Roland Hahnemann
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Last Statements
Weitergabe von Versichertendaten durch Krankenkassen an private Dritte
In den Medien, z.B. in einem Artikel der Online-Ausgabe der „Welt“ vom 14. Mai 2009 wurde berichtet, dass die Staatsanwaltschaft gegen die Innungskrankenkasse Weser-Ems wegen des Verdachts auf widerrechtliche Nutzung von Versichertendaten und Verdachts auf Bruch des Sozialdatengeheimnisses ermittelt. Die IKK soll privaten Versicherungsanbietern ihren Datenbestand zur Gewinnung neuer Kunden zugänglich gemacht haben. Schon im Sommer 2008 hatten Berichte über die Weitergabe von ca. 200.000 Datensätzen von Krankenversicherungsmitgliedern durch die Deutsche Angestellten Krankenkasse an eine Privatfirma aus dem Bereich der medizinischen Dienstleistung für öffentliches Aufsehen gesorgt. Ziel der Aktion war die Zusammenarbeit bei der Betreuung chronisch kranker Versicherter. Dieser Datenskandal hatte deutliche öffentliche Kritik durch den Bundesdatenschutzbeauftragten zur Folge.
Ich frage die Landesregierung:
1. In welcher Weise sind öffentliche Stellen des Landes bzw. im Freistaat Thüringen an der Aufsichtstätigkeit gegenüber gesetzlichen bzw. privaten Krankenkassen beteiligt?
2. Sind der Landesregierung aus Thüringen für den Zeitraum ab 2000 insbesondere mit den o.g. Vorkommnissen vergleichbare Fälle widerrechtlicher Datennutzung und Datenweitergabe an private Dritte durch Krankenkassen bekannt und wenn ja, welche?
3. Inwieweit und auf welchen rechtlichen Grundlagen dürfen Krankenkassen Versichertendaten insbesondere an private Dritte weitergeben oder zur Nutzung zugänglich machen?
4. Sieht die Landesregierung im Hinblick auf den wirksamen Schutz von Versichertendaten bzw. des sogenannten Sozialdatengeheimnisses gesetzlichen oder anderweitigen rechtlichen Novellierungsbedarf?
Herr Staatssekretär, ich habe eine Nachfrage zu Frage 2. Ich hatte in Frage 2 nicht nur nach Vor
kommnissen bei Krankenkassen gefragt, für die eine Zuständigkeit Thüringens vorliegt, sondern ob der Landesregierung aus Thüringen als Ganzes, das heißt auch gegebenenfalls über Vorkommnisse bei Krankenkassen, die nicht Ihrer Zuständigkeit unterliegen, ähnlich gelagerte Vorkommnisse bekannt sind? Sie können ja bekannt sein, ohne dass Sie dafür zuständig sind.
Mündliche Anfrage der Abgeordneten Sedlacik.
Fehlerhafte Bearbeitung eines Ermittlungsverfahrens in Berga/Elster?
In der Fernsehsendung „Kontraste“ vom 15. Januar 2009, die sich auf einen Vorfall der gemeinschaftlichen schweren Körperverletzung am 10. Februar 2008 in Berga/Elster bezog, wurde eine zu lange Verfahrensdauer und eine inhaltlich fehlerhafte Aufarbeitung des Tatsachverhalts und der Tatumstände kritisiert. So hätte man - anders als offensichtlich die Ermittlungsbehörden - von einer Tat mit rechtsextremistischem Hintergrund ausgehen müssen. Der Fragestellerin ist darüber hinaus bekannt geworden, dass es bei den Bewertungsmaßstäben für die Einordnung von Tatkomplexen als solchen mit rechtsextremistischem Hintergrund jüngst Veränderungen gegeben haben soll. Diese Veränderungen sollen auch von der Konferenz der Innenminister des Bundes und der Länder angestoßen worden sein.
Frau Sedlacik fragt die Landesregierung:
1. Welche Gründe lassen sich für die Verfahrensdauer von knapp einem Jahr nennen, die zwischen dem Tatzeitpunkt und der Erhebung der Anklage am 6. Januar 2009 durch die Staatsanwaltschaft Gera liegt?
2. Wie stellt sich die Personalsituation der in diesem Fall zuständigen Ermittlungsbehörden (Poli- zei/Staatsanwaltschaft) dar - insbesondere hinsichtlich Krankenstand, offener Stellen und noch nicht abgeschlossener Verfahren?
3. Wie, wann und von wem wurden nach Kenntnis der Landesregierung die Bewertungskriterien für das Vorliegen einer Tat mit rechtsextremistischem und/oder fremdenfeindlichem Hintergrund verändert?
4. Wie ist die o.g. Tat unter Zugrundelegung der oben angesprochenen bisherigen bzw. neuen Bewertungskriterien hinsichtlich ihres Tathintergrundes jeweils einzustufen?
Danke, Frau Präsidentin.
Auswirkungen des § 86 StGB (Verbreiten von Propa- gandamitteln verfassungswidriger Organisationen)?
Nach offensichtlich herrschender Meinung der Ermittlungsbehörden ist zur Erfüllung des Tatbestands des § 86 Strafgesetzbuch (StGB) (Verbreiten von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisatio- nen) notwendig, dass in dem betreffenden Propagandamittel selbst eine „aggressive Tendenz“ zum Ausdruck kommt. Es reicht offensichtlich nicht aus, dass sich der Inhalt selbst gegen Grundsätze oder Aspekte der freiheitlich-demokratischen Grundordnung richtet, wie z.B. die Achtung der Menschenwürdegarantie bzw. der ebenfalls im Grundgesetz festgeschriebenen Menschen- bzw. Grund- und Bürgerrechte. Anlass der Anfrage ist die Einstellung eines Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft Mühlhausen gegen einen Verlag, der der rechtsextremistischen Szene zugeordnet werden kann. Im konkreten Fall
geht es um einen „Nordland-Verlag“, der nicht nur den Namen eines in der NS-Zeit von der SS betriebenen Verlages trägt, sondern auch dessen Logo, ein Wikingerlangboot, weiterführt.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie wird das Bewertungskriterium der „aggressiven Tendenz“, das sich nicht ausdrücklich im Wortlaut des Regelungstextes findet, im Rahmen des § 86 StGB definiert bzw. unter Zuhilfenahme welcher inhaltlichen Eckpunkte seine Erfüllung festgestellt?
3. Für den Fall der Bejahung der Frage 2: Bedeutet das im juristischen Umkehrschluss, dass Propagandamittel bzw. Publikationen verfassungswidriger Organisationen straffrei vertrieben bzw. verbreitet werden dürfen, solange sie keine „aggressive Tendenz“ im Sinne des o.g. Bewertungskriteriums haben?
4. Sieht die Landesregierung Reformbedarf hinsichtlich der Ausgestaltung des § 86 StGB oder seiner Handhabung durch die Ermittlungsbehörden und wenn ja, welchen?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Fiedler, ich stimme Ihnen in einem Halbsatz zu - das kostet mich ja auch einige Überwindung - und dieser Halbsatz ist der: Wo sind wir hingekommen?
Wohin wir gekommen sind und wohin diese Art und Weise des Herangehens an solche wichtigen Gegenstände führt, haben Sie uns am Ende Ihres Beitrags demonstriert. Dort oben sitzen so etwa anderthalb Hände junger Leute, die sehen nicht so aus wie Sie, die sehen nicht so aus, wie Sie sich Ihre Kinder vielleicht wünschen - und schon antizipieren Sie die Anschläge von der Besuchertribüne auf die gewählten Abgeordneten.
Genau das, Herr Fiedler, genau das ist gewollt.
Genau das ist der Zweck dieses Tagesordnungspunkts und er hat übrigens noch einen anderen Zweck.
Ja, Herr Fiedler, diesen Zweck des Tagesordnungspunkts, mich ganz persönlich zu diffamieren, den lasse ich beiseite, der interessiert mich dabei nicht so sehr. Ein anderer Punkt interessiert mich viel mehr. Das ist nämlich der des leidigen Versuchs, die Fraktion der LINKEN und ihre Partei nach dem, was wir in den letzten zwei Tagen im Wahlkampfmaße erlebt haben, zu diffamieren, obwohl Sie wissen, dass die Partei der LINKEN nun nicht die Partei der Hausbesetzer und der Gewaltbefürworter ist. Es ist hinlänglich lange genug bekannt und es ist hinlänglich oft genug gesagt worden, dass DIE LINKE sich prinzipiell gegen Gewalt ausspricht und gegen Gewalt wendet.
In den Augen der LINKEN, meine Damen und Herren, ob Ihnen das in das Diffamierungskonzept passt oder nicht, ist Gewalt kein Mittel zur Lösung von Konflikten. Es ist kein Instrument zur Durchsetzung von Interessen, es ist kein Instrument, um Politik damit zu machen - weder im Inneren noch nach außen.
Also, die wenigsten Dinge, die ich hier vorn äußere, fußen bei mir auf Glauben, das möchten Sie mir bitte nachsehen.
Meine Damen und Herren, das besetzte Haus ist geräumt, die Probleme sind geblieben. Das Gelände ist planiert, die Probleme sind geblieben. Das Lustige - eigentlich ist es lustig - an der ganzen Geschichte ist, wir, und darauf weise ich insbesondere Herrn Gentzel hin, wir waren es gar nicht, die den Polizeieinsatz kritisiert haben mit Ausnahme des einen Punktes, dass uns verwehrt wurde, zu sehen, wie er abläuft. Aber zu sehen wie er abläuft, nicht etwa, wie Herr Fiedler gesagt hat, dass wir uns dort eingefunden hätten, um den Polizeieinsatz zu behindern oder den, wie er sich auszudrücken pflegt, den Mob zu unterstützen. Herr Fiedler, es bedarf eigentlich keines Kommentars, aber wie Sie über diese Menschen reden, das ist auch ein Resultat - da richte ich meine Worte vorwiegend an den Innenminister - Ihrer Art und Weise, über diesen Sachverhalt zu berichten. Neben der Kritik, die wir am Polizeieinsatz geäußert haben, haben wir noch eine zweite Kritik geäußert. Bei der bleibe ich.
Sie glauben doch nicht etwa, dass ich mich auffordern lasse, irgendetwas zu sagen, wenn mir hier einer zuruft: Sag mal, was Du willst, Junge. Entschuldigung, das ist ja nicht mal bei mir das Niveau dieses Hauses.
Wir haben am Polizeieinsatz zweierlei Dinge kritisiert. Das Erste war, dass wir nicht sehen durften, wie diese Räumungsmaßnahme abläuft. Das Zweite bezog sich überhaupt nicht auf den Polizeieinsatz. Wir haben gesagt, die Politik hat versagt. Polizeibeamte müssen mit einem Einsatz ausbaden, was Politik nicht zu leisten in der Lage war. Das haben wir gesagt.
Herr Gentzel, wenn Sie partout mit dem Kopf schütteln wollen, es war der Juso-Vorsitzende, der von einem ramboartigen Polizeieinsatz gesprochen hat, nicht wir.
