Helmut Holter

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Last Statements

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte hat nicht nur die unterschiedlichen Positionen deutlich gemacht, sondern sie hat eben auch deutlich gemacht, dass einige Vertreterinnen und Vertreter, insbesondere von CDU und FDP, den marktliberalen beziehungsweise marktradikalen Ansätzen folgen. Andere, auch Herrn Schulte darf ich dazuzählen, meinen, es muss eine Intervention des Staates erfolgen, um tatsächlich Arbeit statt Arbeitslosigkeit zu finanzieren.
Das ist der substanzielle Unterschied zwischen Herrn Seidel und mir. Wenn er sagt, es ist besser zu arbeiten, als nicht zu arbeiten, dann geht es mir bei diesem Spruch um mehr. Es geht um existenzsichernde Arbeit und es geht darum, heute Armut zu verhindern, auch in Zukunft Armut zu verhindern.
Wer heute von Hartz IV lebt beziehungsweise im Niedriglohnbereich zu Hause ist, arbeiten muss, der wird auch als Rentnerin und Rentner dann von einer Armutsrente leben müssen und weiterhin auf Aufstockung angewiesen sein, die Grundsicherung im Alter beantragen zu müssen. Genau das wollen wir nicht. Deswegen geht es um ein Leben in Würde, nicht nur heute, sondern auch in Zukunft.
Wenn Herr Roolf, ich will ihm die Frage beantworten,
nach der Niedriglohndefinition fragt, dann ist das für mich die Pfändungsgrenze. Alles, was unter der Pfändungsgrenze verdient wird, ist für mich Niedriglohnbereich. Sie können beispielsweise die Definition der Europäischen Union für Armut nehmen. Das ist nicht ganz identisch, aber bewegt sich ungefähr auf einem Niveau.
Meine Damen und Herren, alles hat Ursachen und viele wollen inzwischen die Ursachen nicht mehr hören. Wenn wir uns heute zurückerinnern, dann wurde 2005 Hartz IV eingeführt. Bereits vorher gab es eine immer wieder anhaltende Reformveränderung der Instrumente in der aktiven Arbeitsmarktpolitik des Bundes. Alle wissen wir, dass es ABM gab, 1998 noch viele Wahlkampf-ABM, Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, es gab die Strukturanpassungsmaßnahmen. Mit Hartz IV, und nicht nur mit Hartz IV, sondern mit den Hartz-Reformen generell, wenn Sie sich erinnern, sind viele andere Instrumente eingeführt worden. Aber von denen ist nicht mehr viel übrig geblieben, ob es nun die PersonalServiceAgenturen sind, die Ich-AGs und andere mehr.
Auch jetzt – das ist angekündigt und ist hier zum Ausdruck gekommen – greift die Bundesregierung ganz systematisch ein und stellt weniger Mittel bereit für aktive Arbeitsmarktpolitik, jetzt mal fernab, wer welche Maßnahme wie bewertet. Das wissen wir doch, dass nicht nur in diesem Jahr, sondern auch im nächsten und übernächsten Jahr ganz drastisch die Mittel für die Arbeitsmarktpolitik des Bundes zurückgefahren werden, dass dadurch kaum noch die Ein-Euro-Jobs ermöglicht werden können, und die Entgeltvariante, die Expertinnen und Experten wissen, worum es dabei geht, kaum noch zur Anwendung kommt, und dass dann wirklich die Frage steht, und die Frage steht auch an den Minister, was mit den Kompetenzzentren, die in der Vergangenheit aufgebaut wurden, tatsächlich werden soll.
Da werden nämlich zurzeit die Beschäftigungsgesellschaften an die Wand gefahren. Sie stehen vor der Frage, wie sie zukünftig weiter wirtschaften sollen, wenn in diesem Zusammenhang auch noch die Pauschale, die ihnen gezahlt wird pro Teilnehmerin und Teilnehmer an der jeweiligen Maßnahme, drastisch gekürzt wird. Hier muss man meines Erachtens tatsächlich mal Klartext reden. Das ist eben auch das, was uns unterscheidet.
Uns unterscheidet sehr viel, darüber will ich jetzt gar nicht reden. Entscheidend ist doch die Frage, ob es angebracht und richtig ist bei sinkender Arbeitslosigkeit, was auch wir anerkennen.
Und, Herr Roolf, diese wahlkämpferische Aussage, dass wir Ihre Intention nicht anerkennen – ich habe das immer wieder gesagt und da waren wir uns auch alle einig mit dem Konjunkturrat: Die Konjunkturpakete sowie Verlängerung der Kurzzeitarbeit sind alles richtige und wichtige Regelungen gewesen. Die hätte ich genauso unterstützt, die habe ich auch hier von diesem Pult und in der Öffentlichkeit unterstützt und die Anerkennung will ich hier noch einmal zum Ausdruck bringen. Aber die entscheidende Frage ist doch: Ist es gerechtfertigt, bei abnehmender Arbeitslosigkeit auch die Mittel für Arbeitsmarktpolitik für die einzelnen Maßnahmen zu kürzen? Sie haben selbst gesagt, Herr Roolf, die individuellen Probleme sind komplizierter und sind größere Herausforderungen. Da sind wir uns, glaube ich, auch alle einig.
Selbst die CSU, die dortige Sozial- und Arbeitsministerin, sagte, es ist falsch, angesichts abnehmender Arbeitslosigkeit die Mittel für die aktive Arbeitsmarktpolitik zu kürzen. Das ist für mich die eigentliche Herausforderung, dass wir sagen, wenn wir ein Fachkräfteproblem haben, und wir haben ein Fachkräfteproblem, dann müssen wir doch auf einem hohen Niveau aktive Arbeitsmarktpolitik machen, um sowohl die soziale Kompetenz, die fachliche Kompetenz dieser Arbeitslosen zu entwickeln, um sie tatsächlich in Arbeit zu integrieren.
Das Zweite in dem Zusammenhang ist, warum – das hat Herr Seidel hier angeführt und das haben wir ausdrücklich kritisiert – eigentlich bei dem Kompromiss über das Bildungs- und Teilhabepaket, das war der Gegenstand der Verhandlung, gesagt wurde, wenn die Grundsicherung, also die Mittel an die Kommunen weitergereicht werden, dass dann im Rahmen der Arbeitslosen die Mittel für die Bundesagentur für Arbeit gekürzt werden. Wir halten das für falsch, denn wir verfolgen unterschiedliche Strategien, die ich hier noch einmal durchaus zur Kenntnis geben will.
Also um diese Frage geht es, wenn man denn mal hinschaut, wie es mit denen aussieht, die in Arbeit gekommen sind. Das hat das IAB, das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, eben herausgefunden, analysiert, dass etwa 10 bis 15 Prozent der Hartz-IV-Betroffenen eine neue sozialversicherungspflichtige Beschäftigung aufgenommen haben, aber nur 55 Prozent dieser Menschen länger als ein halbes Jahr gearbeitet haben. Und die Hälfte wiederum musste auch noch aufstocken und zusätzlich Hartz IV tatsächlich beantragen. Das, meine ich, kann nicht der Weg sein, um ein Leben in Würde zu ermöglichen.
Ich habe mich immer gefragt, und vielleicht können wir heute darauf eine Antwort geben: Was heißt denn eigentlich, öffentlich geförderte Beschäftigung weiterzuentwickeln? Es wird oft hier im Hohen Haus vom Ehrenamt gesprochen und den vielen Herausforderungen, die vor unserer Gesellschaft insgesamt stehen. Ich könnte das jetzt durchdeklinieren, wie wichtig es ist, in den Städten oder auf den Dörfern diese vielen soziokulturellen Arbeiten zu erfüllen. Es ist auch eine Frage, ob wir einen Beitrag für den sozialen Zusammenhalt unserer Gesellschaft leisten oder eben nicht. Wenn denn die SPD, namentlich die SPD, aber auch andere von einem sozialen Arbeitsmarkt sprechen, habe ich, Herr Schulte, immer danach gesucht, was ist der soziale Arbeitsmarkt im Verständnis der SPD. Dabei muss ich ehrlich sagen, vielleicht habe ich nicht an der richtigen Stelle gesucht, aber vielleicht können Sie mir die Stelle mal zeigen. Das ist aber jetzt nicht so entscheidend.
