1995 veröffentlicht wurde. Die Tatsache, dass die Schülerzahlen an den berufsbildenden Schulen in Thüringen mit dem Beginn des 21. Jahrhunderts drastisch zurückgehen werden und dass dieser Prozess auf absehbare Zeit irreversibel sein dürfte, ist also der Landesregierung seit mehr als 12 Jahren bekannt - aber nicht nur das. Kultusminister war 1995 bekanntlich Dieter Althaus und der hat auf die Zedler-Prognose seinerzeit in keiner Weise reagiert. Zwar ist unter dieser Althaus’schen Riege noch ein weiteres Gutachten zur Entwicklung der Thüringer Regelschulen und Gymnasien - erschienen im März 1999 - in Auftrag gegeben worden,
zu einer Studie über die Perspektiven für die berufsbildenden Schulen kam es jedoch nicht. So hat die Landesregierung in den nachfolgenden Jahren keiner einzigen Neugründung berufsbildender Schulen durch kommunale Schulträger widersprochen und sie hat Millionen Landes-, Bundes- und EU-Fördergelder in den Neubau bzw. die Renovierung und Erweiterung von Berufsschulstandorten gelenkt.
Noch der auf einen Geltungszeitraum von 10 Jahren angelegte Landesentwicklungsplan von 2004 benennt auf Seite 57 als verbindliche Zielsetzung der Landesplanung: „Berufsbildende Schulen sind in Oberzentren und Mittelzentren mit Teilfunktion eines Oberzentrums zur Verfügung zu stellen. Bei einem tragfähigen Einzugsbereich und einer guten Erreichbarkeit mit dem öffentlichen Personennahverkehr sind berufsbildende Schulen in den Mittelzentren fortzuführen.“ So weit die Landesplanung. Wenn das die zukunftsweisende Landesplanung sein soll, wird es höchste Zeit, dass diese Regierung von den Wählerinnen und Wählern endlich in die Wüste ge
schickt wird.
Sie, meine Damen und Herren von der CDU, haben wider besseres Wissen die Entwicklung bei den berufsbildenden Schulen bis vor Kurzem einfach treiben lassen. Ich erinnere mich noch sehr gut an einen Auftritt des damaligen Kultusministers Prof. Dr. Goebel hier im Plenum im Dezember 2004. Seinerzeit ging es um einen Antrag der PDS - ich glaube, damals hieß es auch noch PDS -, bei den Berufsschulstandorten endlich eine Bedarfserhebung für die kommenden kritischen Jahre vorzunehmen. Herr Prof. Goebel hat das damals rundheraus und mit großen Worten abgelehnt, weil in die Entscheidungshoheit der kommunalen Schulträger auf keinen Fall eingegriffen werden dürfe. Wohin eine derart passive Haltung des Landes führt, haben wir bei einem massiven Abbau der Grund- und Regelschulstandorte in den vergangenen Jahren leider nur allzu oft erlebt. Ein ähnliches, wenn nicht schlimmeres Szenario droht nun in naher Zukunft bei der Ausgestaltung des Berufsschulnetzes.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, meine Befürchtungen kommen nicht von ungefähr. Seit April 2007 liegt der Landesregierung ein weiteres Gutachten von Prof. Dr. Zedler vor. Es befasst sich dezidiert mit der Entwicklung der berufsbildenden Schulen in Thüringen. Ähnlich wie schon 1995 geht er darin von einer Halbierung der Berufsschülerzahlen bis 2012 aus. Nach Ansicht von Prof. Zedler hat diese demographische Entwicklung dramatische Konsequenzen für die weitere Existenz der derzeit 55 staatlichen berufsbildenden Schulen. Ihm scheint eine Reduzierung der Zahl staatlicher Berufsschulstandorte um etwa ein Drittel unumgänglich. Um einen solchen Konzentrationsprozess nicht ungesteuert verlaufen zu lassen, schlägt der Gutachter zum einen konsensorientierte Entscheidungsfindungen in den betroffenen Regionen vor. Von den jeweiligen Schulträgern nicht einvernehmlich zu lösende Konfliktfälle sollen zum anderen einem schulrechtlich abgesicherten Entscheidungsgremium übertragen werden. So weit die wissenschaftlich verbriefte Faktenlage.
Wie aber reagiert darauf die Landesregierung? Ich bin fast geneigt zu sagen: Wie immer! So erklärt uns das Kultusministerium im Bildungsausschuss vollmundig, Gutachten seien keineswegs dazu da, von ihren Auftraggebern auch umgesetzt zu werden. Daher sehe man wieder einmal keinerlei Handlungsbedarf des Landes und schon gar nicht wolle man die im Gutachten als „schulrechtlich abgesichertes Entscheidungsgremium“ umschriebene Moderatorenrolle einnehmen. Da frage ich mich doch, warum die Landesregierung überhaupt Geld für Gutachten ausgibt, wenn sie offenbar gar nicht an deren spätere
Realisierung denkt.
Schon jetzt zeichnet sich ab, wohin die Inaktivität des Landes führt. Im Februar musste das Kultusministerium im Bildungsausschuss eingestehen, dass man derzeit lediglich in den Regionen Nord- und Südthüringen von einer Kooperation der Schulträger bei der künftigen Ausgestaltung des regionalen Berufsschulnetzes sprechen kann. In der Region Mittelthüringen verweigern sich die kreisfreien Städte jeglichem abgestimmten Vorgehen. In der Region Ostthüringen ist Gera nicht zu Gesprächen bereit. Die Kannibalisierung der kleinen durch die großen Schulträger wird also nicht mehr lange auf sich warten lassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in einer solchen Situation, in der von flächendeckenden kooperativen Lösungen der Betroffenen keine Rede mehr sein kann, muss das Land endlich handeln.
Die weitere Entwicklung darf nicht dem Selbstlauf und einer bloßen Aushandlung zwischen den betroffenen Schulträgern überlassen bleiben. Der Freistaat muss eine aktive Moderatorenrolle bei der künftigen Ausgestaltung des Berufsschulnetzes einnehmen, anders wird es nicht gehen. Die Landesregierung als überregionale Instanz ist in der Pflicht, die unterschiedlichen Positionen aufzunehmen und zu einem größeren Ganzen zusammenzubringen. Nur so wird es möglich sein, auch künftig ein regional ausgewogenes und fachlich differenziertes Berufsschulangebot in Thüringen vorzuhalten. Nur so bleiben letztlich auch die Interessen der Berufsschüler und der Ausbildungsbetriebe an wohnort- und ausbildungsortnahen Berufsschulstandorten gewahrt. Und diese Position teilen nicht allein die drei Thüringer Handwerkskammern, auch die IHK Erfurt sieht eine klare Verantwortung des Landes. Erst gestern fand sich ein Artikel über die Haltung der Wirtschaftsverbände in der TLZ. Handeln Sie also endlich entsprechend, meine Damen und Herren von der Unionsfraktion. Für einen neuen Kultusminister ist das doch eine wunderbare Aufgabe. Da kann er gleich zeigen, dass er seiner Verantwortung für das gesamte Thüringer Bildungswesen gerecht wird.
Ich will Ihnen, Herr Minister, auch gleich noch einen Hinweis geben, wie das gehen kann. Das Kultusministerium hatte selbst am 27.06.2007 im Bildungsausschuss die Einrichtung eines Schiedsverfahrens zur Lösung strittiger Fälle in Aussicht gestellt. Dieses Vorhaben ist jedoch wenig später wieder stillschwei
gend beerdigt worden. Warum? Eine Antwort darauf ist uns die Landesregierung bis heute schuldig geblieben. Ich kann Sie daher nur auffordern, den einmal, wenn auch nur zögerlich eingeschlagenen Weg wieder aufzunehmen und das angekündigte Schiedsverfahren endlich zu installieren. Der Entschließungsantrag der LINKEN weist hier in die richtige Richtung. Wir haben uns eigentlich gewünscht, dass wir ohne Änderungen in den Gesetzen auskommen und das Land mit einer frühzeitigen Moderatorenrolle diesen Prozess so begleiten kann. Die Zeit haben Sie verschlafen und deswegen wird meine Fraktion auch dem Antrag der Linksfraktion zustimmen. Mit Ihrem bisherigen Nichtstun, werte Kolleginnen und Kollegen von der CDU, kommen wir hingegen nicht weiter, dadurch haben wir bereits 12 Jahre, 12 wichtige Jahre verloren und Millionen an Fördergeldern versenkt. In diesem landespolitisch unverantwortlichen Stil darf es bei den Berufsschulen auf keinen Fall weitergehen. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren. Herr Minister, vielleicht zu Beginn eine persönliche Bemerkung: Ich denke mal, in einer Auseinandersetzung hier im Plenum haben wir alle schon erlebt, dass Abgeordnete gegenseitig mit Halbinformationen arbeiten oder wie gerade eben wieder bei Herrn Emde, dadurch, dass er einfach nicht über die eigentliche Problemlage spricht, dass er daran vorbeigeht. Aber dass der Herr Minister mit Unterstellungen gegenüber Abgeordneten argumentiert, wir wissen schon, was sie wollen und Ähnlichem, da würde ich Sie bitten, das zu lassen. Das machen Kollegen von Ihnen zwar auch ab und zu mal, Ministerkollegen von Ihnen, aber es wäre schön vom Stil her, wenn Sie es nicht tun würden.
Dann möchte ich noch einmal etwas richtigstellen: In Bezug auf die dramatischen Schulschließungen habe ich darauf hingewiesen, dass wir diesen Prozess im Bereich der Grund- und Regelschulen hinter uns haben, Herr Minister, nicht, dass Sie mich wieder falsch verstehen -, dass die dramatischen Schulschließungen sich auf die Grund- und Regelschulen in der Vergangenheit bezogen haben und dass wir eine solche Entwicklung auch aufgrund des Gutachtens von Prof. Dr. Zedler für die Zukunft für die Berufsschulen erwarten, nicht, dass wir bereits Berufsschulstandorte in Größenordnungen geschlossen hätten, das stimmt nicht. Im Gegenteil, wir bauen Standorte noch aus.
Ich will auch noch mal ein paar Takte dazu sagen, wie das mit der Verantwortung des Landes aussieht im Bereich der Berufsschulnetze. Klar kann man sich hinstellen und sagen, das ist kommunale Selbstverwaltung. Aber auch im Bereich der Schulnetze Regelschule, Grundschule, Gymnasien und genauso bei den Berufsschulen ist es nicht ausschließlich ohne Beteiligung des Landes gelaufen. Ich habe in der Schulverwaltung so etwas mit verantwortet, Schulnetzplanung für einen Kreis. Und wir haben immer die Knüppel zwischen die Beine bekommen, wenn es um Entscheidungen ging oder Bremsen oder sogar manchmal Unterstützung von den Staatlichen Schulämtern, und die gehören mit zum Kultusministerium. Da kann man nicht sagen, das Land hat bisher in diesem Prozess nicht eingewirkt.
Bei den Berufsschulnetzen, das sage ich Ihnen jetzt auch - das können Sie noch nicht wissen, aber das werden Sie aus dem Ministerium, aus Ihrer Ministerialdemokratie vielleicht dann in der Zukunft erfahren -, gibt es auf Ebene der IHKs entsprechende
Versammlungen, wo alle Berufsschulträger, die Wirtschaft und das Kultusministerium zusammenstehen, zusammensitzen in einem Raum und darüber nachdenken, wie für ein Jahr das Berufsschulnetz für berufliche Schulen gemacht wird. Dass das nicht die Planung für die Berufsschulstandorte ist, ist doch völlig klar und das ergibt sich auch aus der Sache.
