Özcan Mutlu
Appearances
15/2
15/3
15/4
15/5
15/6
15/7
15/10
15/11
15/13
15/16
15/19
15/21
15/22
15/23
15/24
15/27
15/28
15/30
15/31
15/32
15/33
15/34
15/35
15/36
15/37
15/41
15/43
15/44
15/45
15/47
15/50
15/51
15/53
15/54
15/56
15/57
15/58
15/60
15/61
15/62
15/64
15/65
15/66
15/67
15/71
15/72
15/74
15/75
15/76
15/77
15/79
15/80
15/83
15/84
15/87
15/89
Last Statements
Frau Senatorin! Teile Sie meine Meinung, dass die vorurteilsvollen Fragen des Abgeordneten Ueckert dieses Hauses unwürdig sind?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Warum ist die Einstellung neuer Lehrer/-innen zum Schuljahresbeginn erneut zu spät und in nicht ausreichender Menge erfolgt, so dass die Unterrichtsversorgung an vielen Schulen nicht gesichert ist und das Recht der Schulen auf Auswahl ihres Personals teilweise außer Kraft gesetzt wurde?
2. Wie rechtfertigt es der Senat, dass das bildungspolitisch zentrale Projekt der flexiblen Schuleingangsphase mit jahrgangsübergreifendem Unterricht durch nicht ausreichende personelle und räumliche Ausstattung sowie mangelhafte Fortbildung eines großen Teils der Eingangsphasenlehrer/-innen gefährdet wird?
Herr Senator! Meinen Sie etwa, dass der Unterrichtsausfall vor Ort von den Betroffenen lediglich eingebildet ist, oder wie bewerten Sie die Klagen der Lehrerverbände und der Schulen, dass zu Schuljahresbeginn mindestens 200 Stellen gefehlt haben? Meinen Sie nicht auch, dass Einstellungen während der Ferienzeit denkbar ungünstig sind, weil die Bewerberinnen und Bewerber die Ferien für den Urlaub nutzen könnten, was auch für die Schulleitungen gilt?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gewalt, Verrohung, Respektlosigkeit gehören in der Tat zum Alltag an vielen Berliner Schulen. Schulnamen wie Rütli- oder Pommernschule sind ein Kennzeichen für die Bildungspolitik des rot-roten Senats. Diese Namen stehen auch für die desaströse Jugend- und Bildungspolitik dieses Senats.
Herr Steuer! Gewalt ist dabei aber nicht das einzige Problem der Berliner Schule.
gefährdet“.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie ich es vorhin schon sagte: Schulnamen wie Rütli- oder Pommernschule sind ein Kennzeichen für die Bildungspolitik des rot-roten Senats. Die Namen stehen für die desaströse Jugend- und Bildungspolitik dieses Senats und haben es leider zu einer traurigen Berühmtheit in der ganzen Republik gebracht.
Nichtsdestotrotz muss gesagt werden, dass Gewalt nicht das einzige Problem der Berliner Schulen ist, dieses Thema darf nicht isoliert betrachtet werden. Fakt ist, dass an den Berliner Schulen weder leistungsstarke noch leistungsschwache Schülerinnen und Schüler adäquat gefördert werden. Das ist mittlerweile durch mehrere internationale Studien belegt worden. Berlin kann es sich auch vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung nicht leisten, dass ein großer Teil der Kinder und Jugendlichen schlecht ausgebildet wird. Wir von Bündnis 90/Die Grünen sind nicht für Flickschusterei und für das Herumdoktern an Symptomen zu haben. Wir stehen für eine grundlegend andere, innovative Bildungspolitik.
Wir alle – und damit meine ich das ganze Haus – stehen in der Pflicht, den Kindern und Jugendlichen das breitgefächerte soziale, mentale und intellektuelle Rüstzeug mitzugeben, das sie brauchen werden, um die Zukunft zu meistern. Für uns ist die bestmögliche und nachhaltige Förderung aller Schülerinnen und Schüler letztendlich der zuverlässige, vielleicht sogar der einzige Weg, zu Spitzenleistungen und zu Exzellenz zu kommen. Wir haben dabei nicht Gleichmacherei vor Augen, vielmehr steht für uns die volle Entfaltung der individuellen Fähigkeiten jedes einzelnen Kindes im Mittelpunkt. Wir sehen dieses zentrale Ziel mit mindestens vier bildungspolitischen Schwerpunkten verknüpft: erstens der Wichtigkeit der frühkindlichen Bildung, zweitens der Befähigung der Schule für ihren Auftrag, drittens der Einbindung und Ermutigung der Eltern zur Teilhabe am Bildungsprozess und viertens der Berücksichtigung und Integration unterschiedlicher sprachlicher und kultureller Hintergründe.
alle Begabungen fördern. Wir wollen eine Qualitätsoffensive, eine andere Lernkultur und die Abschaffung von uneffektiven Selektionsmechanismen. Wir setzen auf individuelle Förderung anstelle des Sitzenbleibens. Wir wollen die Schulabbrecherquote halbieren und die Abiturientenquote sukzessive auf 40 % steigern. Wir brauchen Schulen, die selbstständig handeln und entscheiden können; die Schulen brauchen ihr eigenes Budget und eine eigene pädagogische Entscheidungskompetenz.
All diese notwendigen Reformen haben wir in den letzten fünf Jahren immer wieder auf die Tagesordnung gesetzt und im Parlament thematisiert. Unsere zahlreichen Anträge dazu haben Sie wider besseres Wissen abgelehnt.
Wie schaut dagegen die rot-rote Bildungspolitik aus, wie schaut Ihre Bilanz aus?
Abwarten, Herr Kollege! – Was hat sich seit dem Amtsantritt von Rot-Rot in der Bildungspolitik getan? – Der Unterrichtsausfall sollte auf weniger als 1 % sinken – das hat Herr Böger zu seinem Amtsantritt vollmundig angekündigt. Heute beklagen wir einen Unterrichtsausfall von 11 %, und diese Quote sinkt nicht. Eigenverantwortung artet in Mangelverwaltung aus, weil den Schulen die notwendigen personellen und materiellen Ressourcen vorenthalten werden. Lehrerinnen und Lehrer, die wir für viel Geld in Berlin ausgebildet haben, verlassen die Stadt, weil sie hier keine Zukunftsperspektive sehen, und das, obwohl wir in den nächsten Jahren einen immensen Lehrermangel haben werden. Damit aber nicht genug: Erhöhung der Lehrerarbeitszeit, Erhöhung der Kitagebühren, Personalkürzungen im Kitabereich, Abschaffung der Förderklassen für Schüler mit Sprachdefiziten in Klasse 1 und 2, Abschaffung der Lernmittelfreiheit, Kürzungen bei Schulen in freier Trägerschaft usw. – Das ist Ihre Bilanz!
Aber immerhin, ein Anfang ist gemacht, und notwendige Reformschritte sind eingeleitet, Reformschritte, für die wir immer wieder gestritten haben, wie z. B. frühe Einschulung, flexible Schulanfangsphase, Ausbau der Ganztagsschulen oder Verlagerungen der Horte an die Schulen. Diese Reformschritte wurden allerdings durch die chaotische und zeitlich viel zu enge Umsetzung durch die Senatsschulverwaltung konterkariert und müssen dringend nachjustiert werden.
