Birgit Klaubert
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Last Statements
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, der Abgeordnete Krause hat bereits für den Ausschuss gesagt, dass wir eine recht solide Anhörung zu diesem Gesetzentwurf hatten und ich werde dann auf die Empfehlung noch einmal ganz kurz zurückkommen, werde aber, weil ich nun auch als erste Rednerin in diesem Tagesordnungspunkt spreche, noch einmal auf die Stiftung Weimarer Klassik zurückkommen. Ich glaube, das ist nicht ganz schlecht, denn sehr oft kann man in diesem Haus nicht darüber sprechen, weil es eben eine Stiftung ist.
Sie entstand bekanntlich 2003 aus der damaligen Zusammenführung der Stiftung Weimarer Klassik und Kunstsammlungen Weimar und ihre Aufgabe ist es - es ist ja eine bedeutende Stiftung -, alle unter ihrem Dach vereinten Gebäude, Parks, Archive, Sammlungen als einzigartiges Zeugnis der deutschen Kultur zu wahren, zu bewahren, zu erschließen, zu erforschen und natürlich - das ist wahrscheinlich ein ganz wichtiger Punkt - der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Zur Stiftung Weimarer Klassik gehört ein einzigartiges Ensemble von Kunst- und Literaturmuseen, Dichterhäusern und historischen Schloss- und Parkanlagen. Nicht nur die Wohnhäuser Goethes und Schillers, sondern auch die letzte Wohnung Friedrich Nietzsches mit dem Jugendstil-Interieur Henry van de Veldes und dem Weimarer Wohnsitz von Franz Liszt - wir werden ja die Landesausstellung im Franz-LisztJahr dann auch in Weimar erleben - zählen dazu. Neue Gebäude und Parklandschaften des klassischen Weimar, unter ihnen die Anna Amalia Bibliothek und der Park an der Ilm mit Goethes Gartenhaus, wurden 1998 in die Welterbeliste der UNESCO aufgenommen und seit 2001 ist der handschriftliche Nachlass Johann Wolfgang von Goethes, der im Weimarer Goethe- und Schillerarchiv aufbewahrt wird, in den Registern der Memory of the World verzeichnet. Die Klassik Stiftung Weimar zählt damit zu den herausragenden kulturellen Institutionen in Deutschland. Sie ist eine Landesstiftung des öffentlichen Rechts, die auf der Basis eines Finanzabkommens, dessen Laufzeit zunächst bis Dezember 2011 fixiert ist, gemeinsam von Bund, Land und der Stadt Weimar finanziert wird. Sitz der Stiftung ist Weimar.
Ausgangspunkt zur Profilierung der Klassik Stiftung Weimar ist das vom Stiftungsrat bei der Strukturkommission unter Leitung von Prof. Dr. Lehmann in Auftrag gegebene Strukturkonzept zur Zukunft der Weimarer Klassik und Kunstsammlungen. Dieses Strukturkonzept wurde 2005 dem Stiftungsrat vorgelegt. Der Abschlussbericht der Expertenkommission hatte im Sommer 2005 für erhebliches Aufsehen gesorgt, da durchaus gravierende Mängel festgestellt wurden. Beanstandet wurden u.a. eine zu geringe internationale Ausstrahlung sowie eine fehlende Linie in der wissenschaftlichen und in der Ausstellungsarbeit. Die Stellungnahme des Wissenschaftsrats zum Gutachten der Strukturkommission folgte dann im November 2005. In der Folgezeit wurden die Reformempfehlungen des Wissenschaftsrats und der Expertenkommission zunächst nur zögerlich umgesetzt. Es entbrannte ein sinnloses Gezänk um das Weimarer Stadtschloss. Die Strukturkommission hatte empfohlen, das Weimarer Stadtschloss zur „Mitte der Stiftung“, zum Eingangstor gewissermaßen, zu qualifizieren. Die Klassik Stiftung Weimar sollte Eigentümerin des Schlosses sein. Wir kennen das unsägliche Hin und Her zwischen der Stiftung Schlösser und Gärten und der Klassik Stiftung Weimar, welches auch noch öffentlich ausgetragen wurde.
Im Sommer 2008 hat dann die Klassik Stiftung Weimar einen Masterplan beschlossen, der nicht nur wichtige Maßnahmen zur Erhaltung und Sicherung der Bestände, sondern auch ein Gesamtkonzept zur musealen Präsentation und Vermittlung vorsieht. Der Bund hat dafür Sondermittel in Höhe von 45 Mio. € bereitgestellt und zusätzlich wird die laufende Bundesförderung für die Klassik Stiftung Weimar bis 2010 schrittweise auf knapp 8,8 Mio. € jährlich erhöht.
Bezogen auf den vorliegenden Gesetzentwurf bedeutet das, es ist richtig, wesentliche inhaltliche Profilierungen der Klassik Stiftung Weimar, soweit es in dem gesetzlichen Rahmen möglich ist, gesetzlich zu fixieren. Es sind das Bestandssicherungskonzept, eine neue Organisationsstruktur, das neue Personalkonzept, ein neues Forschungs- und Bildungskonzept, ein neues Marketing und ein neues IT-Konzept in die Umstrukturierungsaufgaben aufgenommen worden.
Anfang 2009 kam es dann zu den Liegenschaftsübertragungen zwischen der Stiftung Schlösser und Gärten und der Klassik Stiftung Weimar, so dass ein langfristiges Liegenschaftskonzept möglich wird und weitere Standortprofilierungen in Angriff genommen werden können.
Die Strukturkommission hat Änderungen zum Namen der Stiftung, zur Zusammensetzung des Stiftungsrats, der Leitungsstruktur und die Einführung eines
wissenschaftlichen Beirats vorgeschlagen. Weiterhin hat die Strukturkommission empfohlen, eine klare Leitungsstruktur zu verankern und damit die Entscheidungs- und Weisungskompetenzen zu klären.
Diesen Vorschlägen folgt nun der vorliegende Gesetzentwurf. Das heißt, wir werden künftig immer nur bei der Änderung des Gesetzentwurfs über diese Aufgabenstellung in dieser Deutlichkeit sprechen können, denn wenn man etwas in einer Stiftung verankert, geschieht es letzten Endes staatsfern. Der Einfluss des Landtags in den Stiftungsgremien ist nicht gegeben, das muss man so feststellen. Ein Generaldirektor wird künftig an die Stelle des Präsidenten der Klassik Stiftung Weimar treten, auch das ist inzwischen öffentlich debattiert worden. Bei einem Vergleich der Besoldungsgruppen bedeutender Kultureinrichtungen in Deutschland hat sich gezeigt, dass die Klassik Stiftung Weimar bei der Bezahlung ihres Präsidenten hinterherhinkt.
So in der Begründung, Frau Diezel.
Als nun der neu zu besetzende Posten des Direktors des Stiftungsmuseums vakant war und eine großartige Besetzung gefunden worden ist, ist natürlich das auch in das Gesetz aufgenommen und demzufolge diese Position aufgewertet worden. Ich glaube, wir sollten darüber nicht allzu viel Zeit und Gedanken mehr verschwenden, es ist richtig so, dass man bei einem bedeutenden Kulturgut in der Thüringer und in der bundesdeutschen Kulturlandschaft auch darum bemüht ist, Leute dort tätig werden zu lassen, die im internationalen und im nationalen Rahmen Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Die Anhörung in öffentlicher Sitzung am 14. Mai 2009 ergab etliche Klarstellungs- und Formulierungsempfehlungen. Abgeordneter Dr. Krause ist kurz darauf eingegangen, dass wir insbesondere der Empfehlung gefolgt sind - übrigens war das ein Vorschlag der Fraktion DIE LINKE und der CDU-Fraktion -, dass man die Stiftung berechtigt, eigenwirtschaftlich tätig zu sein. Da gab es vorher einige Auseinandersetzungen, als auch das schon einmal in der Öffentlichkeit diskutiert worden ist. Viele Dinge, die wir aufgenommen haben, waren bis auf den Wortlaut hin identisch.
Aber eine Änderung haben wir heute noch einmal vorgelegt und ich werbe auch an dieser Stelle noch einmal für diese Änderung. Das ist die Einführung unseres neuen Artikel 4, und zwar enthält er eine Finanzierungsgarantie zur Übernahme von Schloss Wilhelmsthal. Schloss Wilhelmsthal wird künftig Teil der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten sein - wir haben ein Artikelgesetz, in dem dieser Bereich mit geregelt worden ist - und war bisher - wir hatten
es mehrfach hier im Landtag als Thema - „ein herrenloses Kind“, das zwar dem Freistaat gehörte, aber ein Kind, welches letzten Endes inzwischen 25 Mio. € inneren und 10 Mio. € äußeren Investitionsbedarf hervorbringen wird.
Vor diesem Hintergrund ist natürlich das Erbe, welches man der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten jetzt überhilft, ein äußerst schwieriges, denn die Finanzierungsbedingungen der Thüringer Stiftung Schlösser und Gärten sind so, wie sie der letzte Haushaltsplan vorsah. Trotzdem wird natürlich sofort die Aufgabe übernommen werden müssen, am Schloss Wilhelmsthal entsprechende Arbeiten vorzunehmen.
Vor diesem Hintergrund haben wir uns sehr sorgsam überlegt und es im Ausschuss auch schon einmal begründet, dass wir eine sogenannte Finanzierungsgarantie für die Arbeit der Stiftung Schlösser und Gärten bis zu dem Zeitpunkt formulieren, bis zu welchem das neue Haushaltsgesetz greift. In der Gegenargumentation ist aufgemacht worden, dass ja Konjunkturpaketmittel in das Schloss Wilhelmsthal fließen. Aber wir müssen davon ausgehen, dass wir natürlich dort Bewirtschaftungsmittel brauchen, um die Stiftung Schlösser und Gärten auch damit auszurüsten, dass sie das Schloss Wilhelmsthal und die dazugehörige Anlage wieder ordentlich herrichten kann. Vor diesem Hintergrund werbe ich noch einmal darum, dass wir diese Finanzierungsgarantie in Artikel 4 des vorliegenden Gesetzentwurfs aufnehmen, weil das letzten Endes nicht in der politischen Substanz der Zustimmung oder Ablehnung der Fraktionen im Thüringer Landtag ist, sondern eine Erklärung ist, die einfach den Übergang von Schloss Wilhelmsthal auf die Thüringer Stiftung Schlösser und Gärten finanziell auch absichern würde.
Wir sind im Ausschuss mit diesem Vorschlag nicht durchgekommen, haben uns an der Stelle dann auch enthalten und diesem Gesetz im Ausschuss die Zustimmung nicht gegeben, obwohl wir das gesamte Konstrukt eigentlich richtig und gut finden. Deswegen noch einmal meine Werbung an die mittlere, inzwischen sehr klein gewordene Gruppe der CDU-Fraktion, dass man diesem Artikel 4 zustimmen möge. Ich glaube, es wäre ein richtiges Zeichen und würde dieses Gesetz wirklich vervollständigen. Dann hätten wir natürlich auch überhaupt keine Probleme, mit vollem Herzen unser Ja zum Gesetz zu sagen.
Herr Abgeordneter Seela, noch mal auf die Finanzierungsgarantie bezogen eine Frage. Wenn das Gesetz verkündet wird, welche Möglichkeiten hat die Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten bis zur nächsten Entscheidung über einen Haushalt zur Verfügung über entsprechende Finanzmittel, also welche eigenen Entscheidungsmöglichkeiten?
Studienreise nach Israel
Die Landeszentrale für politische Bildung führt jährlich im Herbst eine Studienreise nach Israel durch. Auch für das Jahr 2009 sind dementsprechende Finanzmittel in den Haushalt des Landes eingestellt.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wann findet die diesjährige Studienreise nach Israel statt?
2. Wer ist in der Landeszentrale für die inhaltliche wie organisatorische Vorbereitung der Studienreise zuständig?
3. Welchen Stellenwert misst die Landesregierung der Studienreise nach Israel zu?
4. Sofern dieses Jahr keine Studienreise stattfindet, welche Gründe gibt es für den Ausfall?
Herr Minister, können Sie mir bitte mal sagen, wie dieser Entscheidungsprozess in Ihrem Haus stattfinden wird. Sie sagen also, es gibt einen Antrag. Aber ich glaube Sie verstanden zu haben, es gibt kein Konzept. Wie sieht denn der Antrag in Ihrem Hause aus?
