Antje Kapek
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Last Statements
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! – Mir wird angezeigt, meine Redezeit sei zu Ende.
Das wäre ein bisschen sehr schnell.
Der 20. Juni 1991 war mit Sicherheit ein historischer Tag, und zwar nicht nur für Berlin, sondern für ganz Deutschland. Ich finde, heute, 25 Jahre später, können wir sagen: Die Entscheidung, Berlin zur Bundeshauptstadt zu machen, war die absolut richtige Entscheidung, und das war vor allem ein wichtiger Schritt, um die deutsche Einheit zu vollziehen. Das erkannte vor 25 Jahren auch Wolfgang Schäuble, der uns in seiner beeindruckenden Rede damals schon deutlich machte, dass Berlin das Symbol für Einheit und Freiheit ist, dass damit aber auch die Überwindung der Teilung Europas einhergeht. Man kann von Wolfgang Schäuble halten, was man mag, seine Griechenlandpolitik wird mit Sicherheit keinen Anlass zum Lob geben, aber die Verdienste, die er für Berlin erlangt hat, alles das, was er für Berlin getan hat, auch gerade an diesem 20. Juni 1991, rechtfertigen, dass er nun die Ehrenbürgerwürde des Landes Berlin verliehen bekommt.
Berlin hat als Hauptstadt dieser Republik gutgetan, und diese Republik hat auch Berlin gutgetan. Deutschland genießt heute wieder internationales Ansehen, und ich bin überzeugt davon, dass Berlin gerade auch als weltoffene, quirlige und internationale Stadt dazu beigetragen hat. Aber, das muss man den Rheinländern sagen, es wird immer auch ein Stück Bonn in unserer Republik stecken. Das alleine rechtfertigt aber nicht, dass 25 Jahre nach der Hauptstadtentscheidung immer noch sechs Bundesministerien in der Rheinstadt verbleiben. Diese Doppelstruk
tur kostet uns jährlich Millionen und ist vor allem das Gegenteil einer effizienten Bundesverwaltung. Deshalb, glaube ich, ist es Zeit, diesen Umzug nach Berlin endlich zu vollenden. Das ist der einzig richtige und konsequente Schritt, der die Gegebenheiten an die politische Realität anpasst.
Berlin hat von diesem Umzug in den letzten 25 Jahren enorm profitiert. Wir wurden wieder zur Metropole, vor allem aber sind wir in der ganzen Welt ein Symbol für Freiheit und dafür, dass jede Mauer irgendwann einmal fallen kann. Die Frage aber, was für eine besondere Rolle und Aufgabe Berlin als Hauptstadt eines vereinten Deutschlands und Europas bekommt, ist bis heute leider ungeklärt. Berlin ist zwar unbestritten das Synonym für ein wiedervereinigtes Deutschland, die Hauptstadtrolle aber, die Frage also, wie wir unsere Nation hier eigentlich repräsentieren, ist nicht nur in Deutschland, sondern auch innerhalb Berlins umstritten. Darum heißt es so schön: Andere Länder haben eine Hauptstadt, wir haben eine Hauptstadtfrage. – Wir finden, dass es höchste Zeit ist, diese endlich einmal zu klären.
Genau vor diesem Hintergrund gibt es einige, die die Debatte über das sogenannte Berlin-Gesetz vorantreiben. Obwohl vor zehn Jahren das Grundgesetz in Artikel 22 dahin gehend geändert wurde, dass die Bundesrepublik die Verantwortung für die Bundesrepräsentanz trägt, ist das Bundesgesetz, das Näheres regeln soll, bis heute nicht auf den Weg gebracht worden. Lieber Herr Regierender Bürgermeister! Bevor wir Gesetze fordern, sollten wir vielleicht erst einmal klären, was in einem solchen Gesetz enthalten sein soll. Die Fragen, was eine gesamtstaatliche Repräsentanz ist, wie diese wirklich ausgefüllt werden kann, wer welche Aufgaben übernimmt und wer sie im nächsten Schritt finanziert, müssen geklärt werden, bevor wir uns auf so ein starres Gefüge wie ein Bundesgesetz verständigen. Deshalb sollte die Diskussion erst einmal geführt werden, bevor wir das Berlin-Gesetz gar in die Berliner Verfassung schreiben.
Es wäre deutlich besser, sich dieser Tage auf die Verhandlungen über einen Hauptstadtfinanzierungsvertrag zu konzentrieren. Gestern im Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten, Medien konnte der Senat keine Antwort darauf geben, wo sich derzeit die diesbezüglichen Verhandlungen befinden. Obwohl nur 24 Stunden später eine Regierungserklärung zu genau diesem Thema angekündigt war, gab es leider keine Antwort. Wenn der Senat sich ähnlich gut auf die Verhandlungen mit dem Bund vorbereitet, na dann – Halleluja!
Dafür, dass in der Vergangenheit schlecht verhandelt wurde, spricht allein der Bereich der hauptstadtbedingten
(Präsident Ralf Wieland)
Sicherheitsaufwendungen. Sie haben es selbst erwähnt: Derzeit werden jedes Jahr mehr als 120 Millionen Euro für die Sicherheit der Hauptstadt ausgegeben. Der Bund bezahlt gerade einmal 60 Millionen Euro. Das bedeutet, dass das Geld – erstens – bei Weitem nicht ausreicht und diese Situation – zweitens – vor allem auf dem Rücken der Polizistinnen und Polizisten ausgetragen wird, die weit über ihr Limit leisten und belastet werden. Das wird auch auf dem Rücken der Außenbezirke ausgetragen, für die dann nicht mehr genug Kapazitäten zur Erbringung der Sicherheit bestehen. Der Senat hat den letzten Hauptstadtvertrag schlecht verhandelt, sodass in der Folge 60 Millionen Euro von den Berlinerinnen und Berlinern gezahlt werden, um Botschaften, Staatsbesuche und Ministerien für den Bund zu beschützen. Das heißt aber auch, dass für die Bürgerinnen und Bürger in Nikolassee, Mahlow, Köpenick und Wilmersdorf nicht mehr genug Geld übrig bleibt, damit auch mal ein Kiezpolizist vorbeischaut, es sei denn, man wohnt zufällig in der Rigaer Straße.
Der Senat muss deshalb bei den Verhandlungen, die derzeit zum neuen Hauptstadtvertrag ab 2018 laufen, auf höhere Zuschüsse drängen und diese sodann dringend in mehr Personal investieren.
Wie distanziert und teilweise unproduktiv das Verhältnis zwischen Bund und Berliner Senat ist, wird in keinem anderen Bereich so gut deutlich wie im Bereich der Kulturpolitik. Wenn die Rolle einer Hauptstadt in erster Linie in der Repräsentation der Gesamtstaatlichkeit besteht, geht dies maßgeblich über die Frage der kulturellen Identität eines Landes. Demnach ist es auch absolut folgerichtig, dass der Bund sich mit rd. 400 Millionen Euro pro Jahr an den kulturellen Einrichtungen und Projekten der Bundeshauptstadt beteiligt. Aber auch nach 25 Jahren ist nicht zu Ende ausverhandelt, wofür der Bund in Berlin eigentlich konkret zuständig ist. Das zeigt sich u. a. auch am Eiertanz um den Hauptstadtkulturvertrag. Das zeigt sich aber auch an dem Umgang untereinander und miteinander. Nur mal ein Beispiel: Allein die Tatsache, dass der Bund sich an der Sanierung des Martin-Gropius-Baus und des Hauses der Berliner Festspielen beteiligt hat, es der Kultursenator dann aber nicht einmal für nötig gehalten hat, zur Eröffnung zu erscheinen, hat beim Bund zu Recht für große Verärgerung geführt.
Dabei haben wir große Baustellen – allein das HumboldtForum, das Bauhaus-Archiv oder das Museum der Moderne am Kulturforum. Dennoch ist die Hauptstadtkulturpolitik oft von Unstimmigkeiten gekennzeichnet. Ich gehöre nicht zu denen, die sagen, wir müssen hier als Bittsteller gegenüber dem Bund auftreten. Ein gegenseitiger Respekt ist hingegen schon eine wichtige Grundlage und Snobismus, wie er so manches Mal in der Vergangenheit geherrscht hat, sicherlich unangemessen. Deshalb müssen wir auch mit dem Eiertanz rund um das Hum
boldt-Forum aufhören. Wenn wir verhindern wollen, dass das Berliner Stadtschloss demnächst zu einem einzigen Palast für Touristen verkommt, müssen wir jetzt die Zeit nutzen und mit der Stadtgesellschaft in einen Dialog darüber eintreten, wie auch das Humboldt-Forum künftig ein kulturell attraktiver Ort werden kann, und zwar für die ganze Stadt, für alle Berlinerinnen und Berliner und die Besucher, die in unsere Stadt kommen.
Durch den Hauptstadtstatus bekam Berlin ohne Frage ein Flair, das weltweit eine magische Wirkung entfacht hat und Menschen aus allen Himmelsrichtungen anzieht. Darunter sind viele junge Menschen, hoch qualifizierte und kreative. Hierdurch ist Berlin in den letzten Jahren zu einer Art Labor für gesellschaftliche Entwicklung weit über die eigenen Grenzen hinaus gereift. Das ist nicht nur wunderbar, das ist ein großer Schatz. Dieser muss aber politisch gelenkt und gesteuert werden. Ja, Berlin war schon immer eine Einwanderungsstadt. Das heißt aber auch, dass gebürtige Berliner wie ich in der Minderheit sind. Das ist zum einen eine große Herausforderung, zum anderen aber zugleich auch eine riesengroße Chance, gerade für eine Hauptstadt. So schwierig es vielleicht ist, bei einer weniger ausgeprägten Verwurzelung der Einwohner eine gemeinsame Identitätsbildung zu entwickeln, so ist es für eine Hauptstadt doch gleichzeitig eine herausragende Chance, denn genau dadurch kann Berlin zum Spiegel Deutschlands und der Welt werden.
