Meine Damen und Herren Abgeordneten, ich heiße Sie herzlich willkommen zur Sitzung des Thüringer Landtags, die ich hiermit eröffne. Ich begrüße sehr herzlich unsere Gäste auf der Zuschauertribüne und die Vertreterinnen und Vertreter der Medien.
Als Schriftführerin hat neben mir Platz genommen die Abgeordnete Wolf und die Rednerliste führt die Abgeordnete Holbe.
Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt: Herr Ministerpräsident Althaus, Frau Ministerin Diezel, Frau Abgeordnete Ehrlich-Strathausen, Herr Abgeordneter Hauboldt und die Frau Abgeordnete Künast.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, wir haben heute ein Geburtstagskind unter uns. Ich gratuliere dem Abgeordneten Thomas Kretschmer recht herzlich zum Geburtstag. Ich wünsche ihm Freude, Glück, Zufriedenheit im neuen Lebensjahr und weiterhin ein gutes Wirken hier im Landtag.
Wünscht die Fraktion der CDU das Wort zu Begründung? Das ist nicht der Fall. Die Landesregierung erstattet Sofortbericht und für die Landesregierung erteile ich das Wort Herrn Staatssekretär Juckenack.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, die CDU-Fraktion hat den Antrag gestellt, die umweltpolitische Strategie der Landesregierung am Beispiel der Luftreinhaltung vorzustellen und auch noch mal einen Rückblick dabei zu vollziehen. Als Vertreter des zuständigen Ministeriums komme ich diesem Wunsch ausgesprochen gerne nach.
Gerade vor der teilweise sehr emotional geführten Debatte der letzten zwei Jahre - konkret in diesem Falle um die Risiken des Feinstaubs - ist es sicherlich angebracht, diese auch als Aufhänger zu nehmen, nun fast vier Jahre Erfahrungen aus dem Vollzug dieser ersten europäischen Feinstaubregelung anzusprechen und auszuwerten. Es ist aber auch Anlass, um dieses in Relation zur Luftsituation heute und
Werfen wir also zunächst einmal den Blick auf die europäischen Vorgaben: Seit dem Jahre 2002 haben sich diese Vorgaben im Bundesimmissionsschutz niedergeschlagen. Konkret beim Feinstaub gehört das Augenmerk dahin, dass der Gesamtschwebstaub auf den besonders feinen und lungengängigen Anteil konzentriert wird, den sogenannten Feinstaub. Dort existiert seit letztem Jahr ein Tagesgrenzwert von 50 Mikrogramm pro Kubikmeter, der an maximal 35 Tagen im Jahr überschritten werden darf. Es gibt daneben einen Jahresmittelwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter. Nach nun fast vierjähriger Erfahrung mit der Anwendung dieser ersten europäischen Feinstaubrichtlinie stellten sich gerade beim Kurzzeitgrenzwert sowie bei der Messgröße selbst, nämlich diesen 10 Mikrogramm als Partikelgröße, erhebliche Mängel heraus, die offenbar auf unzureichender Datengrundlage beruhten. Das hat dazu geführt, dass bundesweit eine einhellige Kritik laut wurde und diese auch zum Teil in Brüssel berücksichtigt und umgesetzt wird. Ich will auf einige dieser Punkte eingehen.