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, was mich nach vorn getrieben hat, sind solche Worte: Wir mögen uns nicht in ideolo
gischen Kämpfen bei Bildungsfragen vergraben. Dann wird hier eine ideologische Debatte geführt, die wirklich ihresgleichen sucht, und das auch noch von Leuten, die das Schulsystem der DDR samt Studium offensichtlich erfolgreich absolviert haben, natürlich in ständigem Widerstand in dem Beruf gearbeitet haben und auch noch Minister oder Ministerpräsident sind.
Das geht mir auf den Zeiger, kann ich sagen. Das geht die ganze Zeit schon so, dass auf dieser Ebene und gerade 20 Jahre nach der Wende oder der friedlichen Revolution von dieser Seite oder von der Regierungsbank die Kritik an uns aufgemacht wird, ohne mal in die eigenen Reihen zu schauen.
Jetzt sind wir beim Thema Bildung. Erste Anmerkung: Sie werfen Frau Sojka vor, sie würde wissen, wie die Wahlentscheidung am 30. August ausgeht. Auf dem gleichen Ross sind Sie natürlich jetzt auch hier eingeritten, das kann ich Ihnen nur so sagen. Aber wahrscheinlich kennen Sie auch die eine oder andere Wahlumfrage. Die Wahlumfragen sehen Sie nicht unbedingt als die Sieger dieser Wahl am 30. August. Wir sind angetreten mit einem Regierungsprogramm und - das sage ich Ihnen sehr deutlich - wir haben lange dazu gebraucht, wir haben lange in dieser Richtung gelernt. Wir sagen, wir wollen die Verantwortung übernehmen und wir sind dazu bereit. Ja, es ist so.
Alles, was wir den Wählerinnen und Wählern vorlegen, haben wir in eben jenem Regierungsprogramm zusammengefasst. Ich weiß noch nicht, ob Sie das schon gelesen haben. Aber ich bedanke mich ausdrücklich bei Herrn Emde und auch bei Ihnen, dass Sie wenigstens unserern alternativen Schulgesetzentwurf gelesen haben. Wir trauten uns ja gar nicht, ihn ins Parlament einzubringen, so eine interessante Debatte hätten wir nie bekommen, wenn wir es nicht über diese Form versucht hätten, herzlichen Dank dafür.
Ach, Mike Mohring, meinetwegen können Sie hier vorn noch mal reden. Sie haben gestern Abend zum parlamentarischen Abend sicher auch sehr wohl wahrgenommen, wie die Handwerkerschaft an der Frage des Bildungssystems in Thüringen angezweifelt hat, ob das, was aus diesem Schulsystem he
rauskommt, insgesamt als Ausbildungsfähigkeit bezeichnet werden kann.
Darüber sollten Sie sich mal einen Kopf machen. Jetzt lassen Sie mich bitte in Ruhe.
Ich wollte zu dieser Frage der Bildungspolitik als Ganzes sprechen. 70 Prozent der Thüringerinnen und Thüringer sind der Meinung, dass man bis zur Klasse 8 gemeinsam lernen sollte. Das sind die neuesten Umfragen. Das wird auch immer wieder betont.
Wenn diese Aussage getroffen wird und sie übrigens sich auch in bundesdeutschen Befragungen wiederfindet, dann scheint etwas dran zu sein, dass an dem gemeinsamen Lernen bis zur Klasse 8 oder mindestens bis zur Klasse 8, man kann auch andere Modelle wählen, sachliche Gründe vorhanden sind, die Bürgerinnen und Bürger zu dieser Entscheidung führen. Da möchte ich Ihnen jetzt das, was wir im Schul- und Bildungssystem vor uns haben, mal an einigen Stellen noch erläutern.
Erste Etappe - Kindertagesstätte: Sie haben zum Schluss von frühkinderlicher Bildung gesprochen und so sinngemäß gesagt, dass der Bildungsplan natürlich garantiert, dass in der frühkindlichen Bildung Bedeutsames geleistet wird. Das sagen wir auch. Sie haben zwar lange gebraucht, um diesen Zusammenhang zwischen Bildung und Erziehung für sich überhaupt zu realisieren, aber als dann der Bildungsplan erarbeitet und vorgelegt worden ist, war genau die Situation eingetreten, dass mit Ihrer Offensive auf die Familie die Kindertagesstätten weniger Erzieherinnen hatten, und dieser Bildungsplan fordert eben auch das notwendige pädagogische Personal, welches in der Lage ist, diesen Bildungsplan umzusetzen. Wir reden seit zwei Tagen an den unterschiedlichsten Stellen zu diesem Thema. Der Bedarf in Thüringen, um diesen Bildungsplan und diesen Anspruch umzusetzen, liegt bei 2.000 Erzieherinnen und Erziehern.
Das ist nicht falsch, das ist mehrfach aufgeschrieben, vorgetragen und festgestellt worden. Nun kann ich jeden Schritt in die Richtung würdigen, 1.000 Erzieherinnen einzustellen. Ich kann auch einem nackten Mann sagen, ich kaufe dir entweder eine Hose oder eine Jacke, angezogen ist der dann hinterher nicht. Vor diesem Hintergrund haben wir es mit ei
nem nächsten Problem zu tun. Wenn wir es ernst nehmen mit der Bildungsverantwortung in den Kindertagesstätten, wenn Sie es ernst nehmen wollen mit der Umsetzung des Bildungsplans, dann müssen Sie endlich auch darauf eingehen, dass in der ErzieherInnenausbildung - „Erzieherinnen“, für das Protokoll, mit großem „I“ - ein qualitativer Fortschritt erreicht werden muss. Wir hatten in der DDR-Zeit eine Ausbildung für Kindergärtnerinnen, wir hatten eine Ausbildung für Heim- und Horterzieherinnen und wir hatten unterschiedliche Zugangsvoraussetzungen, wenn man in eine Hochschulausbildung eingetreten ist. Nun möchte ich nicht genau die Widerspiegelung dieser Ausbildung, aber die Kindergärtnerinnen, die wir heute in den Einrichtungen haben, sind in hohem Maße befähigt, diese frühkindliche Ausbildung zu leisten. Was wir jetzt in der ErzieherInnenausbildung haben, nämlich diesen „Breitbanderzieher“ von 0 bis 27 nach KJHG, der sich auf alle möglichen Altersklassen und Problemgruppen in diesem Altersspektrum einlassen muss, der kann diese Aufgabe nur mit zusätzlicher Aufwendung und Ausbildung erfüllen. Mein Dank gilt all denen, die das tun und dann unter den Bedingungen in den Kindereinrichtungen arbeiten, die Frau Sojka vorhin beschrieben hat, nämlich eigentlich mit unter 1.000 € zum großen Teil nach Hause gehen. Also wenn Sie sagen, Wahrnahme der Realität, dann lassen Sie sich bitte nicht in einer Kindereinrichtung den roten Teppich ausrollen, weil der Kultusminister kommt, sondern gehen Sie dann ganz einfach und ganz schlicht als Bürger Müller mal in so eine Einrichtung. Bringen Sie Ihr, weiß ich jetzt nicht, Enkelkind dorthin oder jemanden aus der Nachbarschaft und versuchen Sie genau in die Rolle zu kommen, in der sich jeder andere Bürger oder jede andere Bürgerin befindet, die mit diesem Thema auf der Ebene der Kommune umgehen muss. Dann kommen Sie auch zu einem anderen Blick. Dann fangen Sie auch nicht an, uns irgendwelche ideologischen Scheuklappen anzupappen, sondern dann legen Sie Ihre eigenen ab.
Das Thema Grundschule: Ich finde es immer wieder beeindruckend, wenn Sie sagen und würdigen, zwei Drittel aller Schüler besuchen den Grundschulhort. Schön. Haben Sie sich mal in die Rolle der Kinder und Eltern versetzt, die diesen Grundschulhort nutzen? Es sind eben eine ganze Reihe von Eltern, die dann ihr Kind in der 5. Klasse ins Gymnasium schicken? Wissen Sie, was diese Eltern dann machen? Die fahren ihr Kind zur Musikschule, die fahren ihr Kind zum Sportverein, wenn sie etwas außerhalb der Städte wohnen. Sie sind auf den Schülerverkehr angewiesen, dieser Bus fährt zu einer bestimmten Zeit, der Freund oder die Freundin wohnt noch an einem anderen Ort. Das heißt, auch fami
lienpolitisch bedeutet der Eintritt in diese Schulstufe, dass sich ein Elternteil - es ist allerdings meistens die Mutter - um die Betreuung der Kinder kümmern muss, oft mehr als in Kindergarten- und Grundschulzeit. Familienpolitisch könnte ich eigentlich nur auf den Schluss kommen, dass ich an dieser Stelle, also ab der Klasse 5, mit ganz starken Mitteln gegensteuern muss.
Übrigens, Frau Sojka ist Mitglied der Fraktion DIE LINKE und die Fraktion DIE LINKE hat diesen Gesetzentwurf sehr wohl gelesen und ihn sehr kritisch begleitet. Der zweite Entwurf, der jetzt vorliegt ist ein Ergebnis der Arbeit einer ganzen Fraktion. Also machen Sie bitte nicht immer einzelne Personen dafür madig.
Aber wir kommen dann auf die Idee - und diese Idee ist nicht so neu, die hätten Sie sich in Finnland mit anschauen können -, dass man eben bis zur Klasse 8 gemeinsam lernt. Das heißt nicht, dass man einem „Schulkombinat“ gleichend große bauliche Anlagen schafft, in die dann die Kinder aus den gesamten umliegenden Ortschaften vielleicht in die großen Mittelzentren gebracht werden, sondern dass Kinder in der Klassenstufe gemeinsam lernen und dass weder die Eltern noch die Kinder noch irgendjemand anders an der Schwelle zwischen der 4. und 5. Klasse entscheidet, welcher Schultyp besucht werden soll. Das ist eine ganz simple Form, die in zahlreichen Ländern Europas und der Welt praktiziert wird - gemeinsames Lernen, wir sagen, bis zur Klasse 8.
Wir wissen übrigens auch, dass aufgrund des Bildungsföderalismus selbst die Mitglieder unserer eigenen Partei in anderen Bundesländern zu anderen Auffassungen kommen, aber wir sind zur Auffassung gekommen bis mindestens zur Klasse 8. Frau Sojka hat Ihnen vorhin noch mal sehr deutlich erklärt, dass man da auch Schulteile unter einer Leitung zusammenfassen kann. Die können sogar räumlich an unterschiedlichen Orten sein. Schwierig könnte es sein, dass der Lehrer dann mal hin- und herfahren muss, aber wesentlich weniger, als er heute in den Schulamtsbereichen unterwegs ist.
Also, vergessen Sie bitte diese ideologische Scheuklappe auch an dieser Stelle.
Dann zum Thema Gymnasium: Das Gymnasium, das ist richtig, setzt nach unserer Lesart ab der Klasse 9 ein und umfasst in der Regel die Klassenstufen 9, 10, 11 und 12. Soweit man diesen Bildungsgang von Stufe 1 bis zum Abitur gemeinsam realisieren will, dann ist das mit der heutigen Gesamtschule vergleichbar, dann sind das 13 Jahre, weil das Bildungsprofil dann ein anderes ist. Ich glaube, Frau Sojka,
Sie haben vorhin auch von Jenaplan gesprochen. Dort haben wir dieses Modell und, ich glaube, Sie wissen, dass das auch ein reformpädagogisches Modell ist, auf welches Sie hingewiesen haben. Wir haben uns gestattet, genau solche reformpädagogischen Modelle auch für uns in Anspruch zu nehmen und weder ein tradiertes Bildungsmodell der früheren Bundesrepublik Deutschland oder ein tradiertes Bildungsmodell der DDR neu aufleben zu lassen, sondern im 21. Jahrhundert einmal zu fragen: Wie muss Schule eigentlich vom Kind aus gedacht aussehen?
Jetzt noch ein Wort zu dieser „Kuschelpädagogik“: Stellen Sie sich einmal vor, Herr Kultusminister, Sie würden irgendwann ein Zeugnis bekommen und darauf würde stehen: Tätigkeit als Kultusminister - 4. Was würde das aussagen? Nichts.
Es gibt zahlreiche Untersuchungen - und wir haben uns nämlich auch noch eins gestattet in der Erarbeitung unseres Schulgesetzes, wir haben dazu noch wissenschaftliche Konferenzen stattfinden lassen. Wir haben uns Fachleute eingeladen, damit sie mit uns darüber beraten, wie so ein Schulmodell aussehen soll. Offensichtlich haben Sie dann auch irgendwann mal in der Zeitung gelesen, die LINKE will alle in die Hängematte legen und die hat keine Leistungsorientierung für die Schülerinnen und Schüler. In der OTZ stand dann auch noch, dann setzen sie noch einen Schulpsychologen dazu und dann setzen sie noch einen Sozialpädagogen dazu und hinten kommt das faule „Hängemattenwesen“ dieses Sozialstaats heraus. So ein Blödsinn, kann ich nur sagen, so ein Blödsinn.