Ich habe mich immer gefragt: Was heißt sozialer Arbeitsmarkt? Ich bin aber fündig geworden und habe in einem Papier des Deutschen Gewerkschaftsbundes vom April 2011 gefunden, dass der DGB vorschlägt, eine öffentlich geförderte Beschäftigungsperspektive einzurichten. Hier heißt es in diesem Diskussionspapier: „Unter Beteiligung der Sozialpartner wird ein Sozialer Arbeitsmarkt eingerichtet. In ihm erhalten diese“ – gemeint sind die Langzeitarbeitslosen – „Arbeitsuchenden eine öffentlich geförderte Beschäftigungsperspektive. Diese wird kombiniert – sofern erforderlich – mit einer auf ihre individuelle Situation abgestimmten sozialintegrativen Unterstützung. … Als Arbeitgeber, (Beschäftigungsträger) sollten insbesondere Wohlfahrts- und Sozialverbände sowie Vereine gewonnen werden. … Die Hartz-IV-Träger sollten für den Beschäftigungszuschuss/“ – das ist noch ein anderes Thema – „Sozialen Arbeitsmarkt ein separates Budget vorab zugewiesen bekommen, ausgerichtet an der regionalen Zahl der Arbeitslosen mit mehrfachen Vermittlungshemmnissen. Hierbei muss berücksichtigt werden, dass passive Leistungen durch die Beschäftigung eingespart werden.“
Das sind Vorschläge unseres Genossen und Arbeits- und Wirtschaftssenators in Berlin, der genau das gesagt hat, passive und aktive Leistungen zusammenzuführen. Hier wird auch noch mal abgestellt auf die Struktur der schwachen Regionen.
Und dann wird hier noch mal betont, in einem regionalen Konsens muss dieses sichergestellt werden, wobei den Sozialpartnern ein Vetorecht eingeräumt werden muss. Da kann Herr Seidel ja von einem Rollback sprechen, aber genau diesen regionalen Konsens haben wir damals in der rot-roten Regierung in dem damaligen Arbeitsministerium nämlich umgesetzt und haben über die Maßnahmen geredet. Und wenn Herr Glawe, der heute nicht da ist, immer wieder davon redet, dass die Maßnahmen keine Effekte gebracht haben, dann weiß sicherlich auch
Frau Schlupp, dass in ihrem Kreis, und nicht nur in ihrem Kreis, genau aus solchen Maßnahmen Existenzgründungen realisiert werden und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung entstanden ist.
Deswegen halten wir genau diesen Weg, wie ihn der DGB vorschlägt, für den richtigen. – Danke schön.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass die LINKE in der letzten Sitzung des Landtages oder voraussichtlich letzten, weiß ich ja nicht, in der voraussichtlich letzten Sitzung des Landtages dieser Wahlperiode einen Antrag zur Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik einbringt oder die Koalitionsfraktionen einen Antrag zur Stärkung der Bürgerarbeit einbringen, ist genauso legitim, wie die FDP einen Antrag zur Stärkung des Mittelstandes einbringt. Und dass wir uns in den Debatten dann auch aus unterschiedlichen Sichten und unterschiedlichen Positionen heraus dazu noch mal verständigen, versteht sich von selbst. Klar, jeder will auch sicherlich Pflöcke für den bevorstehenden Wahlkampf einschlagen. Das, glaube ich, liegt auf der Hand und wäre auch absurd, das nicht anzuerkennen.
Was aber die FDP hier macht, verwundert mich insofern schon, weil, Herr Roolf, Sie haben ihr Mittelstandsfördergesetz hier vorgelegt. Die Koalition hat daraufhin ihren Gesetzentwurf in dieses Hohe Haus eingereicht. Wir haben diese andiskutiert, wir haben auch eine Anhörung dazu durchgeführt, aber zu einer Entscheidung kommt es nicht mehr. Darüber kann man jetzt unterschiedlicher Auffassung sein, ob es gut oder richtig ist. Ich habe ja die Gesetzentwürfe bewertet, das will ich hier jetzt gar nicht mehr tun. Sie machen jetzt eins: Sie gehen wie in einem Gesellschaftsspiel zurück auf Anfang
und versuchen also, die gesamte Debatte noch mal aufzurollen.
Ich kann mich gut erinnern, gerade auch weil es jetzt die letzte Sitzung ist und Herr Seidel und ich uns ja in vielen Fragen inhaltlich heftig und kräftig streiten. Finde ich ja auch gut, aber wir haben, als es die Krise gab, wenn man so will, auch einen vielleicht nicht ausgesprochenen Konsens oder eine Vereinbarung gefunden – ich will das mal deutlich machen an dem Zukunftskonzept für die maritime Wirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern –, dass wir erst mal abwarten, wie wir aus der Krise herauskommen, und dann Strategien entwickeln. Das habe ich im Prinzip auch im Wirtschaftsausschuss damals mit unterstützt und gesagt, das ist erst mal der richtige Weg.
Erste und vorrangige Aufgabe ist Krisenbewältigung. Das man da auch wieder unterschiedliche Ansätze gehabt hat, ist wieder ein anderes Thema.
Die zweite Geschichte ist, auch im Hinblick auf das, was wir beim Antrag zur Arbeitsmarktpolitik diskutiert haben, selbstverständlich, und das einigt doch die demokratischen Fraktionen, für den Mittelstand kann man nicht genug tun. Da könnte ich jetzt auch lang und breit darüber sprechen, was ich da für notwendig halte. Wenn ich mir den Punkt 2 hier anschaue, die vier Punkte, na, die kann man doch locker unterschreiben. Jetzt kommt aber die spannende Frage, auf das Wie kommt es an und noch viel mehr kommt es auf die Qualität an. Das, glaube ich, ist dann wieder ein Unterschied, der ja sicherlich uns dann wieder auszeichnet. Und darüber muss man doch diskutieren: Wie soll eigentlich das, was hier steht, praktiziert werden? Wie wollen Sie das Innovationspotenzial erhöhen?
So, da hat Herr Schulte ja in Bezug auf den Haushalt diskutiert. Das habe ich ja auch schon sehr oft angesprochen. Auch in unserem Wahlprogramm steht natürlich, nicht nur natürlich, sondern das habe ich, das kann ich jetzt so sagen, an der Stelle auch so gewollt, dass wir noch viel mehr und viel stärker auf Innovation setzen müssen. Jetzt müssen wir mal darüber sprechen: Was ist denn eigentlich Innovation?
Diejenigen, die bei der Branchenkonferenz zur Gesundheitswirtschaft, da kann ich auch noch was zu sagen,
also bei der Branchenkonferenz Gesundheitswirtschaft waren in dem einen Forum, haben ja sehr wohl mitgenommen, dass nicht alles, was sich Innovation nennt, auch Innovation bedeutet.
Darüber muss man auch noch mal sprechen, deswegen rede ich über die Qualität.
Wenn es darum geht, auch den Mittelstand zu stärken, dann hat auch die Debatte über den Mindestlohn aus meiner Sicht etwas mit Stärkung des Mittelstandes zu tun. Es hat etwas mit der Zukunft der Unternehmen in Mecklenburg-Vorpommern zu tun. Wenn wir nicht aus dem Niedriglohnbereich herauskommen, dann werden wir die Fachkräfteproblematik nicht lösen können, weil nämlich, logischerweise, insbesondere die jungen Leute sich danach umschauen, wo wird am meisten oder am besten bezahlt, so – und dann können wir über Mittelstandsförderung sprechen noch und nöcher. Wenn also insgesamt das Lohnniveau in Mecklenburg-Vorpommern nicht angehoben wird, jetzt lasse ich mal die Wege dahin weg, dann werden wir also auch hier mit der Förderung des Mittelstandes nicht weiterkommen. Da können Sie jetzt viel über die anderen Punkte hier reden.
Wir haben auch sehr viel darüber gesprochen, weil Herr Schulte das auch angesprochen hat, über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Familie und Beruf und die Chancengleichheit. Auch da gilt es doch, nicht nur den Appell in die eine Richtung, sondern in die andere Richtung zu senden, und da gilt es doch auch, einen, wenn man so will, gesellschaftlichen Konsens zu finden, wie wir denn tatsächlich das ermöglichen wollen, dass wir Rückkehrerinnen und Rückkehrern aus der Elternzeit wieder einen beruflichen Einstieg ermöglichen. Das sind doch alles Debatten, die wir führen müssen. Aber wenn es dann wieder heißt, über das Wie, und wir die vielen Modellprojekte, die wir in der Vergangenheit alle miterlebt haben, auch positiv bewerten, die aber abbrechen, weil keine Förderung mehr zur Verfügung steht, dann bin ich doch der Meinung, wir brauchen hier eine nachhaltige und eine verstetigte Geschichte, um tatsächlich auch über diesen Weg den Mittelstand zu fördern, damit man nicht fragen muss: Das Modellprojekt läuft übermorgen aus, und danach? Das ist doch die Frage und das kommt meines Erachtens hier in Ihrem Antrag so nun gar nicht zum Ausdruck.