Auch für Herrn Emde noch mal: Die beruflichen Schulen haben einen Einflussbereich territorial, der deutlich über die Kreis- oder kreisfreie Stadtgrenze hinausgeht. Da kann man nicht die Verantwortung an einen Stadtrat, an einen Kreistag delegieren und sagen, ihr müsst das machen, wenn ihr länderübergreifende Fachklassen habt, wenn ihr landesweite Fachklassen habt, wenn ihr schulische Angebote habt, ihr habt die nur in eurem Bereich, die überhaupt nur da sind in eurem Bereich der Fachschulen, da kann man nicht sagen, das müssen dann die Kreise und kreisfreien Städte allein regeln, da braucht man eine Moderatorenrolle. Die haben wir nicht von Ihnen persönlich, aber von dieser Landesregierung, vom zuständigen Minister schon lange eingefordert. Darauf ist nie eingegangen worden und wir sind jetzt unter Zeitdruck, weil es nicht mehr lange bis 2012 ist. Der erste halbierte Schülerjahrgang ist in diesem Schuljahr an den Berufsschulen angekommen. Das heißt, wir haben ein Sechstel weniger Schüler als noch im letzten Jahr und wir haben 2012 die Hälfte. Da können wir es uns nicht mehr leisten, Moderatorenprozesse ausschließlich für diese Entwicklung durchzuführen. Deswegen verstehe ich auch den Vorschlag der Linksfraktion in ihrem Antrag, dass sie sagen, wir haben die Zeit nicht mehr, wir müssen jetzt Regelungen schaffen, wo wir Konflikte lösen. Das kann nicht über 10 Jahre gehen, dann haben Sie nämlich die nächste Welle an weniger Schülern und dann werden Sie sehen, dass Sie über die nächste Schließungswelle im Schulbereich reden, dann müssen Sie sich wieder um die Regelschulen kümmern. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte mich zunächst bei Herrn Minister für den Bericht zum ersten Teil unseres Antrags bedanken und dazu auch noch ein paar Bemerkungen machen.
Ich will auch am Anfang noch etwas anderes einschieben. Wir sind gefragt worden, warum wir diesen Antrag, den wir bereits im Februar für die Sitzung damals eingereicht haben, nicht zurückgezogen haben. Ich denke, dafür gibt es gute Gründe.
Als Erstes, ein Berichtsersuchen zu den Punkten, die wir angesprochen haben, ist notwendig. Wir haben die Zahlen dazu gehört, wir können damit weiterarbeiten. Ich werde auch zu einzelnen Punkten noch etwas sagen.
Zu der Frage „Kommunal-Kombi“ gibt es immer noch keine Lösung für den Freistaat Thüringen. Deswegen ist es weiterhin aktuell und ich denke das auch, darauf hat der Herr Minister ja auch hingewiesen, dass die Auseinandersetzung um den Punkt III unseres Antrags nicht abgeschlossen ist. An der Stelle ist es auch kein Kampfantrag der SPD-Fraktion gegen die Landesregierung, sondern wir wollen einfach die Diskussion an der Stelle weiterführen. Ich denke, da können wir auch einen Weg finden, das gemeinsam weiterzumachen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dem Bericht ist zu entnehmen, dass es in Thüringen offensichtlich gelungen ist, die Mittel zur aktiven Arbeitsmarktförderung im Rahmen des SGB II im vergangenen Jahr weitgehend zu binden, auch wenn die Zahlen, die da herumgehen, ein bisschen anders sind. Es liegt wahrscheinlich daran, welche Teile der aktiven Arbeits
marktpolitik man jeweils in den Topf hineinrechnet. Man kann insgesamt aber feststellen, dass für Thüringen die Bindung im letzten Jahr sehr gut gelungen ist und es ist auch gut, dass für das laufende Jahr anscheinend ausreichend Bundesmittel zur Verfügung stehen. Immerhin wurden die für Thüringen, ich sage es mal in Prozent, um rund 11 Prozent gegenüber dem Vorjahr höher zur Verfügung gestellt.
Die Landesregierung, das ist unsere Aufforderung, sollte mit - ich sage ausdrücklich „mit“ - dafür sorgen, dass diese Mittel tatsächlich dann auch in 2008 sämtlich gebunden werden können und zum Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit in Thüringen eingesetzt werden. Ob die ergänzende Landesförderung, insbesondere im Bereich des ESF, mit diesem Ziel eingesetzt wird, da bleiben meines Erachtens auch nach diesem Bericht noch Fragen offen. Herr Minister, zum Punkt 6 unseres Berichtsersuchens, nämlich zu der Frage der Wohnraumsituation, haben Sie dargestellt, zurzeit gibt es keine Tendenzen, dass in den Kommunen soziale Brennpunkte entstehen oder Wohnquartiere, in denen überwiegend Menschen leben, die Hartz IV bekommen. Da würde ich Sie auf jeden Fall bitten, noch einmal genaues Augenmerk darauf zu halten und auch noch einmal mit den Kommunalpolitikern, mit den kommunalen Spitzenverbänden, zu reden. Dass Sie die Tendenz abstreiten, halte ich für gewagt. Das, was wir mitbekommen, ist, dass zumindest Angst davor besteht, dass solche Wohnquartiere entstehen könnten. Die Kommunen bemühen sich darum, das ist unstrittig, das am Ende zu verhindern, aber dass Sie die Tendenz bestreiten, halte ich für eine gewagte Aussage in dem Zusammenhang.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Ausbau der aktiven Arbeitsmarktförderung für langzeitarbeitslose Menschen ist aus zwei Gründen wichtiger denn je: Erstens, weil die Erfolgschance langzeitarbeitsloser Menschen zur beruflichen Integration auf dem Regelarbeitsmarkt dann am größten ist, wenn dort die Arbeitskräftenachfrage ansteigt. Das tut sie jetzt, aber schon malen Wirtschafts- und Arbeitsmarktforscher die ersten schwarzen Wolken an den Konjunkturhorizont. Deshalb muss aus unserer Sicht in Thüringen die aktive Arbeitsmarktförderung im Bereich des SGB II weiter ausgebaut und forciert werden. Jetzt gilt es in enger Abstimmung mit den Anforderungen der Wirtschaft, die Qualifizierung und Ausbildung im Bereich des SGB II hochzufahren. Noch sind die Möglichkeiten längst nicht ausgeschöpft. Noch habe ich nicht den Eindruck, dass die sogenannten EinEuro-Jobs tatsächlich auf den ursprünglich vorgesehenen Zweck tatsächlich zurückgeführt sind. Ich darf dabei in Erinnerung rufen, dass die SPD-Landtagsfraktion bereits mit Einführung des SGB II den Vorrang von Ausbildung und Qualifizierung immer wieder eingefordert hat. Die Landesregierung hat
damals keinen Grund gesehen, gestaltend Einfluss zu nehmen und dass Sie es nicht können, nach Ihrer Auffassung, das haben Sie heute auch wieder gesagt, und das sehen wir anders. Wir haben eine Situation, dass jetzt zunehmend die Klage der Betriebe erhoben wird, es fehlen Fachkräfte. Gleichzeitig ist der Anteil der Vermittlung aus dem SGB III in Arbeit unvermindert um ein Vielfaches höher als aus dem SGB II. Wir stellen fest, es gibt an dieser Stelle viel zu tun, weil es unter den Beziehern des SGB II nicht genutzte Ressourcen zur Fachkräftesicherung gibt. Den Menschen und den Betrieben zu helfen, ist nicht allein der Job der ARGEn und der optierenden Kommunen. Die Landesregierung hat einen Gestaltungsauftrag und sie kann mit dem ESF und mit einer abgestimmten Förderpolitik mehr tun als bisher. Ich komme später noch zu einem konkreten Beispiel.
Zweitens: Aktive Arbeitsmarktförderung und die dafür eingesetzten öffentlichen Mittel sind in zweifacher Hinsicht Mittel zur regionalen Wirtschaftsförderung. Sie helfen langzeitarbeitslosen Menschen bei der Verbesserung ihrer Lebenssituation, geben Hoffnung und bieten Chancen und stärken oft deren Kaufkraft. Sie helfen den Betrieben, das sagte ich bereits, bei der passgenauen Fachkräfterekrutierung und stärken auch dort den regionalen Wirtschaftskreislauf. Es war in den vergangenen Jahren von der Landesregierung eine sträfliche Unterlassung, nicht gestaltend in die Umsetzung des SGB II einzugreifen. Dabei sind auch Bundesmittel in Millionenhöhe für Thüringen verloren gegangen. Gut zu hören, dass mittlerweile die Arbeitsgemeinschaften und optierenden Kommunen offenbar weitgehend aus eigener Kraft in der Lage sind, diese Mittel im Thüringer Interesse zu binden. Immerhin decken sich in diesem Jahr die bereitgestellten Mittel des Bundes weitgehend mit den Planungen der ARGEn. Auch gut zu hören, dass das Projekt „Bürgerarbeit“ in Schmölln endlich weitergeführt wird und dass die erforderlichen Voraussetzungen zur Evaluation geschaffen wurden und ich hoffe, ich habe mich nicht verhört, Herr Minister, dass Sie von September 2009 gesprochen haben, bis zu dem Sie jetzt die 15-prozentigen Personalkostenzuschüsse zugesagt haben. Es ist schon bemerkenswert, was die Bundesagentur für Arbeit dort gemeinsam mit den Kommunen geschaffen hat. In Schmölln profitieren offenbar alle Akteure in der Region, insbesondere die zuvor langzeitarbeitslosen Menschen. Dieses Projekt ist aber auch ein Beweis dafür, bei aller Ausführungskritik, bei aller Frage der Höhe von Leistungen, die man stellen kann, dass trotz einer steigenden Arbeitskräftenachfrage langfristig öffentliche Beschäftigungsförderung notwendig und auch wirksam ist. Auf die Umsetzung kommt es an und die gelingt dort gut. Im Klartext bedeutet dies, dass Bürgerarbeit oder ein vergleichbares Angebot in allen strukturschwachen Regionen Thüringens benötigt wird. Zunächst bleibt zu hoffen, dass durch die Eva
luation die ideologischen Scheuklappen der Landesregierung gegenüber öffentlicher Beschäftigungsförderung abgelegt werden. Denn eines wird in unseren Gesprächen mit den Grundsicherungsämtern immer deutlicher: Das Ansteigen der Fachkräftenachfrage verstärkt den Blick auf diejenigen Langzeitarbeitslosen, die besondere Hilfe und Unterstützung brauchen. Je länger Menschen in Arbeitslosigkeit verharren müssen, umso mehr nimmt Dequalifizierung und leider häufig auch die persönliche Problematik zu. Dies nicht anzuerkennen oder zu bagatellisieren, bedeutet, eine zunehmende Spaltung in unserer Gesellschaft zu akzeptieren, ja zu forcieren. Ich hoffe, dass die Landesregierung dies endlich zur Kenntnis nimmt.