Hauptstädte sollen im Allgemeinen ihr Land repräsentieren. Sie sollten Identifikationspunkt sein, Schaufenster, Visitenkarte; ein Ort, an dem sich auch die unterschiedlichen kulturellen und regionalen Besonderheiten des Landes erleben lassen und sichtbar werden. Deshalb sollte, was in Deutschland an Herausragendem entwickelt wird, in Berlin repräsentiert werden. Was in Berlin entsteht, sollte nach unserer Auffassung sowieso und grundsätzlich die Visitenkarte „Zukunft“ tragen. Damit wird Berlin nicht nur endlich eine echte Hauptstadt, sondern vor allem ein Aushängeschild für unsere Nation und eines von internationaler Beachtung.
Damit das gelingt, muss nicht nur Berlin mit dem Bund einen gemeinsamen Weg beschreiten, vielmehr müssen wir endlich auch in einen richtigen, vielleicht auch harten Dialog mit den anderen 15 Bundesländern zu der Frage eintreten, was sie sich eigentlich von einer Hauptstadt Berlin wünschen und was sie zugleich bereit sind, dafür zu tun.
Berlin als Hauptstadt sollte Vorbild, sie sollte Vorreiterin sein. Sie sollte progressiv sein und vor allem deutlich machen, was geht. Eine Hauptstadt zu sein bedeutet auch, die damit einhergehende Verantwortung zu tragen. In den letzten 25 Jahren hat sich viel verändert. Leider wurde Berlin in diesem Zusammenhang an vielen Stellen auch
kaputtgespart. Der Preis, den wir dafür zahlen, ist hoch. Allein das BER-Debakel
oder die Tatsache, dass viele in dieser Stadt es für möglich halten, dass die Wahlen im September nicht regulär durchgeführt werden können, ist ein Symbol eines enormen Verlustes des Vertrauens in die Regierung, der uns allen schadet.
Gleichzeitig hat Berlin eine sehr aktive Bevölkerung, die Lust hat, die Stadt mitzugestalten und Politik mitzumachen. Diese Bevölkerung wird in Berlin bisweilen aber nicht als Partner für eine Zukunft gesehen, sondern sie wird systematisch seit Jahren bekämpft.
Wir wollen, dass Berlin als Hauptstadt Vorbild für städtische Entwicklung wird: im Bereich einer ökologischen Transformation, über eine alternative und moderne Mobilität, bis hin zu bezahlbaren Wohnkonzepten. Aber auch hier hinkt Berlin anderen Städten leider hinterher. Ich muss nur die Stichworte Bürgerämter, Schulbauten und Straßenzustand nennen.
Das aber wohl beschämendste Beispiel für das Versagen Berlins als Vorbild für die Nation ist die monatelange Katastrophe am LAGeSo. Während andere Länder wie Bayern, die sich nicht einmal darum beworben haben, Hunderttausende Menschen aufgenommen und registriert haben, mussten die Menschen in Berlin in der Kälte stehen und frieren und waren monatelang im Ungewissen. Das Problem, das daraus entsteht, ist nicht nur, dass wir abschreckendes Beispiel statt Vorbild sind, sondern dass wir all denjenigen, die eine sogenannte WashingtonLösung favorisieren, Futter geben, denen, die wollen, dass Berlin nicht mehr selbstverwaltet, sondern vom Bund gesteuert wird. Da müssen wir alle Einigkeit haben. Das wollen wir nicht hinnehmen. Berlin muss weiterhin souverän und selbstbestimmt sein.
Gerade jetzt erlebt Berlin wahnsinnig viele Umbrüche. Man kann noch einmal auf die Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts verweisen. Auch damals stand diese Stadt vor vielen Umbrüchen. Damals ist es aber gelungen, große Würfe zu produzieren: der S-Bahnring ist entstanden, Gartenstädte – Le Corbusier – und andere große Entwicklungen. Das heißt aber, dass wir einer Politik, die quirlig und bunt ist, mutige Antworten entgegenstellen müssen. Das heißt, dass wir Berlin heute zur grünsten Metropole Europas machen müssen, zur Hauptstadt für moderne Mobilität, zur Energiewendehauptstadt. Vor allem müssen wir Berlin weiterhin so weltoffen und frei erhalten, dass hier jeder leben kann, wie er oder sie es will. Genau für diese Offenheit und Vielfalt steht Berlin auch heute. Das macht uns aus. Deshalb ist Berlin nicht nur Bundeshauptstadt. Berlin ist auch Hauptstadt der Homos. Gerade in Zeiten wie dem schrecklichen An
schlag in Orlando ist es auch gut so und sollte von uns betont werden.
Berlin hat eine große Geschichte hinter sich. Ich bin überzeugt davon, dass Berlin auch eine große Zukunft vor sich hat. Wer aber die Champions League anführen will, der darf nicht stetig im Hinterhof trainieren.
Deshalb, lieber Herr Müller, heißt Demokratie eben auch, dass man es mal ertragen muss, wenn Probleme angesprochen werden.
Der Anspruch einer neuen Berliner Regierung muss es deshalb sein, Berlin wieder gemeinsam an die Spitze der Bewegung zu setzen. Ich bin überzeugt davon: Eine pulsierende Hauptstadt braucht auch pulsierende Politik.
Vielen Dank! – Ein Volksbegehren gibt es nicht, weil man mit dem Status quo zufrieden ist, sondern weil man für die Zukunft etwas verändern will. Wir als Grüne wollen, dass Berlin Fahrradhauptstadt wird.
Ich frage Sie deshalb, Herr Senator, möchten Sie das gemeinsam mit uns?
[Oh! und Zurufe von der SPD, den GRÜNEN, der LINKEN und den PIRATEN – Allgemeine Heiterkeit – Senator Mario Czaja: Willst du mit mir geh‘n? – Steffen Zillich (LINKE): Nicht nur schnell dahinsagen, gut überlegen! – Senator Mario Czaja: Drum prüfe, wer sich ewig bindet!]
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Seit Anfang 2015 bis heute sind knapp 93 000 Geflüchtete in Berlin angekommen. Davon leben heute ca. 15 000 in Gemeinschaftsunterkünften, und obwohl die Zahl der Neuankömmlinge in den letzten Monaten stagniert bzw. sich auf ein Minimum reduziert hat, leben immerhin noch ganze 25 000 Menschen in Notunterkünften und davon knapp 8 000 in Turnhallen. Es sind also insgesamt 40 000 Geflüchtete, die in Berlin dringend neuen und angemessenen Wohnraum brauchen. Rechnet man das zusammen, so erkennt man sehr schnell, dass die von Ihnen geplanten 69 Standorte für Container oder Modulare Unterkünfte für Geflüchtete – kurz MUFs – mitnichten für all die heute in Berlin lebenden Geflüchteten ausreichen werden, ganz zu schweigen von denen, die noch dazukommen werden.
Zu Beginn der Debatte, im August 2015, hieß es: Jetzt muss alles ganz schnell, schnell gehen. – Das haben wir aus den richtigen Gründen auch mit unterstützt. Seit Beginn der Diskussion sind allerdings mehr als zehn Monate vergangen, und es gibt bis heute keine endgültige Liste mit Standorten für Unterkünfte oder Container. Erst in der letzten Woche wurden wieder drei Standorte gestrichen, und so geht das bereits seit Monaten. Der einzige Grund hierfür ist die Uneinigkeit in der Koalition und das mit teilweise zweifelhaften Motiven. Bis heute ist also kein einziger Spatenstich für ein MUF getätigt, und seit August wurde kein einziger neuer Container aufgestellt. Es ist auch nicht klar, wann das endlich erfolgen soll, denn es gibt bis heute keinen konkreten Zeitplan. Deshalb fordere ich Sie auf – auch hiermit: Legen Sie eine solchen bitte endlich vor!
Es wurde also nicht nur viel Zeit für nichts verschwendet, man hätte diese Zeit vor allem deutlich besser nutzen können, und zwar nicht nur durch effizienteres politisches Handeln, sondern vor allem durch die Umsetzung günstigerer, schnellerer und nachhaltigerer Konzepte. Aber der Senat verteuert das Ganze sogar noch, denn es gibt kein Bauprojekt, das sich verzögert und gleichzeitig im Kostenrahmen bleibt. Vor einigen Monaten war noch die
Rede von 35 000 Euro pro Platz in einer Gemeinschaftsunterkunft. Inzwischen – gestern im Hauptausschuss wurde es leider wieder einmal vertagt – redet man von 18,95 Millionen Euro für 540 Plätze. Das heißt, 42 000 Euro pro Platz.
Herr Goiny hat vorhin die Rede zum Rechnungshofbericht gehalten und behauptet, jetzt wäre alles im Kostenrahmen. Das ist an dieser Stelle widerlegt. Für diesen stolzen Betrag könnte man aber gleichzeitig sehr wohl regulären Wohnungsbau betreiben. Das wäre nicht nur im Allgemeinen der bessere Ansatz, sondern würde nicht nur Geflüchteten helfen, sondern eine echte Entlastung für den angespannten Wohnungsmarkt in Berlin insgesamt darstellen.
Wie wir alle wissen: Nichts ist so dauerhaft wie ein Provisorium. Das heißt, wenn ich Provisorien plane oder aufstelle, dann sollten sie wenigstens fit für die Zukunft sein. Deshalb setzen wir auch mit unserem Antrag ganz klar auf kleinere, auf dezentrale und vor allem auf gut angebundene Standorte und diese nach Möglichkeit auch in alternativer Bauweise, sprich: der Holzmodulbauweise. Denn Holzmodule sind tatsächlich in wenigen Wochen bzw. Monaten fertigzubauen. Sie sind deutlich günstiger in den Kosten. Sie können von der lokalen Wirtschaft entwickelt werden, und vor allem sind sie wieder abbaubar bzw. können aufgerüstet werden. Nur mal zum Vergleich: Ein Container kostet pro Tag ungefähr zehnmal so viel wie ein Holz-MUF.
Wir müssen auch nicht das Rad neu erfinden. In Rheinland-Pfalz wurden Prototypen entwickelt, die von lokalen Schreinereien nachgebaut werden können. Die kosten sehr wenig Geld und sorgen vor allem dafür, dass die Wertschöpfung im eigenen Bundesland bleibt.