Sie werden nur dann positiv wirken, wenn sie tatkräftig begleitet und unterstützt werden und wenn die notwendigen finanziellen Mittel dafür bereitgestellt werden. Deshalb sagen wir: Haushaltskonsolidierung und Investitionen in die Zukunftsfähigkeit Berlins müssen Hand in Hand gehen. Bildung muss eindeutige Priorität haben.
Bildungsgerechtigkeit und Bildungsqualität müssen bei allen Reformen im Mittelpunkt stehen. Es geht letzt
)
(C
lich um zwei zentrale Dinge: um die Förderung und Entwicklung aller Begabungen eines Kindes und um die Förderung und Entwicklung aller Kinder, gerade wenn ihr sozialer Hintergrund eine besondere Förderung notwendig macht. Die Befähigung der Schule für ihren Auftrag, die Einbindung und Ermutigung der Eltern und die Berücksichtigung sowie Integration unterschiedlicher sprachlicher und kultureller Hintergründe sind dafür unverzichtbar.
Die Berliner Schule braucht eine Bildungsoffensive statt einer organisierten Verantwortungslosigkeit, die wir jetzt zu beklagen haben.
Die Berliner Schule braucht individuelle Förderung und eine fortschrittliche Lernkultur statt eines antiquierten Frontalunterrichts. Die Berliner Schule braucht echte Eigenverantwortung statt einer gängelnden Zentralbürokratie, die auch mit Maulkörben und Ähnlichem hantiert. Die Berliner Schule braucht zudem neue und junge Lehrerinnen und Lehrer, die für die Realität des Schulalltages gewappnet sind.
Gute Bildungspolitik ist eine Voraussetzung für soziale Gerechtigkeit, für Gleichheit der Chancen und für die Integration von Minderheiten. Dafür müssen wir hier in diesem Hause gemeinsam kämpfen.
Nachhaltige pädagogische Erfolge setzen motivierte und hervorragend ausgebildete Lehrkräfte voraus. Ich sage nicht, dass sie das gegenwärtig nicht wären, aber unsere Lehrerinnen und Lehrer, die trotz all der Schwierigkeiten und schlechten Bedingungen erstaunlich gute Ergebnisse erreichen, brauchen unsere Hilfe. Sie müssen kontinuierlich fortgebildet werden, und diese Fortbildung muss gewährleistet sein. Wir brauchen auch flexible und gerechte Arbeitszeitmodelle mit festen Präsenzzeiten einerseits und variablen Einsatzmöglichkeiten andererseits.
Schülerinnen und Schüler müssen auch zukünftig von Lehrkräften angeleitet und unterrichtet werden, die keine Pauker mehr sind, sondern sich als Lernberater und Lernförderer verstehen. In dieser Richtung muss die Lehrer- und Lehrerinnenausbildung auch inhaltlich reformiert werden – und nicht nur organisatorisch, wie das in den letzten Jahren passiert ist und was auch nicht gerade positive Auswirkungen auf die Ausbildung hatte.
Junge Menschen sind kein genormtes Obst, das noch unreif auf verschiedene Paletten verteilt wird. Genau dazu zwingt das gegenwärtige dreigliedrige Schulsystem. Die
ses dreigliedrige Schulsystem ist nicht nur extrem selektiv, sondern auch sehr ineffektiv und leistungsschwach. Unsere Schulen müssen soziale Disparitäten ausgleichen helfen, anstatt sie zu vertiefen.
Tatsächlich bilden aber unsere Schulen die Einkommenshierarchien der Gesellschaft und der Elternhäuser ab und zementieren Chancenungerechtigkeit von Generation zu Generation. In dieser grundsätzlichen Ungerechtigkeit steckt ein enormer sozialer Sprengstoff, und deshalb sage ich an dieser Stelle: Die Bilder aus Frankreich vom letzten Herbst sollten uns eine Warnung sein.
Wir werden zudem auch nicht umhin kommen, unser Schulsystem mit der frühzeitigen Aufspaltung in drei Schultypen zu überwinden. PISA hat nachgewiesen, dass wir daran nicht vorbeikommen.
Eine innere Schulreform ohne eine entsprechende äußere Schulreform wird nicht gelingen. Wir brauchen ein integratives Schulsystem, in dem Demokratie und soziales Verhalten gelernt und gelebt werden. Wir brauchen keine Einheitsschule, sondern eine Gemeinschaftsschule nach skandinavischem Vorbild, in der alle Schülerinnen und Schüler von der ersten bis zur zehnten Klasse gemeinsam lernen und individuell gefördert werden. Die Zusammenlegung von Haupt- und Realschule zu einer neuen integrativen Schulform ist ein erster richtiger Schritt dorthin.
Reformen kosten Geld. Gute und zukunftsfähige Bildung hat ihren Preis. Wir sind der Auffassung, dass Berlin mit den Mehreinnahmen, die es durch Subventionsabbau und durch die Steuerreformen bekommt, hier Prioritäten setzen muss. Wir wollen jeden fünften Euro aus diesen Mehreinnahmen in die Bildung investieren, und darüber hinaus wollen wir auch durch intelligente Umstrukturierungen im Schulwesen einen wesentlich effizienteren Mitteleinsatz als bisher ermöglichen. Wir als Grüne haben uns klar für die Priorität der Bildung entschieden. Wir sind der Auffassung, dass Investitionen in die Bildung Zukunftsinvestitionen sind und dass es sich lohnt, dafür zu kämpfen. Ich hoffe, Sie teilen in diesem Punkt unsere Meinung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:
1. Wieso hat der Senator für Schulwesen von dem Brief der Rütli-Hauptschule vom 28. Februar 2006 erst aus der Presse erfahren, und wie erklärt der zuständige Senator den Umstand, dass die Probleme der Rütli-Schule – die im Grunde seit Jahren bekannt sind – nicht früher zu Unterstützungsmaßnahmen für die Schule und die Lehrkräfte geführt haben?
2. Welche Konsequenzen wird der Senat aus der Weigerung der Leiterin der Außenstelle Neukölln, Oberschulrätin W.-T., ziehen, die es abgelehnt hat, den Brief an den Senator und weitere Adressaten weiterzuleiten, und wie bewertet er dieses Verhalten?
Herr Senator! Ich habe gestern an einer Protestversammlung von Neuköllner Schulen teilgenommen. Dort standen zahlreiche Lehrer, Lehrerinnen und Schulleiter auf und berichteten von Problemen und Kommunikationsschwierigkeiten mit der örtlichen Schulaufsicht. Es handelte sich um die gleichen Probleme, die jetzt in Verbindung mit der Rütli-Schule öffentlich wurden. Wie wollen Sie zukünftig gewährleisten, dass es nicht mehr zu solchen Kommunikationsproblemen kommt? Wie wollen Sie gewährleisten, dass die Informa
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der mutige Hilferuf der Rütli-Schule kommt einem Dammbruch gleich. Dieser Dammbruch ist allerdings nicht mit Sandsacken zu stoppen, und dieser Dammbruch ist auch nicht mit beharrlichem Festhalten an der Hauptschule zu schließen, Herr Böger. Diese Restschule ist kaum zu reformieren. Sie hat sich nicht bewährt und gehört abgeschafft.