Mit Abwarten und Hoffen auf die Selbstheilungskräfte der Wirtschaft ist es bei all diesen Menschen nicht getan. Wer hinter die Kulissen der einzelnen Schicksale sieht, wird schnell einen Zusammenhang zum Beispiel mit Kinderarmut, mit der Entstehung sozialer Brennpunkte und auch mit Altersarmut erkennen. Deshalb ist es eben auch wichtig, die Wohnsituation der betroffenen Menschen kritisch zu hinterfragen und es ist wichtig, gemeinsam mit den Kommunen soziale Brennpunkte entweder zu vermeiden oder dort, wo sie in den Städten bereits im Entstehen sind, abzubauen. Dafür werden über die Möglichkeiten des SGB II hinausgehende Instrumente benötigt und der politische Wille zur Mitverantwortung des Landes.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, damit komme ich direkt zum zweiten Teil unseres Antrags: Mit dem Kommunal-Kombi steht den strukturschwachen Regionen ein langfristiges Förderinstrument des Bundes zur Verfügung. Seit Ablauf der Strukturanpassungsmaßnahmen wäre es damit erstmals wieder möglich, langfristige sozialversicherungspflichtige Beschäftigung für die Dauer von bis zu drei Jahren zu unterstützen. In Thüringen betrifft dies neun Regionen. Bereits im laufenden Jahr stehen Mittel des Bundesarbeitsministeriums für 3.117 Arbeitsplätze in Thüringen zur Verfügung, im nächsten Jahr dann doppelt so viel, also weit über 6.000. Der Bund fördert diese Arbeitsplätze mit 50 Prozent und stellt je Arbeitsplatz maximal 800 € bereit. Die restlichen 50 Prozent müssen bekanntlich vom Land und insbesondere auch von den Kommunen aufgebracht werden. Ich brauche ja wohl kaum zu erklären, dass die Kommunen mit der Aufbringung dieser Mittel allein überfordert sind. Dementsprechend gering, und das hat ja auch Frau Leukefeld gerade drastisch dargestellt, ist die bisherige Inanspruchnahme. Nur zur Erinnerung: Jeder dieser Arbeitsplätze hilft einem langzeitarbeitslosen Menschen, jeder dieser Arbeitsplätze bringt Jahr für Jahr zwischen 8.400 und 9.600 € Bundesmittel in unsere strukturschwache Region - in die Kommunen, die von besonders hoher Arbeitslosigkeit betroffen sind und die deshalb die Kompen
sationsfinanzierung aus eigener Kraft nicht leisten können. Jeder Euro, der dort eingesetzt wird, jeder Arbeitsplatz, der im Rahmen des Kommunal-Kombi geschaffen wird, bedeutet nicht nur Hoffnung für die davon profitierenden Arbeitnehmer, sondern bedeutet unmittelbare Stärkung der Kaufkraft in der Region. So betrachtet, ist der Kommunal-Kombi pure Wirtschaftsförderung.
Schmölln hat mit seinem Projekt „Bürgerarbeit“ und der Umsetzung bewiesen, dass ausreichend sinnvolle Arbeitsfelder in kommunaler Zuständigkeit zu akquirieren sind. Das Land Sachsen-Anhalt hat das erkannt und stellt eine Landesförderung von 25 Mio. € bereit. Es ist mir unverständlich, dass die Landesregierung hier diese Chance nicht ergreift und - ähnlich wie in Sachsen-Anhalt - für ein Landesprogramm sorgt.
Ich möchte auch auf die Bemerkung vom Minister an der Stelle eingehen, dass er ja gar nicht könnte, weil Bundes-ESF-Mittel eingesetzt werden. Das ist die halbe Wahrheit. Für den Lohnkostenzuschuss von maximal 500 € werden reine Bundesmittel eingesetzt. Wenn man auf den Zuschuss des Bundes zu den Sozialversicherungsbeiträgen an der Stelle verzichtet, dann verzichtet man auf Bundes-ESFMittel und kann mit Landes-ESF-Mitteln ersetzen. Das heißt also, Sie könnten es mit einer Förderung aus ESF-Töpfen des Landes machen. Sachsen-Anhalt wird diese Möglichkeit nämlich rechtlich genauso geprüft haben, wie wir das gemacht haben, und dort werden 25 Mio. € zur Verfügung gestellt. Die 500 € Lohnkosten pro Monat sind reine Bundesmittel und verhindern nicht, dass Landes-ESF-Mittel zur Ergänzung an der Stelle eingesetzt werden können.
Es ist an dieser Stelle auch nicht mit dem Hinweis auf den § 16 a des SGB II getan. Natürlich ist dort die mögliche Förderung aus Mitteln des SGB II und damit des Bundes höher, aber im Vergleich zu Kommunal-Kombi wird mit dem § 16 a des SGB II ein anderer und ein sehr eingeschränkter Personenkreis gefördert. Der hat mit dem, was wir mit KommunalKombi wollen, gar nichts zu tun. Es handelt sich dort um Menschen mit mehrfachen Benachteiligungen zur Integration in den Arbeitsmarkt. Der Kommunal-Kombi hingegen bietet denjenigen die Chance einer längerfristigen Förderung, die allein aufgrund der Arbeitsmarktsituation in den betroffenen Regionen keine Chance zur beruflichen Integration haben.
Es wird deutlich, dass bei diesem Personenkreis die Benachteiligung der Arbeitslosen einzig und allein in der Region besteht, in der sie leben. Diesen Menschen helfen weder das Abwarten und die damit verbundene Dequalifizierung noch Ein-Euro-Jobs, noch befristete Maßnahmen, die immer wieder mit erneuter Arbeitslosigkeit enden. Deshalb wäre ein klug konzi
piertes ergänzendes Landesprogramm dringend erforderlich. Die Landesregierung würde damit den Menschen und den Kommunen helfen, die Bundesmittel für Thüringen binden und einen Beitrag zur Vermeidung künftiger Altersarmut leisten. Nicht mehr und nicht weniger wollen wir mit unserem Antrag erreichen. Oder anders gesagt: Unternimmt die Landesregierung nichts zur Umsetzung des Kommunal-Kombi in Thüringen, dann schadet sie den Kommunen, schadet der Thüringer Wirtschaft und nimmt über 6.000 langzeitarbeitslosen Menschen die Chance, auf dem Arbeitsmarkt wieder Fuß zu fassen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, nun zum dritten Teil unseres Antrags: Wir haben in der Berichterstattung der Landesregierung feststellen können, dass die Arbeitsgemeinschaften zwischen Kommune und Bundesagentur für Arbeit in Thüringen offenbar immer besser funktionieren. Nur so ist auch zu erklären, dass die Umsetzung aktiver Arbeitsmarktförderung im Vergleich zu den Anfangsjahren des SGB II immer besser gelingt. Das deckt sich auch mit unserem Eindruck bei den Besuchen in den Wahlkreisen.
Mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ist die Weiterführung der mehr und mehr erfolgreichen Arbeit in den bisherigen ARGEn zumindest in der bisherigen Organisationsform langfristig nicht möglich. Ich will heute nicht darüber diskutieren, ob die optierenden Kommunen oder das vom Bundesarbeitsminister vorgeschlagene Modell kooperativer Jobcenter oder andere mögliche Organisationsformen der richtige Weg sind. Die noch bevorstehende wissenschaftliche Auswertung der Ergebnisse der ARGEn und der optierenden Kommunen wird uns da auch noch weitere Erkenntnisse bringen. Unabhängig davon behaupte ich, dass es den Stein des Weisen dort sowieso nicht gibt. Aber was wir brauchen, ist Verlässlichkeit in der Förderung langzeitarbeitsloser Menschen und keinesfalls eine neue Verunsicherung. Was wir brauchen, ist der Erhalt der Förderung aus einer Hand. Erforderlich ist eine öffentliche Dienstleistung, die den Sorgen und Nöten der Menschen gerecht wird. Die künftige Umsetzung des SGB II ist für die davon abhängigen Menschen von existenzieller Bedeutung. Das gilt für Empfänger des SGB II und es gilt für die Beschäftigten in den Grundsicherungsämtern. Hier hat das Land eine politische Verantwortung, und zwar jetzt. Deshalb ist es an der Zeit, die bisherigen Erfahrungen schnellstmöglich auszuwerten und einen Standpunkt aus Thüringer Sicht zu erarbeiten.
Deshalb liegt uns, liebe Kolleginnen und Kollegen, ausdrücklich daran, dass der Teil III unseres Antrags an den Wirtschaftsausschuss überwiesen wird. Wir haben ein großes Interesse daran, auch aufgrund der Aussagen, die der Minister hier in seinen Bemerkungen zu der Haltung zur Weiterentwicklung ge
troffen hat, weiter an einem Weg zu arbeiten, der aus dem Interesse der betroffenen Menschen heraus entwickelt wird. Wir haben auch in dieser Frage bereits mit den Kollegen auf der Bundesebene Diskussionen geführt, haben auch unsere Vorstellungen schon eingebracht. Wir entwickeln sie weiter, aber auch wir sind noch nicht am Ende dieses Prozesses. Das, habe ich gehört, geht Ihrerseits hier genauso, wenn Sie als Arbeitsminister bei der Arbeits- und Sozialministerkonferenz auftreten. Auch Sie müssen sehen, was ist leistbar. Worum es uns geht - und das sollten wir gemeinsam weiter diskutieren - ist, entwickeln wir doch die aufgrund des Urteils notwendige zukünftige Struktur nicht anhand der Frage, was ist unter- oder übergesetzlich oder verfassungsrechtlich notwendig, sondern daran, was für die betroffenen Menschen am besten ist. Eins ist, glaube ich, unstrittig, die Lösung muss auf jeden Fall heißen, alle Leistungen aus einer Hand. Der Auffassung sind wir von der Thüringer SPD auch. Deswegen meine herzliche Bitte: Lassen Sie uns zu dem Teil III im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Technologie weiterdiskutieren. Ich bitte Sie ausdrücklich noch einmal aufgrund der Ausführungen, die ich zur Frage der Wirkung des Kommunal-Kombis gemacht habe, darum, dem Teil II des Antrags zuzustimmen. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, Herr Minister Reinholz, ich finde es richtig, dass wir jedes Jahr über den Berufsbildungsbericht hier sprechen.
Ich finde es ist auch wichtig, dass dieses Thema in dem Parlament öffentlich gemacht wird, dass wir hier als Fraktionen unsere Stellungnahmen dazu abgeben. Ich halte es nicht für gut, eine Fraktion, auch wenn es dieses Mal nicht meine war, dafür zu verprügeln, dass sie jedes Jahr ein immer wiederkehrendes Thema hier auf die Tagesordnung setzt.
Ich möchte Ihnen trotzdem dafür danken, dass Sie sich doch noch zu einem kurzen ergänzenden Bericht zu dem schriftlich vorliegenden herabgelassen haben und den hier gehalten haben. Ich möchte aber vor allen Dingen zu Beginn all denjenigen Unternehmen in Thüringen danken, die ihre Ausbildungsverantwortung wahrgenommen haben, insbesondere die Unternehmen, die dies seit Jahren kontinuierlich tun und natürlich auch denen, die in diesem Jahr zum ersten Mal ausgebildet haben. Dass seit Jahren des kontinuierlichen Abbaus von betrieblichen Ausbildungsplätzen nun endlich ein Anstieg um 432 betriebliche Ausbildungsstellen und damit um 4,1 Prozent festzustellen ist, lässt mich zumindest auf eine Trendwende hoffen. Wo Licht ist, da ist aber auch Schatten. Immer noch entziehen sich Betriebe der Verantwortung zur Ausbildung und bauen vorhandene Ausbildungskapazitäten ab. Die Landesregierung und ihre Dienststellen zählen bekanntlich zu den letztgenannten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, es steht Ihnen frei und ich hoffe auch darauf, dass Sie in den kommenden Haushaltsberatungen dem Beispiel einsichtiger Wirtschaftsunternehmen folgen und mehr für die eigene Fachkräftesicherung tun. Aber ich fürchte stattdessen, dass sich Landesregierung und Wirtschaftsminister angesichts der positiven Signale nun völlig zurücklehnen und abwarten. Aber dazu besteht keinerlei Anlass. Wir liegen mit den knapp 11.000 betrieblichen Berufsausbildungsstellen im Jahr 2007 ziemlich genau bei 50 Prozent der Ausbildungsstellen des Jahres 1997. In 10 Jahren wurden die betrieblichen Ausbildungsstellen halbiert. Wer die Presse aufmerksam verfolgt, der hört bereits den Ruf der Thüringer Wirtschaftsverbände nach Fachkräften. Der hört und liest deren mahnende Worte an die Politik, mehr für den Fachkräftenachwuchs zu tun. Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Politik ist da nicht der richtige Adressat, jedenfalls nicht der vorrangige Adressat. Wenn es in einigen Branchen bei hochqualifizierten Fachkräften und Bewerbern be
reits kriselt, dann müssen sich Wirtschaftsverbände zuerst und vor allen Dingen an die eigene Nase fassen. Es gehört zur Wahrheit, dass sich Unternehmen diese Krise dann selbst eingebrockt haben. Wer das betriebliche Ausbildungsstellenangebot halbiert, wer die finanzielle Mitverantwortung arbeitsunwilliger Betriebe für die Finanzierung der Berufsausbildung geradezu dogmatisch verweigert - und das hat der Wirtschaftsminister ja auch gerade wieder gemacht - und wer Niedrig- und Niedrigstlöhne als Standortvorteil preist, der wird die Konsequenzen zu spüren bekommen. Unterlasser sind eben schlechte Unternehmer. Wer sich so verhält, der bekommt dann ein Problem, wenn das Angebot junger, gut qualifizierter Schulabgänger nicht mehr unerschöpflich erscheint. Er bekommt bereits heute ein Problem, wenn für vorhandene Aufträge die in den vergangenen Jahren nicht ausgebildeten Fachkräfte zwangsläufig nicht vorhanden sind. Deshalb sollte der Wirtschaftsminister beim künftigen Einsatz des ESF gut darauf achten, dass den Ausbildungsverweigerern der vergangenen Jahre jetzt nicht nachträglich aus der Klemme geholfen wird.
