Protocol of the Session on April 26, 2012

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 12. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich.

Insbesondere heiße ich die jungen Damen willkommen, die heute, am Girls’ Day, auf Einladung des Hauses und der Fraktionen unsere Gäste sind. – Herzlich willkommen! Wir freuen uns über Ihr Interesse an unserer parlamentarischen Arbeit.

[Allgemeiner Beifall]

Meine Damen und Herren! Ich bitte Sie, sich von den Plätzen zu erheben!

[Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.]

Vor Beginn unserer Beratungen habe ich eine traurige Pflicht zu erfüllen.

Ich möchte mit Ihnen eines Mannes gedenken, der über drei Legislaturperioden hinweg Mitglied dieses Parlaments war und als Krönung seiner politischen Laufbahn als Senator für Inneres in den Berliner Senat gewählt wurde. Der Sozialdemokrat Wolfgang Büsch, Jurist und Politiker, starb am 17. April dieses Jahres im Alter von 82 Jahren in einem Berliner Pflegeheim.

Als Sohn eines Kaufmanns wurde Wolfgang Büsch am 24. September 1929 in Breslau geboren. 1930 übersiedelte die Familie zuerst von Breslau nach Potsdam und später nach Berlin. Wolfgang Büsch besuchte von 1936 bis 1940 die Volksschule in Berlin-Charlottenburg und trat anschließend in das Internat der Hermann-Lietz-Schule Schloss Gebesee bei Erfurt ein. 1949 legte er die Reifeprüfung ab und studierte anschließend Rechtswissenschaften, Geschichte, Germanistik, Politische Wissenschaften und Philosophie an Universitäten in Berlin, Mainz und Marburg. In Marburg entschloss er sich, ein Jurastudium zu beginnen, und bestand im August 1956 die Erste und im August 1960 die Zweite Juristische Staatsprüfung. Danach wurde er als Rechtsanwalt zugelassen und arbeitet bis 1967 in seinem Beruf. Während seines Studiums arbeitete Wolfgang Büsch in der studentischen Selbstverwaltung mit und war 1954 und 1955 Universitätsältester an der Universität Marburg.

In diesen beiden Jahren bekleidete er auch den Bundesvorsitz des überparteilichen Bundes demokratischer Studentenvereinigungen. Schon 1952 war Wolfgang Büsch in den Sozialistischen Deutschen Studentenbund eingetreten, dessen Berliner Landesvorsitzender er 1956 wurde.

Ab 1957 war er zwei Jahre lang auch Bundesvorsitzender des SDS.

1952 trat Wolfgang Büsch in die Sozialdemokratische Partei Deutschlands ein und war bereits 1958 mit erst 28 Jahren Abgeordneter im Berliner Parlament. Vier Jahre lang arbeitet er von 1962 bis 1967 als parlamentarischer Geschäftsführer für die SPD-Fraktion. In der SPD interessierte er sich für kulturelle Angelegenheiten und war Mitglied im kulturpolitischen Ausschuss beim Parteivorstand der SPD. Außerdem war er Kreisdelegierter in seinem Heimatbezirk Charlottenburg. Im Mai 1967 kandidierte Wolfgang Büsch vergeblich für den Landesvorsitz der Berliner Sozialdemokraten.

Zusätzliches Profil und Bekanntheit errang Wolfgang Büsch als Vorsitzender des Untersuchungsausschusses, der die Berliner Lottoaffäre untersuchte. Höhepunkt seines politischen Wirkens aber war die Wahl zum Senator. Ab April 1967 unterstützte Wolfgang Büsch den damaligen Regierenden Bürgermeister Heinrich Albertz, indem er die Leitung des wichtigen Berliner Innenressorts übernahm. Dieses Amt hatte er nur 168 Tage inne: Er übernahm die Verantwortung für die Todesschüsse auf Benno Ohnesorg. Das Parlament bestätigte Wolfgang Büsch damals, dass er sich kein persönliches Fehlverhalten vorzuwerfen habe. Von Heinrich Albertz ist verbürgt, dass er seinem jungen Innensenator mit den Worten dankte: „Wolfgang, du bist ein Held.“

Die Anti-Schah-Demonstration und die Schüsse des jetzt als Stasi-Spitzel enttarnten Karl-Heinz Kurras am 2. Juni 1967 auf den Studenten Benno Ohnesorg werden für immer mit der Person von Wolfgang Büsch verbunden bleiben. Er selbst hatte den Planungen der Polizei skeptisch gegenübergestanden und – obwohl selbst in der Deutschen Oper – das Geschehen nicht mitverfolgt. Sein damaliger konsequenter Rücktritt verdient Respekt und Anerkennung.