Wir brauchen ein integratives Schulsystem, in dem Demokratie und soziales Verhalten gelernt und gelebt werden können.
Langfristig brauchen wir keine Einheitsschule. Es wird uns von der Seite immer wieder fälschlich vorgeworfen, dass wir das fordern. Wir brauchen vielmehr eine Gemeinschaftsschule nach skandinavischem Vorbild, in der alle Schülerinnen und Schüler bis zur 10. Klasse gemeinsam lernen,
und die Zusammenlegung der Haupt- und Realschule zu einer integrativen Schulform, wie es meine Kollegin Klotz vorhin angemahnt hat, ist ein richtiger Schritt dahin.
Auch wenn durch die Zusammenlegung von zwei Schulen die Probleme nicht schon gelöst werden können – dieses muss sicherlich inhaltlich und programmatisch unterfüttert und mit den Schulen gemeinsam erarbeitet werden –, ist es doch ein Schritt in die richtige Richtung.
Nichtsdestotrotz dürfen wir Schulen und Lehrkräfte mit den Problemen der Gesellschaft nicht allein lassen.
Es wurde bereits diverse Male gesagt, und ich betone es nochmals: Schulen müssen wieder Ort von Respekt, mit klaren Regeln und mit klaren Grenzen werden. Die Lehrerinnen und Lehrer müssen dafür auch gewappnet werden.
Das erfordert eine konsequente und kontinuierliche Fort- und Weiterbildung der Lehrerschaft,
Wir müssen es aber auch schaffen, Autoritäten der Immigranten-Community als echte Partner zu gewinnen. Das können Imame sein, es kann aber z. B. auch der Ältestenrat einer größeren Familie sein. Es gibt so genannten Großfamilien, und diese Einrichtung müssen wir für die Schule gewinnen und in der Schule entsprechend verankern. Die Eltern, insbesondere die aus dem türkischen und arabischen Sprachraum entlasse ich damit keineswegs aus der Verantwortung. Sie haben die Pflicht, ihre Kinder, die Kita und die Schule tatkräftig zu unterstützen. Wenn es notwendig ist, müssen wir auch die Eltern bilden, sie an die Schulen binden und Identifikationsräume schaffen. Wir müssen ein Klima schaffen, wo sich die Eltern wie die Schüler willkommen fühlen. Das gilt im Übrigen für alle Schülerinnen und Schüler und nicht nur für solche mit Migrationshintergrund.
Elterncafés oder Mütterkurse sind dazu hervorragend geeignet. Aber diese werden nicht ausreichend finanziert. Diese müssen ausgebaut werden und sollten nicht nur an 50 oder 60 Schulen, sondern an allen Schulen vorhanden
)
Wir erinnern uns alle an die Diskussion, die wir vor ziemlich genau zwei Jahren hier geführt haben und in der es um die Thomas-Morus-Schule ging. Damals hatte der Rektor der Öffentlichkeit mitgeteilt, dass drei Schüler seiner Schule den so genannten Ehrenmord an Hatun Sürücü für richtig hielten. Es herrschte großes Entsetzen auf allen Seiten, und im Plenum wurde deutlich, dass wir mit einer gewissen Blauäugigkeit an der Berliner Realität vorbeigegangen sind. Es wurde uns bewusst, dass etwas schief läuft und vielleicht sogar etwas aus dem Ruder laufen könnte. Und es wurde uns bewusst, dass eine funktionierende internationale Großstadt mehr braucht als Multikulti-Gesäusel. Das war Konsens.
Damals sollten Taten folgen – z. B. dass die Kinder mit Schulbeginn Deutsch sprechen. Der Senator rühmt sich immer wieder – auch gestern im Bundestag – ob seiner Maßnahmen. Aber Sie müssen sich auch die Frage stellen – jetzt ist er wieder weg –:
(D
Beherrschen alle jetzigen Erstklässler, die nun erstmalig gefördert wurden, die deutsche Sprache? – Nein! Diese Maßnahme ist nicht hinreichend und nicht konsequent. Sie haben die Vorklassen abgeschafft, statt sie zu qualifizieren. Wir wollen hingegen die Startklasse einrichten. Damit verbessern wir nicht nur die Startchancen unserer Kinder, sondern wir legen damit die Basis für eine erfolgreiche Integration.
sein. Wir müssen es auch schaffen, so genannte Testimonials – also Vorbilder – aus den Migranten-Communities als Partner in die Schule zu holen und sie für die Schule als Partner zu gewinnen. Erfolgreiche Migranten und Migrantinnen, die hier groß geworden sind und es als Sportler, Musiker oder Künstler zu Ruhm gebracht haben, können viel bewirken, weil sie von diesen Jugendlichen, die sich als Underdogs verstehen, auch respektiert werden. Insofern müssen wir es auch schaffen, dass die Schule viel mehr individuelle Förderung betreibt. Selbstverständlich muss die Schule auch großen Wert darauf legen – das möchte ich noch einmal unterstreichen –, dass die deutsche Sprache intensiver und gezielter gefördert wird.
Ich komme zum Schluss: Individuelle Förderung ist ein richtiger Weg. Selektionsinstrumente wie das Sitzenbleiben oder das Probehalbjahr gehören in diesem Sinne auf den Prüfstand bzw. abgeschafft.
Was Not tut, sind Bildungsvereinbarungen mit klaren Zielen zwischen Schulen, Eltern sowie Schülerinnen und Schülern.
Für die Bekämpfung dieses Dammbruchs gibt es keine Patentlösung. Wir müssen an vielen Schrauben drehen und viele Reformen durchsetzen. Reformen gibt es im Übrigen nicht zum Nulltarif, obwohl Geld allein selbstverständlich nichts bewirkt. Bildungsinvestitionen sind Zukunftsinvestitionen, und diese sind längst überfällig. Das hat uns die Rütli-Schule schmerzlich gezeigt.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine kleine Tochter ist gerade sechs Jahre alt und geht in die Grundschule. In den letzten Monaten kommt sie mit sehr interessanten Fragen nach Hause: Wer war Christus? Warum wurde er gekreuzigt? – Und während des Ramadan im letzten November fragte sie: Warum fasten manche, und warum fasten wir nicht? – Und als neulich „Little Buddha“ im Fernsehen lief, haben wir uns mit der ganzen Familie über Buddhismus unterhalten. Ich bin gespannt, wann die Frage nach dem Kopftuch kommt, denn noch hat sie keine Klassenkameradinnen, die ein Kopftuch tragen.
Wenn ich ehrlich bin, waren wir, die Erwachsenen, teilweise überfordert, die Fragen unserer Kinder so zu beantworten, dass sie es auch verstehen. Vermutlich haben manche im Saal bereits ähnliche Erfahrungen gemacht. Ich finde, dass dies ein guter Grund unter vielen Gründen ist, ein Ethikfach an der Berliner Schule einzuführen. Ich bin der Auffassung, dass Schulen mehr Raum für Wertevermittlung bieten müssen, mehr Raum für den Dialog, für den Austausch und auch für die Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Religionen, Weltanschauungen, Kulturen und Lebensweisen.
wünschen wir uns ihre Kooperationsbereitschaft mit den Schulen. Wegen der besonderen Bedeutung der Einführung eines gemeinsamen Unterrichtsfaches zur Werteerziehung gehört es in das Schulgesetz aufgenommen. Die erste Änderung des Schulgesetzes erfolgt also wegen einer wirklich bedeutsamen und beispielgebenden Veränderung in der Berliner Schule. Zugleich wird damit auch die Eigenständigkeit des Faches gegenüber dem freiwilligen Angebot der Religions- oder Weltanschauungsgemeinschaften deutlich.