Ich habe da meine Bedenken und fürchte, dass anderenfalls die in der Vergangenheit verantwortungsbewussten Unternehmen erneut in die Gefahr von Wettbewerbsnachteilen geraten. Wir haben immer darauf hingewiesen, dass die mit allen Mitteln bekämpfte Ausbildungsumlage der Fachkräftesicherung dient und Wettbewerbsverzerrungen vermeidet.
Die ESF-Mittel werden wir nämlich zukünftig an ganz anderen Stellen in der beruflichen Qualifizierung brauchen. Wir werden sie dort benötigen, wo benachteiligte Jugendliche trotz einer hoffentlich weiteren positiven Entwicklung auf dem Arbeits- und Ausbildungsstellenmarkt dennoch Integrationsprobleme haben. Deshalb nochmals zurück zu den Fakten des Berichts.
Noch werden knapp 6.000 Ausbildungsplätze außerbetrieblich zur Verfügung gestellt. Das sind mehr als ein Drittel der 16.840 Ausbildungsstellen. Nahezu 3.000 junge Menschen absolvieren außerbetriebliche Ausbildungen als Lernbeeinträchtigte oder sozial benachteiligte Jugendliche. Weitere 1.145 junge Menschen werden in spezifischen Ausbildungsgängen für Menschen mit Behinderungen qualifiziert. 2.750 Jugendliche sind in berufsvorbereitende oder schulische Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildungsreife integriert worden. Einen großen Teil dieser Jugendlichen werden wir im nächsten Jahr als Altbewerber erneut registrieren. Der Altbewerberanteil hat mittlerweile die 50-Prozent-Schwelle überstiegen. Selbst wenn nur 583 junge Menschen als unversorgt gelten, so ist bei weit über 3.000 ehema
ligen Bewerbern der Verbleib unbekannt. Dies alles ist Bestandteil des Berichts der Bundesagentur. Es besteht also keinerlei Anlass, um sich beruhigt zurückzulehnen.
Wenn die Daten des Bundesbildungsberichts in Verbindung gebracht werden mit den Entwicklungen in den Grundsicherungsämtern des SGB II, dann wird klar, wir werden insbesondere im Bereich der Förderung von benachteiligten jungen Menschen die Anstrengungen steigern müssen, indem Hilfen viel früher einsetzen als bisher und indem statt beliebiger Maßnahmekarrieren zielgerichtete individuelle Förderung erfolgt.
Davon ist die Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik in der Praxis weit entfernt. Deshalb ist es z.B. erforderlich, die vom Bundesjugendministerium an verschiedenen Orten Thüringens im Arbeitsfeld der Jugendhilfe etablierten Kompetenzagenturen und das dort entwickelte Instrumentarium zur beruflichen Integration benachteiligter junger Menschen zu stärken. Solch ein Angebot sollte es in allen Landkreisen und kreisfreien Städten Thüringens geben.
Lassen Sie mich auf einen weiteren Aspekt hinweisen. Unverändert besteht das Problem der Abwanderung junger gut qualifizierter Thüringer, insbesondere junger Frauen. Leicht vorwurfsvoll formuliert die Bundesagentur in ihrem Bericht - ich zitiere: „Mädchen beschränken ihre Berufswünsche nach wie vor auf kaufmännische Berufe in verschiedenen Branchen, Betreuungsberufe sowie auf ausgewählte Dienstleistungsberufe.“ An anderer Stelle wird berichtet, dass Mädchen verstärkt schulische Ausbildungen anstreben. Ohne es deutlich zu formulieren, klingt zumindest für mich der Vorwurf mit, dass Mädchen eben nicht willens sind, ihr Berufswahlverhalten zu verändern. Bezeichnend allerdings ist es, wenn der Bericht dann an anderer Stelle formuliert - ich zitiere noch mal: „Die häufig gewünschten Berufe sind auch die Berufe, die am meisten von den Betrieben zur Vermittlung zur Verfügung gestellt werden.“ Im Klartext bedeutet das nichts anderes, als dass sich junge Menschen und insbesondere Mädchen nach dem richten, was ihnen angeboten wird. Sie verhalten sich also völlig marktkonform; in einer Mangelsituation bleibt ihnen auch gar nichts anderes übrig. Weil ihnen allzu oft nichts anderes angeboten wird, deshalb drängen sie in bestimmte Berufe, deshalb nehmen sie schulische Ausbildungen wahr und deshalb wandern sie dorthin ab, wo es attraktivere und vielfältige Angebote gibt. Deshalb ist es falsch, dass die Landesregierung bisher in jedem Ausbildungspakt Aussagen zum Ab
bau der Benachteiligung junger Frauen vermieden hat. Wir sollten davor aus guten Gründen nicht länger die Augen verschließen.
Das steht nicht so drin, Frau Tasch. Ich kann der Gleichstellungsbeauftragten nur empfehlen, den Wirtschaftsminister endlich davon zu überzeugen, dass das in den Ausbildungspakt hineingehört.
Meine Damen und Herren, es bleibt viel zu tun; einige Anregungen habe ich gegeben. Meine Fraktion wird das Thema „Berufsausbildung“ in der Folge der Beantwortung unserer Großen Anfrage nochmals im Detail aufgreifen.
Abschließend, liebe Kolleginnen und Kollegen von der PDS, noch ein paar Worte zu Ihrer erneuten Forderung zur Umlagefinanzierung. Das wird Sie nicht erstaunen, wir werden Ihren Antrag so nicht mittragen. Wir werden ihn deshalb nicht mittragen, weil wir ein geltendes Gesetz haben, welches weiter reicht als Ihre heutige Forderung. Ich persönlich bedaure, dass dieses Gesetz nicht in Anwendung gebracht wird und wir haben darüber auch erhebliche innerparteiliche Auseinandersetzungen. Ich bin aber realistisch genug, um bestehende Machtverhältnisse zu akzeptieren. Ich warte allerdings auf den Moment, wo bestimmte Teile der Wirtschaft die Politik auffordern, endlich diejenigen Betriebe in die Pflicht zu nehmen, die zulasten anderer Unternehmen von deren Ausbildungsbereitschaft profitieren. In der Bildungspolitik erleben wir gerade, wie Interessenverbände aus dem Umfeld der Wirtschaft längeres gemeinsames Lernen und die Stärkung der frühkindlichen Bildung einfordern. Da kann man nur sagen: Na also, es geht doch. Warum soll nicht auch in anderen Bereichen der Wirtschaft die Einsicht wachsen.
Aber offensichtlich muss der Druck noch steigen. Ich halte die Forderung der Fraktion der LINKEN aber auch deshalb für unangebracht, weil tarifvertraglich bereits jetzt die geforderten Regelungen möglich sind. Im Baubereich erfolgt dies seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten und auch im Bereich der Chemie ist es zu tariflichen Regelungen gekommen. Tarifvertragliche Regelungen aber kann und sollte man nicht im Berufsbildungsgesetz erzwingen. Das leisten die Tarifvertragspartner selbst. Deshalb werden wir Punkt 2 Ihres Antrags ablehnen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren!
Frau Lieberknecht, wenn das das einzige Kriterium ist, dann kann ich auf den Applaus verzichten.
Anlässlich der vorhergehenden Bilanz zum Berufsbildungsbericht 2007 ist deutlich geworden, dass bei aller begrüßenswerten und positiven Entwicklung weiterer Handlungsbedarf besteht. Der Antrag der Fraktion DIE LINKE gibt dafür wichtige Anregungen. Er zeigt auf, dass es bei der Berufsausbildung eben nicht nur um das duale Segment der Berufsausbildung geht, sondern dass sehr viel grundsätzlicher mit dieser Thematik umgegangen werden muss. Ich hatte bereits im vorigen Redebeitrag angekündigt, dass wir dafür die Beantwortung unserer Großen Anfrage zur beruflichen Bildung nutzen werden. Ich werde deshalb nur kurz zu einigen der Anregungen aus dem Antrag Stellung nehmen.
Die in Ziffer 5 des Antrags vorgenommene Qualifizierung des Ausbildungspakts - so will ich es einmal bezeichnen - deckt sich völlig mit unseren Intentionen, dies insbesondere - und auch darauf habe ich vorhin schon hingewiesen - in Bezug auf die eingeforderte Rolle der Landesverwaltung. Es ist und bleibt ein bezeichnendes Beispiel für unglaubwürdige Politik, wenn von Unternehmen eingefordert wird, was die Landesregierung im eigenen Zuständigkeitsbereich mit Füßen tritt. Das betrifft insbesondere die seit Jahren geübte Praxis der Nichtbesetzung von im Haushaltsgesetz ausgewiesenen Ausbildungsplätzen. In der gestrigen Diskussion um das Altenpflegehelfergesetz sollte außerdem klar geworden sein, dass in solch ein Ausbildungsbündnis oder einen Ausbildungspakt - oder wie immer es auch heißen mag - der gesamte Bereich der Berufe im Gesundheits- und Pflegewesen gehört. Ebenfalls dazu gehört die gesamte Fachschulausbildung und da insbesondere die Ausbildung der Erzieherinnen und Erzieher. Dort werden wir absehbar eine Mangelsituation junger gut qualifizierter Fachkräfte in unseren Einrichtungen erleben. An dieser Stelle sei mir eine Empfehlung an die Kolleginnen und Kollegen der LINKEN gestattet. Eine solche gemeinsame Initiative sollte nicht nur eine Strategie entwickeln, um bisher nicht ausbildende Unternehmen zu motivieren, es ist auch erforderlich, eine Strategie zu formulieren, um Unternehmen und junge Frauen stärker für zukunftsorientierte Berufe zu motivieren. Ich sagte es ja bereits beim vorherigen Tagesordnungspunkt, aber Wiederholung kann ja nichts schaden, jeder Ausbildungspakt der vergangenen Jahre hat die Abwanderung junger Frauen missachtet und die Verdrängung von Mädchen in wenig zukunftsorientierte Berufe zumindest billigend und wegschauend in Kauf genommen.