Der erste Punkt ist die Vollzugstauglichkeit. Der Kurzzeitgrenzwert für PM 10 bereitet im Vollzug bereits heute erhebliche Probleme, nicht etwa, weil man der Sachlage nicht Herr werden möchte, sondern weil die Überschreitung dieses Grenzwerts sehr stark durch Witterungseinflüsse beeinflusst wird. Damit ist eine Auslösung von Aktionsplänen sehr zufallsbehaftet und der Erfolg - und das ist vor allem das Wichtige, wenn ich dann Geld in die Hand nehme, hier vor allem kommunales Geld - ist schwerlich nachzuweisen. Er hat in den Anfangsjahren, als die Richtlinie zur Umsetzung kam, Aktionismus gefördert. Er kam ganz unabhängig von den Zuständigkeiten verschiedener Landesregierungen aus verschiedenen Ländern. Ich will Baden-Württemberg benennen, die zunächst ein Plakettensystem von fünfzehn Stufen entworfen haben - ein Aktionismus und gleichzeitig auch ein nicht begleitetes Informationssystem in Richtung Bevölkerung, was logischerweise und zwangsläufig zu Ängsten führt, wenn dieses auch mit drastischen Bildern gleichgesetzt wird und dann Blüten treibt, die bis hin, Sie erinnern sich, zu Diskussionen im Freistaat Bayern um Kreidestaub gingen, Kreidestaubschädlichkeit in den Schulen. Meine Damen und Herren, ein ambitionierter Jahresmittelgrenzwert als Ersatz könnte dieses Problem ohne Schutzminderung abschwächen. Eine Aufzeichnung des Gesundheitsschutzes, wie der BUND meint, steht eher nicht zur Debatte.
Ein zweiter Punkt - die europäische Dimension des Feinstaubs versus örtlicher Einflussmöglichkeiten: Die aktuelle Datenauswertung auch in Thüringen zeigt, dass der Einfluss, wie eben gesagt, der Witterung und vor allem der überregionalen Einträge etwa einen
Anteil von 50 Prozent hat. Das heißt per se, von vornherein kann eine Stadt, die sich zu diesem Thema bekennt und gewillt ist, alles zu tun, maximal 50 Prozent dieser Thematik in Eigenaktivität regeln. Die Frachtwege und das Verhältnis von Immission und Emission sind dabei bei Weitem nicht ausreichend untersucht. Innerstädtische Verkehrslenkungsmaßnahmen können, wie mittlerweile auch in Piloträumen nachgewiesen wurde, die Feinstaubprobleme keineswegs immer lösen. Wir haben beispielsweise Erkenntnisse aus Düsseldorf und anderen Städten, wo man den Lkw-Verkehr eingeschränkt hat, aber eben die Minderung der Feinstaubproblematik nicht in Relation zu den Maßnahmen stand. Ein angemessen wirkendes europaweites Minderungskonzept an den relevanten Quellen fehlt dazu bis heute. Kurz gesagt, die Betrachtung der Immissionen ist ohne die Betrachtung der Emissionen auch oder vielleicht gerade im Bereich Feinstaub nicht möglich.
Ein dritter Punkt - die Wirkungsrelevanz der Staubstoff-, Staubinhaltsstoffe: Es ist dringend eine Verbesserung der Erkenntnisse über die Wirkungszusammenhänge und die Reduktionsmöglichkeiten geboten, denn - meine Damen und Herren, das wissen Sie alle, wenn Sie speziell im Sommer unterwegs sind über Land - nicht alle Feinstäube sind gefährlich. Es sind zu hohen Prozentzahlen beispielsweise ungefährliche Bodenpartikel und - das ist einer Studie der Universität Mainz zu entnehmen - es sind vor allem in Größenordnungen auch Salz-Aerosole, also Feinstaubpartikel von Salz in der Luft, die über weite Strecken von mehreren hundert Kilometern von der Ostsee oder von der Nordsee hereingeweht werden. Der Betrachtungsraum in dem Fall war Frankfurt am Main - ein Ballungszentrum. Das heißt, das Thema erweist sich schon jetzt als hinreichend komplex. Wichtig, keine Frage, aber bevor es zu einem kostenrelevanten Aktionismus kommt, muss genau hingeschaut werden, wie ist nun die Entwicklung im europäischen Raum? Am 21. September 2005 stellte die Europäische Kommission ihre bis in das Jahr 2020 reichende Strategie gegen die Luftverschmutzung CAFE vor - CAFE heißt: „Clean Air for Europe“. In diesem Zusammenhang schlug die EU auch vor, die Luftqualitätsrahmenrichtlinie und ihre vier Tochterrichtlinien in einer einzigen Richtlinie zusammenzufassen. So weit, so gut. Die Europäische Kommission will dabei den problematischen PM 10, also den Partikelwert kleiner 10 Mikrometer, als Kurzzeitgrenzwert aufrechterhalten, zusätzlich eine Teilstaubfraktion davon - PM 2,5 - flächendeckend reglementieren. Der Revisionsvorschlag würde faktisch zu einer Verdopplung der Messstationen führen mit entsprechenden Kostenfolgen für die Länder ohne erkennbaren Vorteil für den Umwelt- und Gesundheitsschutz.
