Protocol of the Session on January 26, 2011

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 113. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 113., 114. und 115. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 113., 114. und 115. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.

Nach Paragraf 4 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung benenne ich für die 113., 114. und 115. Sitzung den Abgeordneten Udo Timm zum stellvertretenden Schriftführer.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Aktuelle Stunde. Die Fraktion der SPD hat gemäß unserer Geschäftsordnung eine Aktuelle Stunde zu dem Thema „Neue Schuldenregel: Nachhaltige Finanzpolitik in Mecklenburg-Vorpommern fortsetzen“ beantragt.

Aktuelle Stunde Neue Schuldenregel: Nachhaltige Finanzpolitik in Mecklenburg-Vorpommern fortsetzen

Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Rudolf Borchert für die Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Seit Mitte 2009 gilt die in Artikel 109 Absatz 3 des Grundgesetzes verankerte neue Schuldenregel. In diesem für Bund und Länder festgeschriebenen Grundsatz wird festgelegt, dass Haushalte grundsätzlich ohne Kreditaufnahmen auszugleichen sind. Abweichungen sind nur noch für eng gefasste Ausnahmen möglich. Bisher galt der Grundsatz – und so steht es auch heute noch im Artikel 65 unserer Landesverfassung –:

„Die Einnahmen aus Krediten dürfen die Summe der im Haushaltsplan veranschlagten Ausgaben für eigenfinanzierte Investitionen nicht überschreiten. Ausnahmen sind nur zulässig zur Abwehr einer ernsthaften und nachhaltigen Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts oder zur Überwindung einer schwerwiegenden Störung oder … Bedrohung der Wirtschafts- und Beschäftigungsentwicklung...“

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in den letzten Wochen waren in den Medien dann natürlich auch verschiedene Standpunkte nachzulesen: Brauchen wir eine Umsetzung der neuen Schuldenregel in Landesrecht, ja oder nein? Ich möchte hier klipp und klar für die SPD erklären, wir brauchen eine Umsetzung der neuen Schuldenregel in Landesrecht.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ach so?! Seit wann?– Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Haben wir nicht mal was dagegen. – Peter Ritter, DIE LINKE: Das war Dienstag.)

Dafür gibt es im Wesentlichen aus meiner Sicht vier Gründe:

Erstens. Die geltenden Verschuldungsregeln im Artikel 65, wie sie jetzt in der Landesverfassung stehen, waren in der Vergangenheit wenig wirkungsvoll.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Diese Einschätzung müssen wir ehrlicherweise gemeinsam vornehmen, egal, wer da in der Vergangenheit

regiert hat oder nicht in diesem Land. Inzwischen ist es auch so, dass das, was im Artikel 65 in der Landesverfassung steht, natürlich im eklatanten Widerspruch steht zu dem, was seit Mitte 2009 im Grundgesetz steht.

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Zweitens. Die Entscheidung über den Landeshaushalt muss auch zukünftig uneingeschränkt hier im Landtag getroffen werden, das heißt, das Budgetrecht des Landtages darf zukünftig nicht eingeschränkt werden. Deshalb brauchen wir auch eine selbstständige Schuldenregel in eigener Gesetzgebungszuständigkeit des Landes.

Drittens. In Satz 2 und Satz 5 des Absatzes 3 Artikel 109 Grundgesetz eröffnet das Grundgesetz den Ländern die Möglichkeit, Aufnahmeregelungen vorzusehen, und zwar im Rahmen ihrer verfassungsrechtlichen Kompetenzen. Falls wir davon bis 2020 keinen Gebrauch machen, droht uns ab 2020 das absolute Verschuldungsverbot, auch in Krisensituationen, ohne Ausnahmen.

(Udo Pastörs, NPD: Es gibt diese Republik so wie jetzt schon lange.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, insofern gibt es hier Handlungsbedarf.

Ich möchte aber auch deutlich sagen, dass wir nicht bis 2020 warten sollten und auch nicht dürfen, denn die Verankerung einer neuen Schuldenregel in der Landesverfassung und auch in der Landeshaushaltsordnung – darum geht es schließlich – ist eine sinnvolle, eine notwendige Klarstellung bisheriger und zukünftiger Politik. Es war bisher breiter demokratischer Konsens, sowohl unter Rot-Rot als auch unter Schwarz-Rot, dass wir den Landeshaushalt in wirtschaftlichen Normalzeiten ausgleichen ohne Kreditaufnahme. Eine erfolgreiche nachhaltige Finanzpolitik – sowohl unter Sigrid Keler und Heike Polzin,

(Udo Pastörs, NPD: Jawohl.)

sowohl unter Rot-Rot mit den finanzpolitischen Sprechern Rudolf Borchert und Angelika Gramkow und jetzt unter Schwarz-Rot mit Rudolf Borchert und Matthias Löttge bei den regierungstragenden Koalitionsfraktionen –, muss, wie ich finde, auch zukünftig klar und deutlich sowohl in der Verfassung als auch in der Landeshaushaltsordnung Regelungen treffen, damit klar ist: Wir werden auch zukünftig unseren Landeshaushalt ohne neue Kredite ausgleichen.