Immer wieder sind Vorwürfe gegen ein verbindliches staatliches Ethikfach aufgeflammt. Immer wieder einmal wird versucht, das Recht des Staates auf Einführung eines solchen Faches als nicht verfassungskonform anzuzweifeln. Wer den Geist des Grundgesetzes bemüht, muss über Artikel 7 Absatz 3 hinaus anerkennen, dass die Mütter und Väter des Grundgesetzes mit Artikel 141 – der Bremer Klausel, die übrigens eine Fortgeltung aus der Weimarer Reichsverfassung von 1919 ist –, den historischen Streit in dieser Sache mit einem rechtlichen und politischen Kompromiss geregelt haben. An dieser Rechtslage hat sich auch durch den Staatskirchenvertrag nichts geändert. Berlin ist frei und souverän, die eine oder die andere Möglichkeit zu wählen. Wir wählen gern und haben deshalb gewählt: die Fortsetzung des Status quo in Bezug auf den Religionsunterricht und die Einführung eines staatlichen Ethikfaches.
In seinem Urteil vom 17. Juni 1998 zum Ethikunterricht in Baden-Württemberg hat das Bundesverwaltungsgericht darauf verwiesen, dass der Landesgesetzgeber nicht gehindert wäre, Ethikunterricht für alle Schülerinnen und Schüler vorzusehen und in Kauf zu nehmen, dass die am Religionsunterricht teilnehmenden Schüler zusätzliche Schulstunden haben. So viel zum Thema Einschränkung der positiven Religionsfreiheit.
Das Gelingen eines anspruchsvollen mit großen Erwartungen bedachten Unterrichtsfaches hängt unabdingbar von der Qualifikation und der Persönlichkeit der Unterrichtenden ab.
Für die Startphase stehen Lehrerinnen und Lehrer aus dem Schulversuch Ethik/Philosophie zur Verfügung und werden auch eingesetzt. Ethikunterricht ist jedoch nicht die Fortsetzung dieses Schulversuchs.
Auch wenn dessen Inhalte Bestandteil von Ethik sein werden, brauchen die Lehrerinnen und Lehrer Weiterbildung zu den anderen Bestandteilen des Rahmenplanes. Ihnen wird viel abverlangt, bis August fit für das neue Fach zu sein.
Meine Frage richtet sich an den Bildungssenator. – Herr Böger! Wie bewerten Sie Pressemeldungen, wonach in Reinickendorf wieder und erneut die Hälfte der 33 Schulen zu wenig Lehrerinnen hat und Unterrichtsausfall nach wie vor die Regel in diesem Bezirk zu sein scheint, weshalb Teilungsunterricht, Förderunterricht und Deutsch als Zweitsprache regelmäßig ausfallen müssen?
Im Übrigen gibt es da auch ein Missverständnis bei manchen. Was die Ausstattung der Schulen betrifft, so ist die Zielorientierung 105 %, das ist inklusive eventueller Dauerkranken und nicht exklusive. Ich glaube, dass der Bezirk Reinickendorf dann ausreichend Lehrkräfte zur Verfügung hat.
Sie sind somit der Auffassung, dass sich Klaus Werner von der Außenstelle der Senatsschulverwaltung irrt, wenn er sagt, in dem Bezirk seien etwa 90 Lehrer dauerkrank, und in absehbarer Zeit gebe es keine Lösung? – Und die nächste Frage: Wie wollen Sie den Unterrichtsausfall wirksam und spürbar reduzieren, ohne dass Sie sagen, die Presse schreibt etwas Falsches und die Eltern nehmen das zu subjektiv?
Liebe Kollegin Schultze-Berndt! Ihre Bemühungen in
allen Ehren, Sie zeigen Einsatz und kämpfen, auch wenn Sie damit zu der Minderheit Ihrer Fraktion gehören. Ich bin auch mit Ihnen einer Meinung, was die Frage der Umsetzung der Reformmaßnahmen angeht.
Die Umsetzung der Reformmaßnahmen in die Praxis
der Berliner Grundschule im Schuljahr 2005/2006 hat an vielen Grundschulen zu erheblichen Problemen geführt und viele Defizite aufgezeigt. Trotzdem und dennoch sage ich: Die eingeleiteten Reformmaßnahmen sind Schritte in die richtige Richtung.
Sie gehen den falschen Weg, Sie betreiben einfach
Stückwerk. Sie wollen hier und dort herumdoktern, je nachdem, was gerade auf der Tagesordnung ist, stellen Sie auf die Schnelle einen Antrag oder beantragen eine Gesetzesänderung. Das, meine Damen und Herren von der CDU, ist nicht die Antwort auf die bildungspolitische Misere dieses Landes.
Nun komme ich zu Ihren Anträgen. Drucksache
15/4041 – Sonderpädagogische Diagnostik erhalten–: Der Erhalt der sonderpädagogischen Diagnostik für die Bereiche Lernen, Sprache und Verhalten ist durchaus sinnvoll. Sie gehen aber weiter und fordern die Wiedereinführung entsprechender Klassen an sonderpädagogischen Förderzentren. Das ist aus unserer Sicht nicht im Interesse der Betroffenen. Diagnostik ja, vor allem, um entsprechende Ressourcen für die Förderung der Kinder in der Schuleingangsphase zu gewährleisten.
Drucksache 15/4553 – Änderung des Schulgesetzes –:
Mit einem Vorziehen der Sprachstandsmessung kann ich mich durchaus anfreunden, und dieses hat in Anbetracht der Defizite vermutlich auch Sinn. Aber Ihre anderen Forderungen helfen den betroffenen Schülerinnen und Schülern nicht. Sie und wir alle im Fachausschuss haben im Rahmen der Anhörung zu dieser Schulgesetzänderung Prof. Dr. Rost gehört. Er als anerkannter Fachmann hat deutlich gemacht, wie unsinnig es ist, Diagnosen hinsichtlich der Hochbegabung von 4-Jährigen vorzunehmen. Ich zitiere: „Eine derartige Diagnose ist nicht nur eine Geldverschwendung, sondern unter pädagogischen Gesichtspunkten möglicherweise sogar kontraproduktiv.“ Wenn Sie uns schon nicht glauben, vertrauen Sie wenigstens auf die Wissenschaft!
Auch ein weiteres Vorziehen des Einschulungsalters
lehnen wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt ab. Ein halbes Jahr nach der Änderung des Einschulungsalters auf fünfeinhalb Jahre ist eine erneute Herabsetzung des Einschulalters nicht angebracht.
Drucksache 15/2660 – Hochbegabtenförderung –: Wir
haben uns bei diesem Antrag im Ausschuss enthalten. Prinzipiell halte ich regionale Förderschwerpunkte für Hochbegabte für sinnvoll. Diese gibt es bereits heute schon. Schulverbünde, bestehend aus Grund- und Oberschulen, bieten schon ergänzende Programme an. Deshalb verstehe ich den Sinn Ihres Antrags nicht. Ihr Fokus ist falsch! Wir wollen individuelle Förderung! Wir wollen alle Begabten fördern, die Leistungsstarken gleichermaßen wie die Leistungsschwachen. Deshalb haben wir uns eben enthalten.