Mir hat vorhin ein Mitarbeiter gerade eine neueste Untersuchung noch mal zugereicht, weil in Österreich gerade eine Expertenkommission - man muss auch seine Mitarbeiter mal würdigen
und er will auch unbedingt, dass Sie es mal hören, sonst hätte er es Ihnen selbst gebracht -
folgendes Ergebnis formuliert, genau auf die Frage von Leistungsbewertung in der heutigen Zeit: „Ziffernnoten sind, das ist wissenschaftlich sehr gut untersucht, kein geeignetes Mittel, um Schülerinnen detailliert und präzise Rückmeldungen über ihre Leistungen zu geben, vor allem aber sagen sie nichts aus über Lernfortschritte. Dagegen wird mit der Vergabe von Ziffernnoten regelmäßig die Rangfolge in
einer Lerngruppe abgebildet, wodurch genauso regelmäßig gute Schülerinnen belohnt und leistungsschwache bloßgestellt und entmutigt werden. Deshalb sollte mit der Einführung einer anderen Lernkultur in den Modellversuchen NMS von der ersten bis zur dritten Klasse auf Ziffernnoten verzichtet werden. An ihre Stelle sollten Eingangsdiagnosen, Förderpläne, Lernpläne, die Aufteilung des Lernstoffs in Kompetenzraster und -module und die sorgfältige Dokumentation des Leistungsstandards der Schülerinnen die Grundlage für regelmäßige Rückmeldungen an die Schülerinnen und ihre Eltern bilden.“
Das ist also die Empfehlung, wir sprechen über Leistungsbewertung und über Leistungsmotivation. Und auch die Schule, die wir uns visionär vorstellen, ist eine Schule, in der Leistung erbracht wird, und zwar die höchstmögliche Leistung, die ein Kind in der jeweiligen Altersstufe tatsächlich auch erbringen kann. Deswegen, sagen wir auch, ist unsere Schule eine Schule der Inklusion. Die Regelschule in Thüringen soll nach unserem Modell eine Schule der Inklusion sein, die diejenigen einschließt, um es mal in der deutschen Übersetzung zu sagen, die einen Förderbedarf haben und genau mit den richtigen Mitteln mit diesen Kindern arbeitet und die auch mit den Hoch- und Höchstbegabten so arbeitet, dass im Sozialverband „Klasse“ eine höhere Leistung entwickelt werden kann und dass dann - da schauen Sie sich bitte auch mal Studien an - in diesem inhomogenen Verband zwischen Spitzenkönnern auf der einen Seite und Kindern, die etwas Nachholbedarf auf der anderen Seite haben, sich eine Dynamik entwickelt, weil nämlich jeder etwas kann, was er dem anderen beibringt. Damit gibt es keine Selektion, sondern aus diesem Grund heraus erwächst sozialer Zusammenhalt in der Gruppe der Kinder und übrigens auch in der Gesellschaft.
Vor diesem Hintergrund wünschte ich mir, Sie hätten manche unserer Debatten hier aufgenommen, auch Sie, Herr Emde, und hätten nicht einfach in einer Beratung, in der wir überhaupt nicht erwartet haben, dass es um unser alternatives Schulgesetz geht, mit rückwärts gewandter Kritik und Einprügeln auf die Fraktion DIE LINKE und Diffamierung derer Ideen ein Modell abqualifiziert, über welches wir seit mindestens zwei Jahren landauf, landab diskutieren, und übrigens ohne, dass man uns den roten Teppich ausrollt und dass uns viele Probleme, die in Schulen, auf Schulhöfen, in Klassenzimmern oder eben in Lehrerzimmern stattfinden, erzählt werden. Ich würde Ihnen auch raten, das so zu tun. Da sage ich wiederum, Bildungspolitik verdient tatsächlich kein ideologisches Getöse.
Bildungspolitik ist etwas, das über Generationen hinweg wirkt, wo man Veränderungen, die man in diesem Bereich vornimmt, mindestens über 20 Jahre bis über eine Generation bewerten muss. Vor diesem Hintergrund komme ich noch einmal auf die Frage der Wahlentscheidung zurück. Wir haben unsere Vorschläge auf den Tisch gelegt, Sie sagen, Ihr Modell ist Spitze. Am 30. August werden Wählerinnen und Wähler auch darüber entscheiden, welches Modell sie wollen und welches dann Spitze ist.
Herr Mohring, Sie in der Opposition, ist eigentlich schon ein Grund genug, uns zu wählen.
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich denke, in dem Anliegen, welches in die
sen beiden Tagesordnungspunkten 17 a und b zu beraten ist, sind wir uns einig. Nur die Herangehensweise ist unterschiedlich und ich möchte mich demzufolge ausdrücklich auf den Punkt beziehen, das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus noch mit einigen Argumenten einzubringen, ohne dass ich die Begründung des Antrags in fünf Minuten Redezeit vornehmen wollte, sondern einfach noch auf einige Dinge hinweise, damit wir die Möglichkeit haben, in einer sachlichen Debatte diese Probleme zu erörtern. Ich habe immer noch die Hoffnung, dass wir gemeinsam zu einer Verabschiedung eines gemeinsamen Landesprogramms gegen Rechtsextremismus kommen werden. Vorab möchte ich auch die Arbeit würdigen, die in diesen 55 Seiten Text steckt. Dort ist in den letzten Monaten von zwei Landtagsfraktionen, aber auch von sehr vielen außerparlamentarischen Kräften ein enormer Kraftaufwand betrieben worden, um ein solches Landesprogramm gegen Rechtsextremismus aufzustellen, weil in den vergangenen Monaten immer wieder deutlich wurde, wir brauchen ein solches Programm, um gegen den Rechtsextremismus in Thüringen auch komplex vorgehen zu können.
Ich möchte zuerst unsere Argumente benennen, die für dieses Landesprogramm gegen Rechtsextremismus anzuführen sind, weil oft gesagt wird, wir würden es nicht brauchen, weil genügend Maßnahmen schon unternommen worden sind. Eines der Argumente, welches vorgebracht wird, ist dabei, die Lage in Thüringen sei undramatisch und es gebe ausreichend gute Maßnahmen seitens der Landesregierung, mit denen der Rechtsextremismus bekämpft wird. Ich sage Ihnen, das stimmt nicht. Wenn Sie in die Textfassung des Landesprogramms gegen Rechtsextremismus sehen, werden Sie auch in dem analytischen Teil sehen, dass dort zahlreiche Argumente vorgebracht worden sind, die zeigen, die Lage in Thüringen ist durchaus dramatisch. Laut Thüringen-Monitor verfügen 16 Prozent der Thüringer Bevölkerung über ein rechtsextremes Weltbild. Das sind nur die in letzter Zeit gemessenen Zahlen. Fragt man nämlich im Einzelnen nach Fremdenfeindlichkeit, nach rassistischen Auffassungen, nach antisemitischen Auffassungen, nach antidemokratischen Einstellungen, werden bei der Einzelbefragung durchaus noch höhere Befunde erzielt. Das zeigt uns der alljährliche Thüringen-Monitor. NPD und Republikaner erzielten bei der letzten Bundestagswahl 4,4 Prozent in Thüringen. Dies ist für diesen rechtsextremistischen Flügel auch das vermeintliche Sprungbrett der NPD, in den Landtagswahlen in diesem Jahr in den Thüringer Landtag zu kommen. Die Mitgliederzahl der NPD ist im Vergleich zu 2003 erheblich angewachsen und letzte Meldungen über Austritte aus der NPD sollten uns nicht dazu verleiten, zu
glauben, die NPD ist im Niedergang oder gar handlungsunfähig. Dass die NPD nicht überall zu den Kommunalwahlen antritt, betrachte ich keineswegs als Entwarnungssignal. Ich kann auch noch nicht so ganz nachvollziehen, dass gestern in den Zeitungen gemeldet worden ist, dass von der gemeinsamen Initiative „Deine Stimme gegen Rechtsextremismus!“ gesagt wird, die NPD schwächelt. Ich glaube, so kann man das nicht einschätzen, wenn die NPD in 11 kreisfreien Städten und Landkreisen - oder in 11 tritt die NPD an, in einem Landkreis eine rechtsextremistische Vereinigung - zu den Kommunalwahlen antritt und dazu drei Kreisstädte kommen. Wir haben es jetzt schon so, dass drei rechtsextreme Vertreter im Stadtrat oder in Ortschaftsräten sind. Ich glaube, dass mit der Unterstützung, die auch Rechtsextreme von ihren Landtagsfraktionen, z.B. in Sachsen oder in Mecklenburg-Vorpommern, erhalten, eine ganz gehörige Masse an Mobilisierung erreicht werden wird in den nächsten Wochen und das geht uns alle an. Dass der Antritt der NPD bei der Kommunalwahlen oder auch bei den Landtagswahlen keine regionale Angelegenheit ist, dürfte auch allen bewusst sein, denn es wird natürlich versucht, über diese Wahlen in ein drittes Landesparlament zu kommen, um auch hier Aufmerksamkeit, Öffentlichkeit, Geld und natürlich Einflussmöglichkeiten zu erringen. Auch hier geht es nur, wenn wir uns gemeinsam verbünden, um gegen diese rechtsextremistischen Vorgänge gemeinsam auch unsere Initiativen zu stärken.
Wir sollten unsere Initiativen aber nicht nur auf die Gefährdung durch den Einzug von Nazis in die Parlamente lenken, sondern uns insbesondere auch darauf verständigen, wie man das gesamte Problem analysieren und welche Strategien man dagegensetzen kann. Die Mobile Beratung listet z.B. durchschnittlich für die letzten Jahre 350 bis 400 rechtsextremistische Aktivitäten pro Jahr auf. Darunter sind 25 bis 30 Rechtsrockkonzerte. Wenn man das aufs ganze Jahr hochrechnet, kann man sagen, alle zwei Wochen findet ein solches Konzert statt, in denen durch Musik Jugendliche beeinflusst werden und in denen zum Teil zum Mord und Totschlag aufgerufen wird. Ca. 70 rechtsextreme Gewalttaten pro Jahr verzeichnen sowohl die Polizei als auch die Mobile Beratung und die Opferberatungen. Die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer rechtsextremen Straftat zu werden, ist in Thüringen fünfmal höher als in den alten Bundesländern. Pro Tag erreichen wir ein Ergebnis von drei rechtsextremen Straftaten in der rein statistischen Aufrechnung des Problems. Thüringen belegt den traurigen 3. Platz im Vergleich unter allen Bundesländern bezogen auf die Einwohnerzahl.
Diese Tendenz zu erkennen und ein ganzheitliches Programm dagegenzusetzen, ist Ansatz unseres gemeinsam erarbeiteten Landesprogramms gegen Rechtsextremismus. Wenn uns oft entgegengehalten wird, dass das in den anderen Ländern ja auch nicht in der Form frühzeitig entstanden ist, kann ich nur sagen, man darf ein solches Programm nicht auflegen, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, wenn man Befunde hat, die nicht mehr zu korrigieren sind.
Herr Innenminister Scherer ist jetzt gar nicht da. Herr Staatssekretär, ich möchte mich auch an Sie wenden, weil ja aus Ihrem Haus immer die Lageeinschätzung kommt. Sie haben eigentlich aus Ihrem Haus, also insbesondere der Innenminister Scherer hat das dann immer wieder angesagt, mit fast seherischer Fähigkeit vorausgesagt, dass der Einzug der NPD in Thüringen fast ausgeschlossen ist. In der Vorstellung zur Kriminalstatistik haben Sie - also als Innenminister - davon gesprochen, dass der Rechtsextremismus in Thüringen keine bedrohliche Qualität habe. Ich glaube, Sie liegen da völlig falsch, wenn Sie das sagen; denn erzählen Sie das mal dem vietnamesischen Gewerbetreibenden in Weimar, der in den letzten Wochen mehrfach überfallen worden ist, oder dem Punk aus Berga, der nach dem Naziangriff eine lebenslange Behinderung davonträgt, oder dem jungen Mann aus dem Ilm-Kreis, der beim Flugblattverteilen „Antinazikonzert“ auf rechte Schläger traf und mit Brüchen und Prellungen in das Krankenhaus eingeliefert wurde.
Sie können das auch mal denen erzählen, weil ich mich jetzt mal ganz besonders an die CDU-Fraktion wende, die aus den Kreisen der Jungen Union an den Schulhöfen die Nazi-CDs eingesammelt und dann im Gegenzug eine andere CD verteilt haben. Die haben also ähnliche Bedrohungssituationen erlebt, weil sie sich mit ihren Möglichkeiten gegen rechtsextremistische Ideologie wandten.