Ich kann feststellen, ohne jetzt die einzelnen anderen Punkte durchdeklinieren zu wollen, dass das, was ich bei der Einbringung Ihres Mittelstandsfördergesetzes hier vorgetragen habe, dass das bei Ihnen angekommen ist. In dem Sinne herzlichen Dank. Links wirkt!
Aber wir sind der Überzeugung, dass Ihr Antrag heute hier nicht verabschiedet werden sollte. Sie sollten sich tatsächlich überlegen, ob das, was Sie in Bezug auf den Mittelstand versuchen, die Wirkung erzeugt. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie viel konkreter sagen, was Sie für den Mittelstand tun wollen. Das vermisse ich bei der FDP. Den Ansatz unterstützen wir. Wir werden uns deswegen zu Ihrem Antrag enthalten. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wenn am Ende der Legislaturperiode das Thema „Energiewende – Chancen für Mecklenburg-Vorpommern“ von einer Fraktion aufgesetzt wird in der Aktuellen Stunde, muss ein Rückblick erlaubt sein:
Wer seit 2006 gegen das Steinkohlekraftwerk in Lubmin zu Felde gezogen ist, dagegen protestiert hat, eine abweichende Auffassung hatte, der hätte dem Land Schaden zugefügt, so die SPD und auch die CDU. Wer zur Jahreswende 2010/2011 gegen Atomkraft aufgetreten ist, der schade der deutschen Wirtschaft, so die CDU. Die CDU und die FDP, die schwarz-gelbe Koalition in Berlin, hat die Laufzeiten verlängert mit der Begründung, dass die deutsche Technologie und die deutsche Sicherheit das Beste sind, was es auf der Welt gibt, dass damit eine preiswerte Energiebasis für die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft geschaffen wird und dass der Atomstrom – wir erinnern uns – die Brückentechnologie hin zu den erneuerbaren Energien sein muss.
Das war Ihre Position. Ich habe nur die drei Positionen wiederholt, um das noch einmal klarzumachen, was damals der Ausgangspunkt war.
Die Folge für Mecklenburg-Vorpommern war, dass die Entscheidung, zwei Gaskraftwerke in Lubmin zu realisieren, zumindest von den Investoren verschoben, ausgesetzt wurde. Das ist eine Folge Ihrer energiepolitischen Position aus der Zeit vor Fukushima.
Das kann man überall nachlesen,
das ist überall bestätigt worden. Nun regen Sie sich mal nicht auf!
Diese Argumentation, die drei Punkte, die ich hier kurz zusammengefasst habe, Herr Kokert und Frau Schlupp, hat die CDU inzwischen versenkt. Das ist auch gut so. Aber was haben Sie eigentlich gemacht? Sie sind unglaubwürdig geblieben den Menschen gegenüber
und haben auf der anderen Seite auch Ihre Klientel, nämlich die Wirtschaft, verschaukelt.
Ich mache mir um Sie keine Sorgen, ich mache mir Sorgen um die Wirtschaft und um die Menschen. Sie haben diese nämlich für dumm verkauft mit Ihrer Position.
Ja, selbstverständlich!
Woran soll denn jetzt die CDU noch gemessen werden? Das ist doch Ihr Problem, welches Sie als Partei haben!
SPD und CDU haben in der Tat, das haben wir eben gerade wieder erlebt, eine neue Zeitrechnung aufgemacht. Ich habe das bei mehreren Auftritten des Minister präsidenten in der Vergangenheit erlebt, dass Sie, Herr Sellering, tatsächlich Ihre energiepolitische Wende vor Fukushima begonnen haben und dass die SPD als Vorreiter der erneuerbaren Energien in Mecklenburg-Vorpommern hier sich generiert und auftritt. Die Anstrengungen der Arbeit, die die SPD-Landtagsfraktion vollzogen hat, erkenne ich an.
Aber die Zeitrechnung beginnt nicht 2009, die Zeitrechnung beginnt lange, lange davor.
Und dazu gehört eben auch, und das hat Herr Timm angesprochen, der Streit um das „Energieland 2020“, um dieses Landeskonzept. Wir haben damals gesagt, dieses Konzept ist halbherzig, es ist inkonsequent, weil es genau von den falschen fachlichen und politischen Positionen heraus entwickelt wurde. Das ist hier von dem energiepolitischen Sprecher der SPD klar angesprochen worden.
Ja, auch das ist unsere Auffassung, und das können Sie immer wieder nachlesen und auch rekapitulieren: Wir haben die erneuerbaren, die alternativen Energien immer als Chancen für Mecklenburg-Vorpommern begriffen. Ich will da ausdrücklich noch einmal Professor Dr. Methling nennen, der als Umweltminister hier wirklich Pionierarbeit geleistet hat. Wir stünden ganz woanders, wenn diese Arbeit damals nicht durch den Umweltminister Methling so vorangetrieben worden wäre.
Ja, eine tolle Leistung, die muss man hier auch mal würdigen.
DIE LINKE hatte immer eine klare Linie. Wir haben auch gegen den Strom gekämpft, wir sind konsequent auf unserer Linie der erneuerbaren Energien geblieben.
Wir haben immer gesagt, dass mit den erneuerbaren Energien auch mehr Arbeitsplätze, hochwertige Arbeitsplätze verbunden sind und wir sehr wohl diese Strategie für die nachhaltige Entwicklung als Jobmotor begreifen. Die Frage ist aber, und das ist auch eine Frage an die Landespolitik, Herr Sellering: Was passiert denn eigentlich im Land Mecklenburg-Vorpommern?
Wir diskutieren über Fachkräfte, Sie selbst haben jetzt eine Zahl gesagt, 22.000, die Grünen, glaube ich, reden über 50.000. Das ist jetzt, glaube ich, auch nicht die entscheidende Frage. Es werden neue Stellen geschaffen, da sind wir uns ja alle einig. Die Frage ist, ob wir auch sehr schnell die Anerkennung neuer Berufsfelder erreichen, neue Ausbildungsberufe entwickeln, damit tatsächlich diejenigen, die auf diesen Stellen arbeiten, als Fachkräfte, als ausgebildete Experten dann auch entlohnt werden. Denn da nehme ich Sie beim Wort, es geht um gut bezahlte Arbeitsplätze. Und wenn es also um die Fachkräfte geht, dann hat das natürlich auch etwas mit Entlohnung zu tun. Die Argumentation dazu kann ich mir jetzt hier sparen.
DIE LINKE will, dass Mecklenburg-Vorpommern nicht nur Tourismusland und Gesundheitsland Nummer eins wird, sondern auch das Land der erneuerbaren Energien. Und da, meine Damen und Herren, befinden wir uns im Wettbewerb. Da kann man nach Bayern schauen und da kommen wir zu einem wesentlichen Problem. Der dortige Ministerpräsident Seehofer hat dieser Tage, also in dieser Woche, eine Regierungserklärung abgegeben, wo er versprochen hat, die große Energiewende in Bayern einzuleiten. Er will Bayern bei der Energiewende zum Vorreiter in Europa machen. Da sind wir genau bei der Frage, die eben in Ihrer Rede, Herr Sellering, auch angesprochen wurde: Was ist mit dem Strom der offshore, onshore, Biogas, der über die vielen Anlagen erzeugt wird? Wir wollen ja Exportland werden für alternative Energien, da sind wir uns ja alle einig, denke ich, aber dazu brauchen wir natürlich die Abnehmer. Wir stehen in diesem Zusammenhang im Wettbewerb mit den anderen Ländern, die natürlich auch diese Energiewende vollziehen wollen.
Einige von uns waren ja beim IHK-Empfang letzte Woche hier in Schwerin zugegen, da ist direkt von einer Referentin über Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit gesprochen worden. Das muss in Übereinstimmung gebracht werden. Und ich füge ausdrücklich hinzu, es geht auch um die sozialen Folgen dieser Energiewende.
Ich habe das vernommen, was Herr Sellering hier eben wiederholt zum Ausdruck gebracht hat. Sie haben mal gesagt, es darf nicht der Eindruck entstehen, dass die Kosten auf die Bürgerinnen und Bürger, auf die Endverbraucher abgeschoben, abgelagert werden.