Die restlichen Anträge überspringe ich einmal und
wiederhole zum Schluss: Insgesamt kann bei allen Anträgen konstatiert werden, dass Sie weniger Veränderung von Schule als Ganzes im Blick haben und nur spezielle Angebote für einzelne Bereiche und einzelne Schülerinnen und Schüler einfordern. Das mag für Sie aus populistischen Gründen richtig sein. Aber in Anbetracht der bil
)
(D
dungspolitischen Probleme vor Ort, die von Eltern, Schülerinnen und Schülern und auch von Schulen beklagt werden, ist Ihr Stückwerk die falsche Antwort.
Herr Kollege Sayan, Sie haben von den anderen Bundesländern gesprochen und auch meiner Kollegin zugehört. Meine Frage: Ist Ihnen bekannt, dass es in Nordrhein-Westfalen, einem CDU-regierten Land, inzwischen einen Integrationsminister gibt? Was gedenken Sie als rot-rote Koalition daraus an Schlussfolgerungen für Berlin zu ziehen – in Bezug auf diese Aufgabe?
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Schaub! Ich verrate Ihnen ein Geheimnis: Zwischenfragen werden nicht auf die Redezeit angerechnet. Das müsste inzwischen auch bei Ihnen angekommen sein.
Die in der Berliner Grundschule eingeleiteten Reformmaßnahmen sind unbestritten Schritte in die richtige Richtung. Die Einführung der flexiblen Schulanfangsphase, die verlässliche Halbtagsgrundschule und der Ausbau von Ganztagsangeboten sind geeignet, die Kinder individuell besser zu fördern und die Qualität der Bildung und Erziehung in den Schulen zu verbessern. Aber, liebe Frau Dr. Tesch, liebe Frau Schaub, die praktische Umsetzung der eingeleiteten Reformmaßnahmen im laufenden Schuljahr hat an vielen Berliner Grundschulen zu erheblichen Problemen geführt und Defizite aufgezeigt. Das ist auch
der Grund, warum wir diesen Antrag gestellt haben. Wir wollen, dass diese Fehler möglichst schnell behoben werden.
Die notwendigen rechtlichen Regelungen für die Verlagerung der Horte an die Schulen erfolgten zu spät. Zuständigkeiten für einzelne Aufgaben waren und sind teilweise immer noch nicht zwischen der Senatsverwaltung, dem Schulträger vor Ort und den Schulen eindeutig geklärt. Gemeinsame Konzepte für die Verzahnung von Bildung, Erziehung und Betreuung konnten nicht erstellt werden, und es ist auch nicht absehbar, wann das endlich passiert. Die räumliche Ausstattung ist für die Anforderungen in der flexiblen Schulanfangsphase, der verlässlichen Halbtagsgrundschule und der ergänzenden Förderung und Betreuung an den meisten Schulen nach wie vor völlig unzureichend.
Auch die Personalausstattung entspricht nicht den Zielen und den pädagogischen Anforderungen, die im „Leitbild für die Offene Ganztagsschule“ an die Schule gestellt werden. Das betrifft z. B. die Forderung nach mehr Zeit für die individuelle Förderung insbesondere der Kinder mit Benachteiligungen und Sprachdefiziten, nach Rhythmisierung des Schulalltags oder nach Kooperation des pädagogischen Personals untereinander sowie mit Eltern und außerschulischen Partnern. Viele Probleme können sicherlich so, wie Sie es getan haben und immer wieder tun, als Anfangsschwierigkeiten hingestellt oder als Folge der neuen Anforderungen an das pädagogische Personal betrachtet werden, die von den einzelnen Schulen in absehbarer Zeit eigenständig oder mit Unterstützung seitens des Schulträgers und der Senatsschulverwaltung behoben werden können. Ich sage: Hoffentlich! – Wenn ich mir vor Augen führe, wie Sie in den letzten fünf Jahren Bildungspolitik betrieben haben, muss ich allerdings sagen: Ich habe keine große Hoffnung.
Andere Probleme zeigen grundlegende Defizite in den gesetzten Rahmenbedingungen, die das „Leitbild für die Offene Ganztagsschule“ in das Reich der Träume verweisen. So sind z. B. die bessere Verzahnung von Unterricht, Freizeit und Betreuung und eine Rhythmisierung des Schulalltags kaum möglich, wenn nur die Kinder mit Betreuungsbedarf an der ergänzenden Förderung und Betreuung am Nachmittag teilnehmen dürfen und die Personaldecke extrem dünn ist. Die gewünschte Kooperation der in den Schulen tätigen Fachkräfte untereinander mit Eltern und mit außerschulischen Partnern sowie die Schulprogramm- und Qualitätsentwicklung benötigen zeitliche Ressourcen, die in der Personalbemessung bisher nicht ausreichend berücksichtigt sind.
Wenn die in den Grundschulen eingeleiteten Reformen erfolgreich sein sollen, die Kinder individuell besser gefördert und ungleiche Bildungschancen ausgeglichen werden sollen, dann müssen die Grundschulen bei der Bewältigung reformbedingter Probleme nachhaltig unterstützt und personell wie sächlich in die Lage versetzt werden, das „Leitbild für die Offene Ganztagsschule“ zu
verwirklichen. Die Weiterentwicklung der Berliner Schule darf nicht im Sinne permanenter Ad-hoc-Maßnahmen improvisiert, sondern muss sorgsam und nachhaltig geplant und realisiert werden. Dazu ist eine kritische Bestandsaufnahme nötig, die Defizite objektiv auflistet, aber auch durch die Befragung der Schulen subjektive pädagogische Einschätzungen erhebt, um darauf abgestimmte Unterstützungsmaßnahmen seitens der Schulträger und der Senatsschulverwaltung zu entwickeln und gegebenenfalls notwendige Änderungen in den Rahmenbedingungen vorzunehmen. Nur so können die eingeleiteten Reformmaßnahmen qualitätssteigernde Wirkungen erzielen. Genau darauf zielt unser Antrag. Genau diese Analyse fordern wir mit unserem Antrag, liebe Frau Schaub! Deshalb sage ich: Stimmen Sie dem Antrag: „Alle Begabungen fördern – Leitbild für eine Offene Ganztagsschule Wirklichkeit werden lassen“ zu!
Jetzt noch in aller Kürze zu den FDP-Anträgen, und zwar zunächst zum Antrag „Schule mit Zukunft III – Bildungsprogramm für schulergänzendes Bildungs- und Betreuungsangebot!“: Das ist meines Wissens bereits in Arbeit. Zu beachten wäre in diesem Zusammenhang, dass perspektivisch Bildungsprogramme ganzheitlich und verbindlich für die Bereiche Erziehung, Bildung und Betreuung gelten und nicht voneinander abgekoppelt werden sollten.
Der FDP-Antrag: „Schule mit Zukunft IV – Verbindlichkeit für die Grundschule!“ betrifft die verlässliche Halbtagsgrundschule. Das können wir grundsätzlich mittragen. Hinsichtlich der Einsatzes von Erzieherinnen in der verlässlichen Halbtagrundschule melde ich allerdings Dissens an. Das werden wir im Ausschuss noch diskutieren.