Ich glaube also, kein Mensch in diesem Land hat Anlass zur Verharmlosung oder zur Entwarnung in diesem System. Wir denken, dass, wenn man die Ausgangslage richtig analysiert, es ein Landesprogramm geben muss, welches alle Facetten, von der Prävention über die Repression bis zur Ermunterung im zivilgesellschaftlichen Bereich, alle Maßnahmen bündelt. Darauf zielt genau das Landesprogramm gegen Rechtsextremismus. Es wird zum Teil gesagt, es wäre zu einem Zeitpunkt vorgebracht, der keine ausreichende Beratung im Landtag ermöglichen würde. Ich denke, das ist nicht so. Ein solches Programm bedarf Zeit in der Erarbeitung. Wir hätten uns gewünscht, dass die Landesregierung selbst aktiv wird und ein solches Programm vorlegt. Es ist inzwischen deutlich geworden, dass die Landesregierung es nicht tut. Demzufolge ist es von zwei Oppositions
fraktionen und Externen entstanden. Ich glaube, es bietet alle Möglichkeiten, in Ausschussberatungen und Anhörungen auch so behandelt zu werden, dass es am Ende, z.B. in der letzten Plenarsitzung in dieser Legislaturperiode, zu einer gemeinsamen Zustimmung zu einem Landesprogramm gegen Rechtsextremismus kommen könnte. Ich glaube, das wäre genau das richtige Zeichen vor der Landtagswahl am 30. August 2009.
Also, ich kann mir nach der Wahl sehr gut ein Bildungsfreistellungsgesetz vorstellen, aber das war nicht der Kern meiner Frage. Sie haben jetzt eindrucksvoll nachgewiesen, wie dieses Bildungsfreistellungsgesetz ressortübergreifend angesehen werden muss. Es hätte auch der Wirtschaftsminister sprechen können.
Na sicher. Aber ich möchte Sie fragen, welche Überlegungen am Kabinettstisch dazu geführt haben, dass Sie das Thema vertreten und nicht der Kultusminister.
Kulturwirtschaftsbericht und Landeskulturkonzept
Laut Auskunft des Kultusministeriums in der Dezemberberatung des Ausschusses für Wissenschaft, Kunst und Medien werde der Kulturwirtschaftsbericht für Thüringen im Januar vorgelegt. Auch das Landeskulturkonzept II sei beabsichtigt, im Januar vorzustellen.
Ich frage die Landesregierung:
1. Wann wird der Kulturwirtschaftsbericht fertiggestellt sein und der Öffentlichkeit vorgestellt? Die Frage kann ich jetzt selbst beantworten, weil die Zeit darüber gegangen ist.
2. In welcher Form und zu welchem Zeitpunkt wird der Kulturwirtschaftsbericht öffentlich beraten?
3. Wie gestaltet sich nach der Anhörung am 3. Dezember 2008 zur Weiterentwicklung des Kulturkonzepts des Landes der weitere Dialog mit den Kulturvereinen und Kulturverbänden?
4. In welcher Form und zu welchem Zeitpunkt wird das Landeskulturkonzept II vorgestellt und öffentlich beraten?
Ich möchte gern zwei Nachfragen stellen, einmal zum Kulturwirtschaftsbericht, und zwar möchte ich
dort gern wissen, wie das Wirtschaftsministerium in Informationsveranstaltungen oder Debatten um diesen Kulturwirtschaftsbericht einbezogen wird. Zum Kulturkonzept des Landes hätte ich gern einmal eine Auflistung der Angehörigen dieser ständigen Konferenz der kulturellen Dachverbände.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, zur Ablösung am Präsidentenpult und ans Mikrofon hat mich der Redebeitrag des Abgeordneten Fiedler gebracht,
weil er in Bezug auf den Zustand in der Altenburger Feuerwehr mich sogar direkt angesprochen hat.
Ich bin ja nun Altenburgerin, ja. Sie haben hier behauptet, dass erst durch Ihr Erscheinen mit Ihrem Innenarbeitskreis im Sommer des Jahres 2008 in Altenburg die Feuerwehr in den Fokus der Aufmerksamkeit vielleicht gerückt sein könnte und dass Sie jetzt wiederkommen und schauen, wie sich die Zustände verändern. Dazu sei Folgendes anzumerken: Es ist schon interessant, a) wie undifferenziert Sie mit dem Problem umgehen und b) wie Sie alle Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitiker einer Stadt, zu der auch Mitglieder Ihrer Partei gehören, der Unkunde und der Ahnungslosigkeit über die Zustände hier bezichtigen. Das möchte ich in aller Deutlichkeit zurückweisen. Wir haben in der Stadt Altenburg, einer Großen kreisangehörigen Stadt, eine freiwillige Feuerwehr mit einem Standort an der einen Stelle, im sogenannten Bereich der Alten Ziegelei, und wir haben eine „Berufsfeuerwehr“, die wir uns als Große kreisangehörige Stadt eigentlich gar nicht leisten müssten. Wir haben uns aber immer, und zwar seit 1990, entschieden, eine solche Berufsfeuerwehr zu halten. Und um dem Ganzen auch vor dem Hintergrund der Gesetzgebung die Deutlichkeit zu geben, haben wir dort immer wieder überlegt, wie wir das aus den Mitteln der begrenzten Leistungsfähigkeit einer solchen Stadt mit hoher
Arbeitslosigkeit auch realisieren können.
Bis 2000 hatten wir einen CDU-Oberbürgermeister, seit 2000 haben wir einen SPD-Oberbürgermeister. Die Entscheidungen in einer solchen Stadt, das dürften Sie wissen, sind zum Teil sehr unterschiedlich. Bei uns gibt es keine Koalitionen, da wird meistens nach dem Sach- und Fachverstand über die Fraktionsgrenzen hinweg entschieden. Das wünschte ich mir im Landtag auch manchmal. Vor diesem Hintergrund, dass eine Feuerwehr als Berufsfeuerwehr in einer solchen Stadt gehalten wird, gibt es seit Jahren die Überlegungen, wie man die Kräfte von freiwilliger Feuerwehr und Berufsfeuerwehr bündelt und wie man diese Feuerwehr motiviert und hoch technisch ausrüsten kann. Da ist in den vergangenen Jahren verdammt viel Geld in die Hand genommen worden, einmal, um die Stellen in dem Haushalt der Stadt zu halten, und zum anderen, mithilfe des Kreistags - da sitzt Frau Sojka hier, die diese Entscheidungen mit trifft - die Feuerwehr technisch gut und bestens auszustatten, um z.B. auch die Leistungen für den nahe gelegenen Flugplatz LeipzigAltenburg zu bringen, weil dort die entsprechenden Dienststunden auch abgekauft werden.
Es gab Überlegungen über die Einrichtung von Rettungszentren. Es gab die Überlegungen, an welchem Standort eine solche Feuerwehr sich ansiedeln könnte. Ich kann Ihnen die jahrelange Geschichte des Überlegens von Standorten und der begrenzten Platzkapazitäten für inzwischen 14 vorhaltbare Fahrzeuge gern zur Verfügung stellen. Ich kann Ihnen auch zur Verfügung stellen, wie man „Amok läuft“, wenn man einmal ein „Fördermittelschnipselchen“ erreicht hat und auf der anderen Seite wieder Fördermittel nicht in Anspruch genommen werden können und wie man einen kommunalen Haushalt hin- und herzerrt, um diese Aufgabe zu lösen. Jahrelang haben wir darum gerungen. Und dann erscheint im Sommer der Innenarbeitskreis der CDU-Fraktion. Da muss man sich ja auch nicht beim örtlichen Oberbürgermeister anmelden, können Sie alles tun.
Können Sie alles tun, das ist mir übrigens ein bisschen egal, ich bin nicht der Oberbürgermeister dieser Stadt.
Und dann wird ein mediales Feuerwerk abgezündet, vor dem wir nur mit Entsetzen standen. Dann stellen Sie sich hier hin - und das ist eigentlich das, was ich Ihnen besonders ankreide -, ohne noch einmal nachzufragen, was ist inzwischen passiert. Da
kann ich Ihnen sagen - und das hätte ich übrigens auch von den Mitgliedern Ihrer Fraktion aus Altenburg erwartet -, dass gestern Abend - ich weiß jetzt im Moment gar nicht, mit wie vielen Stimmen - der Haushalt der Stadt Altenburg beschlossen worden ist, der die Planungsleistungen für den Neubau eines Feuerwehrgebäudes für freiwillige und Berufsfeuerwehr in diesem Jahr beinhaltet hat. Die Aufgaben sind letzten Endes alle schon planungstechnisch angelaufen und bis 2012 binden wir über 4 Mio. €, also das größte Investitionspotenzial der Stadt, in den Bau dieser Feuerwehr. Ich halte es für eine Unverfrorenheit, wenn Sie aus Ihrem Kenntnisstand, den Sie von einem einmaligen Besuch im Sommer haben und den Sie in den Zeitungen verkündet haben, sich hierher stellen bei der Regierungserklärung des Innenministers, um dann noch einmal auf die Stadt zu hauen. Da frage ich mich: Wie solide arbeiten Sie mit Ihren eigenen Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern? Seltsamerweise sind meine Kollegen aus der CDU-Fraktion jetzt plötzlich verschwunden. Und wie erkundigen Sie sich, wenn Sie schon solche Arbeitsbesuche durchführen, auch nach all den Schritten, die im Nachgang noch einmal abgefragt worden sind und die ergaben, dass die Beanstandungen nicht im Gesamtbereich der Feuerwehr Altenburg zu sehen sind? Das müssten übrigens der Innenminister und auch das Landesverwaltungsamt bestätigen können. Ich weise ausdrücklich zurück, dass Sie dieses Pult zur Diffamierung von Kommunalpolitikerinnen und Kommunalpolitikern nutzen, um selbst in irgendeine Profilneurose zu geraten.
Verhinderung Totalabriss der Kammgarnspinnerei Wernshausen
Entgegen der Stellungnahme der Oberen Denkmalschutzbehörde hat auf Antrag des Landrats des Landkreises Schmalkalden-Meiningen das Thüringer Kultusministerium als oberste Denkmalschutzbehörde den Totalabriss der Kammgarnspinnerei Wernshausen genehmigt. Der Abriss wird mit rund 1,2 Mio. € gefördert.
Als Mitglied des Thüringer Landesdenkmalrates habe ich mich bei einem Vor-Ort-Besuch informieren lassen und es wurde bekannt, dass bei dem Abrissvorhaben auch die Verwaltungsgebäude - sogenannter Behlertbau und die sogenannte Vorspinnerei - abgerissen werden sollen. Der Abriss bezieht ebenfalls eine funktionsfähige Wasserkraftanlage ein. Bürger und Kommunalpolitiker äußerten ihr Unverständnis über diesen Totalabriss, aus ihrer Sicht könnten die beiden genannten Gebäude und die Wasserkraftanlage durchaus erhalten bleiben, ohne die Neuerschließung und Nachnutzung der übrigen Flächen zu gefährden.
Ich frage die Landesregierung:
1. Mit welchen Ergebnissen wurde durch die zuständigen Behörden geprüft, ob und wie die beiden genannten Gebäude und die Wasserkraftanlage bei gleichzeitiger Neuerschließung der übrigen Flächen erhalten werden können?
2. Welche denkmalschutzrechtliche Auflagen gab es bis 2008 für die beiden genannten Gebäude und wie wurden sie ggf. mit Fördermitteln realisiert?
3. Unter welchen Voraussetzungen wäre es jetzt noch möglich, die Neuerschließungsmaßnahmen so umzuplanen und zu realisieren, dass die beiden genannten Gebäude und die Wasserkraftanlage erhalten bleiben?
4. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung, durch eine zielgerichtete Förderung den Erhalt der beiden genannten Gebäude und der Wasserkraftanlage zu befördern?
Die erste Nachfrage bezieht sich auf Ihre Antwort zu Frage 1. Sie stellen sinngemäß dar, wenn es keine Nutzung für Gebäude gibt, die unter Denkmalschutz stehen, dann kann man letztendlich den Denkmalschutz nicht aufrechterhalten. Wollen Sie wirklich vor dem Hintergrund des Thüringer Denkmalschutzgesetzes eine solche Aussage hier stehen lassen?
Die zweite Frage bezieht sich darauf, dass meine Kollegin Sedlacik im Sommer des vergangenen Jahres auf ihre Anfrage zur Frage Stadtumbau in Thüringer Altstadtquartieren ausdrücklich informiert worden ist, dass Rückbau von denkmalgeschützten Gebäuden nicht förderfähig ist. Hat sich die Landesregierung inzwischen in dieser Aussage korrigiert?