Die in Ziffer 6 eingeforderte bessere Unterstützung benachteiligter Jugendlicher ist grundsätzlich richtig. Allerdings sollten wir uns darin einig sein, dass der flächendeckende Einsatz von Schulsozialarbeitern an Berufsschulen nicht zulasten der Kommunen geht. Dann sind wir sehr damit einverstanden. Ob nun das dänische Modell der Produktionsschule eine entscheidende Lösung ist, das sei dahingestellt, meines Wissens hat es in den letzten Jahren immer wieder derartige Modellversuche und Modellvorhaben in Thüringen und anderen Bundesländern gegeben. Vielleicht sollte man zunächst die gewonnenen Erfahrungen auswerten und auf die Übertragbarkeit überprüfen. Entscheidend ist vielmehr eine frühzeitig beginnende Bildungsbegleitung benachteiligter junger Menschen. Diese Benachteiligung wird schließlich nicht erst an der Schwelle zur Ausbildung festgestellt, sie dürfte spätestens zu erkennen sein, wenn sich während der Regelschulzeit mit beruflicher Orientierung befasst wird. Dann aber muss es um die Verknüpfung aller vorhandenen Instrumente im Bereich der Schulen, der Arbeitsagentur und auch der Jugendhilfe gehen. Deshalb war es falsch, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, den Arbeitsauftrag für Angebote in der Jugendberufshilfe im Thüringer Kinder- und Jugendhilfe-Ausführungsgesetz zu beschränken und die Landesförderung auf ein Minimum zu reduzieren.
Meine Damen und Herren, ich habe erst kürzlich anlässlich einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung und aufgrund eigener Beobachtungen erneut festgestellt, wie sich die Gruppe dieser jungen Menschen und deren soziale Ausgrenzung in den vergangenen Jahren verfestigt hat. Damit wird nicht nur eine grundsätzlich vorhandene Fachkräfteressource geschmälert, sondern auch die soziale Problematik in bestimmten Regionen verschärft. Berufliche und soziale Ausgrenzung werden damit zu einem zunehmenden Problem, und zwar zu einem zunehmenden kommunalen Problem. Es war also kurzfristig ein erprobtes Angebot an der Schnittstelle zwischen Jugendhilfe, Schule und Bundesagentur für Arbeit zu minimieren. Man hätte es stattdessen mit den Kommunen weiterentwickeln müssen. Die Entwicklung im Umfeld des SGB II wird mir dabei recht geben. Dort finden wir die jungen Menschen als Langzeitarbeitslose wieder, die Jahre zuvor wieder und wieder bei Versuchen der beruflichen Integration gescheitert sind.
Das in Ziffer 7 eingeforderte Förderprogramm ist nur dann zu begrüßen, wenn die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der jeweiligen Unternehmen noch nicht, aber absehbar gegeben ist. Ansonsten würde nichts anderes bezweckt als eine weitere Lohnsubventionierung und weitere Verlagerung unternehmerischer Verantwortung auf die öffentliche Hand. Derartige Fördermechanismen sind im Bereich der Ausbildung in Thüringen sorgsam kultiviert worden.
Wir sollten es in der Arbeitsmarkt- und Wirtschaftspolitik nicht ausbauen. Meine Botschaft dazu lautet deshalb: Wenn, dann mit Augenmaß und mit klaren Kriterien, was die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Unternehmen angeht.
Ziffer 8 des Antrags, liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, kann ich so nicht nachvollziehen. Ich gebe Ihnen grundsätzlich recht, dass wir keine Abstriche an der Ausbildungsqualität machen sollten. Nur endet diese von Ihnen beanstandete Ausnahmeregelung nach geltendem Recht ohnehin am 31.08.2008, also mit dem Ende des laufenden Ausbildungsjahres. Für das nächste Ausbildungsjahr gilt dann wieder der Nachweis der Ausbildereignungsprüfung. Mir ist deshalb unklar, was Sie damit bewirken wollen.
Die in Ziffer 9 eingeforderten regionalen Netzwerke zur beruflichen Weiterbildung sind mit Blick auf die unverändert geringe Bereitschaft der Unternehmen zur Fachkräftequalifizierung sicherlich sinnvoll. Damit könnten alle vorhandenen regionalen Ressourcen, insbesondere der Berufsschulen, der Unternehmen selbst und der jeweils ansässigen Bildungsträger, genutzt werden. Wichtig ist mir dabei, dass vorhandene regionale Abstimmungsgremien eingebunden und keine Doppelstrukturen geschaffen werden. Als Stichwort nenne ich die Beiräte nach dem SGB II. Ingesamt also, abgesehen von meinen Bedenken zu Ziffer 8 Ihres Antrags, ein Antrag mit vielen Anregungen, wir unterstützen ihn und empfehlen die Überweisung ebenfalls an den Bildungsausschuss und den Ausschuss für Wirtschaft, Technologie und Arbeit. Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, in Bezug auf das, was Kollegin Leukefeld gerade zu den Folgen der gesetzlichen Regelungen zur Leiharbeit hier dargestellt hat, kann ich nur sagen, dass das auch die Beobachtungen sind, die wir gemacht haben. Deswegen haben wir diesen Antrag gestellt. Ich will das insgesamt hier auch nicht wiederholen. Wo ich allerdings noch ein paar Unterschiede aufzeigen möchte, ist zu der Frage der Zielstellungen, die damals mit den Regelungen der sogenannten Hartz-I-Gesetze gekommen sind.
Leiharbeit hatte, bevor es zu diesen Öffnungen im Gesetz kam, eigentlich die Aufgabe, für die Betriebe auf der einen Seite sehr spontan und flexibel auf Produktionsspitzen reagieren zu können und auf der anderen Seite in bestimmten betrieblichen Situationen, wie z.B. wenn bestimmte Produktionsstrecken schnell repariert werden mussten, wenn es darum ging, bestimmtes Fachpersonal dorthin zu bekommen, das man im Betrieb nicht immer brauchte, dann reagieren zu können. Das war die Situation, warum Leiharbeit eigentlich in Deutschland entstanden ist innerhalb des Arbeitssystems. Dann ist vonseiten der Wirtschaft Druck gemacht worden und es ist gesagt worden, mit einer Flexibilisierung im Bereich der Leiharbeit werden wir es hinbekommen, dass wir viel schneller Menschen in reguläre Arbeit und sozialversicherungspflichtige Tätigkeit bekommen werden. Wir haben also zu große Fesseln, aber die Zielstellung, warum man Leiharbeit macht, die ist auch zum damaligen Zeitpunkt eigentlich nicht infrage gestellt worden. Die Zielstellung, Produktionsspitzen abzufangen und auf bestimmte betriebliche, begrenzte Situationen zu reagieren, ist nie infrage gestellt worden. Ich sage jetzt mal, auf Wunsch und Druck aus den Unternehmen, aus den Wirtschaftsverbänden hat sich die rot-grüne Koalition im Rahmen der Reform des Arbeitsmarkts dazu entschieden, diese angeblichen Fesseln, diese Beschränkungen für Leiharbeit aufzuweichen. Dann, muss man sagen, ist genau an der Stelle etwas eingetreten, was wieder zeigt, wie wichtig es ist, dass man klare Regeln macht und dass man sich auf solche Versprechungen nicht immer verlassen kann. Wir haben an der Stelle dann feststellen müssen, Sie haben es in Zahlen beschrieben, dass wir auf der einen Seite eine deutliche Ausweitung der Leiharbeit gehabt haben, dass Leiharbeit nicht nur zum vorübergehenden Auffang von Produktionsspitzen, sondern als Personalmanagementsystem eingeführt worden ist, und wir müssen auch feststellen, dass genau über den Weg, den Sie auch beschrieben haben, dass nämlich die großen Unternehmen sicher selber Zeitarbeitsfirmen gegründet haben, um die Tarifverträge, denen sie sonst unterworfen wären, zu umgehen, sie dann tätig geworden sind, diese Möglich
keiten aus dem Gesetz zu nutzen. Da die Zielstellung, die wir damals wollten, nicht eingetroffen ist, haben wir gesagt, wir müssen einfach darauf reagieren und müssen diese Begrenzung wieder herstellen. Das ist auch der Sinn und Zweck, warum wir heute diesen Antrag gestellt haben.
Ich möchte aber noch mal einen Aspekt anführen, der auch mehr auf die Situation der Beschäftigten in den Betrieben eingeht. Leiharbeiter verdienen nicht nur weniger - wir haben es auch in der Begründung geschrieben, Sie haben auch darauf hingewiesen, es sind um die 2 € weniger pro Stunde, die ein Leiharbeitnehmer in dem Leihunternehmen im Verhältnis zu dem Beschäftigten in der Stammbelegschaft bekommt -, sie leben auch in permanenter Unsicherheit. Sie wissen nicht, wie lange sie an einem Arbeitsort bleiben können. Sie müssen immer um ihr Arbeitsverhältnis fürchten und - das ist auch ein wichtiger Aspekt, darauf hat die IG-Metall-Zeitung jetzt noch mal hingewiesen - sie fühlen sich häufig als unliebsame Konkurrenten an ihren Einsatzorten. Der Kollege, der daneben als Stammbelegschaft arbeitet, fühlt sich immer bedroht, dass die Leiharbeitnehmer ihn aus diesem Beschäftigungsverhältnis verdrängen könnten.
Von ihnen wird ein enormes fachliches Wissen und Anpassungsvermögen verlangt. Sie müssen damit rechnen, dass sie in der nächsten Woche oder im Laufe einer Woche schon in einer anderen Firma unter anderen Bedingungen arbeiten müssen. Das führt zu etwas, was wir auch feststellen müssen: Die Zahl der Arbeitsunfälle pro 1.000 Beschäftigte liegt bei diesen Leiharbeitskräften bei 48, während sie bei den regulären Beschäftigten nur bei 37 liegt. Es wird also auch an der Stelle sehr viel von den Leiharbeitnehmern verlangt. Das gesamte Arbeitsverhältnis ist also von hoher persönlicher Belastung, von Gesundheitsrisiken und von Unsicherheit gekennzeichnet.
Solche Arbeitsbedingungen, so wie sie bei Leiharbeit oftmals vorherrschen, sind auch familienunfreundlich. Ich habe auch gestern in der Diskussion „Mindestlohn“ schon einmal darauf hingewiesen, wir wissen, dass sich junge Menschen nur dann für die Gründung von Familien entscheiden, wenn zumindest mittelfristige Planungssicherheit oder ein auskömmliches Einkommen vorhanden ist. All das gilt nicht für die Leiharbeit unter den jetzigen Bedingungen. Stattdessen haben die Unternehmen seit der Lockerung der gesetzlichen Bedingungen, Arbeitnehmerüberlassungsgesetz, bewiesen, dass sie damit sozial- und wirtschaftspolitisch nicht verantwortungsvoll umgehen können. Wir stellen auch eine zunehmende Hire-und-fire-Mentalität fest. Sie sorgt für Wettbewerbsverzerrungen bei all den Firmen, die sich den Grundsätzen sozialer Marktwirtschaft verpflichtet
fühlen. Deshalb ist es aus unserer Sicht erforderlich, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen zugunsten der Arbeitnehmer und zur Wiederherstellung klarer Wettbewerbsregelungen geändert werden.