Meine Damen und Herren, Sie begehen bei der Beurteilung des Sachverhaltes, über den wir heute reden, einen zweiten generellen Fehler. Diese Hausbesetzung hat eine Vorgeschichte. Die besteht nicht
nur aus Topf & Söhne. Die besteht nicht nur aus der Komponente, dass sich Menschen dort niedergelassen haben auf einem Grundstück, das zunächst erst mal keiner wollte, auf einem Grundstück, das eine Geschichte hatte. Sie haben sich dieser Geschichte gewidmet. Sie haben dort teilweise die Aufgaben der Politik erfüllt. Sie wurden von der Politik viele Jahre geduldet und sie haben dort nicht etwa gehaust wie die Vandalen, die haben ihr Wasser und ihren Strom bezahlt - sechs Jahre im Übrigen unter der CDU-Bürgermeisterschaft von Herrn Ruge. Als dann die neue Stadtregierung kam, wurden Verhandlungen durchgeführt, die führten zu keinem Ergebnis, dann kam der Eigentümerwechsel. Dann war das Ganze plötzlich eine Sache der Klärung privater Rechtsverhältnisse. Aber zunächst erst einmal hat die Politik doch geduldet, was dort gelaufen ist. Topf & Söhne, das heißt, die Filme, die dort gedreht worden sind, die Veranstaltungen, die dort gemacht worden sind, war doch verdienstlich, was die jungen Menschen dort gemacht haben. Der Gedenkort, den sie im Grunde genommen mit der Stadt zusammen dem neuen Investor abgerungen haben - zwei Etagen plus eine Planstelle - das ist doch ihr Verdienst. Das ist aber nicht das Einzige. Topf & Söhne ist doch nicht die einzige Komponente dieser Hausbesetzung. Dazu gehören mindestens noch zwei. Ich will Sie wenigstens kurz anreißen. Das waren junge Menschen und da kommen wir nämlich dann in den Bereich, wo es für die Politik unbequem wird. Das waren junge Menschen mit alternativen Lebenssichten, mit alternativen Lebensweisen, für die leerstehende Immobilien keine Spekulationsobjekte sind, sondern
für die sind leerstehende Objekte, für die sich im Grunde genommen zunächst erst mal keiner interessiert, Lebensräume. Das haben Sie praktiziert.
Auch das wurde von der Stadt geduldet. Auch das wurde von der Politik geduldet.
Das Dritte,
Entschuldigung, vielleicht werden Sie sich einfach mal mit dem Umstand auseinandersetzen müssen, dass andere Menschen einen anderen Lebensbegriff haben, als den, den Sie haben, indem im Zentrum das Eigentum steht.
Es gab einen weiteren Aspekt der Hausbesetzung in Erfurt, das war die soziokulturelle Funktion, die diese Hausbesetzung hatte. Wenn ich die Falten sehe, die sich bei Ihnen auf der Stirn schlagen, glaube ich, haben Sie davon noch nie etwas gehört.
Sie identifizieren „besetztes Haus“ immer nur mit Topf & Söhne. Es war mehr, meine Damen und Herren. Deswegen hat auch der Polizeieinsatz mehr kaputt gemacht.
Da gab es einen Umsonstladen. Dieses Gelände war Zufluchtsort für junge Menschen. Sie war Heimstatt für junge Menschen. Dort wurden Konzerte abgehalten, dort gab es Discos, dort gab es Gesprächsrunden zu aktuellen Problemen. Das war so etwas wie ein alternatives Kulturzentrum. Da wird es natürlich für Sie prekär. Da wird es für Sie prekär!
Ich habe gesehen, wie es da aussah, ich habe gesehen, wie es da aussah. Das ist uns ja auch vom Innenminister präsentiert worden auf acht Fotos, ziehe ich mal das eine ab, wo es um diese bedrohliche Seite aus dem Internet geht, da konnte einem als Abgeordneten wirklich der Eindruck vermittelt werden, Vermüllung wird demnächst zum neuen Straftatbestand in Deutschland erhoben. Dann frage ich mich, wenn das so ist, welche Funktion hat so etwas denn eigentlich im Zuge einer Innenausschuss-Sitzung und auch hier im Parlament?
Meine Damen und Herren, die Probleme sind geblieben. Wir haben ein Problem als LINKE, weil wir im Grunde genommen genau wie die Leute ein Opfer einer Diffamierungskampagne werden. Aber Sie, meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion und Sie Herr Innenminister, Sie haben auch einige Probleme.
Ich will Ihnen diese Probleme nur ganz kurz an einigen ausgewählten Problemen nennen.
Sie haben a) ein Problem mit der Wahrheit. Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Was hat man gefunden, als man 9.40 Uhr die Objektbegehung gemacht hat? Übrigens etwas ganz Neues, dass man Objektbegehungen so kurz nach einem Einsatz macht, aber man wird schon etwas damit verfolgen - eine Axt und einen Hammer, ein unbrauchbares Luftgewehr, eine Machete, mit Öl gefüllte Flaschen, die am gleichen Tag und am nächsten Tag Molotowcocktails hießen, Nagelbomben und ein Baseballschläger.
Meine Damen und Herren, ach so, ich habe die Küchenmesser vergessen.
Allein was die Zahl und die Größe meiner Küchenmesser angeht, sage ich Ihnen ganz ehrlich, fürchte ich einen Einsatz von Polizeikräften in meinen vier Wänden.
Herr Minister, Sie haben - und da wird es dann schon schlimmer - ein Problem mit der Rechtsstaatlichkeit.
Das gebe ich zu, ja. Ich bleibe bis zum letzten Tag meines Mandats.
Wir konnten in der Zeitung lesen, die Teilnehmer der Sitzblockade vor dem Gelände, die keine Hausbe
setzer waren, wurden mit gezogener Waffe bedroht. Ich würde es gern bewahrheiten können. Ich kann es nicht, weil mir verwehrt wurde, das zu sehen. Aber ich frage Sie, Herr Minister, warum haben Sie zu diesen Anwürfen in Ihrem Bericht nichts gesagt? Herr Minister, die Blockierer, die keine Hausbesetzer waren, sind teilweise bis zum nächsten Morgen in Gewahrsam geblieben. Rechtfertigt der Umstand,
Das hat damit nichts zu tun, Herr Fiedler. Rechtfertigt der Umstand, rechtfertigt der Tatbestand...
Ach ja.
Nein, ich bin nicht vom anderen Stern. Ich bin bloß der Auffassung, dass es bei jemandem, der blockiert und der sich widerstandslos wegtragen lässt, keinen Grund gibt, ihn anschließend im Rahmen der 24 Stunden in Gewahrsam zu nehmen. Das sind Sie, obwohl wir im Innenausschuss darüber gesprochen haben, schuldig geblieben, Herr Minister. Das ist für mich eine Frage der Rechtsstaatlichkeit. Dann, die Blockierer haben nicht nach 5 Stunden die erste Verpflegung bekommen, jedenfalls nicht alle, sondern ich habe von einer jungen Frau erfahren, die 17.30 Uhr die erste Verpflegung bekommen hat,
nachdem sie... Also ich hoffe, dass diejenigen, die hier sitzen, Ihr Rechtsstaatsverständnis zur Kenntnis nehmen. Selbst wenn jemand sich etwas zuschulden hat kommen lassen, selbst dann hat er Anspruch darauf, dass er entsprechend des geltenden Rechts behandelt wird.
Vielleicht hat die schon einmal eine Landtagssitzung erlebt und dann weiß sie, dass es keinen Sinn hat, eine Anzeige zu machen.
Herr Minister, ich erinnere Sie an Ihre Antwort auf meine Frage nach dieser Verpflegung und da haben Sie darauf hingewiesen, dass die Polizeibeamten ja noch später Verpflegung bekommen haben. Da habe ich Ihnen geantwortet, das finde ich genauso wenig richtig, dass im Polizeieinsatz befindliche Polizistinnen und Polizisten nicht verpflegt werden.
Das ist Ihr Verständnis von Rechtsstaatlichkeit. Und als die Kollegin Susanne Hennig genau so die Prüfung aller dieser Umstände auf Rechtsstaatlichkeit hin eingefordert hat, da ist dieser Ausschuss fast in Ohnmacht gefallen, weil das ein Ansinnen war von Frau Hennig, dass in diesem Ausschuss wirklich keinen Nährboden mehr hat. Rechtsstaatlichkeit hat keinen Nährboden mehr.
Der Innenausschuss ist sogar so weit gegangen oder zumindest die Mehrheit des Innenausschusses hat es versucht,
Herr Mohring, gehen Sie einmal in den Innenausschuss, dann wissen Sie genau, was ich meine. Man hat versucht, Frau Hennig die Teilnahme am Innenausschuss zu verwehren. Sehen Sie, das ist ja nur eine Abgeordnete und wenn wir der einfach einmal die Teilnahme verwehren wollen, warum denn nicht? Was juckt uns denn Demokratie? Was juckt uns denn Parlamentarismus?
Das ist Ihre Haltung, das ist Ihre Haltung.
Sie haben die Kollegin Hennig als Beteiligte bezeichnet, und zwar in einem ganz klaren Gestus, nämlich Tatbeteiligte, und ein Abgeordneter Ihrer Fraktion hat mir nach der Sitzung sogar gesagt: Ja, Herr Hahnemann, bei Ihnen müssen wir das, weil Sie ordentliches Ausschussmitglied sind, halt erdulden, dass Sie dabei sind.
Das ist Ihr Verständnis von parlamentarischer Demokratie.
Nachdem uns verwehrt worden ist, den Polizeieinsatz in der Rudolstädter Straße zu beobachten, hätte ich mich natürlich gefreut, Herr Minister, wenn wir im Innenausschuss z.B. eine Filmaufnahme dieses Fahrzeugs, das - wie hat Herr Fiedler gesagt - in die Polizeireihen hineingefahren ist, gesehen hätten. Was haben Sie uns gezeigt? Einen jungen Mann, ich weiß nicht, wie alt er ist, der - das gebe ich ganz ehrlich zu, das war nicht unbedingt schön, was wir da gesehen haben - sich vor eine Reihe Polizisten hinstellt und uriniert. Das gebe ich zu.
Aber warum zeigen Sie uns gerade so eine Filmsequenz, wenn der Grund für den Polizeieinsatz gewesen ist, dass ein Fahrzeug in Polizisten hineinfährt. Nein, Herr Minister, Sie haben ein Problem mit der Objektivität, und Sie, meine Damen und Herren, haben ein Problem mit Abgeordnetenrechten und deren Aufgaben. Ihnen geht es nicht um Information, Ihnen geht es um Manipulation.
Sie haben uns beim Ausschluss von der Einsichtnahme in den Polizeieinsatz dazu gezwungen, uns auf Informationen Dritter zu stützen, und das haben Sie uns dann anschließend im Innenausschuss vorgeworfen, dass wir nur Vermutungen hatten, dass wir nur Verdächtigungen aussprechen konnten. Wir
hatten nichts anderes, meine Damen und Herren.