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordneten, ich wollte eigentlich wirklich nur die Frage an den Minister stellen. Aus welcher Formulierung unserer beiden Gesetzentwürfe, also einmal das verfassungsändernde Gesetz und einmal das andere Gesetz, er entnimmt, dass wir an den Hochschulen völlig ohne Zugangsbedingungen Studierende haben wollen? Sie sprachen, wenn ich mich richtig erinnere, davon, dass es nicht einmal mehr um Prüfungen wie zum Beispiel Abiturprüfungen geht und das wäre Inhalt unserer Gesetze. Also irgendwie habe entweder ich etwas bei uns falsch verstanden oder Sie haben es falsch verstanden. Deswegen meine Bitte an Sie, erklären Sie mir bitte, an welcher Stelle Sie Ihre Schlussfolgerungen so gezogen haben, wie Sie sie jetzt gezogen haben in öffentlicher Sitzung.
Auflösung des Runneburgvereins
Nach Angaben der Thüringer Allgemeinen (TA) Sömmerda vom 11. November 2008 will der Vorstand des Runneburgvereins den Mitgliedern zur nächsten Vollversammlung vorschlagen, den Verein aufzulösen. Wörtlich heißt es: „Zermürbt hat den Vorstand der langjährige Frust mit der Stadt Weißensee, in Person ihres Bürgermeisters, aber auch das offenbar gestörte Verhältnis zur Thüringer Stiftung Schlösser und Gärten und deren Direktor.“
Ich frage die Landesregierung:
1. Wie bewertet die Landesregierung die Entwicklung und das Wirken des 1990 gegründeten und mittlerweile deutschlandweit 500 Mitglieder starken Runneburgvereins?
2. Welche Angaben kann die Landesregierung zum Rechtsstreit zwischen dem Runneburgverein und der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten machen und wie bewertet sie diesen?
3. Gab oder gibt es Gespräche zwischen dem Runneburgverein und der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten zu einem Vergleich und baldigen Beendigen des 4-jährigen Rechtsstreits und welches sind die konkreten Ergebnisse bzw. Ziele?
4. Welche Perspektiven sieht die Landesregierung für die Runneburg hinsichtlich der künftigen Schlossverwaltung und der Sanierung der Burg?
Ich möchte mich noch mal ausdrücklich auf die Zeit nach dem 11. November, also nach dem TA-Artikel, den ich jetzt genannt habe, beziehen. Was von dem, was Sie zu den einzelnen Fragen geantwortet haben, ist nach dem 11. November passiert, welche Gespräche insbesondere, um den Konflikt beizulegen?
Ja, das wollte ich auch nehmen. Ich dachte, vielleicht wollte noch jemand Platz nehmen.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren, wir haben heute die Beratung des Gesetzentwurfs des Volksbegehrens „Mehr Demokratie in Thüringer Kommunen“ und ich sage Ihnen ganz ehrlich, einerseits freue ich mich, dass ich hier stehen darf und zu diesem Gesetzentwurf sprechen kann. Aber vielmehr würde es mich freuen, wenn die Vertreter des Volksbegehrens selbst hier stünden, wie es gefordert worden war, und
für die vielen Tausend Menschen, die in den vergangenen Monaten sich intensiv um mehr Demokratie in Thüringen mühten, selbst das Wort ergreifen könnten. Insofern könnte die Beratung des Gesetzentwurfs „Mehr Demokratie in Thüringer Kommunen“ eine Sternstunde der Demokratie sein, und zwar der direkten und parlamentarischen Demokratie.
In den vergangenen Monaten hat dieses Thema das Land bewegt. Der Gesetzentwurf, der zur Debatte steht, ist vom politischen Willen und den Unterschriften von über 250.000 Bürgerinnen und Bürgern geprägt. Diese etwa 250.000 Menschen aus Thüringen haben sich auf den Weg gemacht, um die Spielregeln für ihre demokratische Mitbestimmung an Sachentscheidungen selbstbestimmt neu zu gestalten. 235.000 Unterschriften wurden von der Präsidentin des Thüringer Landtags als gültig anerkannt. Der Politologe Dr. Volker Mittendorf - sicher bekannt von mehreren einschlägigen Publikationen zum Thema „Bürgerbeteiligung“ - brachte es eigentlich auf den Punkt. Er rührt natürlich nicht an der Frage der Entscheidungskraft der Parlamente, doch er sagt auch: „Angesichts geringer Wahlbeteiligung sind Politiker sicher gefordert, öfter beim Volk nachzufragen, was denn gewünscht ist, und die Möglichkeiten auszudehnen, direkten Einfluss auf Sachfragen zu nehmen. Das wäre auch eine Möglichkeit, den schleichenden Prozess umzukehren, dass Bürger immer weniger Vertrauen in Institutionen haben. Ich erinnere daran, dass wir in der alljährlichen Debatte um den Thüringen-Monitor ge
nau das feststellten, dass Bürgerinnen und Bürger zwar nicht das Vertrauen in die Demokratie verloren haben, aber das Vertrauen in die Funktionsweise der Demokratie und dass sie genau deshalb sagen, dass sie beteiligt werden wollen an den Entscheidungen, und zwar nicht nur an den Wahltagen mit der Abgabe ihrer Stimmzettel, sondern insbesondere zwischen den Wahlen.
Ich möchte daher namens meiner Fraktion allen Unterstützerinnen und Unterstützern des Volksbegehrens „Mehr Demokratie in Thüringer Kommunen“ für diesen wichtigen Beitrag und beeindruckenden Beweis lebendiger Demokratie danken.
Ich freue mich auch, dass zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter von Ihnen heute auf der Zuschauertribüne Platz nehmen konnten und der Debatte zu diesem Gesetzentwurf selbst folgen können. Ganz besonders möchte ich natürlich die Vertrauenspersonen des Volksbegehrens Herrn RalfUwe Beck und seinen Stellvertreter Herrn Steffen Lemme begrüßen.
Ich glaube, erst gestern noch einmal den Wunsch gehört zu haben, dass natürlich Ralf-Uwe Beck gerne hier stünde und Ihnen sagen würde, was er in den vergangenen Monaten erlebt hat im Umgang mit „Mehr Demokratie“, sowohl das, was für dieses Volksbegehren sprach, als auch, was dagegen sprach. Ich glaube, er könnte Ihnen noch viel besser als wir alle erklären, welche lebendige Demokratie gerade im Umfeld dieser Sammlung auf den Straßen stattfand. Ich werde darauf noch zurückkommen.
Das Bündnis für Mehr Demokratie in Thüringen ist seit 1998 aktiv. Derzeit besteht es aus 20 Organisationen - von Gewerkschaften, über kirchliche und gesellschaftspolitische Organisationen und Parteien. Dazu gehört allerdings nicht die Thüringer CDU. Mit dem heutigen Tag wird schon das zweite Volksbegehren zum Ausbau der direkten Demokratie in Thüringen in den Landtag eingebracht. Wir erinnern uns an den April des Jahres 2001. Damals wurde das Volksbegehren „Mehr Demokratie in Thüringen“ beraten. Ziel war die Erleichterung von Volksbegehren und Volksentscheiden. Geändert worden ist damals die Verfassung und die Verfahrensgesetzgebung zum Volksbegehren im Jahre 2003 - ich erinnere auch daran, damals nach zähem Ringen durch alle hier im Landtag vertretenen Parteien.
Nun ist ein Blick in unsere Thüringer Verfassung vor diesem Hintergrund ganz interessant und insbesondere auf das Vorwort. Dort können wir lesen: „Doch unsere Verfassung allein kann die Demokratie nicht am Leben halten. Das können nur die Bürger selbst. Was im konkreten Fall das Gemeinwohl ist,... darf keiner Person und keiner Partei allein überlassen werden. Es lohnt sich für jeden einzelnen... zu streiten und mit anderen ins Gespräch darüber zu kommen.“
Das Zitat ist von Ihnen, Frau Präsidentin Prof. Schipanski, und ich glaube, es passt gut in die heutige Debatte. Mit der heutigen Einreichung des Volksbegehrens „Mehr Demokratie in Thüringer Kommunen“ haben aber insbesondere die Initiatoren und Unterstützer des Volksbegehrens, die Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, auf beeindruckende Weise öffentlich gezeigt, dass sie diesen Auftrag verstanden haben. Sie haben auch gezeigt, die Menschen sind in höchstem Maße motiviert und engagiert, wenn es um ihre eigenen Angelegenheiten geht und wenn sie das Gefühl haben, dass sie in ihrer eigenen Angelegenheit tatsächlich auch entscheiden können. Daher ist der Landtag aufgerufen, respektvoll mit diesem Gesetzentwurf umzugehen und alle Möglichkeiten seiner Beratung im Plenum und in den Ausschüssen zu nutzen. Dazu gehört übrigens die öffentliche Anhörung genauso wie die Beteiligung der Vertrauenspersonen an allen Entscheidungen zum Gesetzentwurf.
Übrigens, diese Neuerung, dass das in Thüringen überhaupt möglich wurde, wurde durch die Gesetzesänderung im Jahr 2003 eingeführt und wartet seitdem auf die Premiere. Schauen wir aber auf die aktuellen Volksbegehrensbedingungen, dann findet sich für diese Premiere in dieser Woche eine sehr treffende Überschrift: „Premiere im Paralleluniversum“ titelt eine Tageszeitung. Ich kann nur anfügen, es ist die Premiere eines Dramas, welches man überschreiben könnte mit „Das Verwirrungsspiel der CDU zu Thüringen“. Wie jedes klassische Drama besteht es aus fünf Akten. Der erste Akt beginnt schon im Zeitraum des Herbstes 2005. Er sei überschrieben: „Die CDU will die direkte Demokratie in den Kommunen überhaupt nicht.“ Die Oppositionsfraktionen von DIE LINKE - damals hießen wir noch PDS - und SPD brachten am 10. November 2005 einen Gesetzentwurf in den Landtag ein und das Bündnis für Mehr Demokratie hatte diesen Gesetzentwurf erarbeitet. Vorangegangen waren eben jene Debatten zur Änderung der Verfassung und der Verfahrensgesetzgebung, um mehr direkte Demokratie in Thüringen zu ermöglichen. Es schien ein Fenster offen zu sein, in welchem auch die Bereitschaft der regierungstragenden Fraktion erwartet
werden konnte, dass man auch für mehr Demokratie in den Kommunen streiten würde.
Umfangreiche Veranstaltungen im innerparlamentarischen und im außerparlamentarischen Raum fanden statt. Doch auf dem parlamentarischen Weg erlebte das Bündnis eine herbe Enttäuschung. Nach einem Jahr im Landtag, ohne ernsthaftes Eingehen auf die Vorschläge aus dem Volksbegehren wurde das Gesetz von der CDU im Dezember 2006 abgelehnt oder beerdigt. Die Reform sei a) natürlich überhaupt nicht notwendig - das ist ein Argument, welches wir zur Genüge kennen - und b) eine unzumutbare Schwächung für die repräsentative Demokratie besonders in den Kommunen. Es gab also die komplette Verweigerungshaltung der CDU vor zwei Jahren zu einem solchen Anliegen, auf der kommunalen Ebene die Hürden für Volksbegehren zu senken und auch die Wege zu erleichtern, wie Bürgerinnen und Bürger auf kommunaler Ebene sich an ihren eigenen Angelegenheiten beteiligen könnten.
Es folgte der zweite Akt: Das Volk will die direkte Demokratie trotzdem und damit ein Volksbegehren. Nachdem also die CDU-Fraktion die Reform der direkten Demokratie in den Kommunen rüde aus dem Landtag verwiesen hatte, startete das Bündnis das Volksbegehren. Die Kernpunkte des Gesetzentwurfs aus dem Parlament fanden sich nun im Gesetzentwurf wieder, welches dem Volke zur Abstimmung vorgelegt werden kann. Die Antragssammlung zum Volksbegehren sollte 5.000 Unterschriften erlangen. Das Ziel wurde - übrigens zu unserer großen Freude - deutlich überschritten und 12.000 Bürgerinnen und Bürger sprachen sich in ganz kurzer Zeit dafür aus, dieses Volksbegehren zu starten.
Auch dafür gilt Dank. Es geschah gewissermaßen ein kleines Wunder. Die CDU hielt das Volksbegehren dieses Mal nicht mit juristischen Mitteln auf. Im Hinblick darauf sind wir inzwischen alle auch schon gewappnet, dass, wenn ein Volksbegehren auf den Weg gebracht werden soll, man zunächst einmal anzweifelt, ob dieses Volksbegehren überhaupt mit den Rechtsgrundlagen in Thüringen konform ist.