Das zusammen mit einer Wiederbelebung des Baulückenmanagements würde garantieren, dass wir in der Bauwirtschaft keine Engpässe mehr haben, dass wir keine Lieferschwierigkeiten mehr haben und dass wir statt der Neubaudebatte vor allem auf Aufstockung, Anbau und Erweiterung setzen. Zudem hätten wir – auch das war heute schon mehrfach Thema – eine gerechtere Verteilung über die Bezirke und Stadteile.
Uns geht es nicht nur um die Gebäude als solche, sondern es geht uns überhaupt um eine Idee der Stadtentwicklung. Wir sagen deshalb: Wir brauchen nicht nur nachhaltige und alternative Gebäudetypen oder regulären Wohnungsbau für Flüchtlinge, sondern wir brauchen eine Quartiersentwicklung nach Tübinger Modell. Es sollten mit der Baugenehmigung sofort auch die städtebaulichen Wettbewerbe für die Quartiersentwicklung in Auftrag gegeben werden. Die Schaffung von menschenwürdigen Unterkünften ist die Basis und der erste Schritt für eine ge
(Vizepräsidentin Anja Schillhaneck)
lungene Integration. Deshalb wünschen wir uns von Ihnen auch die Unterstützung für unseren Ansatz einer Willkommensarchitektur. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Familienfreundliches Berlin“ könnte wahrscheinlich auf jedem Wahlplakat jeder x-beliebigen Partei stehen.
Es ist ein Ziel, das wir alle grundsätzlich teilen, die entscheidende Frage ist nur: Wie definiere ich familienfreundlich eigentlich? – Man kann das so tun, wie Herr Eggert gerade,
aber wir haben grundsätzlich ein breiteres Verständnis von dem Begriff „Familie“ und davon, was Familien guttun würde.
Ein familienfreundliches Berlin, das beginnt bei zuverlässigen, ausreichenden und flexiblen Betreuungsangeboten für Kinder und Jugendliche. Das beinhaltet aber auch flexible Arbeitszeitmodelle und eine entsprechende Arbeitsmarktpolitik.
(Björn Eggert)
Denn Familie heißt nicht nur lernen und arbeiten, Familie heißt auch Zeit füreinander zu haben, die man miteinander verbringen kann, und dafür muss Politik den Raum schaffen.
Ein stressfreies Leben für alle ist, glaube ich, ein Ziel, das Sie alle mitunterschreiben.
Dazu gehören Chancengerechtigkeit und Teilhabe von Anfang an. Bildung – da sind Sie sicherlich auch mit mir eins – ist dafür der Schlüssel. Leider, liebe Kollegen von der SPD, hängt in Berlin der Bildungserfolg unserer Kinder bis heute viel zu stark vom Elternhaus ab.
Es gibt auch immer noch viel zu viele junge Menschen, die Berliner Schulen ohne einen Abschluss verlassen.
Wir wollen deshalb, dass jedes Kind so gefördert wird, dass es seine Potenziale frei entfalten kann, und zwar unabhängig von seiner Herkunft und seinem sozialen Hintergrund. Davon sind wir in Berlin leider meilenweit entfernt, und daran hat Frau Scheeres in den letzten fünf Jahren nichts geändert.
Denn noch immer – und das ist wirklich kein Thema zum Lachen – lebt in Berlin jedes dritte Kind in Armut. Berlin nimmt den Spitzenplatz beim Thema Kinderarmut ein. Jedes dritte Kind lebt von Sozialleistungen, das muss man erst einmal auf sich wirken lassen! Die Folgen für diese Kinder sind, dass sie von Anfang an von Teilhabe und Aufstiegschancen abgeschnitten sind. Selbst die Zahl der wohnungslosen Familien mit Kindern steigt ständig weiter an. Ich bekomme eine Gänsehaut bei dem Gedanken, dass Kinder auf der Straße stehen. In was für einer Stadt leben wir, wenn Tausende von Kindern von Wohnungslosigkeit betroffen oder zumindest gefährdet sind? Dafür müssen wir uns allesamt schämen, und solange auch nur eine einzige Familie mit Kindern auf der Straße sitzt, können wir wohl kaum von einem familienfreundlichen Berlin sprechen.
Deshalb wäre es doch das Mindeste, dass das Land Berlin bei Familien Zwangsräumungen aussetzt bzw. Vermieter zu einer entsprechenden Prüfung zwingt. Gar nicht erst so weit kommen würde es, wenn es die entsprechende aufsuchende Hilfe, eine bessere Schuldnerberatung und Hilfesysteme gäbe, die Familien dabei unterstützen, dass sie gar nicht erst in diese Situation kommen. Das ist in allen anderen Städten Deutschlands Standard, nur die
Bundeshauptstadt Berlin gibt sich hier die Blöße, und das muss sich ändern!
Vor besonderen Problemen stehen in Berlin Alleinerziehende. Allein in Berlin leben 150 000 von ihnen, 90 Prozent davon sind Frauen. Vielen von ihnen gelingt es trotz aller Anstrengungen nicht, aus der Armut herauszukommen. Diesen Familien muss niemand erklären, wie wichtig Bildung ist. Dazu gehört nicht nur die Betreuung in Kindertagesstätten oder im Hort, dazu gehört auch der Zugang zu Familienzentren und anderen Angeboten wie den Stadtteilmüttern. Wir setzen uns deshalb für eine gerechte Familienförderung ein. Das heißt: Weg vom Ehegattensplitting, hin zu einer Unterstützung für Familien, in denen Kinder leben.
Außerdem wollen wir, dass auch Alleinerziehende eine Wohnung in ihrem vertrauten Viertel bezahlen können. Gerade Alleinerziehende benötigen neben der sozialen auch die materielle Sicherheit, um trotz zum Teil schwieriger Lebensumstände ein gutes Leben führen zu können. Deshalb wollen wir im Bund eine Kindergrundsicherung einführen.
Der Senat will Alleinerziehenden jetzt 50 Euro mehr für Kinder bis 12 Jahre und Coaching-Projekte zuteilwerden lassen. – Liebe Frau Scheeres! Wenn Sie wirklich etwas für Familien tun wollen, dann bringen Sie doch endlich eine Bundesratsinitiative auf den Weg, die die Kindergrundsicherung voranbringt, die zeitlichen Beschränkungen beim Unterhaltsvorschuss aufhebt und eine verlässliche Kinderbetreuung garantiert! Das wäre einmal eine echte Hilfe und mehr als Ihre sonst übliche Modellprojekteritis.
Genau daran krankt Ihre Politik nämlich: Sie machen erstens keine ordentliche Bestandsaufnahme dessen, was die sozialen Probleme von Familien sind, und wenn Sie dann doch zufällig mal eins erkennen, dann gibt es ein Modellprojekt.
Sie haben sich als Koalition die Bekämpfung der Kinderarmut in den Koalitionsvertrag geschrieben – passiert ist nichts. Selbst die Arbeitsgruppen, die ein Kinderarmutsbekämpfungskonzept erarbeiten sollten, haben Sie gestoppt. Die Leute, die echt viel Zeit und Engagement da hineingesteckt haben, sind zu Recht stinksauer. Was wir aber zur Bekämpfung von Kinderarmut brauchen, ist endlich die Einführung eines Netzwerks gegen Kinderarmut, das vor allem alle relevanten Institutionen zusammenbringt, sie mit dem entsprechenden Budget, dem Personal und den entsprechenden Kompetenzen ausstattet.
Auch sonst ist die Bilanz der Familienpolitik in den letzten fünf Jahren eher schlecht: Die Bearbeitung des Elterngelds dauert zu lange und treibt viele Familien, zumindest zeitweise, in die Schulden. Die Jugendämter klagen bereits seit Langem, dass ihnen das Personal für einen ordentlichen Kinderschutz stadtweit fehlt. Es fehlen mehr als 20 000 Kitaplätze; vom Betreuungsschlüssel wollen wir gar nicht mehr reden. Gut, Sie wollen jetzt eine Verbesserung. Aber die Realität nach fünf Jahren ist immer noch, dass in vielen Gruppen 13 Kinder von einer Person betreut werden. Dass da der eine oder andere Unfall vorprogrammiert ist, muss ich Ihnen nicht erzählen – ganz zu schweigen vom typischen Fachkräftemangel.
Ich wollte das nicht sagen, Herr Oberg, aber ganz ehrlich: In meiner Kita ist das Realität. Das ist kein Quatsch! Das ist einfach die Tatsache, die in dieser Stadt überall tägliche Realität ist.
Nein! – Und die Tatsache, dass die Schulen immer noch verrotten, dass es einen Fachkräftemangel bei den Grundschullehrern gibt, muss ich Ihnen nicht ausführen. Die GEW steht heute auf der Straße und streikt, und das zu Recht!
Zur Familie gehören nicht nur Kinder: Ob Mama-MamaKind, Papa-Papa-Kind oder eine andere Patchworkkombination –
Familie sind auch Menschen mit pflegebedürftigen Angehörigen. Auch da muss man sagen: Lieber Senat! Sie haben nichts dafür getan, um dem Pflegekräftemangel oder gar dem drohenden Pflegenotstand, auf den Berlin zusteuert, entgegenzuwirken. Genau das brauchen wir aber, um die Familien da zu entlasten.
Das sind keine Behauptungen! – Auch hier kann ich sagen: Mein Vater ist zufällig Pflegedienstleiter. Er erzählt mir täglich, wie schwierig es ist, Pflegekräfte zu bekommen. Hören Sie sich mal in der Branche um! Als Thema hatten wir das oft genug. – Auch das ist Familie. Es ist Familienrealität, dass man die Pflegedienste nicht mehr in Anspruch nehmen kann und deshalb die Angehö
rigen zu Hause pflegen muss. Das ist auch Realität, und das gehört eben auch zum Thema Familien- und Sozialpolitik!