dürfen oder sollten maximal an 35 Tagen im Jahr überschritten werden. Derzeit ist in der Diskussion, die Durchschnittsgröße, um die es geht, heranzuziehen und von den einzelnen Tagesspitzen wegzukommen. Als Durchschnittsgröße gilt derzeit eine 40-Mikrogramm-pro-Kubikmeter-Fracht im Jahresmittel. Damit wären zumindest die Zufälligkeiten einzelner Überschreitungen raus, die schlicht auch von der Lage, von der Position geografisch - wie beispielsweise Stuttgart oder auch Kassel in einer Kessellage - abhängig sind und nicht, zumindest nicht kurzfristig zu regeln und zu steuern sind.
Nachdem die Mehrheit der EU-Mitgliedstaaten den Revisionsvorschlag der EU in etwas abgeschwächter Form gebilligt hat - die Kommission hatte den Vorschlag gemacht -, fand am 26. September die erste Lesung im Europäischen Parlament statt. Es will nun den Städten in eben nachweislich klimatisch ungünstigen Lagen zwar etwas mehr Zeit geben - es geht jetzt um Zeiträume bis 2015, in Einzelfällen sogar bis 2020 -, um wirksame Aktionspläne aufzustellen; gleichwohl will man zusätzlich den niedrigen Grenzwert PM 2,5 einführen. Wir sind nicht gegen so eine Diskussion, wir wollen nur, dass es machbar ist und vor allem auf wissenschaftlicher Grundlage basiert. Die wissenschaftlichen Grundlagen - das sagen die, die sich damit befassen, insbesondere die Hochschulen und Forschungseinrichtungen - sind noch nicht sauber, so dass man daraus ein belastbares Gesetz ableiten könnte. Es trifft vornehmlich die Kommunen. Da ist es die Pflicht des Landes und auch des Bundes, einzutreten und sich klar zu äußern, wenn hier Kosten in Größenordnungen - da geht es um zweistellige Millionenbeträge - sehr schnell in die Hand genommen werden und wenn vor allem falsche Informationen in die Bevölkerung kommen, die so nicht haltbar sind.
Meine Damen und Herren, für die Länder ist es schlicht nicht hinnehmbar, dass hier Überwachungspflichten etabliert werden und scharfe Grenzwerte in einer praktisch unveränderten Form - und so ist es derzeit mit gewissen Abschwächungen ja noch geplant - weiterhin Raum greifen. Damit wird die Problematik der Einhaltung auf die Länder und Kommunen verlagert, denen - wie ausgeführt - die Instrumente zur Einhaltung der Grenzwerte weitgehend fehlen. Noch einmal: Wir müssten uns auf die Emissionsquellen konzentrieren und, das wissen wir, mit Erweiterung in Richtung EU Ost geht es vor allem um Emissionsquellen, die im osteuropäischen Raum liegen. Wenn Sie an der Grenze von Sachsen sind und schauen über das Erzgebirge und sehen die Emissionen, die dort noch vorhanden sind, dann wird Ihnen klar, wie schwierig es für angrenzende Kommunen sein muss, sich um Feinstaubdiskussionen erfolgreich zu bemühen.
Meine Damen und Herren, es spielt noch ein weiterer Aspekt eine bedeutende Rolle und das ist die besondere Situation der neuen Bundesländer. Ich will es klar sagen: Hier verliert die Politik, und zwar insbesondere die EU-Politik, an Glaubwürdigkeit, wenn übersehen wird, was in den letzten Jahren - ich habe die EU-Ost-Erweiterung in den Fokus genommen - speziell mit der Wiedervereinigung Deutschlands an Umweltverbesserungen eingetreten ist. Dies schließt die Staubminderung in den neuen Bundesländern ein.