Dann, Herr Minister, eine Kritik kann ich Ihnen nicht ersparen, weil Sie vorhin von den „folgenden“ Ereignissen sprachen, von Weimar bis Heiligenstadt, an allem sind die Hausbesetzer Schuld.
Was ist denn die Hausbesetzerszene? Können Sie mir das irgendwie mal ein bisschen… Subsumieren Sie da alles hinein, was an Gewalttaten, was an brennenden Mülltonnen, was an brennen Autos…
Meine Damen und Herren, eins kann ich Ihnen auch nicht ersparen, da komme ich zurück zu dem Eingangsstatement, das ich vorhin gegeben habe. Das hat auch etwas mit der Gewaltfrage zu tun. Denn der Grund, warum DIE LINKE sich so gegen die Gewalt stellt, ist, dass Gewalt eben nur immer wieder Gewalt erzeugt. Das ist der Grund.
Meine Damen und Herren, insgesamt haben Sie Schwierigkeiten im Umgang mit alternativem Denken.
Je weniger Sie bereit sind und je weniger Sie in der Lage sind, die Probleme der Menschen zu lösen, desto restriktiver benutzen Sie die Mechanismen des demokratischen Rechtsstaats. Sie geraten bei dieser restriktiven Nutzung an seine Grenzen. Sie gehen auch über die Grenzen des rechtsstaatlichen Handelns hinweg. Sie gestalten speziell Innenpolitik - aber nicht nur die - nach dem Prinzip „Wer nicht ist wie wir, wer nicht denkt wie wir, wer nicht lebt wie wir, für den gelten Demokratie und Rechtsstaat nur noch in eingeschränktem Maße. Und das Maß der Einschränkung, das bestimmen wir.“ Sie machen sich zum alleinigen Maßstab. Das, meine Damen und Herren, wird weder der Demokratie noch den Menschen in diesem Lande auf die Dauer guttun.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, einige Dinge möchte ich richtigstellen. Ich hätte mich gefreut, Frau Groß, wenn Sie die Presseerklärung weiter vorgelesen hätten. Dann wären Sie nämlich darauf gestoßen, dass diesem Satz, den Sie vorgelesen haben, genau die beiden Aspekte gefolgt wären, die ich vorhin erläutert habe. Unsere Kritik be
schränkte sich auf den Umstand, dass wir das nicht beobachten konnten, und zweitens die Feststellung, dass Polizistinnen und Polizisten ausbaden mussten, was Politik versäumt hat. Das gehört zur Lauterkeit auch dazu.
Etwas anderes möchte ich auch richtigstellen. Herr Panse, ich misstraue nicht dem Rechtsstaat, nein, ich misstraue nicht dem Rechtsstaat, aber dieser Landesregierung, der misstraue ich sehr wohl.
Ihr Ansinnen, ich hätte vielleicht deeskalierend wirken sollen, genau das war nicht meine Absicht, mich in das Geschehen dort einzumengen. Das ist nicht meine Aufgabe. Sobald ich anfange, auf den Polizeieinsatz in irgendeiner Weise Einfluss zu nehmen, sobald ich damit anfange, dann ist ein Grund gegeben, dass die Polizeieinsatzkräfte sagen: Entschuldigung, aber nun weg mit Ihnen!
Genau das ist nicht die Aufgabe des Abgeordneten, Teile von Polizeiaufgaben zu übernehmen.
Frau Groß, ich gebe ehrlich zu, ich weiß nicht, was Sie für einen Rechtsstaatsbegriff haben, aber vielleicht darf ich als einer, den Sie vielleicht des Verständnisses für den Rechtsstaat nicht für fähig halten, Ihnen trotzdem sagen: Den Anspruch auf Rechtsstaatlichkeit hat jeder und nicht nur der, der sich ordentlich verhält.
Herr Minister, ich habe eine Frage: Sie haben zweimal die Misere in Berlin erwähnt. Wissen Sie wirklich nicht, unter welcher Berliner Regierung diese Misere entstanden ist oder führen Sie die Öffentlichkeit tatsächlich wissentlich in die Irre?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Vorschlag der Fraktion DIE LINKE für ein Änderungsgesetz das Informationsfreiheitsgesetz betreffend ist, wie bekannt, nicht an den Ausschuss
überwiesen worden. Es hat demzufolge auch im Grunde genommen keine übliche parlamentarische Beratung gegeben.
Das Ganze ist inzwischen parlamentarische Tradition im Umgang mit Gesetzentwürfen der LINKEN und es kennzeichnet nach meiner Auffassung auch das politische Niveau dieses Hauses.
Es hätte durchaus Gründe gegeben, diesen Gesetzentwurf an den Ausschuss zu überweisen und über verschiedene Sachverhalte zu reden.
Erstens: Die Antwort auf eine Kleine Anfrage, die ich hinsichtlich der Wirksamkeit des derzeit geltenden Informationsfreiheitsgesetzes gestellt habe, lässt durchaus den Verdacht zu, dass die derzeitigen Regelungen, das Informationsfreiheitsrecht der Bürgerinnen und Bürger betreffend, unzureichend sind oder aber sogar dem Informationsinteresse von Bürgerinnen und Bürgern entgegenstehen. Darüber hätte man reden können. Es wäre im Übrigen nicht das erste Mal in Thüringen gewesen, dass wir auf Regelungen, die Rechte von Bürgerinnen und Bürgern betreffen, stoßen, die eigentlich gar nicht dazu geeignet sind, den Rechten von Bürgerinnen und Bürgern zum Durchbruch zu verhelfen.
Zweitens: Es gibt Erfahrungen anderer Länder mit dem Informationsfreiheitsrecht. Ich erinnere nur an Schweden und die USA. Aus keinem dieser Länder ist bekannt, dass die weitgehenden Informationsfreiheitsrechte etwa zu Behinderungen, zu Gefährdungen oder gar zum Zusammenbruch der staatlichen Verwaltungen geführt hätten. Auch darüber hätte man einmal kritisch und selbstkritisch reden können.
Drittens: Unser Gesetzentwurf enthielt Teile, in denen mit dem Gesetzentwurf und mit dem Informationsfreiheitsrecht darauf hingearbeitet werden sollte, dass die amtlichen Unterlagen zu Vorgängen gründlich geordnet und registriert werden sollen. Diese gründliche Ordnung und Registrierung amtlicher Unterlagen im Zusammenhang mit einzelnen Vorgängen, die wären für die Verwaltung selbst von Vorteil gewesen. Aber auch darüber wollten Sie nicht reden.
Viertens: Man hätte darüber reden können, dass ein Informationsfreiheitsrecht nicht reduziert werden darf oder nicht reduziert werden kann auf die Möglichkeit, dass Bürgerinnen und Bürger von staatlicher Verwaltung Informationen verlangen können. Man hätte nämlich auch über einen hinlänglich bekannten Vorabwirkungseffekt reden können, der darin besteht, dass - wenn Verwaltungen wissen,
dass sie damit rechnen müssen, dass das Zustandekommen einer Entscheidung und die Entscheidung selbst überprüft werden - sie dazu neigen, überlegtere Entscheidungen zu treffen.
Aber auch darüber wollten Sie nicht reden.
Fünftens ist das Recht von Bürgerinnen und Bürgern, eine amtliche Entscheidung einzusehen und im Grunde genommen mit dieser Einsichtnahme auch zu kontrollieren, unter einem weiteren, sehr demokratischen Aspekt zu betrachten. Es erhöht nämlich die Legitimation der amtlichen Entscheidungen selbst, weil dieses Recht, staatliche Entscheidungen einzusehen und sie gegebenenfalls dann natürlich auch zu attackieren, ein Ausfluss des allgemeinen demokratischen Prinzips der Transparenz ist. Aber auch darüber wollten Sie nicht reden.
Denn Sie, meine Damen und Herren von der CDUFraktion, haben eine andere Sicht auf Demokratie, Sie haben eine andere Sicht auf das Verhältnis der staatlichen Verwaltung zu den Bürgerinnen und Bürgern. Für Sie sollen Bürgerinnen und Bürger alle vier oder alle fünf Jahre, je nachdem um welche Vertretung es sich handelt, wählen. Sie sind der Auffassung, das gestehe ich Ihnen zu, Bürgerinnen und Bürger können auch zwischen diesen Wahlterminen an der Meinungsbildung auf unterschiedliche Weise teilhaben, aber dann, meine Damen und Herren, sollen Bürgerinnen und Bürger vertrauen. In Ihren Augen sind Bürgerinnen und Bürger nicht nur jemand, von dem man vorab Vertrauen abfordert - da erinnere ich Sie an die Jahre und Jahrzehnte vor 1989 -, sondern für Sie sind Bürgerinnen und Bürger im Grunde genommen auch ein Störfaktor.
Sie sind ein Störfaktor für den eingefahrenen Lauf der Verwaltung eines inzwischen vormundschaftlichen Staatswesens.
Das ist keine Frechheit, das ist ganz einfach eine Feststellung, die ich gemacht habe. Ich glaube, Sie übersehen mit dem Lauf der Jahre Ihrer Macht, dass Sie den DDR-Verhältnissen immer ähnlicher werden.
Für Sie sind Bürgerinnen und Bürger viel zu oft Komponenten der demokratischen Gesellschaft, die das Getriebe dieser Gesellschaft einfach nur durcheinanderbringen. Sie vermitteln vielfach das
Gefühl, dass Sie der Auffassung sind, ohne Bürgerinnen und Bürger wäre das eigentlich alles viel, viel besser.
Lächerlich, Herr Minister, ist, dass Sie von diesem letzten Restzopf des preußischen Amtsgeheimnisses einfach nicht lassen können. Und Sie tun es nicht ohne Grund, denn Sie wissen ganz genau: Wissen ist Macht. Um die Macht geht es Ihnen, es geht Ihnen eben nicht um die Bürgerinnen und Bürger.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, drei Dinge will ich erwidern. Das Erste - da schließe ich mich Herrn Kollegen Höhn an -, Frau Groß, was Sie für ein modernes Informationsfreiheitsgesetz halten, muss nicht wirklich ein modernes Informationsfreiheitsgesetz sein.
Ich gebe doch zu, dass der Evaluierungszeitraum, den ich meiner Kleinen Anfrage zugrunde gelegt habe, nur neun Monate ist. Das ist aber auch dem Umstand geschuldet, dass wir auf dieses Gesetz ziemlich lange haben warten müssen und dass eine Legislaturperiode nun einmal irgendwann endet. Deswegen habe ich auch nur davon gesprochen, dass wir hätten reden können im Ausschuss über den Verdacht, ob die geringfügige Nutzung des Infor
mationsfreiheitsgesetzes etwas mit der Regelung zu tun hat. Ich habe mich nicht hier hingestellt - weder in der ersten Beratung noch vorhin - und gesagt, das liegt ganz genau daran und vielleicht sogar nur daran. An einer Stelle, Frau Groß, ist Ihnen die Wahrheit so ein bisschen abhanden gekommen. Sie haben gesagt, Sie haben ein Informationsfreiheitsgesetz auf der Grundlage des Bundesgesetzes verabschiedet, nicht mehr und nicht weniger. Dieses, Frau Groß, stimmt nicht. Sie haben weniger verabschiedet. Sie haben nämlich, bezogen auf die Regelungen des Bundesgesetzes, sogar noch zusätzliche Einschränkungen vorgenommen.