Ich komme jetzt gar nicht auf die Punkte zu sprechen, dass wir mehr Spiel- und Freiflächen usw. brauchen. Aber ein Thema gehört, finde ich, schon noch zum Thema Familienfreundlichkeit: das Thema Barrierefreiheit. Es sind nicht alle so jung und fit wie wir 149 Menschen plus Senat, sondern es gibt eben die sehr Kleinen, es gibt Ältere, und es gibt Menschen, die mobilitätsbeschränkt sind. Für die brauchen wir endlich Lösungen, damit Berlin barrierefrei wird. – Herr Geisel! Nehmen Sie sich das für die Bauordnung noch ein bisschen stärker zu Herzen!
Nein! – Jetzt wird Frau Scheeres gleich erzählen, wie wunderbar alles läuft, und ganz besonders wird sie sich dafür loben, dass die Ganztagsbetreuung in den Schulen super ist. Sie wird dabei unterschlagen, dass das vor allem für den gebundenen Ganztagsbetrieb gilt, der gerade mal 15 Prozent ausmacht. Die 85 Prozent im offenen Ganztagsbetrieb leiden aber weiterhin darunter, dass Horte vollgestopft sind, dass das Personal nicht ausreicht, dass vor allem die Räumlichkeiten fehlen und – was eigentlich geradezu hanebüchen ist – die Betreuung oft nur bis 16 Uhr oder nicht einmal das stattfindet. Wenn Sie hier etwas ändern wollen, wenn Sie sich wirklich loben wollen, dann nutzen Sie die nächsten Monate und schaffen Sie die Bedarfsprüfung ab! Garantieren Sie vor allem auch im offenen Ganztagsbetrieb eine Betreuung bis mindestens 16 Uhr!
Ich komme zum Schluss: Aktuell leben in Berlin 400 000 Familien, Tendenz steigend. Deshalb müssen nicht nur Berlin insgesamt und die Verwaltung familienfreundlicher werden, sondern die Bilanz der letzten fünf Jahre zeigt uns: Es ist noch wahnsinnig viel zu tun. Wir werden deshalb dafür kämpfen, dass sich Berlin so entwickelt, dass Familien in Berlin endlich stressfrei lernen und leben können, und dafür haben wir ein ganz hervorragendes Programm. – Vielen Dank!
Dem kann ich mich nur anschließen! Wahrscheinlich hat man Narrenfreiheit, wenn man quasi auf dem Absprung steht.
[Beifall bei den GRÜNEN) Ich verstehe das sogar, wenn man nicht reden darf, dass man noch einmal voll ausholt. Aber, Herr Oberg, es hat bei Ihnen ein bisschen System, wenn Fraktionsvorsitzen- de von den Grünen reden, [Torsten Schneider (SPD): Reden Sie mal zur Sache!]
dass Sie sich dann besonders an ihnen abarbeiten müssen.
Zu Frau Burkert-Eulitz: Erstens hat sie weite Teile fachpolitisch geschrieben,
zweitens ist sie bei der Beerdigung – –
Wenn Sie so viel Energie in die Familienpolitik gesteckt hätten,
wie Sie jetzt in die Zwischenrufe stecken, wären wir alle ein Stück weiter.
Es tut mir wahnsinnig leid, aber auf diese klamaukige Kurzintervention kann man fast nur mit Klamauk reagieren.
Ich kann Frau Burkert-Eulitz an dieser Stelle ganz offiziell entschuldigen. Sie hat gerade ihren Vater zu Grabe getragen
und wird hoffentlich in den nächsten Stunden hier noch eintreffen, sodass Sie ihr Ihr Beileid bekunden können.
Ich habe – das können Sie gern im Protokoll nachlesen – eine Reihe von Vorschlägen gemacht. Wir haben ein sehr umfangreiches Programm zu der Frage, wie wir Berlin zu einer familienfreundlichen Stadt gestalten wollen, vorgelegt, angefangen beim öffentlichen Dienst als vorbildlichem Arbeitgeber
bzw. einer familienfreundlichen Verwaltung, die es zum Beispiel bei den Jugendämtern auch jenseits der Arbeitszeiten ermöglicht, Anträge einzureichen und zu beantworten, Elterngeldanträgen, die schnell bearbeitet werden, ich habe etwas zum Thema Kitaplätze schaffen gesagt, zum Thema Ganztagsbetrieb und vielem anderen mehr.
Wenn Sie all diese Anregungen nicht hören wollen, dann tut es mir vor allen Dingen für Berlin leid, denn das ist das Resümee, das wir alle hier ziehen können. Wir haben alle miteinander, alle fünf Fraktionen, die wir hier miteinander sitzen, in den letzten fünf Jahren viel miteinander gerungen. Wir haben viele konstruktive Vorschläge gemacht. Zu wenig davon wurde umgesetzt. Allein die Bilanz, die wir hier für Kinder in Berlin ziehen müssen, ist so verheerend, dass ich leider zu keinem anderen Ergebnis kommen kann, als dass es eben nicht familienfreundlich ist.
Vielleicht noch so viel zum Thema Kitaplätze: Ich nehme zur Kenntnis, dass alle Kitas, in denen der Betreuungsschlüssel nicht zu halten ist, Sie verklagen sollen. Das werden wir gleich offiziell umsetzen. Ich glaube, da werden sich Tausende von Kitas in den nächsten Wochen bei Ihnen melden. Viel Spaß bei der Bearbeitung und der
Erkenntnis, wie die wahre Realität in dieser Stadt aussieht. Ihre Arbeit ist nämlich verheerend, Herr Oberg!
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir begrüßen grundsätzlich den Umbau des Molkenmarkts, und vor allem begrüßen wir die Anlehnung bzw. die Umgestaltung an den historischen Stadtstrukturen. Allerdings: Vieles von dem, was Sie gerade gesagt haben, Frau Haußdörfer, war richtig und unterstützenswert, hat aber wenig mit diesem Bebauungsplan zu tun und findet sich leider auch weder in der textlichen noch in der graphischen Niederlegung wieder.
Ich beginne jetzt mit Ihrem Lieblingsthema, nämlich der Straße, die – ich habe mich selbst zum Glück noch mal vergewissert – tatsächlich von acht Spuren nicht auf vier, sondern auf sechs zurückgebaut wird.
Das stimmt sehr wohl, Herr Friederici! Vielleicht lesen Sie einfach noch mal nach. Dann spreche ich von der Stelle Grunerstraße/Mühlendamm/Gertraudenstraße. In diesem Bereich sprechen wir von einer sechsspurigen Verkehrsschneise, die sich durch die Berliner Mitte durchschneidet und frisst.
Allein die Tatsache, dass wir hier 63 Meter Straßenprofil haben, ist doch das Gegenteil von einem lebendigen Quartier.
Meine Güte! – Wenn wir ein lebendiges Stadtquartier, wenn wir lebendige Stadt, so wie Sie es in Ihrem Koali
(Ellen Haußdörfer)
tionsvertrag selber richtigerweise festgeschrieben haben, erzielen wollen, dann müssen wir aber auch sicherstellen, dass die Stadtquartiere, die dort vorhanden sind, miteinander verbunden werden können. Das gelingt mit dem vorliegenden Plan nicht.
Richtig ist, dass es überall oder in den meisten Bereichen jetzt Radwege geben soll. Schade ist nur, dass diese Radwege auf Kosten der Fußgänger angelegt werden – auf dem Bürgersteig.
Warum, wenn man einen solchen Bereich umbaut, tut man es dann nicht gleich richtig? Warum orientiert man sich nicht mal an Städten, die den Anspruch haben, Vorbild zu sein, wie z. B. Kopenhagen? Wir fordern an dieser Stelle: Wenn in Berlin neu oder umgebaut wird, dann bitte schön Radwege nach dem Kopenhagener Modell, das heißt Fußgänger, Radverkehr und Autoverkehr so nebeneinander, dass sie nicht mehr zu Konflikten untereinander führen!
Tue ich dieses nicht, dann laufe ich Gefahr, dass die autogerechte Stadt weiterhin am Molkenmarkt das Leitmotiv bleibt. Und es tut mir leid, ich lebe im Jahr 2016 und nicht mehr 1960. Sie selbst kommen zu dem Schluss, dass dieser B-Plan und die darin enthaltene Verkehrsplanung zu einem Anstieg der Luft- und Lärmbelastung führt und vor allem dass sie Konflikte, gerade zwischen Rad- und Fußverkehr, nicht auflöst.
Anderes Thema: Es entstehen dort neue Wohnungen. Das ist ja erst mal etwas Richtiges, etwas Gutes, etwas, was auch dem Anspruch, ein Quartier zu werden, gerecht wird. Jetzt frage ich allerdings: Warum setzen Sie sich nicht, nach allen Möglichkeiten, die Ihnen das Baugesetzbuch gibt, hier für eine stärkere soziale Mischung ein? Warum werden keine Flächen für den sozialen Wohnraum ausgewiesen? Und warum werden keine Personen mit besonderem Wohnbedarf wie z. B. Studierende oder Senioren hier textlich mit gefördert?
Allein die Tatsache, dass hier mehr Menschen wohnen werden – die dann auch unter dieser Verkehrsschneise leiden, aber gut –, führt auch dazu, dass die Bevölkerung insgesamt steigt. Wir haben jetzt schon dort vor Ort einen Mangel an Grundschulplätzen, von mehr als 100 Stück. Mindestens 50 weitere Grundschulplätze werden durch die Neubebauung dazukommen, bzw. der Bedarf wird steigen. Deshalb frage ich mich: Warum wird dann an dieser Stelle eine private Oberschule geplant statt der Festsetzung einer Grundschule? – Richtigerweise muss ein lebendiges Quartier nicht nur aus Wohnen bestehen, sondern wir brauchen auch Leben, Gastronomie und Handwerk. Dieser B-Plan beschränkt dieses völlig unnö
tig, ganz zu schweigen davon, dass keine entsprechenden Grünausgleiche festgesetzt werden und die von Ihnen angesprochene Grünplanung nicht mal planungsrechtlich gesichert wird.