Sie haben das eben eindeutiger formuliert. Dafür bin ich Ihnen dankbar, dass Sie das so klar zum Ausdruck gebracht haben. Das sollte auch eine Position sein, die Mecklenburg-Vorpommern in die Debatte zu den Gesetzen auf Bundesebene einbringt. Warum? Weil es nämlich nicht sein kann, dass die Bürgerinnen und Bürger am Schluss die Zeche zahlen, übrigens auch nicht die Wirtschaft und gerade in Mecklenburg-Vorpommern die kleinen und mittelständischen Unternehmen.
Also wenn das eine Grundposition ist, die uns einigt, dann sollte das auch Maßstab bei allen anderen Fragen sein, dass wir tatsächlich hier darum kämpfen, dass die Kosten nicht verlagert werden. Ich sage gleich, warum das notwendig ist. Wir hatten, ich darf daran erinnern, in der vergangenen Landtagssitzung genau dazu einen Antrag eingebracht. Der Antrag wurde von Ihnen, meine Damen und Herren von der Koalition, abgelehnt.
Richtig, das sehe ich genauso.
Die Energiewende ist keine Angelegenheit für Mecklenburg-Vorpommern selbst. Ja, es ist unsere Herausforderung. Wir haben sie in der Vergangenheit sehr unterschiedlich angepackt, darüber habe ich gesprochen, aber es ist in der Tat eine nationale, eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Und wenn ich dann höre, übrigens egal von welchen Parteien jetzt, das geht querbeet durch die Parteien, ihr könnt da ja Strom, also Windenergie und andere alternative Energien produzieren, so viel, wie ihr wollt, aber wir machen unseren Teil selbst, wir brauchen euren alternativen regenerativen Strom nicht, dann steht das dieser gesamtgesellschaftlichen Aufgabe entgegen.
Ich bin der Überzeugung, dass auch die Investitionen, die notwendig sind für diese Energiewende, sowohl in die Netze, sowohl in die Forschung als auch in den Ausbau von Kapazitäten, die dann als Brücktechnologie bezeichnet werden, nicht von der Wirtschaft alleine und schon gar nicht beim Land Mecklenburg-Vorpommern hängen bleiben dürfen. Hier ist jetzt in der Tat angesagt, dass die Kosten umgewälzt und nach einem sicherlich zu berechnenden Schlüssel dann auch gleichmäßig auf die deutschen Länder verteilt werden. Ansonsten sind wir tatsächlich diejenigen, die nicht nur die Energiewende wollen, sondern auch noch kräftig zuzahlen als das Land Mecklenburg-Vorpommern.
Ja, ich will auch ausdrücklich unsere Position hier sagen.
Deswegen erwarte ich von der Landesregierung, dass sie bei den Verhandlungen zu den entsprechenden Gesetzen auf Bundesebene ganz klar hier Position bezieht und deutlich sagt, das kann nicht nur eine Angelegenheit Mecklenburg-Vorpommerns oder von mir aus auch der norddeutschen Länder sein, sondern alle Länder und der Bund sind hier gefragt.
Drittens will ich sagen, dass bei Brückentechnologien – die Frage taucht sofort auf, wenn 7.000 Megawatt der Atomkraftwerke vom Netz genommen werden – natürlich die Frage auftaucht: Was sind denn Brückentechnologien?
Eins, glaube ich, und da haben wir uns ja eine Position erarbeitet, Steinkohle oder Kohlekraftwerke generell können es ja wohl nicht sein.
Dann setzen wir auf Gaskraftwerke. Alte Position, Herr Nieszery, alte Position von Rot-Rot, die wir damals schon im Zusammenhang mit dem Energiestandort Lubmin entwickelt haben.
Ich meine eine klare Position aus Mecklenburg-Vorpommern: Kohle kann nicht die Brückentechnologie bezahlen.
Ich möchte Herrn Sellering fragen, ob er bereit ist – so, wie das jetzt auch in Hamburg über eine entsprechende Initiative dort der Menschen läuft –, sich auch dafür einzusetzen, dass die Netze, über die ja gesprochen wurde, wieder in öffentliches Eigentum zurücküberführt werden.
Ich meine damit, das hat etwas mit Kosten zu tun.
Ja, das haben wir ja unterstützt.
Nein, dann müssen wir noch weiter gehen, ob denn auch andere Netze tatsächlich in öffentliches Eigentum überführt werden. Die WEMAG ist ein gutes Beispiel, denn das haben wir ausdrücklich unterstützt. Das ist eine sehr kreative und intelligente Lösung, ohne dass die Kommunen belastet werden.
Ja, ja.
Es ist die Frage an die Regierung und auch an Herrn Schlotmann, welche Maßnahmen nicht nur über den Bund, sondern auch in Mecklenburg-Vorpommern eingeleitet werden, damit Energieeffizienz und damit Einsparungen erzielt werden können. Natürlich müssen wir
CO2 reduzieren. Und mit Brückentechnologie wird ja wieder etwas verbrannt und mehr CO2 dann ausgestoßen. Das heißt, Sie müssen in Effizienz dazu beitragen, dass möglichst wenig CO2 zusätzlich in die Luft gepustet wird. Und dazu erwarte ich Maßnahmen der Landesregierung ergänzend zu dem, was der Bund ganz konkret macht.
Und ein weiterer Punkt ist, wenn es denn um den Boden geht, dann gibt es hier eine Position – und da werden wir ja heute noch dazu sprechen oder morgen – zu der guten fachlichen Praxis, wenn es denn um den Anbau von Energiepflanzen geht. Ich will einen letzten Satz sagen. Wir dürfen uns nicht den Boden kaputt machen lassen
und es darf keine Verteuerung der Lebensmittel geben. Ich bin der Überzeugung, dass die Energiewende vor unseren Augen, vor den Augen der Menschen ablaufen wird. Und es ist richtig, die Menschen mit einzubeziehen und sie an dieser Frage zu beteiligen. Die entscheidende Frage ist, sie dürfen nicht die Zeche bezahlen. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In der Tat findet heute, und ich hoffe, es ist erst einmal ein vorläufiger Schlusspunkt einer sehr, sehr langen Debatte, die Auseinandersetzung zu einem Vergabegesetz in unserem Bundesland MecklenburgVorpommern statt. Es ist eine unendliche Geschichte. Verschiedene Gesetzentwürfe haben vorgelegen. Es gab zwischenzeitlich die schon erwähnten Urteile, die dann dazu geführt haben, dass die Arbeit faktisch von vorne begonnen werden musste.
DIE LINKE im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern hat sich diesem Thema immer sehr offensiv gestellt, sowohl in der Regierungskoalition mit der SPD als eben auch jetzt als Oppositionsfraktion in dieser Wahlperiode. Wenn es denn zwei konkurrierende Gesetzentwürfe gibt, einen Gesetzentwurf, den wir eingereicht haben, und einen Gesetzentwurf der Koalitionen, dann ist das auch Demokratie. Und es ist dann natürlich auch Demokratie, wenn im federführenden Ausschuss entschieden wird, dass ein Gesetzentwurf zur Verhandlungs- und Beratungsgrundlage gemacht wird. Das ist eigentlich üblich, das will ich nur noch mal feststellen.
Aber wir haben uns, das will ich hier ausdrücklich unterstreichen, im Wirtschaftsausschuss darauf geeinigt, dass beide Gesetzentwürfe gleichberechtigt und parallel behandelt werden. Dass der Fokus auf dem Gesetzentwurf der Koalition gelegen hat, das versteht sich aus der Anlage der gesamten Debatte. Fakt ist aber, dass beide Gesetzentwürfe auch eine öffentliche Debatte entfacht haben und gerade, wie Minister Seidel deutlich gemacht hat, zur Mindestlohndebatte Mecklenburg-Vorpommern wiederum beigetragen haben und natürlich auch die Frage aufgeworfen haben, zu welchen Bedingungen sollen denn öffentliche Aufträge ganz konkret vergeben werden.
Ich bin nicht froh über den Abschluss dieser Debatte am heutigen Tag, und zwar aus unterschiedlichen Gründen. Ich kann das so zusammenfassen: Dieses Gesetz, welches seitens der Koalition vorliegt, will niemand.
Die CDU will es nicht, die SPD will es nicht, die Wirtschaft will es nicht, die Gewerkschaften wollen es nicht und auch die Kommunen wollen es nicht.
Das ist eigentlich ein einmaliger Vorgang in der Geschichte dieses Hohen Hauses,
dass ein Gesetzentwurf durch niemanden – weder hier in diesem Hohen Haus noch in der Öffentlichkeit – tatsächlich gewollt ist. Ja, er ist ein Kompromiss und dieser Kompromiss ist ein schlechter Kompromiss und er zeigt auch in dieser Frage die Zerrissenheit der Koalition.