Meine Damen und Herren, alle - und hier gehe ich auch weiter in die Regionen, Industriegebiete wie Ruhrgebiet - können sich daran erinnern, wie man als Kind auch mal dunkle Wäsche von der Leine genommen und mit dem Handfeger Staub vom Fensterbrett gewischt hat. Meine Damen und Herren, das kann nicht in Vergessenheit geraten, das muss mit berücksichtigt werden, wenn wir eine sicherlich anspruchsvolle, ehrgeizige Umweltpolitik auf europäischem Niveau vorantreiben wollen. Wir müssen die Glaubwürdigkeit dahin gehend voranbringen können, dass die Menschen Sinn, Zweck, Ursache, Wirkung und die Folgen eines ambitionierten Handelns erkennen können. Das können sie auch an der Stelle nicht, wenn, wie - ich hatte es schon erwähnt - in Bayern, gleichzeitig - vielleicht ja zu Recht - eine Diskussion über Innenstaubbelastungen in Innenräumen kommt oder gar bis hin zu Kreidestaub, dann stellt sich logischerweise die Frage: Wo ist denn dann die Arbeitsplatzgefährdung einer Raumpflegerin oder eines Lehrers? Das kann nicht sein und das darf nicht sein.
Meine Damen und Herren, insofern sei ein Blick auf die Entwicklung der Luftqualität in den neuen Bundesländern seit 1990 gestattet. Erinnern wir uns an die Qualität vor 1990. Die Luftschadstoffe waren mit den Sinnen förmlich zu greifen. Staubbeläge, rußige Sedimentationen bedeckten die Oberflächen, Smogglocken bei Inversionslagen lagen über den Städten auch in Thüringen, verbunden mit Rauchgeruch, schwefelsaurem Beigeschmack. Es war eine Gewöhnung, die es manchem vielleicht gar nicht mehr bewusst machte. Der Mensch ist biologisch zum Glück so gestrickt, dass er Eindrücke negativer Art schnell vergisst. Das darf nicht dazu führen, dass eine Verbesserung dabei unter die Räder kommt.
Meine Damen und Herren, bekanntermaßen war die Energieversorgung vor allem durch schwefelhaltige Braunkohle geprägt. Die Problemschadstoffe waren Schwefeldioxid und Schwebstaub. Die gemessenen Konzentrationswerte erreichten und überschritten teilweise die damals geltenden Immissionsleitwerte und Smoggrenzwerte und wären im Vergleich zu heutigen Grenzwerten extrem hoch, schlicht skandalös. Die hohen Belastungen waren vornehmlich auf die Hausfeuerung zurückzuführen sowie kleine bis mittlere gewerbliche Feuerungsanlagen, die fast aus
schließlich auf schwefelreiche Feststoffbrennstoffverfeuerung zurückzuführen war. Die Energieeffizienz, die Energieträger und die Abgasreinigung standen dabei ebenfalls als schlecht bis mäßig in der Kritik und entsprachen und entsprechen in keiner Weise dem Stand der heutigen Technik. So weit, so gut.
Es war damals eine Herkulesaufgabe, natürlich nicht nur in Thüringen, aber lassen Sie mich da auf die Aktionen in Thüringen zurückkommen, die anstanden. Die Maßnahmen der Landesregierung betrafen zunächst die Feuerung. Hier galt es anzusetzen. Zunächst wurde das Erdgasnetz sehr schnell ausgebaut. Bis Mitte 1993 wurde dann auch das Stadtgasnetz auf Erdgas umgestellt. Kraft- und Heizkraftwerke wurden umgerüstet. Das Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt hat beispielsweise zwischen 1990 und 1996 - damals noch getrennt in ein Umwelt- und ein Landwirtschaftsministerium, also das damalige Umweltministerium - ca. 47 Mio. DM Fördermittel zur Heizungsumstellung vorwiegend im kommunalen Bereich bereitgestellt. Analog - und das war die Aufgabenteilung - hat das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Technologie und Arbeit im Zeitraum von 1991 bis 2003 für Maßnahmen zur sparsamen, rationellen und umweltfreundlichen Energienutzung Fördermittel in Höhe von 74 Mio. € umgerechnet gewährt. Bezieht man die Förderung von Investitionsvorhaben zur Sanierung der Fernwärme ein, erhöht sich die Gesamtförderung auf ca. 160 Mio. €. Die Förderprogramme liefen äußerst erfolgreich hinsichtlich der Geschwindigkeit der Umsetzung und der Annahme. Hinzu kommt natürlich aber auch - und das sei nicht verschwiegen -, dass ein Großteil der Luftqualitätsverbesserung schlicht mit der Minderung von Emissionen durch Schließen von Betrieben einhergeht. Das ist eine Seite der Medaille, die aber auch ein Aspekt der Deindustrialisierung ist, die Raum greift, und zwar überall in Europa. Produktionsprozesse wurden aber andererseits auch umgestellt und bei der Umstellung natürlich auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Das ist die Chance und die hat ihrerseits bei dem Bereich Abgas und Immission einen erheblichen Fortschritt gebracht.