Energetische Standards kann man weit suchen, die gibt es nicht. All das gibt Ihnen ökologische Bauleitplanung auf jeden Fall mit. Sie hätten von der dezentralen Regenwasserversickerung bis hin zu hohen energetischen Standards der Gebäudetypen alles Mögliche in den B-Plan schreiben können. Nichts davon haben Sie gemacht. Deshalb kann man sagen, die Grundidee, den Molkenmarkt umzugestalten, ist richtig. Die Festsetzung im B-Plan gibt dieses in keinster Form her. Deshalb kann man sagen: Der Molkenmarkt ist heute ein hässliches Entlein. Er hätte ein wunderschöner Schwan werden können. Das ist Ihnen nicht gelungen. Deshalb bleiben wir hier leider im Kükenteich. – Vielen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss gestehen, in dieser Legislaturperiode zieht es sich wie ein roter Faden durch meine Politik, irgendwie stehe ich scheinbar auf Flughäfen. Nach der Nachnutzungsdebatte um das Flugfeld Tempelhof reden wir jetzt über die Nachnutzung des Flughafens Tegel. – Das lohnt sich, denn die Nachnutzung des Flughafens Tegel ist für uns alle in ganz Berlin die Gelegenheit, unsere Stadt auf eine außergewöhnliche Art und Weise weiterzuentwickeln.
Nachdem Tempelhof ein einzigartiger Erholungsort geworden ist, sollte nun Tegel zum Aushängeschild für Berlin werden – ein Aushängeschild für den neusten Stand von technischem Können und wissenschaftlichen Erkenntnissen. Wenn wir Tegel weiterentwickeln, sollte hier alles, was entsteht, die Visitenkarte „Zukunft“ tragen.
Ich glaube, dass es uns gelingt, mit dieser Haltung einen außergewöhnlichen Wissenschaftsstandort zu erwecken, der von der direkten Verzahnung mit der industriellen Produktion vor Ort lebt. Es sollte ein Ort entstehen, an dem grüne Technologien produziert werden und das Neuste vom Neusten angewendet wird. Das Ganze wird dann abgerundet durch ein neues, lebendiges und vor allem vielfältiges Stadtquartier, das Raum für die Zukunft
des Wohnens schafft, denn genau das braucht die wachsende Stadt Berlin.
Ich wünsche mir hier architektonische Avantgarde
und zukunftsfähige Stadtentwicklung gepaart mit den neusten Innovationen, am besten gleich nebenan auf dem Flugfeld entwickelt.
Natürlich, lieber Herr Eggert!
Das mache ich sehr gerne, und ich freue mich, dass wir offensichtlich für Tegel in eine ähnliche Richtung marschieren. Ich will Ihnen das sehr gerne erläutern. Herr Eggert! Wenn Sie sich richtig an die Diskussion erinnern, werden Sie noch wissen, dass ich für Tempelhof immer gesagt habe: Dieser olle Masterplan, wie er hier vorgestellt wurde, passt mir nicht. Lasst ihn uns noch einmal aufmachen und über zukunftsfähige, nachhaltige Stadtentwicklung debattieren!
Sprich: Unser Vorschlag für Tegel soll Modellcharakter dafür haben, wie ein Stadtquartier der Zukunft entstehen soll, und zwar in ganz Berlin. Da hier ein Raum entsteht, der quasi noch nicht beplant ist, hat man die Möglichkeit, es einmal von der Pike auf richtig zu machen. Das gleiche wäre in Tempelhof möglich gewesen. Warum das nicht passiert ist? – Fragen Sie das die zuständigen Senatoren Ihrer Partei!
Entscheidend ist: Modellcharakter! Modellcharakter und nicht Achtzigerjahrekonzepte aus der Schublade, denn wir wollen die Berliner Mischung, wir lieben die Berliner Mischung,
gerade in Tegel. Wenn man sich das vor Ort genau anschaut, ist das auch für das angrenzende KurtSchumacher-Quartier durchaus von Bedeutung. Dieses kann nämlich sehr wohl davon profitieren, wenn ein neues Quartier auf dem Flugfeld mit dem alten verzahnt wird. Das Beste daran ist: Hier können dann Alt und Jung, Alteingesessen und Zugezogen, und vor allem auch Menschen mit kleinem Portemonnaie gemeinsam in einem Wohnquartier wohnen.
Herr Eggert! Jetzt kommen wir zu einem spannenden Punkt. Diese Vision könnte schon längst beschlossene Sache sein, wenn dieser Antrag nicht bereits seit drei Jahren im Vorgang auf den Verfahrenslisten dümpeln würde und Sie sich nicht der Diskussion verweigert hätten.
Eigentlich sind wir sogar so weit, dass wir schon längst Baukräne auf Tegel sehen müssten. Die einzige Antwort, warum das nicht geschehen ist, ist ganz klar:
Es liegt an dem Eiertanz um die Eröffnung des BER.
Sie können bei den Tegelplanungen quasi nur deshalb eine ruhige Kugel schieben, weil der BER seit Jahren nicht eröffnet wird. Das wird sich ändern, da werden Sie mir recht geben, wenn feststeht – da sind wir uns wohl alle einig –, dass 2017 der BER öffnet – oder?
Wir wollen nicht nur, dass endlich Schluss ist mit der monatlichen Verschwendung von Millionen am BER, sondern wir wollen vor allem, dass die Zukunftsentwicklung in Tegel vorangeht. Das heißt zum einen, dass der Schlingerkurs des Regierenden Bürgermeisters um die Frage des Eröffnungstermins ein Ende haben muss, und zum anderen, dass wir uns gemeinsam dem jetzt genutzten – wie will man es nennen? – Zwergenaufstand einer nicht signifikanten Kleinstpartei in unserer Stadt zur vermeintlichen Offenhaltung Tegels entgegenstellen müssen.
Allein die Tatsache, dass es möglich ist, dass diese hier nicht anwesende Kleinstpartei diese Diskussion aufmacht, zeigt doch, wie notwendig und wie groß der Handlungsdruck nicht nur am BER, sondern auch in Tegel ist.
Keine Frage: Tegel ist ein bewährter Flughafen, an dem viele aus unterschiedlichen Gründen hängen. Vor allem ist er für viele Menschen in Berlin bequem zu erreichen. Deshalb habe ich sogar Verständnis für all diejenigen, die an Tegel festhalten wollen. Allerdings – ich hoffe, darin sind wir uns einig –: Tegel hat seine Zeit gehabt!
Deshalb sollten wir uns alle darin einig sein, der Flughafen Tegel muss geschlossen werden. Ich bitte Sie, dass wir dafür gemeinsam werben!
Das sind wir auch den 300 000 Menschen in Pankow, Wedding, Reinickendorf und Spandau schuldig, die seit Jahrzehnten unter dem Fluglärm leiden.
Aber noch viel wichtiger als die offenkundige Belastung durch den Flugbetrieb ist die Tatsache, dass man in Tegel tatsächlich einen der spannendsten Orte in Berlin entwickeln kann. Tegel ist damit im wahrsten Sinne des Wortes ein Raum voller Möglichkeiten. Deshalb freue ich mich auch, dass der Senat in seiner jüngst vorgestellten Überarbeitung des Masterplans die eine oder andere unserer Forderungen bereits aufgenommen hat. Das lange Warten auf die Debatte hat, so gesehen, zumindest für etwas seinen Zweck gehabt.
Fasst man es zusammen, stelle ich dann fest: Wir haben scheinbar mittlerweile in diesem Haus eine Mehrheit für die Erkenntnis, dass 1 000 Wohnungen in Tegel nicht reichen. Wir fordern deshalb – und ich hoffe, gemeinsam mit Ihnen –, dass wir mindestens 5 000 Wohnungen in einem Stadtquartier Tegel errichten. Ich freue mich auch, dass der Senat unsere Vorstellung eines lebendigen, urbanen Stadtquartiers mit kleinteiliger Nutzungsmischung teilt, mit Cafés und Gewerbe auch in den Erdgeschosszeilen, mit einem Wohnquartier, das modellhaft, smart und vor allem klimaneutral gebaut wird, der Schaffung von Wohnungen für alle Einkommensklassen und auch der Idee, dass wir dort studentisches Wohnen mit generationsübergreifendem Wohnen, mit genossenschaftlichen Baugruppen und anderen verbinden.
Es ist darüber hinaus erfreulich, dass wir, Herr Geisel, uns offensichtlich auch darin einig sind, dass der Autobahntunnel in eine Stadtstraße umgebaut werden muss und dass wir neue Verkehrskonzepte für Radverkehr, Fußverkehr und E-Mobility brauchen. Sprich: Die meisten von uns und wahrscheinlich auch die Redner und Rednerinnen nach mir werden sagen: Wir alle reden in Tegel über Zukunftsthemen.
Wir Grüne möchten aber einen Schritt weitergehen: Wir möchten, dass in Tegel Green Industries, verzahnt mit Wissenschaft und gelebt von einer grünen Modellstadt, entwickelt werden. Wir wollen, dass Tegel ein Pilotvorhaben wird, das nicht nur Vorzeigebeispiel für eine nachhaltige Stadtentwicklung ist, sondern unsere Idee einer Green, Smart City – Frau Yzer ist leider schon weg –, also das heißt, Green Economy, modellhafte Stadtentwicklung und Digitalisierung zusammendenkt und damit Berlin auch sichtbar als Leitmetropole auf diesem Gebiet positioniert.
Denn – und das haben wir ja alle schmerzhaft an anderen Beispielen erfahren – bei Großprojekten gilt: erst denken, dann planen! – Das heißt: innovativ denken, solide planen und vor allem auch die Menschen in unserer Stadt mitnehmen. Unser Antrag gibt dafür die richtigen Anregungen. Ich glaube, Sie können ihm deshalb auch eigentlich nur zustimmen. – Vielen Dank!
Vielen Dank! – Herr Olalowo! Geben Sie mir denn recht in der Einschätzung, dass Industriekultur tatsächlich großes Engagement in Berlin verdient, weil es unser historisches Erbe auch architektonisch und baukulturell widerspiegelt, dieser vorliegende Antrag aber in keinster Weise Maßnahmen vorschlägt, die dieses sicherstellen können?