Doch, doch, Herr Seidel hat das eben noch mal deutlich gesagt, die Zerrissenheit der Koalition in dieser Frage. Herr Seidel hat das eben noch mal sehr deutlich formuliert. Es mache sich fest an der Frage, wie stehe ich denn nun eigentlich zum Mindestlohn.
Doch, doch, Herr Roolf, genau das ist der Dreh- und Angelpunkt.
Ich habe verschiedene Diskussionen gehabt, auch im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Wahlkampf,
wo ausdrücklich die CDU-Vertreter noch mal darauf hingewiesen haben, was Herr Seidel eben noch mal aus seiner Überzeugung – ich werfe ihm das ja gar nicht vor, ich stelle das nur fest und kritisiere ihn natürlich dafür – gesagt hat, dass die CDU, gegen einen flächendeckenden Mindestlohn ist. Das ist Aufgabe der Tarifpartner, so sind ja sinngemäß Ihre Worte eben gewesen, das zu vereinbaren.
Die SPD ihrerseits tritt in der Öffentlichkeit sowohl bundesweit als auch in Mecklenburg-Vorpommern für einen gesetzlichen Mindestlohn ein.
Und damit sieht man zwei sich sozusagen aufeinander zubewegende Züge,
die sich zwar nicht getroffen haben,
weil Sie vorher den Prellbock in Form dieses Gesetzes eingebaut haben. Deswegen kann man die ruhig zwischen die beiden Sozialpartner stellen. Ich glaube, menschlich verstehen die beiden sich schon.
Ja, das ist ein, Herr Kreher, substanzieller Unterschied.
Nun will ich etwas zu unserem Gesetzentwurf sagen, ohne ihn noch mal detailliert aufzuführen. Wir haben uns als LINKE die Frage gestellt, welche Ansprüche muss denn ein Landesvergabegesetz für Mecklenburg-Vorpommern erfüllen. Nicht nur die Frage nach dem Mindestlohn, sondern wir haben uns auch gefragt, ob denn nicht andere Standards, wie tarifliche, soziale, ökologische Standards, zur Bedingung gemacht werden können. Ich erinnere an die Aktuelle Stunde, die wir heute Morgen zur Energiewende durchgeführt haben.
Wir haben übrigens in Gesprächen mit den Sozialpartnern diese Frage sehr intensiv diskutiert und sind zu dem Ergebnis gekommen, ja, in der Beziehung sind wir ja alleine, wir müssen auf keinen Partner Rücksicht nehmen, das ist vielleicht unser Vorteil. Ich habe ja immer gesagt, dass wir in der Beziehung ein idealtypisches
Gesetz vorgelegt haben, um sehr deutlich zu zeigen, dass es sehr wohl auf Grundlage der gesprochenen Urteile sachgerecht ist, ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen.
Wenn wir also tatsächlich wollen, so, wie es der Ministerpräsident und auch der Wirtschaftsminister dieses Landes formulieren, dass wir von dem Niedriglohn image Mecklenburg-Vorpommern wegkommen, dann ist es unsere Überzeugung, dass man mit einem Landesvergabegesetz in Bezug auf die öffentlichen Aufträge hier vorangehen muss, um auch der Wirtschaft deutlich zu zeigen, wo die Hebel und die Möglichkeiten zu finden sind, um tatsächlich hier gegen den Niedriglohnsektor in Mecklenburg-Vorpommern vorzugehen. Da teile ich eben nicht die Auffassung der CDU und auch nicht die von Herrn Seidel, dass das Sache der Tarifpartner ist. Ich will das hier noch mal ausdrücklich wiederholen, weil auch teilweise falsche Dinge erzählt werden: Der Mindestlohn bestimmt die Lohnuntergrenze, und nicht mehr.
Alles andere darüber hinaus ist Verhandlungssache der Tarifpartner. Und das, meine ich, soll man hier noch mal feststellen, das war auch unsere Ausgangsposition für unseren Gesetzentwurf.
Wenn jetzt seitens der SPD immer wieder formuliert wird, Herr Schulte hat es getan in einer Pressemitteilung, dass das Gesetz, welches hier gerade von Herrn Schulte als Ausschussvorsitzendem in diesem Fall und auch von Herrn Seidel noch mal dargestellt und auch noch mal begründet wurde, mehr erreicht hat, als wir als LINKE es jemals zustande gebracht haben, dann muss man einfach fragen: Wer war denn unter Rot-Rot der Bremser? Wer hat denn verhindert, dass es ein solches Gesetz gegeben hat?
Das war damals die Debatte gewesen, die wir zwischen Rot-Rot, zwischen SPD und PDS/Linkspartei geführt haben. Aber das ist Geschichte. Deswegen bin ich der Überzeugung, dass das Gesetz der Koalition, was heute vorliegt, das ist das Papier tatsächlich nicht wert, auf dem es steht, weil es die Ansprüche an ein Vergabegesetz nie erfüllen kann und auch nie erfüllen wird. Dieses Gesetz in dieser Form braucht niemand. Und es wird auch nicht dazu beitragen, irgendetwas in MecklenburgVorpommern zu verändern.
Und wir machen ja …
Herr Roolf, aus Ihrer Sicht können Sie es hier ja noch darstellen.
Wir, die Fraktionsvorsitzenden, machen ja, das ist ja bekannt, vor der Landtagssitzung immer wieder unsere Pressekonferenzen, Pressegespräche. Und da finde ich auf „NDR online“ die Aussage, auch das ist ein Widerspruch zwischen SPD und CDU, dass Herr Glawe eindeutig formuliert, dieses Gesetz gilt speziell für Bahnunternehmen. Sie müssen für öffentliche Aufträge ihren Beschäftigten Tariflöhne zahlen.
Und wenn Herr Nieszery dann betont, es gilt grundsätzlich für alle Unternehmen, die öffentliche Aufträge bekommen wollen, dann empfehle ich tatsächlich das, was Herr Seidel gesagt hat, dann solle man tatsächlich den Gesetzestext lesen. Also Interpretationen sind hier nicht zulässig,
sondern der Gesetzestext sagt eindeutig, es geht um den schienengebundenen Personennahverkehr.
Punkt, Ende, aus.
Und da, glaube ich, kann man viel herumdichten.
Aber zum Schluss geht es um die Frage, wie dieses Gesetz ganz konkret auf welche Bereiche angewendet wird. Auch da unterscheiden wir uns. Wir wollten ein allumfassendes Gesetz für alle Branchen in Mecklenburg-Vorpommern für alle öffentlichen Aufträge ab 10.000 Euro, die hier in Mecklenburg-Vorpommern vergeben werden. Also dieses Gesetz braucht niemand, das ist meines Erachtens auch in der Anhörung deutlich geworden. Warum ist es eigentlich zustande gekommen? Irgendwie haben Sie sich so lange unterhalten und auch miteinander gerungen, dass ein Ergebnis da sein sollte, aber einen Fortschritt bedeutet das auf keinen Fall. Und der große Wurf ist es nun schon gleich gar nicht.
Das Interessante ist, was ich eingangs schon sagte, dass dieser Gesetzentwurf nun tatsächlich in der Breite abgelehnt wird. Die Wirtschaftsverbände mit ihren Argumenten, weil sie eben eine solche Form, eine solche gesetzliche Regelung weitestgehend ablehnen. Das ist zwar für mich nicht akzeptabel, aber erklärbar aus Sicht der Wirtschaftsverbände. Da geht es um solche Fragen, die wollen nicht, dass Lohnhöhen gesetzlich vorgeschrieben werden oder dass ökologische Vorgaben, sozusagen ein ökologischer Fußabdruck aufgesetzt wird oder dass es um die Gleichstellung geht oder um die Ausbildung von Jugendlichen, wenn es um die sozialen Kriterien geht, von denen ich erst gesprochen habe. Das seien vergabefremde Leistungen und die haben in dem Vergabeverfahren nichts zu suchen. Nur dass Sie wissen, dass ich das anders sehe.
Die kommunalen Spitzenverbände haben in der Anhörung sehr deutlich gesagt, dass sie dieses Gesetz nicht wollen und auch nicht brauchen, weil sie auf der einen Seite eine Belastung sehen und das, was in diesem Gesetz geregelt ist, ja sowieso schon Alltag ist und von ihnen umgesetzt wird. Die Frage ist tatsächlich: Wie soll denn das, was in dem Gesetz steht, überwacht werden? Das ist ein einhelliges Urteil der Kommunen gewesen.