Damit bleiben Sie - da hat Herr Höhn recht - sogar hinter diesem nun wahrlich nicht besonders modernen Informationsfreiheitsgesetz zurück.
Sie haben uns vorgeworfen, unser Gesetzentwurf enthielte Widersprüche. Ich weiß jetzt nicht genau, welche Widersprüche Sie meinen, das ist aber auch nicht ganz erheblich, denn ich habe hier in diesem Landtag schon öfter erlebt, dass Gesetzentwürfe Widersprüche oder Mängel hatten. Ich würde sagen, eine überwältigende Mehrheit dieses Hauses war der Meinung, dass unter anderem Ausschussüberweisungen dann dafür da sind, dass man gegebenenfalls solche Widersprüche in einem Gesetzentwurf auch ausmerzt. Im Übrigen gelingt es auch der Landesregierung, Gesetzentwürfe mit so vielen Widersprüchen auszustatten, dass sie sie am Schluss zurückziehen muss.
Letztens, Frau Kollegin Groß, haben Sie mir vorgeworfen, dass ich in der zweiten Beratung nicht auf Inhalte eingegangen bin. Das gebe ich zu. Sie sind nicht bereit gewesen, über die Inhalte des Gesetzentwurfs im Ausschuss zu reden, dann dürfen wir als gewählte Abgeordnete in diesem Landtag in der zweiten Beratung eines Gesetzentwurfs die Gelegenheit dazu benutzen, der Öffentlichkeit, den Bürgerinnen und Bürgern, den Besuchern auf der Tribüne und allen Anwesenden hier im Haus unsere Meinung darüber zu sagen, warum wir meinen, dass genau das hier stattfindet. Das habe ich gemacht. Zur parlamentarischen Beratung gehört auch die Kritik der parlamentarischen Beratung dazu. Ich hoffe, dass Herr Kollege Höhn recht behält, dass nach dem Herbst 2009 das Thema „Informationsfreiheit“ wieder und mit einem anderen Erfolg eine Rolle spielen wird. Danke.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, insbesondere sehr verehrte Gäste dort oben, ich gebe ehrlich zu, ich habe damit gerechnet, dass bei der Einmütigkeit der Beratung im Innenausschuss heute gegebenenfalls auch eine Verabschiedung des Gesetzes, des Gesetzentwurfs ohne Aussprache hätte stattfinden können. Aber wir haben Wahlkampf, also gehen wir ans Mikrofon und beteuern noch einmal, dass wir alle dafür sind. Ich habe mich ganz schnell zu Wort gemeldet, weil Herr Fiedler angekündigt hat, dass er auch noch mal nach vorn kommt. Da er hier im Hause so etwas ist wie die Inkarnation der Feuerwehr selbst, wollte ich, dass er auch das letzte Wort zu diesem Gegenstand hat.
Meine Damen und Herren, ich halte den Gesetzentwurf für richtig. Ich glaube - und da waren wir uns, glaube ich, auch über den Ausschuss hinaus einig -, es kann nur eine Geste sein, aber diese Geste hat ihre Berechtigung Menschen gegenüber, die in ihrer Freizeit und unter Einsatz ihrer Gesundheit und manchmal auch ihres Lebens die Gesundheit und das Leben anderer schützen oder retten. Dass bei solchen Gesetzentwürfen dann immer Begleitfragen auftreten, wie „Warum nicht alle?“, „Warum nicht auch andere Personengruppen, die mit gleichen oder ähnlichen Aufgaben betraut sind?“, das ist völlig normal. Hätten wir uns an diese Aufgabe herangewagt, wäre die Alternative gewesen, keinen Gesetzentwurf zu haben. Deswegen bin ich froh, dass wir sowohl im Ausschuss als auch wahrscheinlich hier im Saal eine volle Zustimmung zu dem Gesetzentwurf haben werden.
Herr Staatssekretär, können Sie mir die Rechtsgrundlage dafür nennen, dass ein Unterschied gemacht wird zwischen Medienvertretern und gewähl
ten Abgeordneten?
Ich würde gern eine Erklärung zu meinem Abstimmungsverhalten abgeben.
Danke. Meine Damen und Herren, ich habe diesem Gesetzentwurf gern zugestimmt, nicht nur deswegen, weil mein ganzes Herz der direkten Demokratie gehört, sondern auch aus einem anderen Grund. In meinen Augen haben 250.000 Bürgerinnen und Bürger ihre Repräsentanten auf den rechten, im Sinne von richtigen, demokratischen Weg zurückgeführt und damit hat heute die Idee der Souveränität der Bürgerinnen und Bürger ein Stück Leben zurückgewonnen.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Innenausschuss hat den Punkt II des Antrags beraten. Er hat ihn sicherlich nicht so intensiv und umfassend beraten, wie wir es uns gewünscht hätten, aber er hat ihn allemal ernsthafter beraten, als Frau Kollegin Stauche dieses Thema jetzt hier behandelt hat.
Zur Erinnerung, der Punkt II hatte drei Komponenten:
1. die Verankerung des Datenschutzes im Grundgesetz,
2. eine konsequente Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes und
3. ein bundeseinheitliches Konzept zur wirksamen staatlichen Aufsicht über den Umgang mit Daten.
Gegen die Forderung der Aufnahme des Datenschutzes in das Grundgesetz wurde uns entgegengehalten, es bedarf dessen nicht, es gebe eine gefestigte Rechtsprechung, und das, obwohl wir wissen, dass eine Aufnahme in das Grundgesetz durchaus eine qualitativ andere rechtliche Wirkung entfalten würde als das bisher geltende.
Was die Forderung 2, nämlich die Novellierung des Bundesdatenschutzgesetzes, angeht, wissen wir alle, das schlummert in der Berliner Warteschleife. Was bei dem herauskommt, wissen wir nicht und die Datenschutzbeauftragten sind auch nicht sonderlich zufrieden mit dem, was sich jetzt abzeichnet. Wer hier wen zu Beratungen zusammenruft, das garantiert uns noch lange nicht, dass es auch irgendwo Niederschlag in gesetzlichen Regelungen finden wird.
Zu Punkt 3, dem bundeseinheitlichen Konzept staatlicher Aufsicht, erinnere ich nur daran, dass schon ein Vertreter des Thüringer Landesverwaltungsamts im MDR hatte zugeben müssen, dass für eine wirkungsvolle Kontrolle der Einhaltung des Rechts bezüglich persönlicher Daten das Personal fehlt. Solange das so ist, braucht man über bestimmte Maßnahmen, Absprachen und Goodwillerklärungen im Grunde genommen hier überhaupt nicht zu reden.
Meine Damen und Herren, Sie wollen ganz offensichtlich den Datenschutz nicht ernst genug nehmen. Das tut mir leid für den Datenschutz selbst, es tut mir auch leid für die Bürgerinnen und Bürger, die - und darauf hat Frau Stauche hingewiesen - in vielfacher Weise und in ziemlich dreisten Arten vom Umgang mit persönlichen Daten betroffen sind. Auch wenn Sie diesen Antrag ablehnen, es werden vier zentrale Fragen zur Sicherung des Datenschutzes für Bürgerinnen und Bürger bleiben:
1. Wir brauchen ein Datenschutzrecht, das ganz konsequent die ausdrückliche Zustimmung des Bürgers für die Weitergabe seiner Daten festschreibt.
2. Wir brauchen - und das hat auch das Bundesarbeitsgericht festgestellt - einen verstärkten Schutz von Arbeitnehmerrechten hinsichtlich des Datenschutzes.
3. Wir brauchen, auch wenn Sie der Auffassung sind, dass dies nicht geht oder nicht sein soll, ein weitgehendes Verbot des Handels mit persönlichen Daten.
4. Wir brauchen - und das sage ich auch vor dem Hintergrund, dass wir Anfang der 90er-Jahre in unsere eigene Landesverfassung den Datenschutz ausdrücklich aufgenommen haben - den Datenschutz auch im Grundgesetz.
Irgendwann, meine Damen und Herren, wird es kommen, ansonsten verkommt der Datenschutz zur Schimäre.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Kollegin Stauche, ich weiß nicht, ob es gut ist, auf diese Weise über ein solches Thema zu reden. Ich bin auch überzeugt davon, dass Sie, wenn Sie das Problem im Herbst mit in den Bundestag nehmen, auch bei nicht unmittelbarer Zuständigkeit des Thüringer Landtags das Problem für Thüringen damit noch lange nicht erledigt ist.
Frau Berninger hat im Januar eine Presseerklärung herausgegeben, deren Überschrift lautet „Männliche jugendliche Flüchtlinge dürfen nicht schlechtergestellt sein!“, und enden tut diese Überschrift mit einem Ausrufezeichen und nicht, wie man erwartet hätte, mit einem Punkt, der ja das Satzzeichen der Selbstverständlichkeit ist, denn Gleichstellung von Kindern und Jugendlichen ist keine Selbstverständlichkeit, ganz im Gegenteil. Die männlichen unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge über 16 Jahre werden bisher in Thüringen, sofern kein Jugendhil
febedarf festgestellt wird, in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht.
Die Landesregierung verfährt hierbei nach dem Asylverfahrensgesetz mit dem Argument, sie müsse nach Bundesrecht handeln. Und wie Frau Kollegin Pelke schon festgestellt hat, diese ausländerrechtliche Regelung kollidiert mit einem anderen Bundesgesetz, nämlich dem Kinder- und Jugendhilfegesetz. Nach diesem Bundesgesetz ist das Jugendamt verpflichtet, Kinder und Jugendliche in seine Obhut zu nehmen, wenn sie unbegleitet nach Deutschland kommen und sich weder Personensorge- noch Erziehungsberechtigte hier aufhalten. Mädchen und Jungen, die als unbegleitete minderjährige Flüchtlinge das 16. Lebensjahr vollendet haben, werden also in der Bundesrepublik - nicht nur in Thüringen - einfach unterschiedlich behandelt. Die Mädchen belässt man, um mögliche Schädigungen in den Gemeinschaftsunterkünften z.B. durch sexuellen Missbrauch vorzubeugen, in der Obhut des Jugendamts, Jungen dagegen nicht, jedenfalls nicht immer und nicht automatisch. Warum nicht? Weil ein Bundesgesetz für gewichtiger gehalten wird als ein anderes, deshalb werden minderjährige Jungen schlechtergestellt als gleichaltrige Mädchen.