Meine Damen und Herren, mit der Thüringer Verordnung über die Festsetzung von Untersuchungsgebieten wurde im Jahre 1993 damit begonnen, Minderungsprogramme für Belastungsschwerpunkte zusätzlich zu erarbeiten. Bis zum Jahr 2001 hat das Thüringer Ministerium für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt speziell in den Räumen Erfurt, Jena, Weimar, Greiz, Altenburg, Schmölln und entlang der Städtereihe Eisenach-Gotha-Arnstadt sowie Nordhausen solche Luftreinhaltepläne bzw. Immissionskataster nach altem Bundesimmissionsschutzgesetz zur Verfügung gestellt. Dies alles führte dazu, dass wir bis Mitte der 90er-Jahre die klassischen Luft
schadstoffe weitestgehend, salopp gesagt, in den Griff bekommen hatten. Seit 1994 mussten keine Smogstufen mehr ausgerufen werden. Der durchschnittliche Jahresmittelwert, die SO2-Immission betreffend, lag 1995 nur noch bei 11 Prozent des Grenzwerts. Ähnlich sah es beim Staub aus, der damals noch als Gesamtschwebstaub erfasst wurde. Der durchschnittliche Jahresmittelwert lag 1995 nur noch bei etwa 35 Prozent des Grenzwerts. Die Belastungen wurden gegenüber 1990 auf ein Zehntel reduziert. Stickstoffdioxid wurde gegenüber 1991 auf etwa 49 Prozent und Kohlenmonoxid auf etwa 40 Prozent reduziert. Hier spielt natürlich der gestiegene Anteil des Verkehrs eine Rolle. Ruß wurde seit 1997 auf ca. 40 Prozent, Benzol auf ca. 35 Prozent reduziert.
Meine Damen und Herren, das kann man doch wohl - ohne hier übertrieben Eigenlob damit zu verbinden - für den Freistaat Thüringen als eine sehr erfolgreiche Luftreinhaltepolitik bezeichnen.
In diesem Bereich brauchen wir uns nicht zu verstecken. Die Strategie zur Luftreinhaltung reiht sich ein in Strategien zu den Themen Boden und Wasser, auf die wir hier und heute nicht eingehen werden.
Wie sieht aber jetzt die Situation und der Umgang mit neuartigen Luftqualitätsproblemen aus? Der Immissionsschutz ist nicht überflüssig geworden, natürlich nicht. Neue Luftreinhalteprobleme sind - ich hatte es erwähnt - allein aufgrund des stark angestiegenen Verkehrsaufkommens erforderlich. Wir unterliegen inzwischen dabei einer völlig neuartigen europäischen Richtliniensetzung, die dieser Entwicklung mit teils sehr anspruchsvollen Grenzwertregelungen Rechnung tragen möchte. Der Grenzwert - jetzt komme ich noch einmal auf den Feinstaub - wurde an zwei Messstationen in Erfurt im Jahr 2005 übertroffen. Andere Städte außerhalb Thüringens haben dies gleichwohl noch schwieriger empfunden, Stuttgart beispielsweise mit 173 Überschreitungen. Auch in diesem Jahr werden wir in Thüringen an der einen oder anderen Messstelle Grenzwertüberschreitungen haben. Das allein wird bewirkt durch eine besonders ausgeprägte Inversionswetterlage Ende Januar/Anfang Februar mit trockener Luft, sehr niedrigen Windgeschwindigkeiten.
