Protocol of the Session on July 16, 2009

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 74. Sitzung des Landtages. Die Landesregierung hat gemäß Paragraf 72 Absatz 4 unserer Geschäftsordnung die heutige Dringlichkeitssitzung verlangt. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet.

Die vorläufige Tagesordnung der 74. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird dieser Tagesordnung widersprochen? – Das sehe und höre ich nicht.

Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, möchte ich an dieser Stelle ganz herzlich unserem Kollegen Jörg Vierkant zu seinem heutigen Geburtstag gratulieren.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP – Gratulationen)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Fraktion der NPD hat einen Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 5/2701 zum Thema „Linksextreme Gewaltexzesse rigoros verurteilen“ vorgelegt. Wir werden diese Vorlage, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach Tagesordnungspunkt 1 aufrufen, das Wort zur Begründung dieses Dringlichkeitsantrages erteilen sowie die Abstimmung über deren Aufsetzung durchführen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung zukunftsfähiger Strukturen der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 5/2683, in Verbindung mit Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes über die Zuordnung von Aufgaben im Rahmen der Landkreisneuordnung, Drucksache 5/2684, in Verbindung mit Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Neugestaltung des Finanzausgleichsgesetzes und zur Änderung weiterer Gesetze, Drucksache 5/2685.

Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Schaffung zukunftsfähiger Strukturen der Landkreise und kreisfreien Städte des Landes Mecklenburg-Vorpommern (Kreisstrukturgesetz) (Erste Lesung) – Drucksache 5/2683 –

Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Gesetzes über die Zuordnung von Aufgaben im Rahmen der Landkreisneuordnung (Erste Lesung) – Drucksache 5/2684 –

Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Gesetzes zur Neugestaltung des Finanzausgleichsgesetzes und zur Änderung weiterer Gesetze (Erste Lesung) – Drucksache 5/2685 –

Das Wort hat zunächst der Ministerpräsident des Landes Mecklenburg-Vorpommern Herr Erwin Sellering.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung bringt heute die drei Gesetze zur

Verwaltungsreform in den Landtag ein. Diese Reform ist aus drei Gründen wichtig für unser Land:

Erstens wird Mecklenburg-Vorpommern künftig weniger Einwohner haben.

(Udo Pastörs, NPD: Toll, ne?!)

Zweitens werden wir künftig mit weniger Geld auskommen müssen.

(Udo Pastörs, NPD: Das ist ja noch schlimmer.)

Und drittens erwarten die Bürgerinnen und Bürger zu Recht, dass wir unsere Verwaltung so sparsam und effizient wie möglich organisieren.

(Irene Müller, DIE LINKE: Richtig. – Michael Andrejewski, NPD: Aber nicht unsichtbar.)

Aus diesen Gründen brauchen wir eine umfassende Verwaltungsreform.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Sie ist notwendig,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

um die Zukunft und die Eigenständigkeit MecklenburgVorpommerns zu sichern. Die Zahl der Einwohner in unserem Land ist seit der Wende um 300.000 gesunken.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Prognosen sagen, dass wir bis 2020 weitere 200.000 Einwohner weniger haben werden.

(Udo Pastörs, NPD: Toller Erfolg. – Zuruf von Angelika Peters, SPD)

Natürlich kann man mit einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik, wie wir sie in den letzten Jahren betrieben haben, mit mehr Familienfreundlichkeit, zum Beispiel im Sinne von „Kinderland M-V“, der demografischen Entwicklung entgegenwirken, aber aufhalten lässt sie sich nicht,

(allgemeine Unruhe – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

da müssen wir realistisch sein und Vorsorge treffen.

Einen Moment, Herr Ministerpräsident.

Meine sehr geehrten Herren von der Fraktion der NPD, der Ministerpräsident spricht zur Einbringung der Gesetze und ich bitte Sie, hier diffamierende Äußerungen zu unterlassen und sich zurückzuhalten. Sie haben nachher Gelegenheit, in der Debatte das Wort zu ergreifen.

(Unruhe bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Die heutigen Verwaltungsstrukturen stammen aus dem Jahr 1994, aus einer Zeit also, als diese demografische Entwicklung so nicht absehbar war.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, inzwischen haben wir deutlich schrumpfende Kreise, nehmen Sie das Beispiel des Uecker-Randow-Kreises.

Vielleicht, meine Damen und Herren, sollten sich die demokratischen Parteien darauf konzentrieren, den wichtigen sachlichen Teil dieses Gesetzes zu erörtern, und einfach die Fensterfraktion ignorieren.