Das, meine Damen und Herren, entspricht unseres Erachtens weder den Bestimmungen des allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes noch der UN-Kinderrechtskonvention. Warum also verhält sich die deutsche Politik so? Haben nicht Jungen den gleichen Anspruch auf Schutz des Kindeswohls? Sind sie nicht auch, genau wie Mädchen, durch den Kinder- und Jugendschutz zu behüten? In der Frage der Schlechterstellung männlicher unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge - übrigens ein Wortungetüm, das nur deutschen Juristen einfallen kann - und zur Frage der Ungleichbehandlung jugendlicher Flüchtlinge streiten sich nämlich auf der Bundesebene die Experten. Ich bin gespannt, wie Sie mit dieser Mitnahme, Frau Stauche, dann zurande kommen. Der Innenminister meint nämlich, die Asylgesetzgebung gehe vor. Hätte man die Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Frau von der Leyen, gefragt, die hätte wahrscheinlich anders geantwortet. Für Frau von der Leyen wäre wahrscheinlich das Kindeswohl ausschlaggebend und selbstverständlich, würde zumindest ich meinen.
Meine Damen und Herren, auch wenn es sich aktuell um nur fünf männliche unbegleitete Flüchtlinge handelt, ist diese Ungleichbehandlung ein Skandal.
Das Kindeswohl und der Kinder- und Jugendschutz gehen vor, egal welcher Herkunft ein Kind ist. Es ist ein Kind und damit besonders schutzbedürftig. Und
Kostenargumente oder der mögliche Ausgang des Asylverfahrens dürften hier keine Rolle spielen, zumal es sich lediglich, Frau Pelke hat darauf hingewiesen, um fünf Fälle handelt. Unsere Fraktion begrüßt das Angebot eines Vertreters des Innenministeriums vom Januar, bei künftigen Fällen die Jugendlichen wenigstens in Gemeinschaftsunterkünften mit guter Sozialbetreuung unterzubringen. Das kann aber nur eine Zwischenlösung und eigentlich nur eine Notlösung sein, so lange, bis eine richtige, menschenwürdige Lösung gefunden ist. Eine solche menschenwürdige Lösung hat zumindest in ihrem Verantwortungsbereich die Thüringer Landesregierung in der Hand. Bei Kindern und Jugendlichen muss im Sinne des Kindeswohls das Kinder- und Jugendhilferecht den Vorrang vor ausländerrechtlichen Normen haben. Einen Vorrang ausländerrechtlicher Bundesregelungen vor dem Kinder- und Jugendhilfegesetz darf es nicht geben. Deshalb bitte ich Sie, unseren Antrag für einen wirksamen Schutz minderjähriger Flüchtlinge zu unterstützen und die Landesregierung zu beauftragen, zum einen hier in Thüringen den Rechten Minderjähriger zur Geltung zu verhelfen und sich zum anderen im Bundesrat dafür einzusetzen, dass den im Kinder- und Jugendhilfegesetz normierten Schutzregelungen für Minderjährige der Vorrang vor anderen Gesetzen gegeben wird.
Herr Staatssekretär, ich habe eine Verständnisfrage zu dem, was Sie eben gesagt haben. Muss ich Ihre Ausführungen so eng interpretieren, dass die Anwendung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes in der Weise vorgenommen wird, dass Mädchen bevorzugt werden, und wenn es das Problem einer Gefahr eventueller sexueller Missbrauche nicht gäbe, auch Mädchen in die Gemeinschaftsunterkünfte eingewiesen würden?
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Seela, ich kann nicht nachvollziehen, wie Sie darauf kommen, wie wir - sagen wir einmal in Abwandlung dessen, was Sie gesagt haben - kein Herz für die freiwilligen Feuerwehren bisher gehabt hätten.
Entschuldigung, dass Sie etwas nicht merken, hat doch aber nichts mit der Wirklichkeit zu tun.
Sie haben uns gegenüber den Vorwurf erhoben, wir würden den Staatsvertrag aushebeln. Ich glaube, Sie haben dann selbst gemerkt, dass Sie sich bei der Vokabel, zumindest was die Extention angeht, ein kleines bisschen vergaloppiert haben und sich
dann auf den Terminus „umgehen“ geflüchtet. Aber, ich glaube, auch das trifft es nicht. Wir versuchen, angesichts eines geltenden Staatsvertrags eine Lösung vorzuschlagen, die mit dem Staatsvertrag selbst im Grunde genommen nichts zu tun hat, weil über eine Rahmenvereinbarung jemand anders ja zahlt. Das heißt, das ist keine Umgehung des Staatsvertrags.
Ein Drittes: Herr Seela, den Antrag haben wir nicht gestellt wegen der Wahlen. Es gibt noch viel banalere Gründe, weshalb man einen Antrag stellen kann. Es ist im Grunde genommen eine Beauftragung der Landtagsfraktionen gewesen, die unlängst beim parlamentarischen Abend von den Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehren an uns ergangen ist, die haben wir einfach einmal aufgegriffen.
Wir haben uns in der letzten Plenarsitzung ohne Not unterhalten können über einen Gesetzentwurf, der eine Ehrenpension regelt. Da waren wir uns in den Begründungen dafür, warum wir im Grunde genommen eine solche Regelung alle wollen, ziemlich einig.
Ja, bitte.
Da wollte ich gerade hin.
Es ist köstlich. Herr Seela, ich stimme mit Ihnen überein, wenn Sie mich danach fragen, ob Sie dieses gesagt haben. Ich stimme aber nicht mit Ihnen überein, wenn Sie daraus unterstellen, dass ich Lust hätte, zu Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehren zu gehen und zu sagen, das machen wir alles im Jahre 2013. Dazu sind wir eben nicht bereit und deswegen dieser Antrag mit allen Mängeln, die er hat, auf die Sie auch hingewiesen haben, dass es auch noch andere Betroffene gibt. Aber ich kann doch nun nicht, bloß weil ich irgendwann einen Staatsvertrag mal wieder verhandele, den Feuerwehrfrauen und Feuerwehrmännern sagen, es gibt bis dahin keine Alternative. Das ist nicht wahr und das bin ich bereit, den Leuten nicht zu sagen. Natürlich sind wir uns einig darin, welchen Dienst diese Männer und Frauen für uns tun. Wir sind uns darin einig, dass wir einen Weg finden sollten und wir sind der Meinung, dass wir einen Weg finden könnten, dass sie nicht zur Kasse gebeten werden für Rundfunk- und Fernseheinrichtungen in ihren Fahrzeugen, die sie für ihren Dienst brauchen, die sie für ihre Qualifizierung brauchen und die sie gegebenenfalls auch einfach mal brauchen, um auszuspannen in Wartezeiten zwischen Einsätzen oder Ähnlichem.
Dazu besteht hier auch gar kein Dissens. Aber dann müssen wir einen Weg suchen und wir haben einfach versucht, einen Weg vorzuschlagen. Ich glaube nicht, dass es richtig ist, zu sagen, wenn wir 2013 ohnehin verhandeln, dann können wir das mit regeln oder zumindest versuchen mit zu regeln. Das halte ich nicht für solide Politik. Ich halte es auch nicht für solide Politik, diesen Antrag zu attackieren und zu sagen, nur weil es auch noch andere Bereiche gibt, die einen ähnlichen Anspruch hätten, deswegen regeln wir den, für den wir eine Idee haben, nicht. Das ist, glaube ich, nicht die Aufgabe von Politik, sich einfallen zu lassen, warum man ein Problem nicht löst, sondern das Umgekehrte ist der Fall.
Uns ist klar, dass neben dem Technischen Hilfswerk, soziale Einrichtungen wie Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen u. Ä. ähnlich oder gleich behandelt werden könnten. Aber nur, weil wir dieses Problem im Paket derzeit nicht lösen, sollten wir nicht darauf verzichten, ein Problem, was wir lösen können, zu lösen. Irgendwann, glaube ich, sollten Sie, Herr Seela, vielleicht im Jahre 2013 bei den Verhandlungen zum Staatsvertrag oder bei Nachverhandlungen darauf drängen, dass wir eine haushalts- oder einrichtungsbezogene Gebührenpflicht haben und nicht mehr eine gerätebezogene. Aber das, was wir heute lösen könnten, sollten wir heute lösen. Ich glaube, dass die Feuerwehrfrauen und Feuerwehr
männer genau dieses von uns erwarten, unabhängig von Wahljahren.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Hochverehrte Frau Groß,
Sie haben einen Fehler begangen. Nicht ich habe hier einem Steckenpferd gefrönt, die Fraktion der LINKEN hat einen Gesetzentwurf eingebracht. Gewöhnen Sie sich daran, das wird in diesem Hause, egal wie die Wahlen ausgehen, auch weiterhin so sein. Und, Frau Groß, in einem haben Sie recht, das ist ein Schaufenstergesetzentwurf, ein Gesetzentwurf, der wie ein Schaufenster den Bürgerinnen und Bürgern den Blick in die staatliche Verwaltung und öffentliche Stellen gewähren soll. Deswegen habe ich Ihnen diese Vorlage gegönnt.
Im Dezember, meine Damen und Herren, das wissen Sie, haben wir das Thüringer Informationsfreiheitsgesetz verabschiedet mit Fürstimmen der Landtagsmehrheit, mit Gegenstimmen der Landtagsminderheit. Die Gegenstimmen beruhten vor allem darauf, dass wir nicht ein eigenständiges Landesgesetz haben, sondern praktisch einen pauschalen Verweis auf das geltende Bundesgesetz mit zusätzlichen Ausnahmen im Anwendungsbereich. Diesen Unwillen der CDU-Mehrheit zu einer tatsächlichen Eigenständigkeit im Thüringer Informationsfreiheitsrecht kann man als ein gewisses politisches Signal werten. Man weiß, dass EU-Vorgaben bestehen, aber so richtig ernsthaft kümmert man sich nicht um die Sache. Wer sich die Antwort der Landesregierung auf meine Kleine Anfrage anschaut, wird feststellen, das Gesetz wird so gut wie nicht genutzt. Im Übrigen habe ich die Frage nicht nach einem halben Jahr gestellt, sondern nach einem Dreivierteljahr und diese bestimmte Eile ist natürlich auch dem Umstand geschuldet, dass wir kurz vor dem Ende der Legislatur stehen. Nun haben sicherlich Fragen der Information der Bürgerinnen und Bürger über das Gesetz dabei eine Rolle gespielt. Aber insgesamt stellen wir 20 Anfragen in diesen neun Monaten fest, von denen 11 abgelehnt sind, mehr als die Hälfte. Einige der gewährten Antworten entsprachen nur teilweise dem Ansinnen der Bürger. Das ist ein Indiz dafür, dass wir es neben der mangelnden Bekanntheit des Gesetzes vor allem mit gesetzlichen und verwaltungstechnischen Zugangshürden zu tun haben. Das sollten wir in diesem Haus einfach zur Kenntnis nehmen.