Sehr geehrter Herr Präsident! Ich frage den Senat: Wie lange verzögern sich durch Ihren neuesten Koalitionskrach die sogenannten modularen Unterkünfte für Flüchtlinge? Glauben Sie, vor der Wahl überhaupt noch zu einer Einigung zu kommen?
Schönen Dank! – Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass es bereits zu einer Verzögerung gekommen ist. Insofern würde ich Sie gern fragen, inwieweit Sie die jetzt doch zumindest ansatzweise festgefahrene Situation in der Koalition zwingt, darüber nachzudenken, ob Sie die von uns vorgeschlagenen schnelleren, kostengünstigeren und vor allem auch nachhaltigeren Alternativen wie beispielsweise die Holzmodulbauten ergänzend in Ihr Programm aufnehmen.
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Frau Haußdörfer! Ich habe Ihre Rede, ehrlich gesagt, gerade nicht so ganz verstanden. Sie kommen in allem, was Sie sagen, eigentlich zu dem Schluss, dass die Nachrichten keine guten Nachrichten sind, dass Sie also Frau Lompscher und auch mir recht geben in der Analyse des Status quo. Sie ziehen dann aber keine Konsequenzen. Die einzig richtige Konsequenz kann nicht nur sein, dem Antrag zuzustimmen, sondern v. a. diesen Quatsch dort endlich zu beenden.
Im letzten Plenum, als wir über die Friedrichwerdersche Kirche diskutiert haben, sprachen Sie noch von
Hoffnung. Was kann man dazu sagen? Ich glaube, dass Sie irgendwann den Punkt erreichen müssen, wo Sie feststellen, dass das permanente Auf-Sicht-Fahren, dominiert durch den Faktor Hoffnung, durch eine vorausschauende Planung abgelöst werden muss. Denn ansonsten hilft das Einzige, um den Einsturz der Kirche abzuwenden, nämlich nur noch, wenn es ein Wunder gibt. Deshalb bin ich mir nicht so sicher, auf was Sie am Ende Ihrer Rede hinaus wollten. Ich kann nur eins sagen: Die Friedrichswerdersche Kirche ist eines der bedeutendsten Baudenkmäler, das wir in Berlin haben. Für mich ist es deshalb zu schade, um als Versuchskaninchen für Messtechnik herzuhalten.
Sie haben gerade selbst aus der Rede von Astrid Schneider aus dem Jahr 2011 zitiert. Das war für viele – unter anderem meinen Kollegen Herrn Birk – eine nicht unbedingt berauschende Rede, denn das halbe Plenum hat sie ausgelacht. Sie hat als einzige in diesem Plenarsaal darauf hingewiesen, dass der Bebauungsplan, dem Sie damals allesamt – bis auf die Piraten – zugestimmt haben, dazu führen wird, dass die Friedrichswerdersche Kirche irreparable Schäden davontragen wird. Genau das ist eingetreten. Dafür tragen Sie die Verantwortung.
Jetzt sind wir einen Schritt weiter. Jetzt haben wir nämlich nicht nur ein hübsches Bauprojekt fünf Meter neben der Kirche mit einer Tiefgarage, das zu bereits irreparablen Schäden geführt hat. Und jetzt wollen Sie auf der anderen Seite auch noch eine Tiefgarage bauen. Auf meine Anfrage, die schon zitiert wurde, ob Sie denn die Kirche vor weiteren Schäden schützen können, sagen Sie nicht nur: Nein, wie können sie nicht schützen. –, sondern Sie sagen: a) Sie wollen geforderte Messsysteme installieren, b) Melde- und Alarmketten einrichten, die dann die Sachverständigen und Behörden informieren, die die Baumaßnahmen unterbrechen sollen, um die möglicherweise eingetretenen Schäden zu begutachten. Entschuldigen Sie, meine Damen und Herren! Das ist eine Überwachungstechnik, die der NSA Konkurrenz macht, aber keine überzeugende Maßnahme, um ein Baudenkmal in Berlin vor Schäden zu schützen.
Deshalb – darauf haben Sie selbst schon richtigerweise hingewiesen – sind die ersten Risse durch die Baumaßnahme auf der anderen Seite jetzt schon wieder festgestellt worden. Die unrettbare Zerstörung dieses Denkmals geschieht nicht nur mit Ansage, sondern sie ist bereits eingetreten. Es ist vielleicht nur noch eine Minute vor zwölf. Ich kann Sie nur noch einmal auffordern: Hören Sie auf mit diesem Quatsch!
Wir haben eine große Schinkel-Fangemeinde in Berlin. Alle, die sich mit dem Thema befassen, kennen und lieben die Kirche. Ich bekomme von den Anhängern bereits E-Mails, die mich dazu auffordern, den Rücktritt von Bausenator Geisel zu fordern.
Ich würde an der Stelle so weit noch nicht gehen, aber ich fordere ihn explizit auf, a) einen Baustopp und eine Rücknahme der Baugenehmigung aller nicht begonnenen Baumaßnahmen einzuleiten, b) die Kostenbeteiligung an den Schäden zu veranlassen und vor allem c) einen endgültigen Verzicht auf die Tiefgaragen zu vollziehen.
Frau Haußdörfer! Sie wissen ganz genau, dass auch ich kein Fan der Rekonstruktion der historischen Mitte auf der Basis von 1850 bin. Da sind wir uns vollkommen einig. Aber hier geht es nicht um Rekonstruktion, sondern um ein bestehendes Gebäude. An der Stelle kann ich nur noch einmal sagen: Nur weil die Stadt wächst und Neues entsteht, heißt das nicht, dass man alles Alte zerstören darf.
Deshalb kann ich mich Frau Lompscher nur anschließen und sagen: Stoppen Sie den Blödsinn, solange wir nur von Rissen sprechen, es noch nicht zu spät ist und die Kirche noch nicht eingestürzt ist!
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Ja, man kann sogenannte Volksgesetze ändern. Rechtlich ist dies vollkommen unbedenklich.
Aber wenn man dieses tut, dann sollte man es zumindest auf eine politisch verantwortliche Weise tun.
Sprich, mit einer nachvollziehbaren Begründung, mit einer transparenten und auch ehrlichen Kommunikation und mit einem überzeugenden Konzept dafür, was sich durch diese Änderung verbessern soll. Angesichts der Vorgeschichte des Volksentscheids Tempelhof und vor dem Hintergrund des außergewöhnlich klaren Votums für dieses Volksgesetz wäre dieses einmal mehr geboten.
Was Sie aber in den letzten Wochen betrieben haben, war das genaue Gegenteil davon. Im Schweinsgalopp soll eine Änderung des Tempelhof-Gesetzes durch das Parlament gepeitscht werden.
Die Kommunikation lief mit täglich neuen Wasserstandsmeldungen zu angeblichen Plänen geradezu unterirdisch. Eine Bürgerversammlung vor einer Woche musste als reine Schaufensterveranstaltung herhalten, und das, obwohl die Koalitionsfraktionen bereits Tage zuvor ihre Zustimmung zu dem Gesetz ausgedealt hatten. Eine Machbarkeitsstudie für die Unterbringung von 7 000 Menschen, ganz zu schweigen von einem ressortübergreifenden Konzept des Berliner Senats, gibt es bis heute nicht.
Diese Art von Umgang mit direkter Demokratie ist das genaue Gegenteil von verantwortungsvoll.
Nein, diese Art von Umgang ist politischer Irrsinn und ein gefährlicher noch dazu. Ihr Verhalten führt zu Politikverdrossenheit, demotiviert all diejenigen, die sich ehrenamtlich vor Ort, aber auch an anderen Stellen engagieren, und spielt leider vor allem denen – das hat man auch auf der Bürgerversammlung letzte Woche gesehen – in die Hände, die auf „die da oben“ schimpfen, die „sowieso machen, was sie wollen“, und das alles auf dem Rücken der Flüchtlinge.
Lieber Herr Oberg! Auch Sie sollten endlich einsehen, die Berliner wollen nicht mehr von oben regiert werden.
Und das alles, obwohl gar keine – –
Und das alles, obwohl gar keine Gesetzesänderung nötig wäre! Denn es wäre auch heute schon möglich, sowohl die Unterbringung als auch Versorgungs- und Integrationsbauten ohne Not vor Ort unterzubringen. Temporäre Bauten am Tempelhofer Damm, am Columbiadamm, in den Innenhöfen oder auf dem Vorfeld könnten Sie ohne eine Gesetzesänderung jederzeit aufstellen.
Dass Sie dieses nicht getan haben, weckt einmal mehr Zweifel an Ihren Motiven. Geht es am Ende vielleicht doch nur um eine Ankündigungspolitik – Stichwort 9-Punkte-Plan – oder geht es hier um Machtgesten? Oder bestätigt das vielleicht die Befürchtung all derjenigen, die vermuten, Sie würden hier doch die dauerhafte Bebauung durch die Hintertür ermöglichen? Tut mir leid, aber Vertrauen und Akzeptanz schaffen geht anders!
Doch nicht nur das Volksgesetz wird durch Ihre Pläne ausgehebelt, auch die Qualitäts- und Mindeststandards des LAGeSo gelten für die vielen Tausend Menschen vor Ort nicht. Es wäre doch das Mindeste, diese wenigstens auch in Tempelhof einzuführen. Dann könnten Sie aber im Umkehrschluss dort auch keine 7 000 Menschen mehr unterbringen.
Wir erleben gerade eine Ausnahme- und Extremsituation, und das erfordert manchmal auch schnelles Handeln. Aber schnelles Handeln, das muss uns allen klar sein, darf nicht zu schlechtem Handeln führen, Herr Czaja!