Dieses Volksbegehren wurde also zunächst durch keinerlei derartige juristische Mittel behindert. Aber offensichtlich rechnete man damit, dass die Zahl von über 200.000 Unterschriften, diese zu sammeln auf den Straßen und Plätzen in Thüringen, sowieso nicht erreicht werden könnte.
Nun folgt - wir sind ja in dem Bereich des Dramas - der dritte Akt: Das Volksbegehren „Mehr Demokratie in Thüringer Kommunen“ findet tatsächlich statt.
Ich gestatte mir noch einmal, insbesondere vor denen, die sich weniger an den Sachverhalten beteiligen wollten, auf den Gesetzentwurf einzugehen. In dem Gesetzentwurf geht es um die Stärkung der direkten Demokratie auf kommunaler Ebene. Die Hürden wurden abgesenkt und der Ausschlusskatalog wurde reduziert. Mehr Themen auf der kommunalen Ebene sollten von den Bürgerinnen und Bürgern für ihre eigene Einscheidung vorgelegt werden können. Bürgerbegehren und Bürgerentscheid wurden auf Landkreisebene eingeführt und ein „Bürgerantrag“ wurde formuliert, dieser aber verändert, indem er zu einem Einwohnerantrag wurde. Dieser Einwohnerantrag umfasste dann die Möglichkeit, dass mit Vollendung des 14. Lebensjahres die Einwohner einer Kommune sich an solchen Entscheidungen auch beteiligen können. Übrigens war in meinem Erfahrungsfeld und im Sammeln von Unterschriften auf der Straße, insbesondere bei jüngeren Menschen, die das Volksbegehren nicht unterschreiben konnten, das etwas, was jüngere Menschen außerordentlich wohltuend aufnahmen, betrifft es doch z.B. solche Entscheidungen, die in Schülerparlamenten oder in Jugendparlamenten getroffen werden und die zwar durchaus medial reflektiert werden, aber die unter den heutigen Bedingungen nicht in die konkrete Arbeit der kommunalen Parlamente einfließen müssen. Man braucht dann immer noch einen verlängerten Arm. Aber wir sprechen ja von „Mehr Demokratie in den Thüringer Kommunen“ und meinen auch damit die Beteiligung jüngerer Menschen an solchen Prozessen.
Das Volksbegehren wurde also gestartet und es erzielte über 250.000 Unterschriften. Aber daneben muss man auch sagen, dass die 250.000 Menschen, die unterschrieben haben, die eine Seite der Medaille sind, die andere sind über 2.000 ehrenamtliche Sammlerinnen und Sammler, die während der ganzen Zeit, in der das Volksbegehren lief - also zwischen dem 20. März und dem 19. Juli -, sich immer wieder aufmachten, Material abholten, Material einsammelten, sich an das Büro in Eisenach wandten, Veranstaltungen organisierten, mit den Bürgerinnen und Bürgern nicht nur bei der Unterschriftensammlung ins Gespräch kamen, sondern natürlich auch in Veranstaltungen um das Anliegen des Volksbegehrens „Mehr Demokratie in Thüringer Kommunen“ warben.
Ich sage Ihnen, das war eine ausgezeichnete Schule für demokratischen Umgang für jeden Einzelnen, der beteiligt war, ob er in der einen Hand die Unterschriftskladde hatte, um sie dem Bürger vorzulegen, oder ob er das Gesetz in die Hand nahm, sich informieren ließ und seine Unterschrift mit Namen, Adresse, Geburtsdatum und Hausnummer auf
diesem Bogen verewigte, um zu sagen, ich unterstütze dieses Volksbegehren und dieses Anliegen. Übrigens, um noch einmal auf Ralf-Uwe Beck einzugehen: Er beschreibt dieses so schön mit dem Bild des „Gartens der Demokratie“, in dem diese Pflanzen auch gewachsen sind. Ich sage Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU, Sie trampeln in diesem Garten herum, weil Sie nichts, aber auch gar nichts zu seiner Pflege getan haben.
Nun hätte es der politische Respekt vor den Bürgern und Bürgerinnen und die Verantwortung vor der demokratischen Kultur geboten, sich wenigstens in eine ernsthafte Debatte um diesen Gesetzentwurf zu begeben. Aber was macht da die CDU, und zwar vor allerkürzester Zeit? Unter der Überschrift des vierten Aktes „Die CDU will das Volksbegehren immer noch nicht und sucht den ultimativen Prellbock“ fand sie die Möglichkeit, wie sie tatsächlich Volksbegehren in den Thüringer Kommunen stoppen kann. Scheinbar geht sie auf die Argumente ein, dass die Hürden gesenkt werden müssen und dass der Katalog dessen, was von den Bürgerinnen und Bürgern zur Entscheidung vorgelegt werden soll, erweitert werden muss. Um das zu verhindern, erfindet die CDU in ihrem Gesetz, und das wahrscheinlich weltweit einmalig, den Tatbestand, dass ausschließlich eine Amtsstubensammlung möglich ist. Ich betrachte das als eine Unverfrorenheit ohnegleichen, was Sie damit getan haben.
Wissen Sie was, Herr Jaschke, was ich vor 20 Jahren gesagt habe, darüber können wir uns gerne einmal unterhalten. Das gehört im Moment nicht an diese Stelle. Aber wenn Sie uns ständig vorwerfen, dass wir aus der Zeit der DDR und ihrer politischen Machenschaften, in der Opposition überhaupt nicht zugelassen worden ist, nicht klüger wurden, dann sage ich Ihnen: Wir haben aus dieser Zeit gelernt.
Wir können uns gern in die Auseinandersetzung auch über diesen Lernprozess begeben. Aber eines erwarte ich dann auch von Ihnen, dass Sie in kritischer Reflexion darüber nachdenken, was Sie wann getan haben und was Sie aus dieser Zeit gelernt haben
und wie Sie heute mit den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes umgehen. Sie hätten vor Ihrem Hintergrund, wenn Sie also ein so revolutionäres Wesen vor 20 Jahren waren, der Erste sein müssen, der sich vielleicht als Person an das Bündnis für Mehr Demokratie wendet und sagt: Ich will selbst als Person Mitglied sein, meine Partei tut es nur nicht.
Also kommen Sie mir bitte nicht auf diesem Wege.
Die Wahrheit hat niemand allein gepachtet, aber auch nicht Sie, Herr Mohring.
Wenn ich jetzt bitte mal weiterreden dürfte, ich sprach soeben von dem Respekt, den man diesem Gesetzentwurf
zollen sollte.
Ich erinnere noch einmal an den 8. Oktober dieses Jahres, da hatte übrigens Herr Mohring einen seiner „großen Auftritte“. Da haben wir nämlich zu Ihrem „Turbogesetz“ gesprochen und Sie haben damals das Gesetz mit dem Bremsklotz „Amtsstube“ mit Ihrer knappen Mehrheit durchgedrückt.
Eine einzige Partei mit ihrer Fraktion, die 45 Stimmen hier zusammenbringt,
hat sich über den Willen anderer hinweggesetzt. Wir sind das gewöhnt in den Oppositionsreihen,
aber dass Sie sich über den Willen der Bürgerinnen und Bürger, die eine freie Sammlung zum Volksbegehren wollen, hinweggesetzt haben, das ist die Unverschämtheit, Herr Mohring, und das bleibt auch so.
Nun haben Sie in dieser Woche noch einen Gutachter bemüht, dessen Äußerungen für uns übrigens sehr interessant zum Nachlesen waren. Der Gutachter kommt zu dem Schluss, dass natürlich formal alles richtig sei. Natürlich können Sie mit Ihrer Mehrheit ein Gesetz beschließen, das wissen wir, das bestreitet auch keiner.
Frau Becker, ob das schlimm ist, das weiß ich nicht, es ist eben so, Mehrheiten sind Mehrheiten. Aber wenn wir uns den 8. Oktober anschauen und wissen, dass offensichtlich zum gleichen Zeitpunkt hier im Hause die über 250.000 Unterschriften zur Prüfung lagen und dass der Anerkennungsprozess des Volksbegehrens 15 Tage danach öffentlich abgeschlossen war, dann haben Sie doch gewusst, dass mit einem hohen Wahrscheinlichkeitsgrad dieses Volksbegehren zugelassen wird. Tun Sie doch nicht so, als ob das in den Sternen gestanden habe, denn die anerkannten Unterschriften sind 12 Prozent der wahlberechtigten Thüringer Bevölkerung und 10 Prozent wären nur gebraucht worden. Vor diesem Hintergrund sage ich Ihnen: Wer einmal eine Unterschriftenaktion für ein Volksbegehren mitgemacht hat, weiß, dass es natürlich Bögen gibt, die dann aussortiert werden müssen, weil sie durch die Einwohnermeldeämter nicht als gültig anerkannt werden, weil Fehler enthalten sind usw. Aber es sind nicht in dem hohen Maße die Fehlerquoten einzurechnen. Doch offensichtlich haben Sie das entweder nicht gewusst oder befürchtet und demzufolge Ihr seltsames „Turbogesetz“ mit Ihrer knappen Mehrheit durch das Land gejagt.
Jetzt haben wir natürlich eine eigenartige Situation und da bin ich wieder bei dem Bild aus der Thüringer Tageszeitung, bei dem „Paralleluniversum“. Sie wissen eigentlich genau - und falls Sie es nicht wissen sollten, sage ich Ihnen das gerne noch einmal an -, dass dieser Gesetzentwurf des Volksbegehrens, der jetzt auf der Tagesordnung steht, ein Gesetzentwurf ist, den kann man nur annehmen oder ablehnen. Ihre Geisteshaltung haben Sie hier deutlich gemacht, eben übrigens in der Debatte auch wieder.
Demzufolge werden wir den gesamten Verfahrensweg zunächst einklagen, den die Bearbeitung eines solchen Gesetzentwurfs auch bedarf. Dann wird die Frage sein, wie gehen Sie in der Schlussabstimmung zum Volksbegehrensgesetz mit diesem Gesetz um. Eigentlich hätten Sie nur eine Chance: Sie müssten es annehmen. Aber was machen Sie dann mit Ihrem komischen Gesetz, bei dem Sie auch noch erklärt haben, dass Sie ja die Quoren gesenkt haben. Da weiß ich auch nicht so richtig, ob Sie ganz bewusst gelogen haben oder ob Sie es einfach nicht wissen. Die Quoren, die Sie eingebracht haben in Ihr Gesetz, bringen für einige wenige Städte Veränderungen im positiven Sinn, für die großen im Wesentlichen, sie bringen für einige wenige Städte das gleiche Maß wie bisher, aber für die Masse der Thüringer Kommunen sind Ihre Quoren eine Verschlechterung gegenüber dem Gesetzentwurf des Volksbegehrens. Da können Sie sich nicht ans Pult stellen oder auch vor Kameras und sagen, Sie hätten dem Volk mit Ihrem Gesetzentwurf größere Chancen für Mitwirkung auf der Ebene der Kommunen ermöglicht. Sie haben es nicht und Sie sind offensichtlich bei Ihrer Geisteshaltung geblieben aus 2005 und 2006, als Sie damals gesagt haben, Sie wollen keine Verstärkung der direkten Demokratie in den Kommunen. Was haben Sie damals gesagt? Das ist nicht notwendig und es schwächt die repräsentative Demokratie. Das ist es, was in Ihren Köpfen ist, und so handeln Sie. Das ist letzten Endes der Konfliktpunkt, der sich natürlich in diesem Gesetzentwurf, der zwingend auch eingebracht werden musste ins Parlament, widerspiegelt. Das ist natürlich auch das Agieren im „Paralleluniversum“ und es gibt eigentlich nur zwei Möglichkeiten, wir haben das ja auch schon angedeutet und die Vertrauenspersonen des Volksbegehrens haben es auch schon eingefordert, es gehen eigentlich nur zwei Wege: Das erste ist der Klageweg - wieder einmal ein Klageweg. Ich habe immer gehofft, als ich in den Landtag gekommen bin, dass man Politik macht aus den Reihen der Abgeordneten mit Mehrheiten und nicht über die Gerichte. Aber wir sind wieder bei einem Klageweg, wieder einmal muss ein Verfassungsgericht entscheiden, was überhaupt in diesem Lande möglich ist. Das Zweite ist die Vorlage dieses Gesetzes zu einer Volksabstimmung. Da kann ich Ihnen nur sagen, ich glaube, da weiß ich schon, wer gewinnt - Sie werden es nicht sein.