Und ein Wort zu den Gewerkschaften: Hier betont – Herr Schulte wird das möglicherweise ja gleich wiederholen – die SPD, dass ein Vertreter der Gewerkschaft Bauen-Argar-Umwelt dieses Gesetz als einen Schritt in die richtige Richtung begrüßt habe. Das hat er getan und das sollte man ja auch nicht vom Tisch weisen. Aber Sie müssen den Satz auch zu Ende sprechen. Er hat nämlich auch zum Ausdruck gebracht, dass er die Regelungen zum Arbeitnehmerschutz als nicht ausreichend empfand und Ihr Gesetz über die VOB und VOL nicht hinausgeht.
Und dann stellt sich die Frage: Wozu braucht man dieses Koalitionsgesetz?
Ansonsten waren Aussagen von ver.di, transnet oder jetzt EVG, dem DGB, und insbesondere der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung sehr eindeutig: Ohne vergabespezifischen Mindestlohn, ohne wirksame Kontrollen und Sanktionen ist dieses Gesetz nichts wert.
Nun hoffte ich, das hatte Herr Schulte ja auch nach der Anhörung per Pressemitteilung öffentlich gemacht, dass ihn die Anhörung dazu angeregt hat, doch mit dem Koalitionspartner CDU über Nachbesserungen zu diskutieren. Veränderungen sollten möglicherweise über Änderungsanträge dann in den Wirtschaftsausschuss eingebracht werden. Aber es passierte nichts, weil die CDU eindeutig gesagt hat, nein, wir wollen das Gesetz so durchbringen, wie wir es hier in diesen Landtag eingebracht haben – im Gegensatz zu den anderen Gesetzen, wie Herr Caffier und andere es hier immer wieder betont haben: Kein Gesetz verlässt den Landtag so, wie es hereingekommen ist. Das trifft nun ausdrücklich auf das Koalitionsvergabegesetz nicht zu. Da gibt es keine Veränderungen.
Ich hatte ja schon sehr deutlich gesagt, dass wir es im Vorfeld der heutigen Debatte für richtig gefunden hätten, dass Ihr Gesetz nicht zur Abstimmung gekommen wäre, dass Sie es zurückziehen, weil es tatsächlich nicht wert ist, hier auch abschließend behandelt und beschlossen zu werden.
Ebenso ist es mit dem ÖPNV. Auch hier wird die Frage nach den ausreichenden Kontrollmechanismen gestellt. Und Sie werden möglicherweise jetzt auch wieder die Argumentation bringen, dass es dort um Mindestlohnbedingungen geht. Aber wir haben alle, die an der Anhörung teilgenommen haben, gehört, zu welchen Bedingungen die Beschäftigten in diesem Bereich arbeiten. Und wenn ich dann die Busunternehmerinnen und -unternehmer höre und ich weiß, dass dort Löhne gezahlt werden, die deutlich über dem liegen, was DIE LINKE fordert, kurz unter dem, was Herr Backhaus jetzt jüngst gefordert hat, dann, glaube ich, erübrigt sich hier die Debatte. Die meinen wir ja auch nicht, sondern wir meinen all diejenigen, wo tatsächlich untertariflich, tatsächlich unter dieser Grenze, man kann sagen unter der Existenzgrenze, gearbeitet wird. Deswegen sind nach unserer Auffassung hier auch eine Reihe von Rechtsbegriffen viel zu unbestimmt. Und es ist unklar, für welche bestimmten Bereiche im ÖPNV das Gesetz gilt beziehungsweise nicht gilt.
Wenn wir heute zur Entscheidung kommen, und ich gehe davon aus, dass die Koalition gegen die öffentliche Meinung, gegen die Auffassung der Gewerkschaften, gegen die Auffassung der kommunalen Verbände, gegen die Auffassung der Wirtschaftsverbände ihr Gesetz heute verabschieden wird, dann tun Sie dem Land Mecklenburg-Vorpommern, der Wirtschaft, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern und sich selbst keinen Gefallen. Aber das ist Ihre Entscheidung, es zu tun. Wir haben unsere Alternative eingebracht, die steht ebenfalls zur Abstimmung. Wer eine Alternative und ein wirklich echtes Landesvergabegesetz für Mecklenburg-Vorpommern will, der hat nur eine Chance, dem Gesetzentwurf der LINKEN zuzustimmen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!
Herr Ministerpräsident, ganz ohne Emotionen wird es nicht gehen. Bei der sachlichen Debatte war ja auch die vergangene Diskussion über die Änderung der Verfassung durchaus emotionsgeladen. Und historische Wahrheiten gehören auch am Ende einer solchen Debatte auf den Tisch. Dazu gehört, dass wir jetzt zum vierten Mal die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern ändern wollen. Sie wollen die Verfassung ändern. Es soll die sogenannte Schuldenbremse verankert werden. Wir sind der Überzeugung, wenn das heute aufgehen sollte, ist das kein guter Tag für die Menschen in MecklenburgVorpommern, vor allem ist es kein guter Tag für uns, für dieses Parlament hier.
Doch, doch, wir kommen gleich dazu. Ich werde ja merken, wie emotional Sie jetzt sind bei meiner Rede.
Wir haben ja alle sehr aufmerksam den Vorrednern zugehört.
Ja, ja, eben.
Mit dieser vierten Änderung der Verfassung vollziehen SPD, CDU und FDP einen Dammbruch, fast einen Tabubruch. Über die Spätfolgen müssen sie sich selbst im Klaren werden. Ich meine, die sind noch gar nicht abzuschätzen. Die geplante Änderung der Verfassung fällt aus der Reihe der bisherigen Neuerungen regelrecht heraus. Sie wissen alle, dass wir in der Vergangenheit verschiedene Verfassungsänderungen vorgenommen haben. Ich will hier nennen das strikte Konnexitätsprinzip zugunsten der Kommunen, aber auch die Aufnahme des Tierschutzes, die Erweiterung des Schutzes von Kindern und Jugendlichen und anderes mehr. Den Artikel 18a hat Herr Müller ja bereits genannt. Alle – ich betone, alle! – diese Änderungen wurden stets von allen demokratischen Kräften unterstützt.
Das war der Konsens der Demokraten in diesem Hohen Hause.
Alle Änderungen der Verfassung wurden stets aus der Mitte des Landtages
und zuletzt in dieser Wahlperiode sogar aus der Mitte des Volkes initiiert und von allen Demokratinnen und Demokraten breit getragen.
Dieser gute Brauch ist nach dem Willen von SPD, CDU und FDP spätestens ab heute Geschichte. Ich bedauere das. Es geht nicht um eine breit getragene Übereinstimmung, obwohl wir sie hätten erzielen können, ich komme gleich darauf, oder um ein Ringen um die besten Lösungen, sondern zum ersten Mal soll die Verfassung nicht im Konsens der demokratischen Fraktionen geändert
werden, zum ersten Mal aus rein wahltaktischen Überlegungen – der Ministerpräsident hat es eben noch mal betont –
und zum ersten Mal vollkommen ohne Not und dann auch noch übereilt, Herr Kokert.
Einige der heutigen Befürworter der Schuldenbremse werden sich so sehr verbiegen und drehen,
dass es ihnen schwerfallen wird, aufrecht diesen Plenarsaal verlassen zu können.
Meine Damen und Herren, heute fügt sich der Landtag selbst Schaden zu. Es geht ans Eingemachte, an das Königsrecht dieses Hauses, an das Budgetrecht, aber nicht nach ausführlicher Diskussion und aus innerer Überzeugung. Auch die Pirouette von Herrn Müller hilft da nicht viel. Nein, wir alle beobachten heute den vielleicht erfolgreichen Abschluss einer feindlichen Übernahme. Denn nicht der Landtag ist Herr des Verfahrens, es waren die Landesregierung, allen voran der Ministerpräsident und die Finanzministerin, die dem Landtag, die Ihnen in die Feder diktiert haben, was in Sachen Haushalt aus ihrer Sicht in der Verfassung zu stehen hat, was der Landtag zukünftig darf und was nicht. Das gehört zur historischen Wahrheit.
Dass die zweite Gewalt der ersten Gewalt ausgerechnet bei diesem wichtigen Recht vorschreibt, wo es langgeht, ist schon schlimm genug.
Dass aber die Fraktionen von SPD, CDU und FDP da auch noch mitmachen
und gar nicht abwarten können, sich selbst zu beschneiden, ist ungeheuerlich.
Meine Damen und Herren, wir machen da nicht mit. Das ist bekannt. Wir brauchen eine solche Regelung nicht.
Nun etwas zu den Argumenten, die Herr Sellering eben noch mal wiederholt vorgetragen hat. DIE LINKE, das kam auch in der Rede zum Ausdruck, steht für stabile und ausgeglichene Haushalte.