Auch Notunterkünfte und Notmaßnahmen erfordern ein Konzept. Und vor allem sind Notunterkünfte, wie es in Tempelhof eigentlich angedacht ist, Orte, an denen Geflüchtete nur wenige Wochen untergebracht werden sollten. Sie haben aber selber auf der Bürgerversammlung vor einer Woche zugeben müssen, dass fast alle Flüchtlinge, die im Oktober in Tempelhof gelandet sind, diesen Ort nicht mehr verlassen haben. Die Tatsache, dass viele
(Präsident Ralf Wieland)
Menschen dort, von Unregistrierten bis zu denen, die schon längst beim Jobcenter gemeldet sind, heute die Nachricht bekommen, dass sie mindestens bis Mai, aber vielleicht sogar länger in Tempelhof bleiben müssen, straft diesen Begriff „Notunterkunft“ Lügen.
Wir brauchen deshalb keine Ausweitung der Massenunterkunft, sondern wir brauchen endlich ein Umsteuern in der Berliner Flüchtlings- und Integrationspolitik. Schaffen Sie also die rechtlichen Grundlagen für die Beschlagnahmung leerstehender Immobilien! Einen entsprechenden Gesetzesentwurf haben wir bereits im November vorgelegt. Die Grundstücke der BImA, zahlreiche Angebote für Privatunterkünfte, die Angebote der Bezirke, konkrete Projekte wie das Haus der Statistik, und selbst viele privat Engagierte: All diese Vorschläge liegen seit Monaten auf dem Tisch. Umgesetzt haben Sie davon bis heute keinen!
Also hören Sie endlich auf, uns vorzuwerfen, unsere Vorschläge würden die Flüchtlinge direkt in die Obdachlosigkeit treiben! Machen Sie das nicht, denn Sie wissen ganz genau, kein einziger Mensch in diesem Saal will das!
Stattdessen: Machen Sie doch Ihre Liste selbst mal transparent! Dann können wir nämlich gemeinsam darüber beraten, wie Ihre und unsere Vorschläge zusammen zu mehr Unterbringungsmöglichkeiten in Berlin führen können.
Aber zurück zu Tempelhof: 7 000 Menschen auf knappem Raum, ohne Beschäftigung, ohne Privatsphäre – da sind leider soziale Probleme vorprogrammiert. Unter diesen Bedingungen in Berlin nicht nur anzukommen, sondern auch dauerhaft für viele Monate zu leben, ist meiner Meinung nach tatsächlich die größte Integrationsblockade, die man sich vorstellen kann. Eine Unterkunft dieser Dimension ist nicht nur die größte Massenunterkunft Deutschlands – es ist für jeden Einzelnen dort eine menschunwürdige Zumutung!
Außerdem ist Tempelhof tatsächlich eine reine Verzweiflungsstrategie, weil der tatenlose Sozialsenator seinen Aufgaben nicht nachkommt. Zu reiner Verzweiflung führt das aber bei den Flüchtlingen vor Ort, wenn Ihnen mitgeteilt wird, dass sie noch monatelang dort leben müssen. Das Hauptproblem an den Tempelhofplänen ist daher, dass Sie hier keine Notunterkunft betreiben, sondern mitten in Berlin ein Flüchtlingsdorf erschaffen, das in seinen Ausmaßen seinesgleichen sucht. Damit lösen Sie keine Probleme – damit schaffen Sie vor allem jede Menge neuer Probleme! Und genau aus diesem Grund
wird meine Fraktion dem Tempelhof-Gesetz nicht zustimmen.
Der Ausnahmezustand, der gerade herrscht, darf in Berlin nicht zum Normalzustand werden. Deshalb haben wir als Grüne unserer Verantwortung entsprechend am letzten Freitag ein eigenes Integrationskonzept vorgelegt. Von der SPD und der CDU kenne ich ein solches Papier nicht.
Aber immerhin soll es jetzt ein Landesamt für Flüchtlinge geben. Leider konnte uns keiner erklären, welche Vorteile es für Geflüchtete haben soll, wenn man das LAGeSo einfach nur aufsplittet, ganz zu schweigen von der Frage, wie viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter eigentlich in einem solchen neuen Landesamt arbeiten sollen. – Herr Czaja! Sie glauben, dass Sie durch einen solchen Schnellschuss eventuell zu einem Befreiungsschlag kommen. Ich kann Ihnen aber sagen, es wird genau das Gegenteil passieren: Sie werden daran am Ende des Tages gemessen werden.
Während das Landesamt nach dem Gesetz, das Sie heute einbringen wollen, bereits am 1. Januar 2016 errichtet werden soll – offenbar hat der Senat auch eine Zeitmaschine –, wollen wir als Grüne der Verwaltung bis zum 1. Januar 2017 Zeit für eine vernünftige Planung geben. Wir glauben, dass man nämlich so viel Zeit braucht, um ein Landesamt für Migration und Flucht als echte Willkommensbehörde zu errichten, die dann aber auch umfassend die Zuständigkeiten von Flucht, Migration und Integration bündelt und außerdem Teilaufgaben der Ausländerbehörde und des Integrationsbeauftragten zusammenführt.
Schnelles Handeln vor allem in und um das LAGeSo ist dringend geboten. Dass dort immer noch Flüchtlinge in der Kälte ausharren müssen oder gar Hunger leiden, das sind völlig inakzeptable Zustände, die sofortiger Maßnahmen bedürfen.
Aber Herr Czaja, schnelles Handeln sollte eben nicht zu Schnellschüssen führen, und deshalb wird meine Fraktion Ihrem Schnellschussvorschlag eines Landesamtes auch nicht zustimmen. – Herzlichen Dank!
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich muss schon sagen, ganz ehrlich: Es geht hier um eine ernste Sache. Es geht um Menschen, die teilweise unter erbärmlichen Umständen nach Berlin gekommen sind und unter erbärmlichen Umständen – leider auch in Tempelhof – untergebracht sind. Das eignet sich meines Erachtens wirklich nicht für Wahlkampfklamauk!
Deshalb, Frau Radziwill, zitiere ich nicht Sie, sondern lieber den Regierenden Bürgermeister, der vor zwei Wochen im Rahmen seiner Regierungserklärung einen NeunPunkte-Plan vorgestellt hat, in dem er Maßnahmen zur Unterbringung von Flüchtlingen präsentiert hat. Ohne die Details vieler dieser Punkte, die er vorgestellt hat, zu kennen, würde ich sagen: Im Grundsatz klingen die meisten davon doch sehr vernünftig.
Ihre Ausführungen zum Thema Unterbringung in Tempelhof haben Sie ziemlich vage gehalten.
An der Stelle muss ich sagen – kein Wunder, denn dass die von Ihnen heute vorgeschlagene Gesetzesänderung delikat ist, ist Ihnen sogar selbst schon aufgefallen. Und warum? – Weil es nicht einmal anderthalb Jahre her ist, dass die Berlinerinnen und Berliner für die Freiheit der Tempelhofer Freiheit gegen den Senat gekämpft und gewonnen haben. Nur 16 Monate später wollen Sie die Änderung eines breit getragenen Volksgesetzes, wie es das in der Form in Berlin noch nicht gegeben hat, im Schweinsgalopp durchs Parlament prügeln. Das ist, selbst wenn es keine juristischen Hürden für einen solchen Weg gibt, bei einer Änderung mit einfacher Parlamentsmehrheit und im Eiltempo ausgesprochen bedenklich.
Ein respektvoller Umgang mit direkter Demokratie ist das mit Sicherheit nicht, und mehr Vertrauen bei den Wählerinnen und Wählern gewinnt man so leider auch nicht. Ich kann mich da nur dem Kollegen Lederer anschließen: Wenn das eine Vorsorgemaßnahme für das Jahr 2016 sein soll, dann brauchen wir diese Gesetzesänderung nicht, denn die Traglufthalle, die IGA-Halle, können Sie ohne Probleme auch ohne Gesetzesänderung aufstellen. Deshalb kann ich Ihnen nur noch einmal attestieren: Der Weg, den Sie hier vorgeschlagen haben, ist kein kluger!
Eine Unterbringung in und ein Aufstellen von Traglufthallen entlang des Tempelhofer Damms oder auch auf dem Vorfeld sind nicht nur möglich – das haben Bread and Butter und viele andere Events, die dort schon ansässig waren, bewiesen –, vielmehr hat die Initiative 100 Prozent Tempelhof vor einigen Tage dazu auch ein Konzept vorgelegt. Das muss man nicht toll finden, aber mit dem Konzept sind sie dem Senat zumindest einen Schritt voraus:
Sie haben nämlich ein Konzept!
Statt eines Senatskonzeptes produzieren Sie leider täglich nur immer wieder neue Schnellschüsse: Erst war es der T-Damm, dann das Oderquartier, kürzlich kam das Columbiaquartier dazu, und heute darf man der Presse entnehmen, dass Senator Czaja doch wieder alles infrage stellt. Wenn das keine Salamitaktik ist, dann weiß ich es auch nicht. Vor allem ist es aber Chaos, und das verunsichert nicht nur die Bevölkerung, es verunsichert auch Ihre Fraktion. Zum Glück nicht nur die CDU-Fraktion; selbst Mitglieder der SPD-Fraktion haben öffentlich schon ihre Kritik an Ihren Plänen geäußert.
Es bleibt der Verdacht – und das haben meine Vorredner schon gesagt –, dass man mit dieser Gesetzesänderung nun den Eindruck schafft, als wolle man den Volksentscheid durch die Hintertür aushebeln und dann doch die Voraussetzung für den alten Masterplan schaffen. Ich kann es nur noch einmal sagen: Vertrauen und Akzeptanz schafft man so nicht!
Neben der direkten Demokratie geht es meines Erachtens aber vor allem um die Dimension der Unterbringung. Auch hier, lieber Herr Geisel, versuchen Sie, Nebelkerzen zu werfen. Da heißt es, 600 bis 800 Menschen sollen in einer Traglufthalle der IGA-Halle untergebracht werden. Vor nur zwei Tagen, bei dem Treffen mit den Bezirken, wurde aber Ihre wahre Intention deutlich. Hier haben Sie nämlich verlautbaren lassen, dass tatsächlich 12 000
(Ülker Radziwill)
bis 15 000 Menschen am Standort Tempelhof untergebracht werden sollen.