Der FDP-Antrag: „Schule mit Zukunft V – Schülerverhalten in Zeugnissen dokumentieren!“ hat Kopfnoten zum Ziel. Ein solches Dokumentieren des Schülerverhaltens oder Kopfnoten kann ich jedoch in keiner Weise gutheißen.
Letzter Satz: Ich frage mich, was ein wilhelminisches Bildungsverständnis mit der Überschrift „Schule mit Zukunft“ zu tun hat. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenige Tage vor der Veröffentlichung der PISAStudie gelang der dpa ein journalistisches Meisterstück. Einem dpa-Journalisten ist es gelungen, unter welchen Umständen auch immer, vorab an die PISA-Ergebnisse heranzukommen. Die entsprechenden Schlagzeilen haben Sie alle gelesen. Demnach hatte sich die soziale Schere in der Bildung weiter geöffnet. Als dann die PISAErgebnisse offiziell vorgestellt wurden, waren die Vertreter der KMK sowie die PISA-Wissenschaftler unisono damit beschäftigt, die dpa-Meldung zu widerlegen. Ihr Hauptargument: die soziale Schere habe sich nicht weiter geöffnet, sie sei seit dem Jahr 2000, dem Jahr des ersten PISA-Schocks, unverändert.
Stagnation ist kein Erfolg. Es ist nicht hinnehmbar, wenn in unserem Schulsystem Kinder aus Akademikerfamilien eine viermal höhere Chance haben, aufs Gymnasium zu kommen, als Arbeiterkinder und Kinder aus sozialen Verhältnissen. Das ist ein Skandal für das deutsche Bildungswesen.
Berlin belegt in nahezu allen signifikanten Bereichen den vorletzten Platz. In der Berliner Schule werden weder leistungsstarke noch leistungsschwache Schülerinnen und Schüler gefördert. Das Abschneiden unserer Hauptschulen ist katastrophal und führt zu der Frage, warum Haupt- und Realschulen nicht längst zu integrativen Schulen zusammengefasst worden sind. Im Übrigen, das schlechte Berliner Ergebnis hat auch nichts mit dem Anteil der Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund zu tun. Wenn diese herausgerechnet werden – diese Mühe
haben sich die Wissenschaftler tatsächlich gemacht –, schneidet Berlin sogar schlechter ab.
Die vergangenen PISA-Studien haben im Grunde nur wissenschaftlich belegt, was spätestens seit den Siebzigern klar ist, dass nämlich in der Bundesrepublik Deutschland, die sich in ihrer Verfassung zum Grundsatz der sozialen Verantwortung bekennt, der familiäre Hintergrund nach wie vor inakzeptabel stark über die realen Bildungschancen eines Kindes entscheidet. Das kann und darf nicht so weitergehen.
Früher war es das katholische Mädchen vom Lande, heute ist es Ayshe aus Neukölln oder Ali aus Kreuzberg, deren Begabungen umfassend zu fördern unser Schulsystem immer noch für unnötig hält oder nicht in der Lage ist. Das trifft für Deutschland im Allgemeinen und für Berlin im Besonderen zu. Dabei geht es nicht bloß um veränderte Durchführungsbestimmungen oder um richtige Ansätze und Weichen in einem neuen Schulgesetz, sondern vor allem um ein grundsätzlich anderes Denken und Handeln im Bildungsbereich. Wir sagen das seit Jahren, und genau darauf baut unsere aktuelle Bildungskampagne auf.
Wir alle stehen in der Pflicht, den Kindern und Jugendlichen das breit gefächerte soziale, mentale und intellektuelle Rüstzeug mitzugeben, das sie brauchen werden, um künftigen Problemen konstruktiv begegnen zu können. Es geht letztlich um zwei zentrale Dinge: erstens die Förderung und Entwicklung aller Begabungen eines Kindes, der kognitiven und gleichermaßen auch der musischen, der künstlerischen, der sozialen und der kommunikativen Fähigkeiten; zweitens die Förderung und Entwicklung aller Kinder, gerade wenn ihr sozialer Hintergrund eine besondere Förderung notwendig macht. Wir haben dabei nicht Gleichmacherei vor Augen, sondern im Gegenteil die volle Entfaltung der individuellen Fähigkeiten eines jeden einzelnen Kindes. Das genau steht für uns im Mittelpunkt.
Wir sehen diese beiden zentralen Ziele mit mindestens vier bildungspolitischen Schwerpunkten verknüpft: der Wichtigkeit der frühkindlichen Erziehung, der Befähigung der Schule für ihren eigentlichen Auftrag, der Einbindung und Ermutigung der Eltern und der Berücksichtigung und Integration unterschiedlicher sprachlicher und kultureller Hintergründe. Alle diese Bereiche stehen in enger Wechselwirkung miteinander, keiner kann isoliert betrachtet werden. Den Kindertagesstätten muss endlich die Aufmerksamkeit zuteil werden, die sie als Fundament aller späteren Bildung brauchen.
Unabdingbar ist dabei, dass Kitas und Grundschulen Hand in Hand arbeiten. Ebenso soll die Schule Freude am Lernen vermitteln. Das kann sie aber nur, wenn sie ein Ort ist, der Bildung mit den Lebenswirklichkeiten vor Ort verbindet, und wenn sie in ihrer didaktischen Grundausrichtung auf die persönliche und ganzheitliche Förderung des einzelnen Schülers setzt. Schule soll eine Werkstatt
des konstruktiven, vernetzten Lernens, eine Quelle der sozialen Integration und des interkulturellen Respekts und ein Ort sein, an dem Brücken zur Nachbarschaft aufgebaut werden, und zwar zu allen gesellschaftlichen Bereichen. Deshalb muss sich die Schule öffnen und sich zu einem Stadtteilzentrum entwickeln.
Wir wollen in diesem Zusammenhang auch die Eltern als Partner gewinnen, sie stärker als bisher an Entscheidungen beteiligen und ihre Verantwortung zum integralen Bestanteil einer notwendigen Schulreform machen. Nur so kann Identifikation entstehen. Wenn sich Eltern, Schülerinnen und Schüler mit ihrer Schule identifizieren, wird Schule erfolgreicher.
In der Schule müssen Kinder und Jugendliche unterrichtet werden und nicht Fächer. Wir müssen wegkommen von der überholten Osterhasenpädagogik, bei der die Lehrerinnen und Lehrer das Wissen verstecken und die Schülerinnen und Schüler danach suchen sollen.
Die Lern- und Unterrichtskultur muss sich grundlegend ändern. Schule muss durch ihren eigenen pädagogischen und finanziellen Entscheidungsspielraum ein lebendiges Beispiel für Eigenverantwortung werden, anstatt lediglich Vollzugsorgan einer Zentralbehörde zu sein.
Wir werden zudem nicht umhin kommen, unser extrem selektives und ineffektives Schulsystem mit der frühzeitigen Aufspaltung in drei Schultypen durch eine 10-jährige gemeinsame Schulzeit für alle Schülerinnen und Schüler zu ersetzen.
PISA hat nämlich genau das unter Beweis gestellt: Länger gemeinsam lernen, länger gemeinsam unterrichtet werden und individuelle Förderung sind die Zauberwörter der erfolgreichen PISA-Länder.