Damit sind wir eigentlich beim letzten Akt dieses Dramas. Sie wollten, dass „Mehr Demokratie“ ins Leere läuft, aber wir sind der Auffassung und glauben uns auch dadurch bestärkt, dass wir mit den Bürgerinnen und Bürgern zahlreiche Gespräche hat
ten. Dieses Volksbegehren „Mehr Demokratie in Thüringer Kommunen“ wird sich durchsetzen. Es wird sich durchsetzen,
weil die Argumente ausreichend ausgetauscht sind. Die Leute wissen, worüber wir sprechen. Sie haben keinesfalls den Eindruck - wie sagt Herr Mohring immer „Mc-Drive-Demokratie“ -, sie wären mit einer Mc-Drive-Demokratie konfrontiert. Sie beleidigen damit jeden Einzelnen, der unterschrieben hat und der sich in diesen Prozess auch einbinden lassen wollte.
Eines sage ich Ihnen auch noch: Wer einmal die Erfahrung der Sammlung zu einem Gesetzentwurf unter freiem Himmel für sich realisiert hat, wer das einmal durchgemacht hat, weiß auch, wo den Bürgerinnen oder den Bürgern der Schuh drückt. Da wird manches andere mit erzählt an den Ständen, an denen man die Unterschriften sammelt. Da wird übrigens auch - und jetzt komme ich noch einmal auf Herrn Jaschke zu sprechen - über Erfahrungen aus DDR-Zeiten gesprochen.
Da wird auch darüber gesprochen - und da haben Sie jetzt wirklich recht -, dass das zu DDR-Zeiten nicht möglich gewesen wäre. Demzufolge werden gerade wir uns auch ganz besonders vor dem Hintergrund unserer eigenen Erfahrungen dafür einsetzen, dass solche Möglichkeiten a) immer wieder vorhanden sind und b) auch immer wieder erweitert werden. Das kann ich Ihnen versprechen.
Ich möchte, um zum Ende der „Vorstellung im Paralleluniversum“ zu kommen, einen zitieren, den Sie herbeigeholt haben, nämlich Ihren Gutachter, ob denn der Volksbegehrensentwurf des Bündnisses für „Mehr Demokratie in Thüringer Kommunen“ in der Art und Weise behandelt werden könnte, wie Sie es tun. Da habe ich nachgelesen - und das wird sicher auch stimmen -, dass er Ihnen dann ins Stammbuch schrieb, bezogen auf Ihren Gesetzentwurf: „Wenn es die Thüringer für die große Sauerei halten, dann haben sie ja die Möglichkeit, die Mehrheit im Parlament bei der nächsten Wahl abzustrafen.“
Ich danke dem Gutachter für diese freundliche Äußerung und schließe damit den Beitrag.
Herr Mohring, ich habe dieses Zitat noch dabei, aber da müssten Sie dann mal zu mir kommen, ich würde Ihnen das zeigen. In der Sache ändert es aber trotzdem nichts, auch wenn Sie es nicht gelesen haben.
Herr Abgeordneter Mohring, Sie haben uns zwar unterstellt, wir hätten kein richtiges Verhältnis zur repräsentativen Demokratie, das will ich erst einmal zurückweisen, aber meine Frage schließt sich an. Welches Verständnis von direkter Demokratie hat sich in Ihrer Fraktion seit dem Zeitpunkt entwickelt, als Sie den Gesetzentwurf, der ja schon einmal dem Parlament vorlag, zurückgewiesen haben? Was ist seitdem bei Ihnen vorgegangen? Sind Sie inzwischen der Auffassung, dass auf kommunaler Ebene mehr direkte Demokratie vonnöten ist? Welche extremistischen Wurzeln wollen Sie aus dem Volksbegehrensentwurf beseitigen?
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, der Kultusminister hat ja wirklich die CDU-Fraktion zu wahrhafter Begeisterung getrieben, was man an Anwesenheit und Beifallsbekundungen erkannte.
Wir haben den Text der Regierungserklärung dankenswerterweise gestern Abend um 18.00 Uhr erhalten. Es ist schon beachtlich, dass die gesamte Regierungserklärung vorgetragen wurde bis auf einen Satz. Da ging es um Schott in Jena, da wollten wir Beifall klatschen. Diese Show haben Sie uns gestohlen. Das ist der einzige Satz, den Sie herausgestrichen haben; alles andere wurde wortwörtlich von Ihnen vorlesungsartig dem Parlament verkündet.
Wenn man bei „Wikipedia“ einmal nachsieht, was eine Regierungserklärung ist, kann man dort lesen, dass es die Erläuterung politischer Handlungen, Pläne und Absichten einer Regierung ist.
Ich wollte mich auf das Niveau des Parlaments begeben, Herr Abgeordneter Gentzel, und wollte nicht die großen Lexika zitieren, sondern die allgemein zugängliche Internetenzyklopädie, auf die mancher Abgeordnete, sicher auch Sie, zugreifen und wo man das gleich noch einmal nachprüfen und die Quelle benennen kann.
Es geht also um die Erläuterung politischer Handlungen, Pläne und Absichten. In einer etwa 113minütigen Rede - also nicht etwa, man sagt mir, es sind genau 113 Minuten gewesen -, Herr Kultusminister, offenbarten Sie Masse statt Klasse.
Sie haben weder von der augenblicklichen Situation der Kultur, der Bildung, der Situation in den Lehrerzimmern, der Situation unter den Erziehern noch der aktuellen Situation an den Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Thüringen gesprochen, sondern Sie haben ein Bild gezeichnet, was man nur umschreiben kann mit „Null-Problemo-Mentalität“. Sie haben vorangeschrieben, dass Sie auf die Begriffe setzen: freiheitlich, menschlich, zukunftsfähig. Ich kann Ihnen nur entgegenhalten: Was Sie erklärt haben ist realitätsfern, ideenlos, orientierungslos und in gewissem Maße auch lustlos.
Schön, dass Sie ein bisschen mitmachen bei der Wortfindung.
Wenn man die Amtszeit, die Ihnen noch bevorsteht, betrachtet - es ist also ein knappes Jahr -, dann kann man das so entgegennehmen und feststellen, als Interimsminister verwalten Sie, was Ihr Vorgänger ausgesessen hat. Im Moment dürften ja sechs Minister im Raum sein, die dieses Amt einmal begleiteten oder jetzt - wie Sie - begleiten. Was völlig in den Sternen bleibt, ist, woher jetzt plötzlich der neue Wind zu spüren ist, der mit der Kabinettsumbildung des Ministerpräsidenten die letzte Zeit Ihrer Regierung einleitete? Es ist eigentlich ein Trauerspiel, was wir hier gehört haben. Ich möchte es an einigen Schlagworten erklären und Ihnen auch sagen, wie die Erwartungshaltungen seitens der Oppositionsfraktionen und der Menschen in diesem Land an Sie sind.
Ich beginne zunächst mit einer Erwartungshaltung, bei der ich zumindest damit gerechnet hätte, dass Sie darauf eingehen, und zwar bezeichne ich sie als das „Weimarer Ränkespiel“. Nicht ein einziges Wort verwendeten Sie in Ihrer Regierungserklärung in dem doch recht breit angelegten Teil zu Kultur in Thüringen zum Fall Märki. Von Neustart ist am heutigen Tag die Rede, dabei ist in der vergangenen Woche ein Ränke- und Possenspiel im Aufsichtsrat des DNT gelaufen, welches Sie, Herr Minister Müller, maßgeblich mit zu verantworten haben.
Inzwischen hat natürlich die mediale Öffentlichkeit weit über Thüringen hinaus erfahren, was wieder einmal in Thüringen mit seiner Kultur angestellt wird.
Ich will Ihnen aber nicht allein die Verantwortung zuschreiben und zuordnen, denn hier gehört natürlich nach dem Versagen eines SPD-Bürgermeisters Doht in Eisenach, das Versagen eines SPD-Bürgermeisters Wolf in Weimar dazu.
Nun liest man aber trotzdem, dass eben jener NochOberbürgermeister sagt, der Freistaat habe die städtischen Vertreter aufgefordert, den Antrag auf Vertragsverlängerung mit Intendant Märki so zu formulieren. Also gab es offensichtlich hinter den Kulissen ein Spiel, in welchem sich die absurdesten Ideen der Landespolitik - und ich vermute, Herr Minister Müller, da sind Sie nicht allein, da sind einige andere Personen noch mit beteiligt - mit einigen Intriganten in Weimar verbündet haben und ein Possenspiel in die Welt gesetzt haben, welches schlechter nicht hätte inszeniert werden können.
Falls ich Ihnen selbst aus irgendeinem Grund hier zu nahe getreten sein sollte -
ach, Frau Groß, hören Sie doch mal auf - dann erwarte ich vom Kultusminister, dass er das aufklärt und Stellung zu diesem Vorgang in Weimar nimmt.
Ich komme übrigens bei der Theater- und Orchesterfinanzierung noch mal auf einige andere Probleme zu sprechen.
Betrachten wir also wie Sie als Erstes die Frage „Thüringen als Kulturland“. Eine Ihrer ersten Amtshandlungen im Thüringer Landtag war, zu begrüßen, dass wir das erste Bibliotheksgesetz Deutschlands haben. An all der Vorarbeit, an all den Bearbeitungsstadien mit den Außenpartnern waren Sie nicht beteiligt, aber Sie waren schnell bereit, zu würdigen, dass wir mit einem Thüringer Bibliotheksgesetz die Vorreiter für die gesamte Bundesrepublik sind.
Insofern stimmt der Sachverhalt. Aber was Sie offensichtlich überhaupt noch nicht begriffen haben, ist, dass in diesem Gesetz steht, dass Bibliotheken freiwillige Aufgaben sind und dass das der zentrale Kritikpunkt aller Anzuhörenden an diesem Gesetz war und dass mit der Festschreibung der Bibliotheken als freiwillige Aufgaben all das konterkariert wird, was den Bibliotheken als Bildungsaufgaben zugemessen wird und wo Sie jetzt sagen, das wäre eine
richtige Leistung, die das Land Thüringen erbringt. Richtig ist, Bibliotheken sind wichtige Bildungsorte. Aber richtig ist auch, dass sich das Land hier nicht aus der Verantwortung herausstehlen kann. Und wenn das Ihr Vorgänger zu verantworten hätte haben können, dann müssen Sie aus der richtigen Erkenntnis heraus die entsprechenden anderen Weichenstellungen vornehmen.
Das erwartet man von Ihnen als Minister, der noch ein gutes Jahr im Amt sein soll.
Sie hingegen laufen durch das Land und überreichen Schecks. Sie sind auch in Ihrer Regierungserklärung noch einmal darauf eingegangen, welche Projekte Sie besonders fördern. Zu denen der Bibliotheken gehören die Schecks an die Musik- und Kunstschulen.
Aber sagen Sie, Herr Minister, wir waren am 6. August zusammen in Gotha. Dort war der Erste Thüringer Kulturtag, zu welchem die Kulturinitiative die Vertreterinnen und Vertreter aller in Thüringen vorhandenen demokratischen Parteien eingeladen hat. Dort sagten Sie vor laufender Kamera, dass Sie sich künftig für mehr Geld in der Kultur einsetzen werden. Ich habe es nicht überprüft, aber im TA Vlog müsste das sogar noch zu sehen sein. Eigentlich haben Sie mich dort sehr verblüfft, denn Sie gehören zu den Wenigen, die das in aller Öffentlichkeit einmal ausgesprochen haben. Nun schaut man in Ihre Regierungserklärung, da hat Ihnen jemand aufgeschrieben, dass Sie die 1,3 Prozent Kulturquote halten wollen. Aber es ging in Gotha vor den versammelten Kulturschaffenden Thüringens darum - und das haben Sie bestätigt -, dass das Geld nicht ausreichend ist, wenn man ein Kulturland pflegen möchte und wenn man mit den kreativen Potenzen eines solchen Landes in der Mitte Europas auch wuchern möchte. Dazu gehört nämlich dann auch die Konsequenz, auch Finanzierungsbedingungen zu suchen und zu finden, die innerhalb des laufenden Doppelhaushalts zu erwarten sind. Da reicht es nicht, sich auf das Jahr 2010 zu orientieren, wie Sie es an verschiedener Stelle öffentlich gemacht haben. Dann muss man schon wenigstens so weit gehen, haushalterische Reserven zu erschließen, um Schwerpunktsetzungen mit der Kraft dieses Superministers, der Sie ja qua Amt sind, zu untersetzen.