Und wenn wir uns dann fragen, warum dieses Gesetz im Eiltempo durchgebracht werden muss, dann liegt nahe, das ist der einzige Grund, und das ist dann auch keine Vorratsplanung, sondern das sind tatsächlich sehr konkrete Planungen, die höchstwahrscheinlich demnächst bei uns auf dem Tisch landen. Diese 10 000 Menschen extra sollen dann auch nicht nur in den sieben Hangars, sondern an den Rändern des Feldes untergebracht werden – an den Rändern, an denen es, Herr Geisel, entschuldigen Sie bitte, nullkommanull Infrastruktur, weder technische noch soziale, gibt. Da gibt es selbst auf dem Vorfeld noch mehr technische Voraussetzungen. Und da muss man die Initiative an der Stelle in Schutz nehmen: Die haben sich wenigstens Gedanken darüber gemacht, wie man hier eine menschenwürdige Unterbringung von Flüchtlingen realisieren könnte.
Keine Sorge, ich gucke auch gleich in die andere Richtung, denn vor dem Hintergrund, dass die Versorgung der bereits untergebrachten 2 300 bis 2 400 Flüchtlinge heute überhaupt nicht im Griff ist, muss man sagen, ist dieser Vorschlag einfach nur verantwortungslos.
Die hygienische und die gesundheitliche Versorgung sind bedenklich,
und deshalb hat das Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg auch einen Brandbrief an Senator Czaja geschrieben mit dem Ergebnis, dass es heute zwar ein paar Toiletten mehr gibt, aber ansonsten hat sich daran nichts geändert. Und von den wenigen Dixi-Toiletten und den Duschcontainern, die es dort gibt, stehen die meisten unter freiem Himmel, was, wenn wir uns mal vorstellen, wie morgens im Moment die Temperaturen sind und wie sich das weiterentwickeln wird, natürlich bedeutet, dass diese häufig gar nicht nutzbar sind.
Zudem – das gebe ich gerne auch noch zu bedenken – gibt es zu wenig Frischwasser, und es gibt nicht ausreichend Handwaschbecken, und die, die es gibt, haben nur kaltes Wasser. Was bedeutet das? – Das bedeutet, dass man der Verbreitung von Schmierinfektionen Tor und Tür öffnet. Und das, ich kann es nur noch mal betonen, wenn man eine Unterkunft mit 12 000 bis 15 000 Menschen plant, sind nicht nur katastrophale Rahmenbedingungen; ich kann Sie nur davor warnen, denn dies bedeutet nicht nur ein Risiko für die Geflüchteten, dies bedeutet ein Gesundheitsrisiko für uns alle.
Wenn die Unterbringung von Flüchtlingen wirklich eine Priorität für den Senat hätte, dann hätten Sie sie bereits längst in anderen Unterkünften untergebracht. Das Bundesinnenministerium hat 800 Büros frei, in die könnten morgen schon 2 000 Menschen einziehen. Die Bezirke haben Ihnen Immobilien und Flächen angeboten, die BImA ebenso. Das Potenzial an leerstehendem Gewerbe beträgt etwa 15 000 Quadratmeter, also machen Sie uns doch nichts vor: Tempelhof ist doch nur deshalb in der Debatte, weil der Senat bislang bei der Prüfung leerstehender Gebäude und Flächen versagt hat.
Und deshalb ist Tempelhof eine Verzweiflungsstrategie.
Deshalb, lieber Michael Müller, will ich nur noch mal sagen, Sie haben im letzten Plenum eine Regierungserklärung gehalten, die viele von uns beeindruckt hat – mich auch. Sie haben dabei vollkommen zu Recht gesagt, dass Sie die Zustände, wie sie vor dem LAGeSo herrschen, so nicht mehr sehen wollen. Sie haben dort auch gesagt, dass Sie es nicht akzeptieren, dass so viele Gebäude in Berlin leerstehen, wenn gleichzeitig Tausende von Menschen eine Unterkunft suchen. Und recht haben Sie! Ich nehme Sie dabei allerdings dann auch beim Wort und fordere Sie auf, lassen Sie Ihren Worten bitte auch Taten folgen!
Sie haben die Richtlinienkompetenz, und Sie haben auch die Möglichkeit, die Überprüfung von allen leerstehenden Gebäuden in Berlin dann auf neuem und anderem Weg in die Wege zu leiten. Und solange das nicht getan ist, solange Sie an dieser Stelle – da nehme ich den gesamten Senat wieder in Haftung – Ihre Hausaufgaben nicht gemacht haben, gibt es keine Rechtfertigung dafür, dass man ein so sensibles Etwas wie ein Volksgesetz ohne einen wirklich triftigen Grund aushebelt.
Ich kann Sie nur noch mal dazu auffordern: Schaffen Sie endlich menschenwürdige Unterbringungen in der ganzen Stadt, dann haben Sie uns auch an der Seite! Für das Gesetz, das Sie heute vorgeschlagen haben, haben Sie, glaube ich, wenig Freunde in diesem Haus, und ich vermute, selbst in den eigenen Fraktionen nicht.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn jetzt die Sicherheitsfragen hier geklärt sind, will ich ganz gern noch mal zurückkommen zur Friedrichswerderschen Kirche. – Liebe Frau Haußdörfer! Ich danke Ihnen für Ihre Einschätzung, muss aber sagen, dass mir die Schlussfolgerung, dass am Ende nichts gewiss sei, nicht ausreicht. Hoffnung, finde ich, sollte bei einem der entscheidendsten Baudenkmäler, die wir in dieser Stadt haben, nicht für die Frage entscheidend sein, was wir genehmigen und was nicht.
Ich glaube, dass man hier wirklich ohne Untertreibung sagen kann: Die Geschichte der Baugenehmigungen links und rechts der Friedrichswerderschen Kirche in den letzten fünf Jahren wird von Pfarrer Frielinghaus perfekt zusammengefasst, wenn er sagt: Das ist Zerstörung mit Ansage!
Ich finde, da können es sich alle – außer den Piraten, die waren zu der Zeit noch nicht im Parlament – nicht so einfach machen, auch Sie nicht, Frau Lompscher. Sie haben zwar selbstkritisch darauf hingewiesen, dass Sie damals dem B-Plan zugestimmt haben. Aber dass Sie dabei eine tragende Rolle gespielt haben und dass sehr wohl zum Ende, im Sommer 2011, auf die Risiken hingewiesen wurde, dass schon damals bekannt war, welche Risiken wir mit diesem Bauprojekt der Firma Bauwert eingehen – das können Sie nicht von der Hand weisen.
Ich würde deshalb ganz gern aus dem Plenarprotokoll der letzten Plenarsitzung vor der Wahl am 1. September 2011 zitieren. Da hat meine damalige Kollegin Astrid Schneider so schön gesagt:
Heute lachen Sie noch, meine Herren von der SPD, heute lachen Sie noch hier in diesem Haus, morgen werden Sie laut jammern und heulen und sagen, dass keiner von uns gesehen hat, wie sehr dieses Baudenkmal verschandelt wird. Niemand von Ihnen hat hingeschaut.
Das gilt leider auch für Sie, Frau Lompscher, die damals Mitglied dieses Senats war und den B-Plan auch mit beschlossen hat.
Das geht sogar noch einen Schritt weiter: Der damalige Ausschussvorsitzende, Thomas Flierl, hat maßgeblich mitverhandelt. Ich erinnere mich daran, dass damals die Geschosshöhe noch auf 60 Meter minimiert wurde und dass er darauf wahnsinnig stolz war. So hat er dann im Plenum am 9. Juni 2011 sehr schön zu Protokoll gegeben, dass dieser B-Plan
„in den letzten Jahren eine bemerkenswerte Entwicklung genommen hat und wir zumindest als Regierungsfraktion der Linken maßgeblich daran mitwirken konnten und mitgewirkt haben.“
Also erzählen Sie mir jetzt nicht, dass das alles so ohne Ihr Zutun geschehen ist! Das hat die damalige Koalition gemeinsam zu verantworten, und auch die CDU hat zugestimmt. Die Einzigen, die mit uns dagegen waren, war die FDP, und die ist heute nicht mehr anwesend.
Vielleicht sollte uns das zu denken geben. Aber ich finde, Sie weisen ja auf die richtigen Punkte hin. Sie weisen darauf hin, dass dieses Bauprojekt von Anfang an einen Geburtsfehler hatte – es ist viel zu nah an die Kirche herangebaut, und die Tiefgarage hat Schäden verursacht, die irreparabel sind. Darauf hat Frau Haußdörfer auch hingewiesen.
Jetzt wird aber auf der anderen Seite der Kirche dieser Fehler eins zu eins wiederholt, und, liebe Frau Haußdörfer, erzählen Sie uns doch nicht, dass wir heute genau wie 2011 wegschauen und uns mit bautechnischen Neuerungen zufriedengeben können, obwohl jetzt schon klar ist und von allen Fachleuten prognostiziert wird, dass auch dies wieder zu Rissen und zu Schäden an der Kirche führen wird! Ich kann mich deshalb nur den Forderungen anschließen und sagen: Ganz klar Baustopp und Rücknahme der Baugenehmigung für alle noch nicht begonnenen Baumaßnahmen! – Selbstverständlich brauchen wir eine Kostenbeteiligung an den Schäden, und ich finde, wir brauchen grundsätzlich einen Verzicht der Tiefgaragen an dieser Stelle, egal, ob von links oder rechts geplant.
Sie haben recht, wenn Sie sagen: Solange die Kirche noch steht, sollte man alles dafür tun, um für ihren Erhalt zu kämpfen. – Ob das noch zu reparieren ist, das ist leider heutzutage die Frage, sollte uns aber natürlich zu denken geben für alle weiteren Baudenkmäler, die betroffen werden könnten, wie z. B. die Matthäikirche, das Magnus-Haus und viele andere. Nur weil die Stadt wächst, nur weil viel Neues entsteht, darf das nicht bedeuten, dass dadurch automatisch die alte Stadt zerstört wird!
(Ellen Haußdörfer)