Wir wollen mit dem vorliegenden Antrag a) mindestens einen Lohn auf der Basis des mit dem DGB abgeschlossenen Tarifvertrags, der auch nur unter Zähneknirschen der Gewerkschaften zustande gekommen ist und wo auch nicht DGB-Gewerkschaften wieder mal versucht haben, schnell bereit zu sein, einen Dumpinglohnvertrag zu unterschreiben und damit auch der DGB auf der Arbeitnehmerseite unter Druck gesetzt worden ist. Wir wollen c) eine Begrenzung der Verleihzeit auf längstens zwölf Monate und eine Begrenzung des Anteils der Leiharbeitnehmer in einem Betrieb. Auch da haben wir in unserem Antrag an dem Beispiel Siemens hingewiesen, was für Blüten das mittlerweile treibt mit über 30 Prozent Anteil der Leiharbeit an der Stammbelegschaft. Und wir wollen - auch ein wichtiger Punkt für uns - die Mitbestimmungsrechte der Betriebs- und Personalräte in den Entleihfirmen auf die Zeitarbeitnehmer ausdehnen. So sollen nicht mehr die Personal/Betriebsräte über das Ob von Leiharbeit, sondern auch über das Wie mitbestimmen dürfen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, dieser Antrag muss im Zusammenhang mit unserem Antrag von gestern auf Einführung eines Mindestlohns gesehen werden. Er greift zudem auf, dass der EU-Sozialkomissar Vladimir Spidla noch für das laufende Jahr angekündigt hat, dass die Europäische Union die Bedingungen für Zeitarbeiter ebenfalls verbessern will. Noch unter laufender portugiesischer Ratspräsidentschaft sollen Regelungen getroffen werden, um das Prinzip „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ zu gewährleisten. Unser Antrag beinhaltet zunächst die unbedingt erforderlichen Mindestforderungen, um möglichst kurzfristig auf nationaler Ebene den Missbrauch der gesetzlichen Möglichkeiten einzudämmen. So wünschenswert künftige europäische Regelungen auch sind, noch wichtiger ist es aus unserer Sicht, bereits jetzt zu handeln. Wir brauchen schnell faire Arbeitsbedingungen und - genauso wichtig - wir brauchen faire Wettbewerbsbedingungen zwischen den Unternehmen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Kaschuba, ich war die ganze Zeit hier im Saal, ich bin wegen diesem Tagesordnungspunkt nicht raus zu der Demo gegangen. Sie müssen damit Vorlieb nehmen, dass der arbeitsmarktpolitische Sprecher der SPD-Fraktion zu diesem Thema auch weiterhin spricht.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben die Diskussion zum Mindestlohn in diesem Hause schon wiederholt geführt und, Herr Kretschmer, es liegt nicht daran, dass wir Ihre hier immer wieder angeführten angeblichen Argumente nicht einsehen wollen, sondern dass es darum geht, eine falsche Entwicklung zu korrigieren. Darum geht es uns hier. Ich will auch mal sagen, das, was Sie hier an sogenannten Argumenten geboten haben, das waren zum Teil volkswirtschaftlich verbrämte Milchmädchenrechnungen und die haben zum Teil nicht mal die Grundrechenarten berücksichtigt, die Sie hier angebracht haben. Das ist das Erste.
Das Zweite: Sie haben mit der Lebenswirklichkeit von vielen Hunderttausenden, in Gesamtdeutschland Millionen, Menschen nichts zu tun. Sie können sich wahrscheinlich auch gar nicht vorstellen, was es heißt, für solche Löhne zu arbeiten, von solchen Löhnen leben zu müssen. Und Sie ignorieren auch - und darauf komme ich gleich noch einmal zurück -, was die Thüringer Verfassung Ihnen eigentlich als Auftrag gegeben hat für Regierungspolitik.
Leider hat die Niedriglohnphilosophie bei Ihnen, bei der CDU, bisher in Thüringen und auch bei der Mehrheitsfraktion beim Bund die Einsicht in die offensichtliche Notwendigkeit eines Mindestlohns verhindert. Aber wir geben die Hoffnung nicht auf, steter Tropfen höhlt auch hier den Stein. Wir haben ja vor Kurzem wenigstens ein bisschen Hoffnung schöpfen können, nämlich bei Ihrer Diskussion. Wir sagen, auch gemeinsam mit der anderen Oppositionsfraktion, seit Beginn dieser Legislatur, dass wir in Thüringen eine Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform brauchen. Sie haben immer gesagt: Wir brauchen so etwas überhaupt nicht. Zumindest gibt es jetzt von Ihnen einen zwar in die falsche Richtung und mit falschen Werten agierenden, aber immerhin einen Ansatz für eine Form der Gebietsreform. Also, da hat sich auch bei Ihnen was bewegt und deswegen werden wir auch weiter bei der Thematik Min
destlohn hier stehen.
Meine Damen und Herren, nachdem jetzt über die Gewerkschaften hinaus, die gerade wieder angesprochen waren, immer stärker auch die Wohlfahrtsverbände und die Kirchen auf einen Mindestlohn drängen, nachdem in Umfragen die Bevölkerung zunehmend für einen Mindestlohn plädiert, könnte ja doch die Einsichtsfähigkeit bei der CDU wachsen. Die sachlichen Argumente dafür finden Sie in unserem Antrag. Auch da möchte ich meinen Kollegen von der CDU-Fraktion, Herrn Kretschmer, noch einmal bitten nachzulesen, bevor er etwas über solche Sachen sagt, und sich die Argumentation tatsächlich anzuschauen und nicht einfach hier nur zu diffamieren und nicht darauf einzugehen. Weil ich fürchte, dass erneut der Untergang Thüringens beschworen wird, sei auch das wiederholt - auch da unterscheidet sich das, was Herr Kretschmer wahrnimmt -: In England haben die Wirtschaftsverbände genauso, wie es hier behauptet wird, bei der Einführung des Mindestlohns Abwanderung von Unternehmen und wirtschaftlichen Schaden an die Wand gemalt. Das Gegenteil trat ein und selbst die einstigen Gegner haben sich zu Befürwortern in Großbritannien gewandelt. Es kann ja auch nicht gegen den gesetzlichen Mindestlohn sprechen, dass die Mehrheit der EU-Länder über so einen verfügt und dass die Erfahrungen dort überall positiv sind. Wer sich also dennoch gegen die offensichtlichen Fakten stemmt, der führt anderes im Schilde, der will die sozialen Gegensätze verschärfen. Ich möchte daran erinnern, dass die Landesregierung in Artikel 36 unserer Verfassung und auch in Artikel 38 einen klaren Handlungsauftrag hat. In Artikel 36 heißt es, ich zitiere: „Es ist ständige Aufgabe des Freistaats, jedem die Möglichkeit zu schaffen, seinen Lebensunterhalt“ - Herr Kretschmer, da können Sie ruhig mal zuhören, es geht um die Verfassung - „durch frei gewählte und dauerhafte Arbeit zu verdienen.“ Die Wirklichkeit in Thüringen aber sieht für viele Arbeitnehmer anders aus. Thüringen ist in der Bundesrepublik das Billiglohnland. Selbst wenn der Wirtschaftsminister die neuen Daten des IAB-Betriebspanels bestreiten sollte, wie er es im Wirtschaftsausschuss getan hat, so bleibt doch die Tatsache, dass mehr und mehr Menschen trotz Vollzeitjob auf staatliche Unterstützung angewiesen sind. Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung hat anlässlich ihrer Tagung in Erfurt ausdrücklich eine Mindestlohnregelung gefordert. Sie hat sehr zu Recht darauf hingewiesen, dass mehr als 20.000 Männer und Frauen in Thüringen zusätzlich zur Vollbeschäftigung staatliche Leistungen beziehen. Einschließlich der Teilzeitarbeitsverhältnisse handelt es sich in Thüringen ungefähr um 50.000 Arbeitnehmer. Weil wir uns heute auch mit Kinderarmut auseinandersetzen bzw. morgen bei Tagesordnungspunkt - so weit sind wir ja noch nicht gekommen in der Tagesordnung -, sei auch darauf hin
gewiesen: In all den Fällen, wo Arbeitnehmer mit diesen Hungerlöhnen und Aufstockungsleistungen Familien zu ernähren haben, existiert Kinderarmut. Die evangelische Kirche und die Deutsche Bischofskonferenz haben in ihrem gemeinsamen Wort zur wirtschaftlichen und sozialen Lage in Deutschland festgehalten, auch hier erlaube ich mir zu zitieren: „Es müssen also Strukturen geschaffen werden, welche dem Einzelnen die verantwortliche Teilnahme am gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben erlauben. Dazu gehört neben den politischen Beteiligungsrechten Zugang zu Arbeits- und Beschäftigungsmöglichkeiten, die ein menschenwürdiges, mit der Bevölkerungsmehrheit vergleichbares Leben und eine effektive Mitarbeit am Gemeinwohl ermöglichen.“ Das sind doch klare Botschaften der Kirchen und sie liegen seit Jahren auf dem Tisch. Gerade eine sich „christlich-demokratische“ nennende Partei sollte doch solche Positionen nicht länger vom Tisch wischen.
Wer nun trotz Arbeit auf ergänzende Leistungen des SGB II angewiesen ist, der kann eben kein mit der Bevölkerungsmehrheit vergleichbares Leben führen. Er kann schon lange nicht, wie es die Aufgabe unserer Verfassung ist, seinen Lebensunterhalt durch frei gewählte und dauerhafte Arbeit verdienen. Er kann allzu oft seine Kinder nicht in dem Umfang fördern und am gesellschaftlichen Leben teilnehmen lassen, wie es erforderlich wäre. Wer sich die Inanspruchnahme der öffentlichen Tafeln in Thüringen ansieht, der weiß, dass Hungerlöhne längst nicht mehr nur ein Begriff für längst vergangen geglaubte Zeiten sind. Wer Kindergärten und Schulen besucht, der weiß auch, dass Kinder unter dieser Situation ihrer Familien besonders leiden.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Verfassung steht eben nicht, dass es das Ziel ist, den Lebensunterhalt zu einem Teil zu verdienen. Genau das aber ist für immer mehr Arbeitnehmer der Fall. Sie geben ihr Bestes, von ihnen werden Arbeitszeiten oft weit oberhalb der 40-Stunden-Woche verlangt. Dennoch werden Sie zu Bittstellern in den Grundsicherungsämtern. Das ist die Seite für die Betroffenen und sie ist ein Skandal.
Es gibt auch noch eine andere Seite, die des Marktes. Denn was bedeutet diese zunehmende Lohnsubventionierung für den Wettbewerb der Firmen untereinander?
Es stört, wenn an der Seite so laut geredet wird. Entschuldigung.
Da gibt es mittlerweile offenbar keinerlei Schamgrenzen mehr und der ehrliche Unternehmer wird mehr und mehr zum dummen Unternehmer. Das Motto, hol dir den Rest des Geldes beim Arbeitsamt, scheint zumindest in den Branchen, in denen ausreichend Fachkräfte zur Verfügung stehen, zur gängigen Praxis zu werden. Das führt zu einem ruinösen Wettbewerb der Firmen untereinander. Das hat nichts, aber auch gar nichts mit sozialer Marktwirtschaft zu tun. Nicht ohne Grund haben deshalb die Gebäudereinigungsunternehmen beim Bundesarbeitsminister auf die Festlegung eines Mindestlohns gedrängt. Auf diese Einsicht allerdings in allen Branchen zu warten, wäre unverantwortlich.
Sie wird auch nicht in allen Branchen kommen, weil sich einige immer zulasten der arbeitenden Menschen einen Vorteil ausrechnen und ihnen das Gemeinwohl egal ist, ein Vorteil, der nur dadurch möglich wird, indem die öffentliche Hand für eine Wettbewerbsverzerrung der Unternehmen untereinander sorgt. Genau dies geschieht zunehmend. Ohne Mindestlohn haben wir bundesweit einen flächendeckenden Kombilohn, der trotz des wirtschaftlichen Wachstums mehr und mehr in Anspruch genommen wird. Wenn nun die Landesregierung nichts dagegen unternimmt, wenn Sie wie bisher diesen Missbrauch billigend in Kauf nimmt und sogar verteidigt, dann verletzt Sie einen weiteren Auftrag der Thüringer Verfassung. Dort heißt es in Artikel 38: „Die Ordnung des Wirtschaftslebens hat den Grundsätzen einer sozialen und der Ökologie verpflichteten Marktwirtschaft zu entsprechen.“
Meine Damen und Herren, wer dem Lohndumping nach unten keine Grenzen setzt, der will keine soziale Marktwirtschaft, sondern eine asoziale Marktwirtschaft. Wenn kürzlich in einer Sendung des ZDF von einem Fall aus Sachsen berichtet wurde, bei dem Großbaustellen völlig legal überwiegend durch kostenlose und von der Arbeitsverwaltung finanzierte Probearbeitsverhältnisse betrieben werden, dann zeigt dies, wohin die Spirale nach unten führen kann. Diese Entwicklungen schreien geradezu nach gesetzlichen Regelungen. Tarifpolitik allein kann das untere Auffangnetz in vielen Branchen gerade in unseren Regionen nicht mehr gewährleisten. Die Kollegen der CDU wissen das sehr genau. Wenn aber dennoch immer wieder von Ihnen auf die abgeschlossenen Tarifverträge, z.B. im Bereich des Friseurhandwerks und anderer Niedriglohnbereiche, hingewiesen wird, dann sage ich Ihnen, das, was Gewerkschaften dort abschließen mussten, das war die pure Not, um noch Schlimmeres zu verhüten. Manchmal sorgen Pseudogewerkschaften außerhalb des DGB
dafür, dass die Not für die Arbeitnehmer noch ein wenig größer wird.