Nein, Sie führen es auf die kurze Laufzeit zurück und das ist ein Irrtum, Frau Groß. An dem Verhältnis von mehr als 50 Prozent Ablehnung wird sich auch mit Zunahme der Zahl der Anfragen nichts ändern. Darum geht es.
Das entspricht dem Gesetz, ganz genau. Deswegen haben wir als Fraktion einen Gesetzentwurf eingebracht und der soll wie eine Art Gesetzesevaluierung in der Form der Neufassung dieses Informationsfreiheitsgesetzes betrachtet werden. Meine Damen und Herren, das Recht auf Informationsfreiheit ist doch kein Spleen von Bürgerinnen und Bürgern, es ist eine konkrete Ausprägung des demokratischen Grundsatzes der Öffentlichkeit und der Transparenz. Das wissen Sie doch, Frau Groß, da geht es doch nicht um Mätzchen.
Viele Staaten auf dieser Welt haben eine längere Tradition der Informationsfreiheit und des ungehinderten Zugangs von Bürgerinnen und Bürgern zu staatlichen bzw. öffentlichen Daten und Unterlagen, viel längere Traditionen als in Deutschland. In Schweden existiert das Recht auf Informationsfreiheit seit 1766. In zahlreichen europäischen Staaten hat dieses Recht Verfassungsrang oder ist in gesetzlichen Regelungen zur Informationsfreiheit verankert. Und nach Artikel 10 der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte soll das Recht auf Informationsfreiheit gesichert werden. Die Verankerung in Artikel 10 dieser Konvention macht noch eine weitere wichtige Funktion des Rechts auf Informationsfreiheit deutlich. Es ist eine Voraussetzung, und zwar eine wichtige Voraussetzung, zur wirksamen Wahrnahme des Rechts auf Meinungsfreiheit, auch ein - bezogen auf die Demokratie - nicht gerade unwesentlicher Grundsatz. In konsequenter Umsetzung des Artikels 10 sollte das Grundrecht auf Informationsfreiheit also eigentlich auch in die Thüringer Verfassung aufgenommen werden. Die Datenschutzbeauftragten fordern schon lange, dass die Informationsfreiheit auch in Deutschland endlich ins das Grundgesetz hineingehört. Die von Ihnen so kritisierte Darstellung von uns im Gesetzentwurf selbst hat doch etwas damit zu tun, dass diese historisch dahergekommene Monopolisierung von Informationen bei der Verwaltung und bei Behörden aus Sach- und Rechtsgründen eigentlich ungeeignet sind. Sie ist kontraproduktiv mit Blick auf die Schaffung und Erhaltung einer offenen pluralistischen Gesellschaft bestimmter, selbstbestimmter und engagierter Bürgerinnen und Bürger. Denn bisher war es doch so, dass der individuelle Zugang zu behördlichen Informationen vorwiegend im Rahmen von verfahrensmäßigem Rechtsschutz, zum Beispiel im Verwaltungsverfahren, gewährt wurde. Das, meine Damen und Herren, greift zu kurz. Es gibt vielfältige Informationsbedürfnisse von Bürgerinnen und Bürgern, unabhängig von eigener Beteiligung an einem konkreten Verwaltungsverfahren, zumal dann, wenn Informationen benötigt werden, um sie zum Beispiel im Rahmen politischen Engagements verwenden zu können.
Artikel 9 der Thüringer Verfassung gibt dem Recht auf politische Betätigung gerade auch außerhalb von Parteien, zum Beispiel nämlich in Bürgerzusammenschlüssen, Verfassungsrang. Das gewähren die gegenwärtigen Verhältnisse noch nicht. Die hiesigen, nun einmal stark von der preußischen Tradition geprägten Staats- und Verwaltungspraktiken wurden noch bis vor Kurzem immer noch so mit diesem Amtsgeheimnis gehütet und mit diesem Wissensvorsprung der Behörden und der Verwaltung. Gegen dieses genau richtet sich unser Gesetzentwurf.
Alle diese Bedingungen, die derzeit die Möglichkeiten von Bürgerinnen und Bürgern behindern, sich zu informieren, sind nicht mehr zeitgemäß. Nun war die Verabschiedung des Thüringer Informationsfreiheitsgesetzes 2007 sicherlich kein falscher Schritt. Wenn aber das Recht auf Informationsfreiheit eine solch wichtige Funktion hat, wie ich sie eben beschrieben habe, dann sind der Gesetzgeber und die Verwaltung verpflichtet, dafür zu sorgen, dass entsprechende Regelungen in der Praxis für Bürgerinnen und Bürger auch tatsächlich wirksam werden, das heißt, dass sie funktionieren. Die Ergebnisse der genannten Kleinen Anfrage legen nahe, dass genau das nicht so ist. Wir verstehen also unseren Entwurf als einen Diskussionsvorschlag im Rahmen der Evaluierung dieses Gesetzes. Wir hoffen auf eine Diskussion mit Fachleuten im Rahmen der Ausschussberatung. Wir wissen um das Problem der Diskontinuität, doch ist das Grundrecht auf Informationsfreiheit zu wichtig, als dass wir länger mit der öffentlichen Diskussion warten sollten, zumal ein gesellschaftlicher Diskurs nicht der Diskontinuität unterliegt.
Die Kernpunkte, meine Damen und Herren, unseres Gesetzentwurfs zur Neuregelung des Informationsfreiheitsrechts sind die folgenden:
Erstens: Die Transparenz der Informationen und des Wissens der Verwaltung wird dadurch möglichst weitgehend hergestellt, dass jede natürliche oder juristische Person einen Informationsanspruch hat, der mit Verpflichtungen aller Behörden und öffentlichen Stellen zur Auskunft korrespondiert, es sei denn, es gibt verfassungsrechtliche Schranken. Das heißt, Frau Groß, es geht überhaupt nicht um eine grenzenlose Möglichkeit des Eindringens der Bürgerinnen und Bürger in das Wissen der Behörden. Wenn es dafür begründete Schranken gibt, dann finden sie in diesem Gesetz auch ihre Berücksichtigung. Erfasst sind von diesem Recht auch Privatpersonen und juristische Personen, wenn sie mit der Erledigung öffentlicher Aufgaben betraut sind. Das ist insofern von entscheidender Bedeutung, da seit Jahren das Outsourcing öffentlicher Aufgaben an Private betrieben wird, Beleihung nennt man das dann. Es erschließt sich uns auch nicht, warum z.B. Einrichtungen wie der Landtag als Vertretung der Bürgerinnen und Bürger oder der Rundfunk in irgendeiner Form aus dem Anwendungsbereich herausgenommen sein soll, es sei denn, die Freiheit des Mandats oder die journalistische Freiheit wären berührt.
Zweitens: Behörden und Einrichtungen sollen möglichst den gesamten Datenbestand, also auch interne Stellungnahmen, Aktennotizen und Ähnliches, zugänglich machen. Ausgenommen sind aber Entwürfe, die der internen Vorbereitung einer Position
bzw. Entscheidung dienen. Damit aber niemand mauern kann, indem er auf eine Unterlage einfach Entwurf schreibt, legt der Gesetzentwurf ausdrücklich den Grundsatz der bürger- und nutzerfreundlichen Auslegung fest. Konkret bedeutet das dann, die Behörde muss nachweisen, dass es sich auch wirklich um einen Entwurf handelt.
Drittens: Damit Bürgerinnen und Bürger auch erfahren können, was es im Zusammenhang mit einer Angelegenheit zu wissen gibt, müssen Behörden die verfügbaren Daten und Unterlagen durch Registerverzeichnisse und Dokumentationen schließen. Nur so ist das Recht auf Informationsfreiheit umfassend zu gewährleisten. Im Übrigen würde das vermutlich auch mancher Behörde helfen, in ihren eigenen Unterlagen besser Ordnung zu halten.
Viertens: Eine möglichst ungehinderte Ausübung des Rechts auf Informationsfreiheit wird durch Gebührenfreiheit und den weitgehenden Verzicht auf Ersatz von Auslagen gesichert. Die Vorschriften sind auf eine möglichst schnelle und umfassende Bearbeitung des Bürgeranliegens gerichtet. Sie sollen sicherstellen, dass auch in den Fällen, in denen Bürger sich nicht an zuständige Behörden wenden, ihre Anliegen dann weitergeleitet und trotzdem bearbeitet werden. Für Skeptiker sei auf ein Weiteres hingewiesen. Der Gesetzentwurf verkennt auch nicht die Problematik des Missbrauchs. Für diesen Fall sind aber den Behörden hohe Beweishürden gesetzt, damit sie nicht ihrerseits das Missbrauchskriterium zum Schutz eines sogenannten Amtsgeheimnisses missbrauchen.
Fünftens: Für Fälle, in denen die Ablehnung des Anspruchs im Raum steht, sieht das Gesetz in einer umfangreichen Vorschrift eine sehr differenzierte Stufung der Ablehnungsgründe und Ermessenskriterien zur Entscheidungsfindung vor. Die Abwägung des Informationsanspruchs mit Rechten Dritter, praktisch das Recht auf Datenschutz, wird in einer eigenen Vorschrift detailliert geregelt. Auch hier, Frau Groß, kein schrankenloser Zugang, keine schrankenlose Preisgabe von Informationen.
Sechstens: Damit komme ich zu einem Einwand, den Kollege Höhn vorhin erwähnt hat. Wir hatten ursprünglich auch über einen Informationsfreiheitsbeauftragten nachgedacht, einen Informationsfreiheitsbeauftragten als selbstständiges Amt. Wir haben den Gedanken dann aber aufgegeben. Der Thüringer Bürgerbeauftragte bzw. die Thüringer Bürgerbeauftragte soll nach dem Gesetz aus unserer Sicht zukünftig auch die Funktion eines Informationsbeauftragten wahrnehmen. Eine Übertragung dieser Aufgaben an den Datenschutzbeauftragten haben wir wegen einsichtiger Interessenkonflikte zwischen dem Recht auf Informationsfreiheit einerseits und
dem Recht auf Datenschutz andererseits verworfen. Wir teilen aber eben auch nicht die Meinung der amtierenden Bürgerbeauftragten, dass es gut sei - sie hat es in ihrem letzten Bericht so geäußert -, wenn ihre Funktion praktisch nicht mit dem Informationsfreiheitsgesetz zu tun haben würde. Die Bürgerbeauftragte soll also zukünftig auch als Informationsbeauftragte der Bürgerinnen und Bürger bei Inanspruchnahme ihrer Informationsansprüche unterstützen, aber auch selbst die Einhaltung der gesetzlichen Regelungen überprüfen können. Dazu soll sie dem Datenschutzbeauftragten vergleichbare Rechte erhalten, z.B. ein Beanstandungsrecht.
Siebentens: Alle zwei Jahre ist in einem Bericht an den Landtag über die Situation in Thüringen hinsichtlich der Informationsfreiheit zu berichten, vor allem zum Zweck der weiteren Evaluation des Gesetzes.