Wir haben gemeinsam mit der SPD und den genannten Regierungen von 1998 dazu beigetragen, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern ab dem Jahre 2006 ohne
neue Schulden wirtschaften kann. Das wissen die Menschen, das wissen auch Sie von der SPD, das wissen Sie von der CDU und das weiß auch die FDP. Das Gegenteil zu behaupten, das habe ich mehrfach gesagt, ist unredlich und widerspricht den Tatsachen.
Wir haben gemeinsam mit der SPD …
Rot-Rot hat 1998 einen völlig desolaten Landeshaushalt vorgefunden. Der Schuldenmacher, Herr Kokert, war die CDU in der 1. Wahlperiode und in der 2. Wahlperiode.
Das gehört auch zur historischen Wahrheit.
Sie haben den Scherbenhaufen hinterlassen, den andere aufräumen mussten,
durch schwierige und zum Teil auch schmerzhafte Konsolidierungsmaßnahmen.
Durch schwierige und zum Teil auch schmerzhafte Konsolidierungsmaßnahmen haben wir die Finanzen wieder in den Griff bekommen und seit 2006 zum ersten Mal in der Geschichte des Landes einen ausgeglichenen Haushalt. Zu diesem Konsolidierungskurs brauchten wir keine Schuldenbremse und keinen fremdbestimmten Eingriff, denn die Konsolidierung hielten und halten wir aus eigener Einsicht – Herr Sellering, das ist unsere Überzeugung – und aus eigenem Antrieb für richtig.
Seit 2006 waren Kredite nicht notwenig und die Haushalte seither ausgeglichen. Und es verwundert mich, dass es sogar mit der CDU geklappt hat. Oder es liegt sicherlich an Ihnen, Frau Polzin, dass Sie das Finanzministerium, vorher Frau Keler, sehr erfolgreich geführt haben, nicht wahr?
Meine Damen und Herren, die Konsolidierungsanstrengungen sind auch durch Sie, SPD und CDU, fortgeführt worden und Sie werden auch von einer neuen Regierung, von einer neuen Koalition, unabhängig von ihrer Zusammensetzung, fortgesetzt werden müssen.
Dazu …
Doch, da können Sie sicher sein. Dazu steht DIE LINKE, das habe ich auch deutlich in dem Gespräch gesagt.
Und alles, was Sie, gerade von der SPD und von der CDU, verkünden, ist einfach eine Falschaussage.
Wir stehen für eine solide …
Natürlich, Herr Glawe.
Wir stehen für eine solide Haushaltsführung. Und wir wissen genauso wie Sie, dass die Finanzzuweisungen zurückgehen und wir nicht mehr Geld ausgeben können, als wir in der Kasse haben.
Und wenn der Ministerpräsident Herr Sellering hier der Meinung ist, wir sollen die Karten auf den Tisch legen und klarmachen, ob wir, DIE LINKE, eine solide Haushaltspolitik wollen, dann kann ich über so viel Plattheit nur den Kopf schütteln. Die Geschichte hat das Gegenteil bewiesen und wir stehen dazu.
Wir werden nicht mehr Geld ausgeben, als in der Kasse ist. Wider besseres Wissen wird wiederholt unserer Partei und unserer Fraktion eine unsolide Haushaltspolitik unterstellt. Ich weise das mit aller Schärfe zurück. Wenn aber einem die Argumente ausgehen, dann muss man eben zu diesen Mitteln greifen
und dabei in die unterste Schublade greifen, denn Sachargumente sind das nun wahrlich nicht.
Das ist auch nicht verwunderlich. Es ist auch ausgerechnet Erwin Sellering, unser Ministerpräsident, der höchst unglaubwürdig agiert und der FDP beinahe den Preis der „Goldenen Himbeere“ abgejagt hätte.
Meine Damen und Herren...
Ich komme später noch darauf zurück.
Meine Damen und Herren, DIE LINKE sagt, wir brauchen diese Schuldenbremse nicht, sie ist verfassungspolitisch, verfassungsrechtlich und finanzpolitisch bedenklich, sie ist kommunalfeindlich und sie kann der gedeihlichen Entwicklung des Landes nur schaden. Das Schlimme ist, nicht die Verursacher, sondern die Bürgerinnen und Bürger haben am Ende die Suppe auszulöffeln.
Wir wissen doch alle, seit zwei Jahren steht im Grundgesetz, dass die Länder ab dem Jahre 2020 keine Kredite mehr aufnehmen dürfen. Das ist doch der Maßstab.
Und daran orientieren auch wir uns. Ausnahmeregelungen sind in engen Grenzen möglich, müssen aber bis zum Jahre 2020 geschaffen werden. Die Schuldenbremse gilt zwar auch für den Bund, aber nicht ganz so, denn, meine Damen und Herren, der Bund hat sich ein Hintertürchen zu sich selbst offengelassen und sich eine sogenannte strukturelle Defizitgrenze gegönnt. Demnach sind Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für den Bund weiterhin drin.
Die Länder, meine Damen und Herren, gucken aber in die Röhre. Kredite dürfen sie ab dem Jahre 2020 nur noch in Notfalllagen und bei großen konjunkturellen Störungen aufnehmen. Eine strukturelle Defizitgrenze gibt es für die Bundesländer nicht. Die Bundesregierung, der Bundestag, der Bundesrat und die Landesregierungen waren ebenfalls von diesen Regelungen überzeugt und damit einverstanden.
Nun komme ich zu einem entscheidenden Problem: Und die Landtage? Die saßen bei den Verhandlungen am Katzentisch. Sie haben zwar laut, aber am Ende erfolglos protestiert. Der Hauptkritikpunkt der Landtage bestand darin, es kann doch nicht angehen, dass der Bund den Landtagen vorschreibt, ob überhaupt und unter welchen Voraussetzungen sie Kredite aufnehmen dürfen. Schleswig-Holstein hat das nicht auf sich sitzen lassen.
Seit einiger Zeit ist eine Klage des Landtages und des Landtagspräsidenten vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig. Sie sehen aus guten Gründen das Bundesstaatsprinzip und das Demokratieprinzip verletzt. Deshalb eben diese Klageschrift über 100 Seiten. Ich empfehle Ihnen, diese zu lesen. Dann dürfte vielen Abgeordneten in der Koalition wegen der Schuldenbremse unwohl werden, es dürfte Ihnen auf den Magen schlagen.
Apropos Magen: Meine Damen und Herren, sehr geehrte Frau Präsidentin, in der Klageschrift wird auch aus der ersten Berliner Erklärung der Präsidentinnen und Präsidenten der Landtage in Deutschland aus dem Jahre 2007 zitiert. Darin heißt es: „Bei allen jetzt anstehenden Reformen wird strikt darauf zu achten sein, dass die Länder in ihren finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten nicht ,entmündigt‘, sondern gestärkt werden und das fiskalische Gleichgewicht zwischen Bund und Ländern als eigenständige Staaten gewahrt wird.“ Stärken wir heute unsere finanziellen Gestaltungsmöglichkeiten?
Frau Präsidentin, ich möchte Sie bitten, uns das zu erläutern.
In einem offenen Brief an die Kommissionspräsidenten – diejenigen, die sich damals mit dieser Reform beschäftigt haben im April 2008, wissen das – erklärten die Vertreter der Landtage ferner, dass neue Schuldenregelungen den Ländern nicht durch eine Änderung des Grundgesetzes
übergestülpt werden dürfen. Der Weg einer einseitigen Grundgesetzänderung zulasten der Landesparlamente sei verfassungspolitisch nicht hinnehmbar und verfassungsrechtlich bedenklich.
Wörtlich heißt es, Zitat: „Die Landesparlamente können … einen solchen Weg, der auf ihre budgetrechtliche Entmachtung … hinausliefe, nicht mitgehen.“ Ende des Zitats.
Frau Bretschneider, Sie können jetzt auf einmal diesen Weg mitgehen? Sie haben im Namen dieses Hohen Hauses diese Erklärung mit abgegeben und mit unterschrieben.
Ich frage Sie: Was sagen Sie heute zu dieser Erklärung? Im Juni 2008 gab es eine zweite Berliner Erklärung. Dort forderten die Präsidentinnen und Präsidenten der Landtage, dass verbindliche Regelungen über die Schuldenbegrenzung in das Grundgesetz und in die Verfassung oder wahlweise in Gesetze der Länder aufgenommen werden. Die Entscheidung aber über die Gestaltung der Landeshaushalte müsse weiterhin uneingeschränkt vom Budgetrecht der Landtage getragen werden. Das ist doch auch logisch, schließlich entscheidet maßgeblich der Bund darüber, wie viele Einnahmen die Länder etwa aus Steuern zu erwarten haben.