Welche gesetzlichen Verpflichtungen ergeben sich aber nun für Thüringen? Momentan ist im Bereich der Minderungspläne vor allem Erfurt vorangekommen. Nach § 47 Bundesimmissionsschutzgesetz besteht hier die Pflicht, solche aufzustellen. In Ergänzung zu dem Luftreinhalteplan Erfurt wurde nach umfassender Öffentlichkeitsbeteiligung auch ein Aktionsplan Erfurt veröffentlicht. Dieser wird regelmäßig in Facharbeitsgruppensitzungen besprochen und
fortgeschrieben. Darin sind vertreten nicht nur die Stadt Erfurt, sondern das Landesverwaltungsamt und die Landesanstalt für Umwelt und Geologie. Es geht hier um die Konkretisierung von Minderungsmaßnahmen. Was ist das beispielsweise? Das ist z.B. die Erweiterung des Straßenbahnnetzes. Bis 2007 wird, um hier am Beispiel Erfurt das zu nennen, beispielsweise der Ring vom Rieth zur Salinenstraße geschlossen; dann kommt die A 71 hinzu, die als Ziel Ende 2006 zur Fertigstellung hat und damit den Durchgangsverkehr reduzieren wird. Die Bergstraße ist in der Diskussion. Sie wird ab Ende Juli 2006 saniert, erhält eine Asphaltdecke. Dann gibt es die Diskussion zur zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Die Heinrichstraße mit ihren erhöhten Feinstaubimmissionen bekommt eine Geschwindigkeitsminimierung. Aber, meine Damen und Herren, ich hatte darauf verwiesen, dieses mit Bedacht und Blick auf die Piloträume, mehrere Städte in Deutschland, in denen auch nachgewiesen werden konnte, wo die Grenzen von solchen Regelungsmaßnahmen sind.
Neben Erfurt wird es in Anbetracht der Messwerte in Jena, Weimar und Gera jedenfalls Grenzwertüberschreitungsmaßnahmen und -aktionspläne geben; federführend durch das Landesverwaltungsamt entwickelt, in enger Abstimmung mit den Städten. Ziel ist eine Veröffentlichung noch in diesem Jahr. Wir werden uns auch mit den Städten Gera, Greiz, Altenburg, Meiningen und Saalfeld zukünftig noch austauschen. Sie haben die Planaufstellung in Arbeit und dort ist eine enge Absprache ebenfalls mit dem Landesverwaltungsamt gefordert und wird durchgeführt.
Meine Damen und Herren, ich räume damit unumwunden ein, was den Feinstaub betrifft stehen wir vor einer großen Aufgabe. Wir sind bei Weitem noch nicht am Ziel unserer Wünsche. Aber noch einmal: Überall, wo hohe Besiedlungsdichten existieren, entstehen zwangsläufig Zielkonflikte, die man ausgewogen angehen muss. Dieser Fakt wird beim Feinstaub - wie ausgeführt - besonders deutlich. Aber, und hier muss der Blick noch einmal in Richtung Europa gehen, wir müssen im gemeinsamen Interesse darauf achten, dass wir in Europa ein einheitliches Umweltniveau bekommen. Das heißt, die Angleichung der wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse steht nicht allein im Vordergrund, sondern auch die Angleichung der Umweltsituation. Da hat es keinen Sinn, ausdrücklich gesagt, wenn ein Spitzenläufer - und Deutschland muss sich im Bereich Umweltschutz sicherlich nicht verstecken - als Erster ins Ziel kommt, sondern es muss die ganze Gruppe sein, die ins Ziel kommt. Alles andere führt nicht zu dem gewollten Effekt. Am Beispiel Feinstaub: Nach den uns vorliegenden Informationen liegt sage und schreibe die Hälfte der Messstationen für Feinstaub wo? - in Deutschland. Das heißt, zwangsläufig werden Meldungen betreffs Überschreitungen dort natürlich nur