In den zwölf Jahren seiner Abgeordnetenhaustätigkeit war er in der 3. Wahlperiode Mitglied im Ausschuss für Bundesangelegenheiten, für Justiz und für Verfassungsangelegenheiten; in der 4. Wahlperiode widmete er sich dem Hauptausschuss, dem Ausschuss für Justiz, dem Rechnungsprüfungsausschuss, dem Ausschuss für Verfassungsangelegenheiten und war Mitglied des Ältestenrates. In der 5. Wahlperiode übernahm er den Vorsitz im Ausschuss für Justiz und arbeitete zusätzlich im Ausschuss für Rechnungsprüfung.

Nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Politik betätigte sich Wolfgang Büsch bis in das Jahr 2001 hinein als Rechtsanwalt und Notar in seiner eigenen Kanzlei. Außerdem engagierte er sich als Geschäftsführer des Verbandes der Schriftenverleger in Berlin und Brandenburg.

(Präsident Ralf Wieland)

In der Stunde des Verlustes sind wir an der Seite seiner Frau und seiner Kinder. Wir schulden Wolfgang Büsch Dank und werden seiner stets in Hochachtung gedenken.

[Gedenkminute]

Sie haben sich zu Ehren des Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen!

Wie so oft im Leben liegen Gedenken und Gratulation nahe beieinander: Der parlamentarische Geschäftsführer der Piratenfraktion hat heute Geburtstag. – Herr Kollege Delius, herzlichen Glückwunsch und alles Gute!

[Beifall]

Nun habe ich Geschäftliches mitzuteilen: Am Montag sind folgende fünf Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

1. Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: „Arbeit gegen Rechtsextremismus: Koalition setzt mit personeller Stärkung des Verfassungsschutzes ein deutliches Zeichen gegen Feinde der Grundordnung – Opposition mit widersprüchlichen Pirouetten“,

2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Arbeit gegen Rechtsextremismus: Koalition setzt mit personeller Stärkung des Verfassungsschutzes ein deutliches Zeichen gegen Feinde der Grundordnung – Opposition mit widersprüchlichen Pirouetten“,

3. Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zum Thema: „Energiewende voranbringen – Arbeitsplätze sichern: Rot-Schwarz muss Verantwortung im Bundesrat übernehmen.“,

4. Antrag der Fraktion Die Linke zum Thema: „Rotschwarze Richtwerte für Kosten der Unterkunft sind realitätsfern, führen zu sozialer Verdrängung und lösen kein Problem“,

5. Antrag der Piratenfraktion zum Thema: „Mietrichtwerte adäquat erhöhen – Verdrängung und Zwangsumzüge von Erwerbslosen und Armen vermeiden!“.

Zur Begründung der Aktualität erteile ich zunächst einem Mitglied der Fraktion der SPD das Wort. Es spricht Frau Kollegin Kitschun.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kampf gegen Rechtsextremismus ist ein wichtiger politischer Schwerpunkt der SPD-Fraktion und der rotschwarzen Koalition insgesamt. Diese Arbeit gegen Rechts hat zwei Standbeine und muss sie notwendigerweise haben: Prävention und, wo es notwendig ist, auch Repression. Denn trotz der großen Bedeutung der Prävention – zivilgesellschaftliches Engagement kann kriminelles Verhalten nur sehr bedingt aufhalten. Die Minimierung rechtsextremer Gewalt ist deshalb Aufgabe staatlicher Behörden. Auch Polizei und Verfassungsschutz sind gefragt. Das gilt auch und gerade nach den fürchterlichen Morden der Zwickauer Terrorzelle. Wir werden deshalb

die Abteilung für Verfassungsschutz um fünf Planstellen für den Kampf gegen Rechtsextremismus verstärken.