Ich darf hier den Landtagspräsidenten aus SchleswigHolstein zitieren: „Aber was bleibt denn bei der Ausgestaltung übrig?“, fragt er. „Ich weise noch einmal auf Folgendes hin: Wir haben keine Steuererhebungsrechte. Der Bund kann uns da jederzeit unter Druck setzen. Wir müssen dann eine Verfassungsgrundregel einhalten, für die wir keine Elastizität haben. Das kann einfach nicht sein.“
Meine Damen und Herren, wissen Sie eigentlich, wie SPD, CDU und FDP ihre Schuldenbremse begründen? Ich darf es Ihnen, gerade den Zuhörerinnen und Zuhörern auf der Besuchertribüne, vorlesen. Zitat: „Zur Begründung ist darauf abgehoben worden, dass der neue Artikel 65 Absatz 2 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern in seiner Formulierung so weit als möglich an den Wortlaut des Artikels 109 Absatz 3 des Grundgesetzes angeglichen werden solle.“ Ende des Zitats.
Und das war es. Wieso, weshalb, warum und welche Folgen, dazu kein Wort. Sie lassen die Menschen im Dunkeln stehen. Ich dachte, die Landtage wollten über die Ausgestaltung selbst abwägen, prüfen, untersuchen und dann entscheiden. SPD, CDU und FDP können offenbar aber nur abschreiben. Dabei müssten auch gerade Sie von den Christdemokraten und Sie von den Liberalen wissen, dass Plagiate einen früher oder später einholen.
Meine Damen und Herren, auch Ministerpräsident Sellering sprach sich zu Recht im Bundesrat für die Einbeziehung der Landtage aus.
Was der Ministerpräsident unter Einbeziehung versteht, wissen wir heute.
Meine Damen und Herren, halten Sie sich Folgendes vor Augen: Es gab eine interfraktionelle Arbeitsgruppe des Landtages. Diese Arbeitsgruppe sollte mögliche Änderungen der Verfassung untersuchen und diskutieren. Das war und bleibt eine gute Idee, die haben da ja mitgemacht. Denn hat die Regelung des Grundgesetzes Bestand, muss natürlich auch in Mecklenburg-Vorpommern geprüft werden, welche Ausnahmetatbestände wir wie formulieren.
Die Arbeit hatte also in 2010 begonnen. Alle waren sich einig, keine Eile, kein Handlungsdruck, denn bis zum Jahre 2020 haben wir noch Zeit und das Bundesverfassungsgericht, ich habe darauf verwiesen, ist ja auch noch am Zuge. Ergebnisse und Alternativen der Arbeitsgruppe waren demnach noch lange nicht formuliert. Wie denn auch?
Aber gerade weil die CDU auf ihrer Winterklausur Anfang dieses Jahres plötzlich hinausposaunte, dass die Union noch in dieser Legislaturperiode eine Schuldenbremse wolle, wurde es in der Staatskanzlei auf einmal so hektisch. Derart unter Druck gesetzt sprach sich der Ministerpräsident und Landesvorsitzende der SPD Erwin Sellering nicht einmal 48 Stunden später ebenfalls für eine Schuldenbremse in dieser Landesverfassung aus. Die Koalition werde noch in dieser Wahlperiode einen Gesetzesentwurf in den Landtag einbringen und die Schuldenbremse einführen.
Großes Erstaunen, nicht nur bei der LINKEN, sondern auch bei vielen Abgeordneten in den Koalitionsfraktionen, weiß ich aus eigenen Berichten, die mir gegeben wurden.
Zitat: „Eine Schuldenbremse in der Landesverfassung zu verankern, ist aus Sicht der SPD-Fraktion durchaus sinnvoll.“ Zitatende.
So auch der Fraktionsvorsitzende der SPD. Peng!
Das Bundesverfassungsgericht hat noch nicht mal entschieden. Das wollen Sie gar nicht abwarten. Vorauseilender Gehorsam ist hier tatsächlich fehl am Platze.
Den Mitgliedern der interfraktionellen Arbeitsgruppe wurde vor den Kopf gestoßen. So versteht der Ministerpräsident also die Einbeziehung des Landtages. Dabei agieren er und die SPD-Fraktion so glaubwürdig und überzeugend wie ein Versicherungsvertreter,
der seinen Kunden empfiehlt, das Kleingedruckte lieber nicht zu lesen,
da es ja schlecht für die Augen sei. Lesen wir also mal das Kleingedruckte! Vom Februar 2009 stammt dieses Zitat des Ministerpräsidenten: „Mecklenburg-Vorpommern hätte eine Schuldenbremse nicht gebraucht. Wir betreiben schon seit vielen Jahren eine sehr solide Haushaltspolitik. Es ist wichtig, dass wir diese Finanzpolitik fortsetzen.“ Ende des Zitats. Recht hat er, kann ich da nur sagen. Das ist auch unsere Position.
Heute kann ihm eben die Einführung der Schuldenbremse nicht schnell genug gehen. Er argumentiert, das sei eine ganz wichtige Symbolik. Ihm sei wichtig, dass diese Überschrift in der Verfassung auftaucht, damit dann Landesgesetze und andere Dinge das untersetzen.
Auch nicht schlecht ist, Herr Ministerpräsident, im Juni 2009, diesmal im Bundesrat, übrigens auch in der von mir erwähnten Klageschrift nachzulesen, dort heißt es, ich darf zitieren: „Es gibt bereits erhebliche Bedenken gegen die Festlegung einer Schuldengrenze für die Länder im Grundgesetz. Das beschneidet die Kompetenz der Landesparlamente und ist deshalb verfassungsrechtlich bedenklich.“
„Noch wichtiger aber ist der Einwand: Es ist politisch sicherlich nicht die klügste Lösung; denn Konsolidierung gelingt nur aus eigener Einsicht und aus eigenem Antrieb, nicht als fremdbestimmter Eingriff.“
Können Sie sich erinnern, Herr Ministerpräsident?
Ich fürchte, nein. Ich fürchte, nein, denn heute haben Sie nichts Besseres zu tun, als den fremdbestimmten Eingriff so schnell wie nur möglich
in unsere Verfassung 1:1 hineinzuschreiben. Sie greifen dazu aus der Staatskanzlei heraus in die Rechte des Parlaments ein.
Meine Damen und Herren, auch die SPD-Fraktion hat eine sonderbare Wandlung vollzogen.
Im Juni 2009 …
Jaja.
Im Juni 2009 gab sie durch ihren von mir sehr geschätzten finanzpolitischen Sprecher Rudolf Borchert eine Presseerklärung ab. Der vielsagende Titel lautete: „Grundprinzipien der föderalen Ordnung werden durch Schuldenbremse in Frage gestellt“.
Darin heißt es unter anderem, Zitat: „Ich begrüße es sehr, dass Ministerpräsident Sellering heute im Bundesrat der Schuldenbremse nicht zugestimmt hat.“
Und weiter: „Es kann auch nicht angehen, dass durch eine Grundgesetzänderung das Budgetrecht des Landtages so massiv beschnitten wird, dass es für die Länder ab 2020 kaum noch politische Gestaltungsmöglichkeiten gibt. Jetzt gilt es, im Gespräch mit den demokratischen Fraktionen im Landtag... konstruktive Vorschläge zu entwickeln, wie das Budgetrecht des Parlaments gesichert, die geltenden Verschuldungsregelungen weiterentwickelt und die Basis für eine zukunftsorientierte Finanzpolitik gelegt werden kann.“ So weit der Abgeordnete Borchert von der SPD. Das war seine Aussage im Jahre 2009.
Genau.
Das war doch die Absicht, mit der Arbeitsgruppe diese Fragen zu beantworten und dann in einem demokratischen Konsens zu einem Ergebnis zu kommen und die Verfassung möglicherweise zu ändern. Heute heben Sie nicht die Köpfe, sondern Ihre Arme für die Schuldenbremse des Grundgesetzes und zugleich gehen einige Blicke beschämend zu Boden.
Meine Damen und Herren, wir haben ja schon von der „Goldenen Himbeere“ gesprochen. Das hat für die SPD nicht gereicht. Sie wissen, dass die „Goldene Himbeere“ im Zusammenhang mit dem „Oscar“ für die schlechteste schauspielerische Leistung verliehen wird. Ich meine, dieser Preis gebührt Ihnen, Herr Roolf.