Ich glaube, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, Sie kennen diese Organisationen besser als ich. Ich möchte namens meiner Fraktion deshalb dafür werben, dass die Landesregierung aufgrund Ihres Verfassungsauftrags zur Schaffung fairer Arbeitsbedingungen für die Menschen und fairer Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen die Initiative des Bundeslandes Rheinland-Pfalz im Bundesrat zur Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns unterstützt. Für die Kolleginnen und Kollegen der CDU möchte ich darüber hinaus anregen, das zu realisieren, was im Gemeinsamen Wort des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland und der Deutschen Bischofskonferenz bereits vor Jahren als Zielstellung formuliert und nun von der Katholischen Arbeitnehmer-Bewegung sehr konkret eingefordert wird. Folgen Sie dem Beispiel ihres Kollegen Bergemann, der sich in einem Radiointerview zum Mindestlohn bekannt hat. Denn wer diese Niedriglöhne weiter forciert oder zumindest billigend in Kauf nimmt, der betreibt eine zutiefst unsoziale und familienfeindliche Politik. Ich bin fest davon überzeugt, dass die Einführung eines Mindestlohns nicht nur die Lebenslage von Tausenden von Thüringern und ihren Familien verbessern würde, sondern auch den Wirtschaftsstandort Thüringen stärkt. Das Billiglohnland Thüringen ist kein Erfolgsmodell, sondern es hat zu einer massenhaften Abwanderung insbesondere qualifizierter junger Menschen beigetragen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, zunächst vielen Dank, dass wir überhaupt zu diesem Tagesordnungspunkt einen Bericht der Landesregierung bekommen haben. Allerdings hätte ich dieses Mal mehr Bereitschaft zur Selbstkritik erwartet, zumal die CDU-Landesregierung und die sie tragende Mehrheitsfraktion sich ansonsten gern aufspielt als Hüter der Freien Wohlfahrtspflege. Aber wieder einmal war es einer dieser Berichte, die die Bereitschaft zur kritischen Auseinandersetzung weitgehend vermissen lassen. Vor allen Dingen konnte
ich nicht erkennen, dass Sie, Herr Minister, die Freie Wohlfahrtspflege als Partner und als Experte der sozialen Daseinsvorsorge verstehen. Ihre eigenen Formulierungen, die Sie hier auch wieder gebraucht haben, zeigen, Sie nehmen die Freie Wohlfahrtspflege nicht ernst. Ich habe den Eindruck, dass zumindest seit dieser Legislaturperiode die Wohlfahrtsverbände mehr und mehr von der Landesregierung in die Rolle von Bittstellern gedrängt werden. Von Bitt- und Antragstellern, die unter dem Generalverdacht der Abzocke stehen, die von der Landesregierung jedenfalls nicht als das verstanden werden, was sie in vielen Bereichen des Sozialsystems und der sozialen Daseinsvorsorge in der Bundesrepublik sind und sein sollen, nämlich als Partner, der gleichberechtigt oder gar vorrangig neben den öffentlichen Trägern steht und der gemeinsam mit den öffentlichen Trägern die sozialen Strukturen gestaltet. Wenn Sie diesen Anspruch und diese Tradition ernst nehmen würden, dann wäre der Umgang mit der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in Thüringen ein anderer, dann nämlich wäre es selbstverständlich, dass Verhandlungen mit den Experten der sozialen Daseinsvorsorge tatsächlich auf gleicher Augenhöhe zu erfolgen hätten. Aber weit gefehlt, dies alles ist der Realpolitik der Landesregierung nicht zu entnehmen.
Dafür ist die Verfahrensweise mit der auf Initiative der LIGA der Freien Wohlfahrtspflege eingerichteten Arbeitsgruppe ein bezeichnendes Beispiel. Das wesentliche Ziel dieser Arbeitsgruppe, die sicher nicht ohne Grund etwa ein Jahr vor der Landtagswahl 2004 eingerichtet wurde, bestand darin, das Niveau der sozialen Infrastruktur in Thüringen umfassend und nachhaltig zu sichern.
Was aber ist seit dieser Zeit tatsächlich geschehen? Lassen Sie mich nur einige Beispiele nennen. Der Landesjugendförderplan wurde seit 2004 - also nach Einrichtung der Arbeitsgruppe - um 33 Prozent gekürzt. Im engen Zusammenhang damit steht die Jugendpauschale, sie wurde samt dem Titel Schuljugendarbeit im gleichen Zeitraum von 14,5 auf 9 Mio. €, also um 38 Prozent gekürzt. Das alles hat Strukturen verändert, damit wurden Angebote abgebaut.
Weder mit den freien Trägern noch den Kommunen, die ja in der Arbeitsgruppe vertreten waren, wurde in irgendeiner Form ein Dialog zur Ausgestaltung der Jugendarbeit geführt.
Meine Damen und Herren, das Gleiche gilt übrigens für den Landesjugendring und den Landesjugendhilfeausschuss. Es war sicher nicht ohne Grund so, dass der neue Landesjugendhilfeausschuss erst im Juli 2005 gebildet wurde - ein Jahr nach der Wahl. Zu dem Zeitpunkt hatte der Ministerpräsident in sei
ner Regierungserklärung kurz nach der Wahl verkündet, das Landesjugendamt auflösen zu wollen und damit auch den Landesjugendhilfeausschuss, der schließlich Bestandteil des Landesjugendamtes ist. Dies hätte eine entscheidende Beschneidung der Rechte freier Träger bedeutet. Schließlich haben sie im Landesjugendhilfeausschuss ein gewichtiges Wort mitzureden. Nun konnte bekanntlich das Landesjugendamt aus rechtlichen Gründen nicht aufgelöst werden, aber es ist schon interessant, wie einerseits mit einer Arbeitsgruppe verhandelt wird und andererseits politisch versucht wird, deren Einfluss zu mindern.
Ambulant vor stationär war ein weiteres Stichwort - Sie haben darauf hingewiesen - und es war auch eine weitere Zielrichtung der Arbeitsgruppe. Und die Wirklichkeit? Mit dem 2005 novellierten Thüringer Gesetz zur Ausführung des Pflegeversicherungsgesetzes und mit dem künftigen faktischen Entfall des Landespflegegeldes flüchtet die Landesregierung aus ihrer Mitverantwortung im Bereich der Pflege. Heimbewohner und pflegebedürftige Menschen, die ambulante Dienste in Anspruch nehmen, werden zusätzlich belastet. Die Wohlfahrtsverbände sind Sturm gelaufen gegen dieses Gesetz, die Landesregierung setzt es bis heute ungerührt um. Aber dabei blieb es nicht. Die Förderung niederschwelliger Betreuungsangebote für Pflegebedürftige mit erheblichem Betreuungsbedarf wurde von 200.000 € im Jahre 2004 auf 109.000 € im laufenden Haushaltsjahr reduziert, also faktisch halbiert.
Diese Strategie des Sozialabbaus setzt sich im Bereich der Behindertenpolitik fort. Obenan steht die Diskussion um das Landesblindengeld, bei der Thüringen bundesweit eine traurige Vorreiterrolle einnahm. Erst angesichts eines drohenden Volksbegehrens und der heraufziehenden Wahlen im Jahre 2009 kam es zur Umkehr. Die damit verbundenen Umstände wiederum deuten nicht auf Einsicht hin, ganz und gar nicht. Das erinnert alles viel mehr an einen Handel auf einem Basar. Auch dort, wo es unmittelbar um die Arbeit der Wohlfahrtsverbände geht, wurde weiter gekürzt. Die sogenannte sonstige Behindertenhilfe, also familienentlastende Dienste, Beratungsstellen, betreutes Wohnen, wurde von 1,2 Mio. € im Haushaltsjahr 2004 auf nur noch 450.000 € gekürzt. Die Maßnahmen für psychisch Kranke und seelisch Behinderte wiederum wurden von 1,2 auf 0,67 Mio. € gekürzt, alles in dem Zeitraum, in dem die Arbeitsgruppe zum Erhalt sozialer Infrastrukturen tagte. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die LIGA jemals solche Vorschläge unterbreitet hat.
Die Ergebnissicherung aus der Wahrnehmung der Landesregierung heraus ging munter weiter, auch dort, wo es um Arbeitsmarktpolitik für benachteilig
te Menschen in diesem Land geht, ebenfalls ein Handlungsfeld, auf dem die Träger der Freien Wohlfahrtspflege tätig sind. Der Haushaltstitel „Arbeit für Thüringen zur Förderung von ABM, SAM, 50 Plus, Arbeitsloseninitiativen, Beschäftigungsgesellschaften“ usw. wurde seit 2004 von 43 Mio. auf 12,76 Mio. € im laufenden Haushaltsjahr gekürzt. Die Förderung der Arbeitsloseninitiativen und der Beschäftigungsgesellschaften wurde ersatzlos gestrichen. Das lange Jahre erfolgreiche Programm Jugendberufshilfe mit Ziel zusätzlicher Förderung benachteiligter junger Arbeitsloser ist als Förderprogramm für die Träger entfallen. Gekrönt aber wurde die Strategie des Sozialabbaus mit dem Familienfördergesetz. Spätestens dann war die tatsächliche Einstellung der Landesregierung und der CDU-Fraktion zur Freien Wohlfahrtspflege ersichtlich. Wiederholt haben wir in der Diskussion um das Familienfördergesetz in diesem Hause neben den Kürzungen in Millionenhöhe Diskreditierungen der freien Träger erlebt. Von Wohlfahrtskonzernen war die Rede und lauthals wurde immer wieder Missbrauch der Fördermittel unterstellt. Das ist das Ergebnis realer Landespolitik, vor der wir seit der Errichtung der Arbeitsgruppe der LIGA mit der Landesregierung und den kommunalen Spitzenverbänden stehen.
Die LIGA trat damals an mit dem Slogan „Thüringen bleibt sozial“ und verfolgte dieses Ziel in den Arbeitsgruppen. Die Landesregierung machte derweil Realpolitik und überschrieb die Haushaltspläne 2005 bis 2007 mit der heimlichen, unheimlichen Überschrift „Sozialabbau, wo es nur geht“. Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Landesregierung die gemeinsamen Treffen als eine Art Beschäftigungstherapie betrachtet hat. Völlig schleierhaft ist mir, wie trotz dieser an den Haushaltsdaten abzulesenden Entwicklung die Landesregierung heute in der Lage ist, die Ergebnisse der Arbeitsgruppe positiv darzustellen. Ich erinnere mich gut daran, wie der Direktor der Caritas Thüringen, Herr Heller, als damaliger Vorsitzender der LIGA, bei der ersten Podiumsdiskussion zur Thüringer Familienoffensive im Jahre 2005 erklärte, dass er bezweifle, ob er den zuvor von der Landesregierung immer wieder propagierten Thüringer Weg bei der Finanzierung der Kindertagesstätten noch als vorbildlich bezeichnen könne. Ich weiß, dass die Initiatoren der damaligen Arbeitsgruppe heute kopfschüttelnd vor den Ergebnissen stehen.