entstehen können, wo überhaupt gemessen wird. Sofern Sie einen Herbsturlaub planen, darf ich Sie um Ihr Augenmerk bitten, dieses Mal zu beobachten in einem anderen europäischen Land, vielleicht auch einmal nachzufragen, ob das in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Frage 1. Frage 2: Wird das überhaupt gemessen? Frage 3: Nimmt man Geld in die Hand? Ist etwas von Aktionsplänen bekannt etc.? Wir wissen es von den großen Städten Athen, Rom, London, das ist bekannt. Da geht es aber nicht allein um den Feinstaub, sondern auch um andere Stoffe. Auch Frankreich hat große Städte mit hohem Verkehrsaufkommen, dennoch werden von dort vergleichsweise deutlich weniger Überschreitungstage registriert. Warum? Nicht etwa, weil man dort das Ei des Kolumbus erfunden hätte, wie man Feinstaub vermeidet oder vermindert. Sicherlich, die französischen Fahrzeuge waren bezüglich ihrer Rußemission
federführend, beispielhaft und schneller als die deutsche Autoindustrie. Aber Feinstaub aus Autoabgasen ist eben nur ein winzig kleiner Anteil. Es geht hier um einen Anteil unter einem Viertel. Das heißt, wir müssen so oder so die Ferntransporte diskutieren. Das ist in Frankreich auch nicht anders. Es ist also schlussendlich der Eindruck, dass wir nicht etwa als Deutschland einer Entwicklung anderer Länder hinterherhinken, sondern gründlicher messen und uns gründlicher darum kümmern.
Zum Schluss: Auch die Betrachtung der Wirkungen beim Feinstaub beruht auf epidemiologischen Methoden, wird extrapoliert anhand der Anzahl von Todesfällen und Gesundheitserkrankungen, die mit diesbezüglichen Ursachen zusammenhängen könnten, ohne aber einen Kausalzusammenhang direkt nachzuweisen. Das soll heißen, diese wissenschaftlichen Grundlagen werden nicht dauerhaft ausreichen, um einschneidende kostenrelevante emissionssenkende Maßnahmen, wie sie derzeit diskutiert werden, dauerhaft voranzubringen. Diese empirische Vorgehensweise halte ich für höchst fragwürdig. Hier ist die Wissenschaft dringend gefordert, um die Hysterie, die hier Raum greift, zu sortieren und zu normalisieren.
Meine Damen und Herren, in den nächsten Jahren werden wir die nächsten Schritte erleben. Ab 2010 wird ein sehr anspruchsvoller Grenzwert für Stickoxide gelten. Die Thüringer Pläne zur Feinstaubminderung wirken weitgehend auch stickoxidmindernd. Die Sachlage ist aber durchaus mit Feinstaub vergleichbar. Der wesentliche Emittent ist der Verkehr und für die fahrzeugbezogenen Emissionsstandards zeichnet die EU verantwortlich. Wir versuchen auch
hier nach Kräften Einfluss zu nehmen, aber bei der Festsetzung der Euro-Abgasstufen spielen sehr viele Interessen eine Rolle, die Ihnen sicherlich nicht unbekannt sind.
Zusammenfassung zu diesem Thema, meine Damen und Herren: Es sind eigentlich vier, fünf Punkte, die man als Fazit ziehen kann.