Meine Damen und Herren, wir hoffen, dass der Landtag, insbesondere seine Mehrheit, den vorliegenden Gesetzentwurf als Angebot für so etwas wie eine erste parlamentarische Evaluierung des Informationsfreiheitsrechts in Thüringen nutzt. Denn, meine Damen und Herren, und vor allem vor dem Hintergrund finde ich Ihre Vorabankündigung, dass Sie den Gesetzentwurf nicht an Ausschüsse überweisen wollen, als nicht besonders demokratiedienlich. Der Gesetzentwurf - egal wie er nach einer parlamentarischen Beratung aussehen würde - würde nicht zuvörderst uns dienen, sondern vor allem Bürgerinnen und Bürgern,
und das ist eigentlich unsere Aufgabe. Ich beantrage also trotz der Ankündigung der Ablehnung die Überweisung an den Innenausschuss und an den Justizausschuss.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Minister, ich will bloß auf zwei Ihrer Anwürfe reagieren. Das Erste ist: Sie haben gesagt - das war auch Ihr Abschlusssatz -, es gibt einen Überprüfungszeitraum und den sollte man abwarten. Ich weiß nicht, ob es vernünftig ist, wenn sich innerhalb des Überprüfungszeitraums bereits klar abzeichnet, dass es einen Novellierungsbedarf gibt, ob man sich dann tatsächlich hinstellen und sagen sollte, wir warten diesen Zeitraum dennoch ab und überprüfen dann. Das halte ich für falsch.
Das Zweite, Herr Minister: Entweder ich habe Sie falsch verstanden oder Sie haben den Gesetzentwurf falsch verstanden, aber die Privaten, von denen Sie sprachen, deren private Rechte als Dritter angeblich verletzt worden sind, sind in dem Bereich, in dem sie unter die Geltung des Informationsfreiheitsgesetzes fallen, nicht wirklich Private, sondern sie sind Einrichtungen, die öffentliche Aufgaben erledigen, und auf diesen Bereich bezieht sich der Informationsanspruch der Bürgerinnen und Bürger.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, in Anbetracht der fortgeschrittenen Zeit und zugunsten der vielen noch verbleibenden Tagesordnungspunkte will ich mich kurz fassen. Von der ständigen Verlagerung der Beratungen aus dem öffentlichen Bereich des Plenums in den nicht öffentlichen der Ausschüsse halte ich nichts, aber von Kürze halte ich sehr viel.
Herr Minister, wir unterstützen diesen Gesetzentwurf und ich will in zwei Punkten die Haltung unserer Fraktion ganz kurz umreißen.
Der erste Punkt ist die Ehrenpension. Es gibt, meine Damen und Herren, keinen Grund, hier jetzt darüber zu reden, welche Probleme die freiwilligen Feuerwehren haben, vor welchen Aufgaben sie stehen. In jedem Fall ist die Regelung zur Ehrenpension für die freiwilligen Feuerwehren gerechtfertigt und selbst wenn sie in ihrer Höhe, die wir dem Gesetzentwurf jetzt noch nicht entnehmen konnten, die gegebenenfalls mit der Rechtsverordnung dann deutlich wird, nicht das ist, was sich jeder Einzelne darunter vorstellen mag, selbst wenn es nur ein Gestus oder ein Signal wäre, wäre dieses Signal richtig, denn diese Männer und Frauen setzen sich in ihrer Freizeit sehr oft unter Einsatz ihres Lebens und ihrer Gesundheit für Dinge, aber auch für Leben und Gesundheit anderer ein.
Die zweite Bemerkung ist nicht ganz unkritisch. Sie berührt einen Punkt, den Sie, Herr Minister, wenn ich richtig aufgepasst habe, nicht erwähnt haben, und zwar die Regelung die Amtsenthebung der Brandmeister betreffend. Das erscheint auf den ersten Blick sofort wie eine Lex Arnstadt. Die Regelung ist dann natürlich mehr. Vorgänge in anderen Gemeinden oder Städten haben auch gezeigt, dass sie wohl nötig ist. Wir haben allerdings für die Ausschussberatung des Gesetzentwurfs dazu zwei Bemerkungen zu machen und wir kündigen dazu auch Änderungswünsche an. Der erste Änderungswunsch wäre, dass eine solche Amtsenthebung durch einen Bürgermeister oder durch einen Landrat immer begründet vorgenommen werden muss, und zweitens, dass die Stadt- und Gemeinderäte oder die Kreistage an dieser Amtsenthebung auf irgendeine Weise beteiligt werden müssen.
Dieses sieht der Gesetzentwurf im Moment noch nicht vor, aber ich glaube, das lässt sich heilen. Danke schön.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sehr geehrter Herr Minister, hin und wieder hat auch ein Oppositionsabgeordneter - nicht immer, aber hin und wieder - das Bedürfnis, einem Vertreter der Landesregierung zu danken oder diesen sogar zu loben. Dafür gibt es aber heute nach meiner Auffassung keinen Grund.
Angekündigt, meine Damen und Herren, war eine Regierungserklärung zur inneren Sicherheit. Was Sie dargeboten haben, Herr Innenminister, war der Versuch eines Erfolgsberichts, und das auch ohne ausreichend kritische, selbstkritische Sicht. Man hatte passagenweise den Eindruck, ein Finanzminister hätte die Rede zur inneren Sicherheit gehalten und nicht ein Innenminister.
Da teilen sich eben die Meinungen, Herr Minister Zeh. Lange Abhandlungen darüber, was wann und
wo angeschafft wurde und was es denn alles gekostet hat, aber eine Regierungserklärung, meine Damen und Herren, ist mehr als innenpolitische Buchhalterei. Wir wollten hier nicht die Anschaffungsliste des Innenministeriums hören, sondern wir wollten wissen, wie es im Land aussieht
und wohin das Land im Bereich der Sicherheitspolitik programmatisch, konzeptionell, sprich, politisch gelenkt werden soll.
Wenn der Innenminister zum Thema innere Sicherheit spricht, dann redet er weitläufig von Kriminalitätsbekämpfung, Polizeibefugnissen oder Verfassungsschutz und natürlich auch noch ein wenig zu Feuerwehr und Katastrophenschutz. Wir als die Fraktion DIE LINKE haben ein anderes Konzept, eine andere Sicht auf Sicherheit. Wir würden lieber über persönliche und öffentliche Sicherheit sprechen. Das heißt nicht mehr und nicht weniger - und da liegen wir gar nicht so weit weg von Ihnen -, als dass jeder Bürger, egal welchen Alters, welcher Herkunft oder welchen sozialen Standes, an jedem Ort in Thüringen keine Angst haben müsse, Opfer einer Straftat zu werden. Sicherheit ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgaben und nicht allein Aufgabe der Sicherheitsbehörden. Betätigungsfelder sind dann aber auch Bildung und Kultur, Städtebau, also Stadtgestaltung, Jugendpolitik oder soziale Sicherheit und Gerechtigkeit, Prävention, Transparenz und Demokratie.
Als letzter Punkt dieser Unterscheidung, vielleicht aber der wichtigste: Sicherheit wird es nur dort geben, wo Grund- und Bürgerrechte garantiert werden. Wer innere Sicherheit als Demontage der Bürger- und Freiheitsrechte durchsetzen will, wird am Ende alles ramponieren: die Freiheit, die Demokratie, aber auch die Sicherheit selbst.
Zu einzelnen Bereichen: Ich beginne mit der zentralen Herausforderung für die Sicherheitspolitik im Land, wie Sie sie selbst verstehen, nämlich als eine gewaltmonopolzentrierte. Selbst Sicherheitspolitik ihrer Prägung oder ihres Verständnisses brauchte eine andere Polizeipolitik, ein anderes Innenministerium im Übrigen und auch eine andere Polizeiausbildung. Um es vorweg zu sagen, ich wende mich an keiner Stelle - und ich bitte die Kolleginnen und Kollegen, insbesondere des mittleren Teils dieses Hauses, das zur Kenntnis zu nehmen - gegen die Thüringer Polizei. Um es noch deutlicher zu sagen: Wir wissen, die Thüringer Polizei leistet hervorragen
de Arbeit. Das lesen wir jedes Jahr in den Kriminalitätsstatistiken, das sehen wir aber auch an der Zustimmung der Bürgerinnen und Bürger zu dieser Institution, wie wir sie auch jährlich vom ThüringenMonitor präsentiert bekommen. Aber die Thüringer Polizistinnen und Polizisten bringen diese Leistungen nicht wegen der guten Polizeipolitik im Land, nicht wegen der guten Führung durch das Innenministerium, sondern trotz der Polizeipolitik und trotz des Ministeriums.
Ich möchte diese These erläutern. Herr Minister Zeh, würden Sie etwas weniger laut sein.
Entschuldigung, dann muss es jemand anders sein, es stört nur maßlos.
In Thüringen wurde in den letzten Jahren alles dafür getan, die Motivation bei den Polizisten zu lädieren und den Arbeitsalltag zu erschweren. Das ist nicht Ihnen, Herr Innenminister, anzulasten, schließlich sind Sie erst ein Jahr im Amt. Aber bei einer Regierungserklärung muss man zur Kenntnis nehmen, das Hü und Hott bei OPTOPOL hat zwar zu undurchsichtigen und völlig absurden Personalkarussellen geführt, die Sie teilweise selbst angesprochen haben, bis heute ist aber eigentlich nichts von dem umgesetzt oder wirklich wirksam korrigiert, was eine Polizeistrukturreform eigentlich bezwecken müsste, nämlich weg von polizeilicher Verwaltung hin zu Polizeiarbeit im Basisbereich. Wo wurde denn tatsächlich das Vor-Ort-Prinzip gestärkt? Warum wurde das gute Modell der Kontaktbereichsbeamten nicht maßgeblich ausgebaut? Sie, Herr Minister, Sie betonen immer, dass Sie überlegen und schauen wollen, ob das ginge, aber am Ende reduziert es sich darauf, dass Sie Fahrzeuge, die in Thüringen hergestellt worden sind, für die bisherigen Beamten zur Verfügung stellen.
Diese Schritte werden wir wohl erst gehen können, wenn es zu einer ernsthaften Verwaltungsreform kommen wird. Unter der jetzigen Regierung kann und wird dies offenbar nicht gehen.
Dann die Personalpolitik: Die Opposition musste die Innenminister stets zum Jagen tragen. Erst der Druck
aus diesem Haus hat den Einstellungskorridor bei der Polizei erweitert. Damit sind die Probleme aber nicht vom Tisch. Es wird in den nächsten Jahren darum gehen, einen adäquaten Personalbedarf im Zuge einer echten Polizeireform zu ermitteln und dann schnell die Weichen dafür zu stellen, dass langfristige Personalentwicklungskonzepte vorgelegt werden. Es müssen Personalentwicklungskonzepte sein, deren tragende Idee nicht die Einsparung ist, sondern die Sicherung der Bewältigung aller notwendigen Aufgaben.