Meine Damen und Herren, so kann es nicht weitergehen in Thüringen im Umgang mit den freien Trägern der Wohlfahrtspflege; Subsidiarität und Partnerschaftlichkeit verlangt etwas anderes als Gängelei, Verunglimpfung und Missbrauch von Arbeitsgruppen als Spielwiesen. Umkehr in der Sozialpo
litik und im Umgang miteinander ist angesagt. Nun ist es nicht möglich, dass die LIGA der Freien Wohlfahrtspflege in diesem Hause ihren Eindruck selbst schildern kann, aber sie kann es in den Ausschüssen machen, wenn wir es wollen. Deshalb, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wem an der Wahrhaftigkeit und einem partnerschaftlichen Umgang mit der LIGA der Wohlfahrtspflege liegt, der sollte der LIGA und auch den Vertretern der kommunalen Spitzenverbände im Sozialausschuss die Möglichkeit einräumen, ihre Sicht der Arbeitsergebnisse zu schildern. Dann wird klar, wo und wie umgesteuert werden muss. Deshalb beantrage ich für meine Fraktion die Überweisung dieses Tagesordnungspunkts an den Sozialausschuss und Weiterberatung des Berichts. Wir sollten dort die Gelegenheit zur Anhörung der von mir Genannten nutzen. Dies zu verweigern, wäre nichts anderes, als die Freie Wohlfahrtspflege in Thüringen erneut vor den Kopf zu stoßen. Vielen Dank.
Herr Minister, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass ich nicht von einer Auflösung des Landesjugendrings gesprochen habe und würden Sie bestätigen, dass die Forderung nach einer Auflösung des Landesjugendamtes die Auflösung des Landesjugendhilfeausschusses beinhaltet und dass dies in der Regierungserklärung des Ministerpräsidenten im September 2004 stand?
Würden Sie mir noch mal bestätigen, dass es dabei nicht um den Landesjugendring geht, sondern um den Landesjugendhilfeausschuss als Bestandteil des Landesjugendamtes?
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, der Antrag der Kollegen von der Linkspartei.PDS - oder jetzt ist er von der Partei DIE LINKE - greift ein offenkundiges Problem auf. Auch die Damen und Herren in der Mitte dieses Hauses werden die Augen nicht länger davor zumachen können, dass Wirtschaftswachstum allein das Problem langzeitarbeitsloser Menschen weder jetzt löst noch zukünftig lösen wird. Bereits der Ombutsrat zur Begleitung des SBG II stellt im vergangenen Jahr fest - ich erlaube mir zu zitieren: „Für einen großen Teil der Langzeitarbeitslosen ist auch bei Besserung der Lage auf dem Arbeitsmarkt eine Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt nicht realistisch. Die Frage, wie wir die Beschäftigung langzeitarbeitsloser Menschen und die Umsetzung gesellschaftlicher Aufgaben zusammenbringen, muss uns alle weiter bewegen.“ Die Bundesagentur für Arbeit hat selbst wiederholt auf den entsprechenden Bedarf zusätzlicher und langfristig finanzierter Beschäftigungsangebote hingewiesen. Wir haben bereits im vergangenen Jahr eine Fachveranstaltung unter dem Titel „Fördern - aber wie?“ in diesem Hause veranstaltet. Auch dort wurde klar, wir brauchen einen öffentlich geförderten Arbeitsmarkt für dauerhafte Beschäftigung. Auch wir sind der Auffassung, dass über die vorhandenen Förderinstrumente hinaus ein Angebot für eine langfristige und dauerhafte Beschäftigung entwickelt werden muss. Die SPD-Landtagsfraktion hat darauf in diesem Hause auch immer wieder hingewiesen. Auf dem Landesparteitag der Thüringer SPD Ende des vergangenen Jahres gab es ein eindeutiges Bekenntnis dazu. Wir wollen einen gemeinwohlorientierten Arbeitsmarkt, der dauerhafte, sozialversicherungspflichtige und existenzsichernde Beschäftigungsmöglichkeiten bietet. Es freut mich, dass DIE LINKE spätestens mit diesem Antrag ihre frühere Position „Hartz IV muss weg“ in Thüringen offenkundig aufgegeben hat, auch wenn die Kollegin Leukefeld ges
tern in der Debatte noch einmal den Versuch unternommen hat, diese Fahne zu hissen. Das SGB II muss nämlich nicht weg, es muss in der Umsetzung und der Förderung besser werden.
Nicht zuletzt aufgrund der Anregungen der Thüringer SPD gibt es ja jetzt ein neues Förderinstrument. Das Bundesprogramm „Kommunal-Kombi“ greift das Problem auf und sechs Regionen in Thüringen werden davon profitieren können. Insoweit waren wir mit der Intention des Antrags der Linksfraktion zum Zeitpunkt der Antragstellung einverstanden, zumal die Kollegen offenbar die eine oder andere Idee von uns aufgegriffen haben. Aber wie das so ist, mitunter überholen aktuelle Entwicklungen eine im Grunde begrüßenswerte Anregung. Genau das ist mit dem neuen Bundesprogramm der Fall, und zwar im positiven Sinne. Deshalb sollte dessen Umsetzung Vorfahrt haben, zumal es wesentliche Intentionen dieses Antrags aufgreift.
Aber dennoch zwei kritische Anmerkungen zum Antrag selber. Der Teufel steckt nämlich bekanntlich wie immer im Detail. Ich will hier auch aus unserer Sicht auf zwei Knackpunkte hinweisen. In Ziffer 1 des Antrags wird die Zusammenlegung der Unterhaltsleistungen, der Kosten der Unterkunft und der Mittel für aktive Arbeitsmarktpolitik - ergänzt durch Landes- und ESF-Mittel - eingefordert. Dies ist im Rahmen eines Modellprojekts zwar begrenzt möglich, tatsächlich aber wenig sinnvoll und im größeren Rahmen auch rechtlich nicht umzusetzen. Den größeren Rahmen aber bietet uns jetzt das Bundesprogramm.
Dann gibt es noch einen Beipack im Antrag, der nach meiner Auffassung dort nicht hingehört, weil er andere politische Intentionen als die Beschäftigung langzeitarbeitsloser Menschen hat. In Ziffer 4, vierter Anstrich, versuchen Sie mit der Klammerbemerkung und der dort getroffenen Festlegung der Höhe des Bruttoeinkommens wiederholt klammheimlich den Wettbewerb um die Höhe des Mindestlohnes anzuheizen. Liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, Sie wissen, dass die SPD für einen Mindestlohn war und ist; wir in Thüringen übrigens immer voran - und darauf bin ich stolz. Sie wissen, dass die SPD trotz aller in einer Koalition mit der CDU zu schließenden Kompromisse nicht bereit sein wird, von der Forderung nach einem Mindestlohn abzurücken. Ihr Antrag zu diesem Thema im Thüringer Landtag ist in Anbetracht des zu lösenden Problems für langzeitarbeitslose Menschen nicht für solche parlamentarischen Scharmützel geeignet. Die Festlegung des Bruttoeinkommens ist zudem kontraproduktiv.
Der Presse war zu entnehmen, dass im Bereich der ARGE Erfurt ein Beschäftigungsprojekt mit einem
Bruttolohn von 1.350 € geplant ist. Das wäre nach dem vorliegenden Antrag nicht möglich. Nun nehme ich an, dass dieser Punkt in Übereinstimmung mit dem anderen Partner der ARGE, nämlich der Stadtverwaltung Erfurt, und dort auch mit der Bürgermeisterin und Sozialdezernentin entwickelt wurde. Also bitte Konzentration auf das Thema; die Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit sollte uns allen zu wichtig sein, um uns mit solchen parlamentarischen Fallstricken abzugeben. Die Kollegen von der LINKEN möchte ich deshalb bitten, die Höhe des genannten Einkommens ersatzlos zu streichen. Wir sind aber der Auffassung, dass der Antrag, abgesehen von der Benennung des monatlichen Einkommens, gute Anregungen bietet, um sich im Detail gemeinsam mit den Experten und angesprochenen Akteuren auseinanderzusetzen. Er bietet Anregung für das Bundesprogramm „Kommunal-Kombi“, was in seinem Umfang über die hier beantragte Platzzahl hinausgehen wird. Aber wir dürfen dabei die Kommunen nicht allein lassen. Das Land muss ergänzende Förderung und Unterstützung bei der Umsetzung gewährleisten und darauf sollten wir uns konzentrieren. Dabei können die Erfahrungen der beiden Projekte in Sachsen-Anhalt und Ostthüringen zur Bürgerarbeit sicherlich hilfreich sein. Der Antrag gehört deshalb nach unserer Auffassung in den Wirtschaftsausschuss. Er sollte dort gemeinsam mit der Umsetzung des Bundesprogramms mit den angesprochenen Arbeitsmarktakteuren erörtert werden. Es gilt, die Voraussetzungen zur Umsetzung eines qualitativ hochwertigen Beschäftigungsangebots zu benennen, ein Angebot, das sich im ersten Schritt auf die Region des Bundesprogramms konzentrieren muss, was aber im zweiten Schritt darüber hinaus bedarfsgerecht und auf das ganze Land auszuweiten ist. Ein solches durchaus sinnvolles Projekt tatsächlich zu stemmen, setzt voraus, dass die individuelle Förderung im Bereich der ARGE gut funktioniert. Ich habe bereits gestern beim in der Tagesordnung vorhergehenden Tagesordnungspunkt aufgezeigt, dass die Kommunen in diesem Prozess unterstützt werden müssen. Sie sind diejenigen, die über die infrage kommenden Arbeitsfelder verfügen und die Abgrenzung zur Wettbewerbsverzerrung und zum Missbrauch gewährleisten müssen. Eines der größten Probleme scheint hier die Ausweisung sinnstiftender Arbeitsfelder zu sein. All das werden wir aber auch im Hinblick auf die Umsetzung des Bundesprogramms klären müssen.
Ich halte daher die Überweisung an den Fachausschuss für erforderlich und bitte die Kollegen der CDU ausdrücklich um Zustimmung. Wir werden in jedem Fall die Kommunen bei dem „Kommunal-Kombi“ unterstützen müssen. Der vorliegende Antrag liefert dafür Anregungen. Ein solches Verfahren wäre tatsächlich ein konstruktiver Umgang in diesem Hause mit dem Problem langzeitarbeitsloser Menschen.
Rücknahme von Lottomittelzusicherungen
Anträge auf Lottomittel werden regelmäßig gestellt, weil für die Anliegen reguläre Fördermittel grundsätzlich nicht bereitgestellt werden. Die Antragsteller haben in der Regel ihre Vorbereitungen für den Erwerb von Gegenständen oder für die Durchführung von Maßnahmen abgeschlossen. Die Umsetzung kann erfolgen, sobald der Fördermittelbescheid vorliegt. Nach mir vorliegenden Informationen gibt es Fälle, bei denen für den beantragten Förderzweck zunächst Lottomittel in bestimmter Höhe schriftlich zugesichert wurden, dann aber ein ablehnender Bescheid folgte.
Ich frage die Landesregierung:
1. In welchen Fällen wurde im Jahr 2006 und im bisherigen Jahr 2007, aufgegliedert nach den einzelnen Ministerien bzw. der Staatskanzlei, die finanzielle Unterstützung durch eine Zuwendung aus Lottomitteln zuerst in Aussicht gestellt, später jedoch wieder zurückgenommen?
2. Welche Gründe für die Änderung der Zuwendungsabsicht lagen den unter Frage 1 genannten Fällen des Jahres 2007 im Einzelnen zugrunde?