Insofern, glaube ich, ist weitgehend unstrittig, dass wir eine Umsetzung der neuen Schuldenregel in Landesrecht brauchen. Die spannende Frage ist natürlich, wie. Wie konkret setzt man das denn um in Landesrecht? Hier lohnt es sich, sich auch einmal andere Länder anzusehen.

Wie ist die Situation?

Die Verfassung hat bisher ein Land geändert, SchleswigHolstein. Dort gilt die neue Schuldenregel in der neuen Verfassung ab 01.01.2011.

Rheinland-Pfalz befindet sich im Gesetzgebungsverfahren für eine neue Schuldenregel in der Landesverfassung.

In Hessen wird es ganz spannend, nämlich am 27.03.2011 wird durch einen Bürgerentscheid das hessische Volk entscheiden über eine neue Schuldenregel in der Landesverfassung. Hessen ist eine Besonderheit. Dort wird das direkt vom Volk entschieden.

In vielen anderen Ländern, Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, hat man bereits die Landeshaushaltsordnungen verändert, um in dieser Art und Weise die Aufnahme von Krediten zu regeln.

Für mich gibt es für die Umsetzung der neuen Schuldenregel in Mecklenburg-Vorpommern insbesondere drei Zielsetzungen:

Als Erstes, das versteht sich von selbst, als Finanzpolitiker, ganz klar:

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Es muss gründlich, solide, fachlich fundiert umgesetzt werden.

(Udo Pastörs, NPD: Ja, ja.)

Dazu gehört natürlich auch, unmittelbar den Zusammenhang zwischen Verfassung und Landeshaushaltsordnung zu beachten.

(Udo Pastörs, NPD: Bla, bla, bla!)

In einem erstem Schritt, das will deutlich sagen, ist durchaus denkbar, zuerst die Verfassung zu ändern, und in einem zweiten Schritt dann die Landeshaushaltsordnung. Das muss natürlich aufeinander abgestimmt sein.

Und in dem Zusammenhang, glaube ich, ist es auch wichtig, eine demnächst anstehende Rechtsprechung mit im Blick zu haben, weil es in den nächsten Wochen – ich schätze mal, in Kürze – zur mündlichen Verhandlung beim Bundesverfassungsgericht kommt zur anhängigen Klage des Landtages Schleswig-Holstein, die sich ja nicht gegen die Neuverschuldung an sich richtet, sondern insbesondere gegen die Nichtbeachtung des Budgetrechtes der Landtage. Der Verfassungsbevollmächtigte des Landtages Schleswig-Holstein Professor Schneider hat fristgemäß die Klage vor dem 10. Oktober letzen Jahres eingereicht und, wie gesagt, dort erwarten wir mit Spannung in den nächsten Wochen die mündliche Verhandlung.

Ich möchte zum Zweiten als Zielsetzung für die Umsetzung einer neuen Schuldenregel in Mecklenburg-Vorpommern deutlich sagen, dass es natürlich in erster Linie darauf ankommt, deutlich zu machen: Wir werden zukünftig den Landeshaushalt ohne neue Kredite aufnehmen in wirtschaftlichen Normalzeiten. Allerdings müssen wir natürlich auch beachten – wie alle anderen Länder im Übrigen auch –, dass wir in Notsituationen, in Krisensituationen in der Wirtschaft, in nicht normalen Zeiten auch zukünftig die Möglichkeit haben müssen, in sehr beschränkten Ausnahmen und verbunden natürlich auch mit einem Tilgungsplan

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

dann eine Schuldenaufnahme zu ermöglichen.

Der Bund im Übrigen hat es für sich geregelt im Grundgesetz, erstaunlicherweise immerhin mit 0,35 Prozent des BIPs, also 8 bis 9 Milliarden. Für die Länder ist es so nicht vorgesehen, aber, wie gesagt, wir hätten die Möglichkeit, bis 2020 für den absoluten Ausnahmefall so etwas zu regeln. Und dass es Krisensituationen geben kann, das wissen wir hier im Hause. Ich erinnere an 2003, ich erinnere an 2009/2010. Insofern muss man wohl leider davon ausgehen, dass es solche Krisensituationen auch zukünftig geben kann, und auch dann gilt es, sowohl Kommunalfinanzen, Bildung, Soziales und Infrastrukturen natürlich entsprechend weiter finanzieren zu

können. Wir haben es übrigens gemacht 2003 mit einer Kreditaufnahme im Jahr von über 1 Milliarde Euro.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, als Letztes aus meiner Sicht ein wichtiges politisches Ziel, das wir gemeinsam haben müssten. Sicherlich geht es auch um eine Zweidrittelmehrheit, wenn man die Verfassung ändert. Das ist wohl wahr. Aber ich glaube, in dieser Grundsatzfrage, was die Zukunft unseres Landes betrifft, sollten wir alle gemeinsam ein Interesse daran haben, dass die Umsetzung der neuen Schuldenregel in Landesrecht möglichst getragen wird von einem breiten demokratischen Konsens.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das wäre zumindest mein persönlicher Wunsch und insofern bedanke ich mich für Ihre Aufmerksamkeit. – Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Vielen Dank, Herr Borchert.

Das Wort hat jetzt der Fraktionsvorsitzende der Fraktion DIE LINKE Herr Holter.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir führen eine Scheindebatte.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Nee.)