Der erste Punkt: Die Luftqualität seit der Wende ist unvergleichlich besser geworden. Es ist meine dringende Bitte, dies ganz unabhängig von der Diskussion, die wir hier und heute führen, der Bevölkerung bei passender Gelegenheit auch zu verdeutlichen. Es gehört einfach dazu, dieses darzustellen, wenn man sich den nächsten ambitionierten Zielen stellt. Lassen Sie mich das sagen: Es hat mich einfach auch schlicht enttäuscht, wenn wir über die Diskussion Werra-Versalzung im Ausschuss in eine Sachdiskussion eintreten, dass eben nicht von allen darauf hingewiesen wird, dass wir hier eine 90-prozentige Reduktion der Salzfracht haben gegenüber der Salzfracht, wie sie noch zu Zeiten der DDR war. Das ist nicht in Ordnung. Wir können uns gern über alles unterhalten, was in diesem Bereich der verbleibenden 10 Prozent an Auf und Ab zu diskutieren ist. Das ist alles vernünftig, insbesondere auch hinsichtlich der technischen Gegebenheiten, aber es geht nicht an, dass nach außen die Botschaft in Richtung Bevölkerung kommt, dass hier geradezu ein unerträglicher, umweltskandalöser Zustand sei, der vor 15, 16 Jahren noch bei 100 Prozent und jetzt bei 10 Prozent ist. Ich wage zu bezweifeln, dass man das damals in der Form wie heute auch hätte diskutieren können in der Öffentlichkeit.
Der zweite Punkt: Thüringen betreibt nach wie vor eine zielgerichtete und wirksame Luftreinhaltepolitik zum Schutz der Bürger, Vollzug des geltenden Rechts, aber nicht nur das allein. Wir sind in Berlin und Brüssel in einigen Feldern auch federführend tätig, bemühen uns sehr, über unsere Kontakte auch einzuwirken. Dies erfolgt derzeit im Bereich Bodenschutzpolitik, wo das Land Thüringen federführend eine Runde organisiert, um einen Gegenentwurf zu den aktuellen Plänen der EU zu machen.
Dritter Punkt: Die praxisnahe Qualifizierung und Fortentwicklung der rechtlichen Fortschritte im Rahmen der Revisionsprozesse sind nicht nur für Thüringen vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit EU-Politik mehr denn je wichtig. In unserem letzten Gespräch mit Kommissar Dimas haben wir zu Recht, nachdem alle Länder vor ihm versammelt waren und aus der Praxis rückgemeldet haben, den Hinweis bekommen: Ihr hattet alle Zeit der Wel, es sind Jahre ins Land gegangen, ihr konntet euch melden, jetzt sind die
Regelungen da und jetzt beschwert ihr euch. Wir müssen uns stärker in die Erstarbeit, in die Basisarbeit, in die Initialphase hineinbegeben, uns dort melden und unseren Beitrag liefern, inwieweit EURegeln praxistauglich sind oder nicht und wo Optimierungsbedarf ist.
Der vierte Punkt: Thüringen muss weiterhin darauf achten, seine personellen und finanziellen Ressourcen ohne blinden Aktionismus zu bündeln, zielgerichtet einzusetzen, und auch jederzeit im Bereich Umweltschutz in der Lage sein, Rechenschaft abzulegen vor dem Landesrechnungshof, vor den Bürgern, um nachweisen zu können, wo die Erfolge sind.
Der letzte Punkt: Es kommen noch große Regelwerke auf uns zu. Ich habe den Bereich Bodenschutz genannt. Als kleines Land Thüringen können wir uns sicherlich nicht allein verkämpfen, das wäre vermessen, aber wir müssen uns abstimmen, und zwar nicht nur mit Regionen in Deutschland, sondern auch mit grenzüberschreitenden Regionen. Wir müssen gemeinsam fordern, dass wir - was ich auch schon erwähnt hatte - ein einheitliches Umweltniveau bekommen. Wir müssen auch darüber nachdenken, ob wir die EU-Umweltpolitik dahin gehend umstellen, dass wir analog der wirtschaftlichen Entwicklung eine 75-Prozent-Marke definieren, und dann gilt es erst einmal die Länder dahin zu bringen, die noch weit unter dieser 75-Prozent-Marke sind, bevor wir uns hier in Deutschland einmal wieder sehr gründlich und sehr angestrengt und teilweise auch übermäßig aufgeregt dieser Thematik zuwenden. Das dient dem wahren Ziel Umweltschutz nicht, das ist vielmehr ein Bärendienst. Ich freue mich, dass wir gemeinsam an diesem Ziel weiterarbeiten, ich vertraue da auf den Umweltausschuss. Die Qualifizierung der Mitglieder gibt dies her, hier an einem Strang zu ziehen. Ich bedanke mich recht herzlich.