[Beifall bei der SPD und der CDU – Vereinzelter Beifall bei den PIRATEN]

Diesen Haushaltsvorschlag des Senats haben Grüne und Linke in der letzten Woche im Ausschuss für Verfassungsschutz abgelehnt.

[Zuruf von Udo Wolf (LINKE)]

Wir bedauern das, denn diese Stellen sollen u. a. der dringend notwendigen besseren Vernetzung zwischen Bund und Ländern dienen. Richtig ist, die Morde der Zwickauer Terrorzelle haben Fragen auch zur Arbeit des Verfassungsschutzes und der Strafverfolgungsbehörden in Deutschland aufgeworfen. Eine schnelle und vollständige Aufklärung sind wir den Opfern schuldig, so haben wir es hier in einer gemeinsamen Erklärung vereinbart.

Der Berliner Verfassungsschutz steht vergleichsweise gut da: Er ist schon lange in die Innenverwaltung integriert, Aufklärung und Öffentlichkeitsarbeit sind bereits wichtige Schwerpunkte seiner Arbeit. Selbstverständlich werden wir den Berliner Verfassungsschutz weiter verbessern, wo immer das möglich ist.

Trotzdem haben Sie gegen die zusätzlichen Planstellen gestimmt – das können wir nicht nachvollziehen.

Zum Bereich der Repression gehören auch so wichtige Anliegen wie das NPD-Verbotsverfahren. Hier können wir mit Stolz sagen: Überall, wo die SPD in den Ländern in der Verantwortung steht, gibt es keine V-Leute mehr in NPD-Vorständen. Damit leisten wir einen wichtigen Beitrag zum Verbotsverfahren.

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Wir können stolz sein auf das breite und vielfältige zivilgesellschaftliche Engagement in unserer Stadt. Zur Unterstützung dieser Arbeit stehen allein im Landesprogramm gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus weiterhin jährlich 2,3 Millionen Euro zur Verfügung – genauso viel wie unter Rot-Rot. In diesem Zusammenhang ist es gut, dass gestern die umstrittene Extremismusklausel vom Dresdner Verwaltungsgericht gekippt wurde, und es ist gut, dass sie nicht Bestandteil des rot-schwarzen Koalitionsvertrages in Berlin ist!

[Beifall bei der SPD, den GRÜNEN, der LINKEN und der PIRATEN]

Die Landeskonzeption gegen Rechtsextremismus, die wir in der letzten Wahlperiode aufgelegt haben, werden wir in dieser Legislaturperiode mit dem Ziel weiterentwickeln, die Arbeit gegen Rechts und für unsere Demokratie noch stärker als Querschnittsaufgabe zu verankern.

[Benedikt Lux (GRÜNE): Da haben Sie Gelder gekürzt!]

Anders als Sie, meine Damen und Herren von der Linken und den Grünen, behaupten, sind wir in der präventiven Arbeit gegen Rechtsextremismus gut aufgestellt, finanziell wie konzeptionell. Das gilt auch und gerade im Bundesvergleich.

[Zuruf von Uwe Doering (LINKE)]

Es gibt genügend aktuellen Anlass, heute über unsere Arbeit gegen Rechtsextremismus zu debattieren. Auch über die verbesserungswürdige Abgrenzung der Piraten von rechtsextremistischem Gedankengut lässt sich einiges sagen.

[Beifall bei der SPD, der CDU, den GRÜNEN und den PIRATEN]

Heute werden wir allerdings dem gleichfalls für die Menschen in der Stadt wichtigen Themenvorschlag der Linken folgen. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

[Beifall bei der SPD und der CDU]

Vielen Dank! – Für die Fraktion der CDU hat der Kollege Lenz das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Thema der von uns beantragten Aktuellen Stunde greift einen einigermaßen bemerkenswerten Vorgang aus der Sitzung des Ausschusses für Verfassungsschutz von letzter Woche auf, der es aus meiner Sicht verdient, noch einmal öffentlich debattiert zu werden.

[Uwe Doering (LINKE): Das machen wir ja nicht, das ist ja das Problem!]