(Udo Pastörs, NPD: Sie interessieren sich nicht dafür, was Sie sagen.)

Ich glaube, das wäre das Richtige in dieser wichtigen Frage.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

1994 – Beispiel Uecker-Randow – über 90.000 Einwohner, 2010 werden es 70.000 sein

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

und wir fürchten, es werden 60.000 sein im Jahre 2020. Es lässt sich also nicht darum herumreden. Wir brauchen Verwaltungsstrukturen, die dieser Bevölkerungsentwicklung Rechnung tragen. Wir brauchen Strukturen, die trotz dieser veränderten Bedingungen weiter gute Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger ermöglichen.

Meine Damen und Herren, für die Reform gibt es selbstverständlich auch finanzielle Zwänge, denn jeder Bürger weniger bedeutet für Land und Kommunen pro Jahr einen Verlust von 2.400 Euro an Zuweisungen. Hinzu kommt als weitere sehr schwerwiegende Verschlechterung, die Mittel aus dem Solidarpakt II werden bis Ende 2019 schrittweise vollständig abgebaut. Außerdem läuft die EU-Höchstförderung 2013 aus. Eine mögliche Anschlussförderung, um die wir noch kämpfen müssen, wird auf jeden Fall weit geringer sein.

Aus alledem folgt: Mecklenburg-Vorpommern wird künftig mit weit weniger Geld auskommen müssen als bisher und darauf müssen wir uns heute einstellen. Wir können uns keine Politik leisten, die dieser Entwicklung tatenlos zusieht.

Meine Damen und Herren, die Bürgerinnen und Bürger erwarten, dass wir ihre Steuergelder so klug und so sparsam wie möglich einsetzen.

(Udo Pastörs, NPD: Bei den Wadan-Werften zum Beispiel.)

Sie fordern zu Recht eine möglichst gute bürgernahe Verwaltung für möglichst wenig Geld. Sie wollen, dass wir ihre Steuergelder in erster Linie für die wirklich wichtigen Aufgaben einsetzen, für die wirtschaftliche Entwicklung und für Arbeitsplätze, für Bildung, für Familien und für Kinder. Deshalb führt an einer umfassenden Verwaltungsreform mit möglichst weitgehenden Einspareffekten kein Weg vorbei. Dass solche Einspareffekte mit der vorliegenden Reform erreicht werden, stellt niemand ernsthaft infrage. Bezweifelt wird die konkret errechnete Höhe von 40 bis 50 Millionen pro Jahr, ohne allerdings da substanziiert und im Einzelnen vorzutragen. Klar ist, wir haben Reformbedarf und die Landesregierung handelt.

Meine Damen und Herren, wir legen Ihnen heute die Gesetzentwürfe zu den drei Bestandteilen der Verwaltungsreform zur Beratung vor: Kreisgebietsreform, Aufgabenübertragung, Neuordnung des kommunalen Finanzausgleichs. Die Gesetzentwürfe folgen dem hier vom Landtag beschlossenen Leitbild. Sie berücksichtigen die Vorgaben aus dem Urteil des Landesverfassungsgerichts und sie sind das Ergebnis der umfangreichen Anhörungen und der daraus resultierenden Abwägungsprozesse. Dass die Entwürfe nicht intensiv, nicht umfassend diskutiert und abgewogen worden seien, das kann uns wohl niemand vorwerfen. Der Innenminister wird gleich noch ausführlich darauf eingehen. Die jetzt vorliegenden Entwürfe zur Verwaltungsmodernisierung sind das Ergebnis einer langen sorgfältigen

Arbeit, an der viele beteiligt waren. Ich möchte mich bei allen bedanken, die mitgewirkt haben, ganz besonders natürlich beim zuständigen Innenminister.

(Udo Pastörs, NPD: Auch das noch!)

Was den Gesetzgebungsprozess hier im Landtag angeht, war mir sehr wichtig, dass wir alle drei Bestandteile, Kreisgebietsreform, Funktionalreform und FAG, zeitgleich einbringen. Das war die Bitte vieler Abgeordneter, aber auch von Vertretern der Kommunalpolitik, dass man hier im Landtag über das Gesamtpaket beraten kann. Dazu war in den letzten Wochen und Monaten eine große Kraftanstrengung notwendig. Ich möchte mich bei allen bedanken, die das möglich gemacht haben.

Meine Damen und Herren, ich bin überzeugt, das ist ein gutes Reformpaket. Ich sage das, auch wenn ich weiß, bei einer Reform dieser Größenordnung kann man es niemals allen recht machen.