Stichwort Krisenmanagement: Probleme in und bei der Polizei gibt es sicherlich auch in anderen Bundesländern. Was Thüringen auszeichnet, ist ein dilettantisches und wirkungsloses Krisenmanagement. Ob fehlerhafte Überstundenabrechnung, Korruption, ob Amtsmissbrauch oder mangelnde technische Ausstattung, die Probleme werden Monate und Jahre vor sich hergetragen. Lösungen funktionieren oder greifen nicht, denjenigen, die zur Behebung des Problems in den Ring steigen, fehlt die Unvoreingenommenheit. Das Problem, das Sie selbst angesprochen haben, Herr Minister, der prüfungsfreie Aufstieg, ich glaube, ich vertue mich nicht, wenn ich sage, darüber debattieren wir mit den betroffenen Bediensteten, mit den Gewerkschaften seit mindestens 10 Jahren und nichts hat sich wirklich ernsthaft nach vorn bewegt. Das würde tatsächlich Motivation von Bediensteten befördern.
Wir bleiben dabei: Solange auch interne Ermittlung bei der Polizei nicht funktioniert, wird es weitergehen mit diesem Durcheinander, das die Bediensteten dann immer wieder mit ihrem engagierten Einsatz ausgleichen müssen. Da klappt es ja anscheinend nicht einmal, dass man die Türen der Bediensteten dieser Einheit sicher verschlossen halten kann. Solange das Innenministerium vordringlich mit solchen Meldungen in der Presse erscheint, so lange bleiben wir bei unserer Forderung auch nach einer unabhängigen Beschwerdestelle für Polizistinnen und Polizisten und Bürgerinnen und Bürger.
Aber, meine Damen und Herren, und das sage ich nicht zum ersten Mal und ich werde es sicherlich auch nicht zum letzten Mal sagen, der Krebsschaden an der Thüringer Polizeipolitik zeigt sich am deutlichsten in der Polizeigesetzgebung. Gar zu oft werden polizeiliche Regelungen von Verfassungsgerichten zurückgeholt. Ein großes Handicap der Thüringer Polizeipolitik bleibt die restriktive, undurchsichtige und grundrechtsfeindliche angebliche Sicherheitsgesetzgebung in diesem Land und neben den inhaltlichen
Fragen stellt sich für uns hier auch deutlich das Problem der Handhabbarkeit für den Polizeidienst. Wir haben in Thüringen ein derart schlechtes, nämlich kompliziertes Polizeiaufgabengesetz, das die Beamten in die Zwangslage versetzt, das Gesetz erst aufwendig interpretieren zu müssen, bevor sie es anwenden können.
Das muss aber nicht verwundern, im Zentrum dieses Gesetzes stehen nämlich nicht die Punkte, die dort stehen müssten. Dort gehören eigentlich die Gedanken des Grundgesetzes und der Thüringer Landesverfassung hin. Das Thüringer Polizeiaufgabengesetz muss endlich nicht nur den Beamten Rechte geben, sondern auch dem Bürger Rechte erhalten und einräumen, z.B. umfassende Auskunftsrechte, enge Informations- und Löschungsvorschriften oder eine Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte. Verfassungsrechtlich bedenkliche Eingriffsnormen, wie z.B. verdeckte Ermittler, anlasslose Datensammlung und polizeiliche Maßnahmen gegen Unbeteiligte müssen raus aus diesem Gesetz. Dann wird dieses auch Grundlage einer veränderten Polizeiausbildung in Thüringen werden können und auch Grundlage für ein ganz anderes Polizeiverständnis. Dass die Chancen dafür in Thüringen nicht sonderlich groß sind, das weiß ich. Ich habe es ja neulich erleben müssen, dass im Innenausschuss Staatssekretär Hütte die Bewährtheit unseres Polizeiaufgabengesetzes im Zusammenhang mit der Amokdrohung in der IGS daraus ableitete, dass polizeilich ergriffene Maßnahmen im Nachhinein die Bestätigung durch die Gerichte fanden. Der Aspekt, wie wirksam die Maßnahmen denn in der Sache gewesen seien, spielte überhaupt keine Rolle. Wir brauchen ein neues Leitbild der Polizei. Es muss Schluss sein mit dem Generalverdacht gegen Bürgerinnen und Bürger. Polizei ist Teil und Partner der Gesellschaft, und zwar der gesamten Gesellschaft. Alles, was Menschen aufgrund von Hautfarbe, Religion, sexueller Orientierung oder sozialem Stand als potenziellen Kriminellen und nicht als Bürger mit unveräußerlichen gleichen Rechten betrachtet, darf in der Polizeipolitik keinen Platz haben.
Im Übrigen, Herr Innenminister, bei aller Wertschätzung der Erfolge der Thüringer Polizei, Ihre Einschätzung, was die angeblich so erfolgreiche Bekämpfung der sogenannten Rockerkriminalität angeht, können wir nicht teilen. Die Reaktion der Sicherheitsbehörden erfolgte nach unserer Auffassung viel zu spät und das Unsicherheitsgefühl der Bevölkerung ist geblieben. Die Auftritte der Rocker vor Gericht spre
chen von einem ungebrochenen perfiden Selbstbewusstsein.
Unsere Meinung zum Geheimdienst ist hinlänglich bekannt und hat sich in den letzten Jahren auch nicht grundlegend geändert. Dabei hätte es für die Landesregierung durchaus Möglichkeiten gegeben, den Beweis anzutreten, dass es ihr bei der Bekämpfung von Neonazismus und Rechtsextremismus ernst ist. So z.B. hätte das Landesamt für Verfassungsschutz seine Informations- und Aufklärungsarbeit ändern können, aber nichts Derartiges ist passiert, ganz im Gegenteil, Thüringen blockiert weiterhin mit dem Festhalten an Spitzeln in den Führungsebenen des organisierten Rechtsextremismus ein erfolgreiches Verbot der NPD und der Thüringer Verfassungsschutz lässt weiterhin die Kommunen mit ihren Problemen weitgehend allein. Welche Hauskäufe, Konzerte, Aufmärsche will denn der Geheimdienst in Thüringen verhindert haben? Wenn Sie hier einmal ehrlich wären, dann würden Sie doch auch zugeben, dass diese Behörde keinen merklichen Bruchteil von dem leistet, was Sie ihr so gern andichten. Wenn Sie uns nicht glauben, dann reden Sie doch einmal mit Staatsschutzbediensteten oder Bürgermeistern. Wenn es nicht in Thüringen ein effektives, durchaus seriöses und schnell arbeitendes Netzwerk der Gegenöffentlichkeit zu Naziaktivitäten geben würde, wenn sich die Presse des Themas nicht zunehmend in einer engagierten Art annehmen würde, dann wären Akteure vor Ort in vielen Fällen hoffnungslos verloren. Bei alledem folgen Sie und betreiben Sie selbst eine gefährliche, fortschreitende Aufhebung des Gebots der Trennung von Polizei und Geheimdienst.
Wir alle, meine Damen und Herren, werden uns 2009 mit dem Wahlantritt der NPD und anderer rechtsextremistischer Vereinigungen zu den Kommunalwahlen und der Landtagswahl und mit deren Kandidaten auseinandersetzen müssen. Wer heute noch in Abwehrhaltung gegen unvoreingenommene Zusammenarbeit, z. B. in Bündnissen, geht oder die Toleranz gegenüber anderen demokratischen Ansichten nicht aufbringt, wie das CDU und FDP hin und wieder tun, wer wohlwollend ausgestreckte Hände ausschlägt, der mindert die Chancen gemeinsamer und koordinierter Aktionen gegen den Einzug brauner Volksverhetzer in Parlamente oder Räte. Dieses Thema taugt nicht für politische Voreingenommenheit oder gar Profilierungsscharmützel. Sie werden vermutlich sehr bald aus Ihrem absurden, künstlichen und wirklichkeitsfernen Extremismusschützengraben herauskommen müssen und die tatsächliche Gefahr des Rechtsextremismus für Demokratie, Freiheit und Unversehrtheit potenzieller Opfer anerkennen müssen. Sie sollten historischen Erfahrungen und demokratischen Vorbildern folgen. Nichts gegen weltanschauliche Debatten, aber im
Kampf gegen Neonazis darf es kein rechthaberisches Hickhack zwischen demokratisch Gesinnten geben, denn darüber freut sich allein die NPD. Es nutzt nur ihr, aber es wird am Ende die Demokratie sein, die Schaden nimmt. Wenn Sie glauben, Herr Innenminister, dass wir kein Landesprogramm für Demokratie und gegen Rechtsextremismus brauchen, dann wird Sie, so bedauerlich das ist, der Gang der Zeit eines Besseren belehren.
Sie haben recht, Herr Innenminister, Attacken der Rechtsextremen richten sich inzwischen auch, und zwar ganz offen, gegen Polizistinnen und Polizisten. Diese Entwicklung wird insbesondere durch das Erstarken der sogenannten autonomen Nationalisten gefördert, die ihre neofaschistischen Vorstellungen mit Gewalt auf der Straße gegen Andersdenkende und gegen die Institutionen durchsetzen wollen. Beispielhaft dafür ist der Vorfall in Sömmerda, bei dem Polizeibeamte durch Neonazis erst verbal attackiert und dann mit einer Schreckschusswaffe bedroht wurden. Gerade unter der Fragestellung einer effektiven Eigensicherung der Polizei muss diese neue Gewaltbereitschaft von Neonazis offen und öffentlich thematisiert werden. Ich wünschte mir aber für jedes Opfer einer rechtsextremen Gewalttat diese Aufmerksamkeit und diese Konsequenz. Leider ist das nicht immer der Fall. Im ostthüringischen Berga wurde ein Punk von Neonazis durch Tritte und Schläge so schwer verletzt, dass er lebenslange Behinderungen davontragen wird. Seine Ausbildung musste er abbrechen und er ist auf die dauerhafte Hilfe seiner Mutter angewiesen. Die Täter waren wie im Fall des Angriffs auf die Polizeibeamten in Sömmerda einschlägig bekannte Neonazis, doch die Tat in Berga erregte nicht nur keine besondere Aufmerksamkeit, nein, Polizei, Innenministerium und Staatsanwalt vertreten bis heute die Auffassung, dass es sich nicht um eine rechtsextreme Straftat handelte. Übrigens, Herr Innenminister, Sie haben den zunehmenden Einsatz der Polizei bei Fußballspielen bedauert bzw. die Notwendigkeit dieser Einsätze bedauert, ohne zu sagen, was Sie gegen dieses Problem der zunehmenden Fan-Ausschreitungen und des Nazi-Hooliganismus unternehmen wollen. Ich denke, Sicherheitspolitik muss ihr Verhältnis zu den Vereinen, zu den Fan-Betreuern neu ausrichten. Wenn das Problem nicht an den Wurzeln gefasst wird und nicht eine enge Kooperation aller Beteiligten präventiv tätig wird, werden Sie diesen Phänomenen auch weiterhin nur hilflos und immer nur nacheilend zu begegnen versuchen.