Allerdings ist keiner der genannten Punkte denkbar ohne die sprachliche und kulturelle Integration von jungen Menschen mit Migrationshintergrund. Das fängt mit der intensiven Sprachförderung in der Kita an und setzt sich bei der Erziehung zu gegenseitigem Respekt und sozialer Kompetenz in der Schule fort. Deshalb sind wir der Meinung, dass Schulen in problematischen Quartieren und so genannten sozialen Brennpunkten besonderer Unterstützung und Mittelausstattung bedürfen. Reformen gibt es nicht zum Nulltarif.
Ob die in Berlin angestoßenen Reformen tatsächlich zu einer Verbesserung führen, bleibt abzuwarten. Frühere Einschulung, flexible Eingangsphase, der Ausbau der Ganztagsschulen und die Verlagerung der Horte an die Schulen – diese richtigen Reformschritte hat die Senatsverwaltung leider durch ihre handwerklichen Fehler nahezu zunichte gemacht.
Ich bin der Meinung, dass es eine der wichtigsten Aufgaben für Berlin ist und bleibt, die Chancen von Kindern aus sozial benachteiligten Elternhäusern und Kindern mit Migrationshintergrund wesentlich zu verbessern. Der stärkere Ausbau von Ganztagsangeboten, die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen Schule und Jugendhilfe, eine Bildungsoffensive für Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache, die Abschaffung des Sitzenbleibens, die Reduzierung der Klassenfrequenzen und die Sicherung der gemeinsamen Erziehung sind Ansätze, die verstärkter finanzieller Unterstützung und Sicherung bedürfen. Ich appelliere an Sie und Ihre Vernunft, in den Haushaltsberatungen die entsprechenden Weichen zu stellen.
Unser Nachbarland Frankreich muss in diesen Tagen schmerzhaft lernen, was es bedeutet, wenn man Schlüsselfelder der Bildungs- und Integrationspolitik über Jahrzehnte hinaus vernachlässigt. Wir müssen unsere eigenen Lehren daraus ziehen, bevor Katastrophen passieren und sich Fehlentwicklungen einschleichen, die uns zum Handeln zwingen.
Bildungspolitik ist Integrationspolitik. Deshalb ist es an der Zeit umzudenken, nämlich jetzt. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Jahre 2006 und 2007 werden weitere Belastungen für Zehntausende Berliner Kinder und Jugendliche sowie deren Familien mit sich bringen. Ihre soziale Situation wird sich weiter verschlechtern. Der schulische und berufliche Bildungsnotstand in dieser Stadt wird fortschreiten. Dies wird zumindest dann geschehen, wenn die von der gegenwärtigen Senatskoalition geplanten Mittelkürzungen in der Jugendhilfe Wirklichkeit werden.
Ich möchte dazu ein Beispiel nennen: Im Jahr 2002 war es dem Land Berlin immerhin noch 450 Millionen € wert, notleidende Familien und ihre Kinder zu unterstützen. Seitdem wurde dieser Etat stetig gekürzt. Die Mittel für die Jugendhilfe wurden seit 2002 nahezu halbiert. Um es klarzustellen: Wir reden hier nicht über abstrakte Zahlenspiele, sondern von hochbrisanten familiären Situationen und anderen Themen wie Vernachlässigung und Misshandlungen mit unabsehbaren Folgen für die späteren Biographien der Betroffenen.
Der Wegfall von 40 % der Jugendhilfe kann darüber hinaus nicht isoliert betrachtet werden. Es ergeben sich zahlreiche negative Synergieeffekte gerade und besonders auch im Bildungsbereich. So wird durch die Streichung von Angeboten der Jugendberufshilfe Tausenden von Jugendlichen die Chance auf berufliche Qualifizierung genommen mit allen sozialen Folgen, die das mit sich ziehen wird. Der Ausbildungsplatzmangel gerade in Berlin und Brandenburg wird sich in absehbarer Zeit nicht auflö
sen. 40 000 arbeitslose Jugendliche sind 40 000 Arbeitslose zu viel.
Was man der Jugendhilfe an berufsqualifizierenden Angeboten sowie an sozialen Hilfeleistungen nimmt, wird man dann umso mehr von der allgemeinbildenden Schule abverlangen. Eine solche Erwartungshaltung ist aber völlig unrealistisch. Selbstverständlich soll Schule eine Werkstatt des konstruktiven, des vernetzten Lernens, eine Quelle sozialer Integration, des interkulturellen Respekts und auch ein Ort sein, von dem aus Brücken zu jeweiligen Nachbarschaften und allen gesellschaftlichen Gruppen beschritten werden. Schule und berufliche Qualifikation sowie Jugendhilfe müssen Hand in Hand gehen. Das ist keine Frage. Sie dürfen aber nicht finanziell gegeneinander aufgerechnet werden.
Genau diese Gefahr besteht jedoch bei den jetzigen kurzsichtigen Sparvorgaben. Darüber hinaus sind ohnehin alle Schulreformen gemäß dem neuen Schulgesetz ins Stocken geraten. Ich möchte heute nicht vom Ganztagschaos, von Personalausstattungen der Schulen und Kitas, von dem berühmten Maulkorberlass von Herrn Böger reden. Wer genauer wissen will, wie wir von den Grünen uns nachhaltige und interdisziplinäre Bildungspolitik vorstellen, dem empfehle ich unsere aktuelle Bildungskampagne. Hier mache ich einmal etwas Eigenwerbung: „Ich will’s wissen“. Sie findet sich im Internet unter www.ichwills-wissen.info. Dort können Sie es nachlesen. Wir sind der Meinung, dass jeder Mensch begabt ist. Wir wollen alle Begabungen eines Menschen fördern.
Wir fordern nicht nur einen Verzicht auf die geplanten Kürzungen, sondern endlich auch einen parteiübergreifenden Willen, sich einem zukunftsorientierten, modernen, menschengerechten Bildungsverständnis zu öffnen. Schule wird nur Zukunft haben, wenn sie als betreute Ganztagsschule mit individueller Förderung angelegt ist und die bisherigen zentralbürokratischen Gängelungen durch das Vertrauen in die Entscheidungskompetenz der einzelnen Schule ersetzt werden.