Auch nur ein Schlagwort dazu, weil ich es angedeutet habe im Zusammenhang mit dem Deutschen Nationaltheater: Die Theaterfinanzierung finden Sie in gutem Fahrwasser. Sie wissen, dass das nicht stimmt. Wenn ich Sie richtig verstanden habe in der Auseinandersetzung um das DNT, wissen Sie auch, dass man nicht immer wieder Haustarifverträge an Haustarifverträge anschließen kann. Das ist schon rechtlich bedenklich und vor dem Hintergrund der Belastungssituation der Beschäftigten in den Häusern ist es unverantwortlich.
Wir haben - das könnte ich Ihnen z.B. an einem Haus sehr gut vorrechnen, weil ich dessen innere Bedingungen besser kenne - ein Defizit, welches sich daraus ergibt, dass selbst die Haustarifverträge die zurückgelegten und eingespielten Gelder in den Gesellschaften auffressen und wir spätestens 2012 an einen Punkt kommen, wo wir überhaupt keine Handlungsspielräume mehr haben. Da müssen jetzt - und zwar im Moment von Ihnen - auch Weichenstellungen vorgenommen werden, damit wir nicht auch in der nächsten Phase vor einer Situation an den Theatern und Orchestern stehen, die sich dem Kollaps annähert.
Zur Museumssituation: In der vergangenen Woche tagte der Thüringer Museumsverband. Ich habe es Ihnen am gleichen Tag schon gesagt, ich habe Sie dort vermisst, nicht weil ich keinen Tag ohne Sie leben möchte, sondern weil ich Sie als zuständigen Minister an einer wichtigen Schaltstelle der Thüringer Museen erwartet hätte. Einmal im Jahr tagt dieser Verband, einmal versucht man, auch vor einer Öffentlichkeit zu sagen, dass die Museen als Bildungseinrichtungen dringend Landesunterstützung brauchen. Seit Jahren wird formuliert, wir brauchen die Herausnahme auch einiger Eckpfeiler der Thüringer Kultur in der Museumslandschaft, die unter besonderer Schutzwürdigkeit des Landes stehen. Selbst Blaubuch-Einrichtungen, Herr Minister, wie das LindenauMuseum in Altenburg kämpfen darum, überhaupt überleben zu können. Es reicht nicht aus, auf die kommunale Verantwortung zu verweisen, wenn man sich mit diesen Einrichtungen a) Bildungsstandorte und b) touristische Standorte sichern möchte, dann muss man die Landesverantwortung auch wahrnehmen.
Über einen Satz, Herr Minister, da würde ich wirklich mit dem Redenschreiber mal ins Gericht gehen, und zwar geht es um die Zusammenlegung der beiden Denkmalbehörden. Das war eine Ansage, die der Ministerpräsident Althaus bei seinem Regierungsantritt damals erklärt hat. Dann haben wir ein Gesetz
in Thüringen gemacht, welches der Landesrechnungshof kritisierte. Es ist damals geschätzt worden, dass diese unsinnige Zusammenlegung zweier funktionierender Einheiten etwa 6 Mio. € kosten wird. Auch in Ihrer Fraktion gab es da sehr kritische Stimmen - Herr Abgeordneter Schwäblein, Sie erinnern sich an die Auseinandersetzungen. Das Gesetz ist inzwischen beschlossen mit den Stimmen der CDU-Fraktion und gegen unsere Stimmen. Vollzogen wird es glücklicherweise nicht, aber bitte reden Sie mal mit dem, der Ihnen den Satz reingeschrieben hat, dass da eine leistungsfähige Einheit entstanden wäre durch die Zusammenlegung. Das ist schlichtweg falsch.
Kein Wort haben Sie gesagt zum Thema „Breitenkultur“. Wenn man über die Frage der Schule im Sozialraum spricht und wenn man in einem Haus die Bereiche Kultur und Bildung gebündelt hat, dann muss man spätestens auf die Idee kommen, einmal nachzufragen, wie sich die breitenkulturelle und jugendkulturelle Landschaft in Thüringen aufstellt. Ich meine, von Ihrer Verwunderung darüber, dass Puppentheater auch für Erwachsene geeignet ist, wurde mir schon berichtet, aber Sie wissen hoffentlich, dass gerade in den jugend- und breitenkulturellen Projekten durch das zu kleine Projektmanagerprogramm in ganz vielen Einrichtungen Notstandssituationen nicht nur entstanden sind, sondern dauerhaft bestehen. Ergo müsste man doch nachfragen, wie man diese Situation verändert. Dort könnte man übrigens hervorragende Querverbindungen zu eigenverantwortlicher Schule ziehen und solche Prozesse ermunternd begleiten. Aber da müsste man darüber sprechen, wie man das Projektmanagerprogramm auf die wenigstens ursprünglich angedachten Vollzeitstellen in diesem Programm setzt und wie man mit einem eher geringen Betrag - gemessen am Landeshaushalt - dieses Programm so installiert, dass die Projekte auch arbeiten können, denn es sind Projekte, die Fachkräftebedarf haben. Die könnten übrigens sogar ausbilden.
Stichwort „Jahr der Demokratie“: Da kann man vieles sagen, da wird auch 2009 noch vieles gesagt werden. Ich greife nur die beiden Jubiläen der Weimarer Verfassung und des 90-jährigen Bauhaus-Jubiläums heraus. Wissen Sie, wir haben hier lange um die Frage einer Landesausstellung „90 Jahre Bauhaus“ diskutiert und ein mancher, der in der Welt umherreist, ob es in den Vereinigten Staaten oder in Israel ist, ist an Bauhaus-Orten sehr beschämt, wie wenig wir aus diesem Thema machen.
Nun gibt es - Sie brauchen mich dann auch nicht zu belehren - nächstes Jahr eine Ausstellung, die aus der Region heraus gewachsen ist und die das Thema „90 Jahre Bauhaus“ sicher würdig begleitet. Aber wenn man auf die Elisabeth-Ausstellung abhebt und sagt, das war eine großartige Leistung - und Landesausstellungen bieten enorme Potenzen, um ein Land in der Öffentlichkeit zu präsentieren -, dann haben auch Sie dieses Bauhaus-Jubiläum mit dem Ministerpräsidenten und dem Vorgänger und wem auch immer gewaltig vergeigt.
Das „Jahr der Demokratie“ ist mit Worten eingeläutet,
nun sollen die Taten folgen. Sie, Herr Minister, forderten bei der Eröffnung dieses Jahres: Demokratieerziehung für Gegenwart und Zukunft. Da geben wir Ihnen völlig recht, doch das Problem ist, dass in Ihrem Hause und in Ihrem Umfeld diese Worte auf wenig fruchtbaren Boden fallen. Denn wie soll man sich die Tatsache erklären, dass Sie bzw. Mitarbeiter nachgeordneter Einrichtungen denen Platzverweise erteilen, die ihre kritische Haltung zur Einführung des Thüringer Bildungsplans äußern wollen. Sie wollten eine Feierveranstaltung und andere wollten Ihnen sagen, Herr Minister, wir haben Ihnen eine andere Auffassung mitzuteilen. Die wurden dann einfach entfernt. Hat das etwas mit gelebter Demokratie zu tun? Da möchten Sie sich auch in Ihrem Umfeld direkt damit beschäftigen, was Sie, Ihre Mitarbeiter und Ihre nachgeordneten Einrichtungen in diesem Jahr und darüber hinaus an Taten anrichten.
Jetzt ist der Abgeordnete Mohring gerade nicht da, diese Replik, die muss ich mir einfach noch gestatten: Als wir gestern die Debatte zur Einführung von mehr Demokratie in den Thüringer Kommunen hatten,
ist Herr Mohring zu demagogischer Höchstleistung aufgelaufen.
Er hat durchaus die Argumente, die wir auch in jeder Überlegung bei der Einführung des Volksbegehrens mit den Bündnispartnern besprochen haben, aufgenommen. Aber worauf er in seiner langen Rede in keiner Weise eingegangen ist, dass Ihr Gesetz, welches Sie gestern mit Ihrer Mehrheit verabschiedet haben, den Initiatoren des Volksbegehrens einen Schlag ins Gesicht gibt, weil dort eine Textfassung
verankert ist,
(Beifall DIE LINKE)
die sie einfach nicht wollen.
Der Punkt bei Ihnen ist nicht die Frage der Hürden im Volksbegehren. Sie wollen die Amtsstubensammlung und Sie wollen damit die Sammlung von Unterschriften auf der Straße nicht, weil Ihnen das zu viel Demokratie auf der Straße ist.
Und das, das muss ich Ihnen sagen, gehört auch, um es wieder bei diesem Thema zu belassen, in das praktizierte „Jahr der Demokratie“. Da lässt 1989 grüßen, und zwar auf Ihrer Seite „staatsmännisch“ und „staatsfrauisch“.
Thema Bildung: Bereits im Juli haben wir Sie aufgefordert, Herr Kultusminister, eine Regierungserklärung zu geben. Der Ausgangspunkt war damals, dass Sie kurz nach Ihrem Amtsantritt und kurz nach der Reise des Bildungsausschusses nach Finnland erklärt haben, dass Sie verschiedene Defizite im Thüringer Schulsystem überhaupt nicht erkennen. Sie sind davon ausgegangen, dass das mit dem Mittagessen an Thüringer Schulen bestenfalls ein Einzelfall sein kann, wo man dem bedürftigen Kind vielleicht helfen muss, aber ein solches sei Ihnen noch nicht über den Weg gelaufen. Und dann haben Sie gesagt, ansonsten wäre beim Schulsystem alles in Ordnung. Die Durchlässigkeit ist da und Ihnen ist auch kein Fall bekannt, wo das mal anders gelaufen ist.
Ich rechne Ihnen hoch an, dass Sie auf 20 Seiten und in einem etwa einstündigem Vortrag heute dieses Problem auch anders angegangen sind. Sie sind an verschiedenen Stellen wirklich auf Fragen der Gestaltung von Schule eingegangen und offensichtlich gab es seit diesem Zeitpunkt auch einen Umdenkensprozess. Aber ich habe Ihnen ja vorgehalten, dass Sie realitätsfern sind und das muss ich dann auch begründen. Wissen Sie, wozu Sie kein Wort gesagt haben, obwohl es in der letzten Regierungserklärung Ihrer Ministerkollegin Lieberknecht eine breite Rolle gespielt hat? Zum Thema Kinderarmut - nicht ein einziges Wort.
Ich kann mich sehr gut erinnern, dass Ministerin Lieberknecht auf der Versammlung des Gemeinde- und Städtebundes immer ausdrücklich in Ihre Richtung verwiesen und gesagt hat, sie werde mit ihrem Amtskollegen, dem Kultusminister, Strategien entwickeln, damit Kinderarmut in Thüringen nicht noch weiter Raum ergreift. Da hätte ich von einem verantwortlichen Minister schon erwartet, dass er darauf eingeht.
Sie wissen hoffentlich, dass 60.000 Kinder, d. h. ein Viertel der Kinder in Thüringen, unmittelbar von Armut betroffen oder bedroht sind. Und Sie wissen sicher auch, dass arme Kinder ausgegrenzt werden und sich aufgrund ihrer eigenen sozialen Situation auch selbst ausgrenzen. Das versperrt Lebenswege, das macht Zukunft unmöglich und arme Kinder haben deutlich schlechtere Bildungschancen. Ich hoffe, das wissen Sie.
In einigen Thüringer Städten beliefern mittlerweile caritative Einrichtungen, also die Tafeln, regelmäßig Schulen mit Pausenbroten und auch mit Mittagessen. Ist es nicht für Sie beschämend, dass dies in einem reichen Land wie der Bundesrepublik und in Thüringen so vorkommen muss? Wäre nicht von Ihnen zu erwarten, vielleicht in Kooperation mit der Amtskollegin, dass man die ständige Forderung der Opposition, aber eben auch derjenigen, die nicht in diesem Parlament sitzen, nach einem kostenfreien Mittagessen aufnimmt als Teil des Schulalltags; das Mittagessen, welches nicht irgendwo hineingeschlungen wird, sondern welches Teil des Tagesablaufs an der Schule ist.
Da muss man materielle Bedingungen schaffen. Wir gestehen Ihnen sogar noch zu, dass das nicht von einem Tag auf den anderen zu erreichen wäre, aber Sie haben kein Wort dazu gesagt. Das liegt daran, dass Sie nicht auf das Problem der Kinderarmut eingegangen sind.
Zur Frage, die sich unmittelbar daran anschließt, selektives Ausgrenzen des Schulsystems: Die nächste Folge ist also, dass dieses Schulsystem - und das sagen viele Studien inzwischen -, welches nach der vierten Klasse die Kinder trennt, selektiert, den Kindern die Bildungschancen zunehmend verschlechtert.