Unzertrennbar sind – damit komme ich auch zur Aktualität – damit drei zentrale Punkte verbunden. Zum einen geht es um die Notwendigkeit der vorschulischen Erziehung in den Kitas, ihr die Bedeutung und die entsprechende Schlüsselrolle einzuräumen, die sie real hat. Zum anderen geht es um die kulturelle Integration besonders im Hinblick auf den gründlichen Spracherwerb. Wir alle stehen in der Pflicht, den Kindern und Jugendlichen das breitgefächerte soziale, mentale und intellektuelle Rüstzeug mitzugeben, das sie brauchen werden, um zukünftigen Problemen konstruktiv zu begegnen. Dafür haben wir Politik zu machen, und dafür haben wir nicht zuletzt auch haushaltspolitisch die entsprechenden Prioritäten zu setzen. Aus diesem Grund, meine Kolleginnen und Kollegen insbesondere von der rot-roten Koalition, sind wir der
Meinung, dass dieses Thema der richtige Schwerpunkt für die heutige Aktuelle Stunde ist. Deshalb appelliere ich noch einmal an Ihre Vernunft. Wir haben vom SPDKollegen gehört, dass er das Thema Vogelgrippe selbst nicht so ernst zu nehmen scheint, das hat man bei seiner Begründung gemerkt. Daher: Schwenken Sie um! Stimmen Sie unserem Thema zu!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! PISA und weitere Studien haben deutlich ge
macht, dass die weitgehende Selbstständigkeit der Einzelschulen für die Qualität der Bildung und den Lernerfolg der Schülerinnen und Schüler von entscheidender Bedeutung ist. Hingegen ist der Einfluss deutscher Schulen auf Einstellung und Entlassung von Lehrkräften, Festsetzung des Schuldbudgets, Lehrinhalte sowie Fort- und Weitbildung der Lehrkräfte besonders gering. Dabei ist der Ausbau der Selbstständigkeit von Schulen ein wesentliches Element im Prozess der Umsteuerung in unserem Bildungswesen. Den Schulen klare Ziele setzen und den Weg zu diesen Zielen weitestgehend frei machen, aber die Ergebnisse überprüfen und anhand der Ergebnisse notwendige Hilfen und Unterstützung zur Verfügung stellen, das muss am Ende dieses Prozesses stehen.
Wir wollen die Schulen in die Lage versetzen, alle Begabungen der Schülerinnen und Schüler zu fördern. Darauf baut auch unsere aktuelle Bildungskampagne: „Ich will´s wissen!“ auf. Individuelle Förderung ist dabei der Leitgedanke. Wir sind der Meinung, dass jeder Schüler und jede Schülerin die Chance bekommen soll, seine bzw. ihre Fähigkeiten und Talente optimal zu entwickeln. Bis dahin haben wir jedoch einen weiten Weg vor uns. Das neue Berliner Schulgesetz sieht zwar im Wortlaut mehr Eigenständigkeit für die einzelne Schule vor, in der Praxis fehlen dafür aber vielfach die notwendigen Rahmenbedingungen.
In zwei Bereichen ist das besonders augenfällig. Das betrifft zum einen die Rolle der Schulleitungen und zum anderen die Möglichkeit der Schulen, die Planung und Durchführung schulbezogener Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen gezielt und eigenständig zu betreiben.
Punkt 1 – Schulleitungen: Mehr Selbstständigkeit für Schulen bedeutet zwangsläufig eine Zunahme der Organisations- und Managementaufgaben für die einzelne Schule. Themen wie Personalauswahl, Personalentwicklung und -führung, Schulentwicklung und Qualitätsmanagement, Kooperation mit Externen oder Ganztagsschule sind Beispiele für die gestiegenen Anforderungen an das schulische Management. Für diese erweiterten Kompetenzen fehlen den Schulleitungen aber die zeitlichen Ressourcen. Dabei kann es nicht darum gehen, einfach im Rahmen des bisherigen Modells von Anrechnungs- und Ermäßigungsstunden noch ein paar zusätzliche Anrechnungsstunden für Schulleitungen zu verteilen. Schulleiter werden künftig vor allem Manager ihrer Schule sein und sollten als solche eingestellt werden und dementsprechend nur einer äußerst geringen Unterrichtsverpflichtung unterliegen. Die bisherige Stellung des Schulleiters als Lehrer mit zusätzlichen Aufgaben wird der Bedeutung der Schulleitung in der Schule der Zukunft unserer Meinung nach nicht gerecht.
Punkt 2 – Fort- und Weiterbildung: Wenn Schulen tatsächlich eigene Profile entwickeln und die Qualität ihrer Arbeit nachhaltig verbessern sollen, bedarf es hierzu der entsprechenden Personalentwicklung durch gezielte Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte. Schulen müssen die
Möglichkeit haben, ein eigenes Fortbildungskonzept zu erstellen, das Teil des Schulprogramms ist. Sie müssen entsprechend ihrem spezifischen Bedarf Fortbildung, Beratung und Unterstützung durch interne Maßnahmen oder externe Expertinnen und Experten planen und umsetzen können. Dafür braucht die autonome Schule auch entsprechende Ressourcen in Form von Geld. Die bisherige relativ ungesteuerte Praxis der individuellen Fortbildung, die Fortbildungsmaßnahmen weitgehend in das Belieben der einzelnen Lehrkräfte stellt, ist ineffektiv und mit den Anforderungen an eine moderne Schule nicht zu vereinbaren. Ich meine, wo Eigenverantwortung draufsteht, muss Eigenverantwortung drin sein. Es darf keine Mogelpackung, nämlich eine Mangelverwaltung, geben.
Die notwendige drastische Verbesserung im Bildungssystem ist nicht zum Nulltarif zu haben. Investitionen in die Bildung sind Investitionen in die kommenden Generationen und damit in unser aller Zukunft. Daher hat Bildung für uns Grüne auch bei der langfristigen Finanzplanung Priorität. Bessere Bildung und eine auskömmliche Ausstattung des Bildungsetats sind erreichbar, wenn der Senat die bei der Fortsetzung des Konsolidierungsprogramms mittelfristig zu erwartenden jährlichen Einnahmeverbesserungen zu einem festgelegten Anteil verbindlich für die qualitative und strukturelle Verbesserung der Bildungslandschaft verwendet. Wird von den erwarteten Einnahmezuwächsen jeder fünfte Euro für Bildung festgeschrieben, lässt sich selbst bei vorsichtiger Prognose ein Betrag von ca. 200 Millionen € für eine bessere Bildung, eine bessere Pädagogik in Berlin freisetzen. Ich bin der Meinung, soviel sollte uns die Zukunft unserer Kinder und damit die Zukunft unserer Gesellschaft wert sein. Ich bitte deshalb um die Zustimmung zu unserem Antrag im Ausschuss und im Plenum.
Liebe Frau Schultze-Berndt! Ich möchte nicht anzweifeln, dass Sie es ernst meinen. Wenn ich mir die Begründung Ihres Antrags durchlese, würde ich sagen, die hätte glatt von mir oder von uns sein können. Und das in vieler Hinsicht.
Sie haben in Ihrer Begründung und in Ihrer Rede Sachverhalte aufgezählt, die ich zum Teil auch unterschreiben würde. Aber Sie stellen hier einen Berichtsauftrag. Sie sagen dem Senat, er solle berichten. Sie fordern nicht all die Dinge, die Sie anprangern und die Sie in gewisser Weise auch richtig kritisieren. Sie fordern nicht, dass die Missstände behoben werden, dass dort Veränderungen eintreten, dass zum Beispiel mehr Mittel in die Sprachförderung gelangen oder mehr Personal mit Migrationshintergrund eingestellt wird, weil diese Menschen Brückenbauer sind, all das fordern Sie nicht. Sie sagen: Senat berichte mir, wie die Situation aussieht.
Und das wohl wissend, dass wir vor zwei Wochen im Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport erfahren haben, dass es bereits einen DaZ-Bericht gibt. Herr Härtel als zuständiger Staatssekretär hat uns in der besagten Sitzung zugesichert, dass wir ihn bekommen. Ich finde, das sollten wir erst einmal abwarten und sehen, was darin steht, und unsere entsprechenden Konsequenzen je nach politischer Couleur daraus ziehen. Das, finde ich, wäre der richtige Weg, anstatt – in dieser Hinsicht muss ich leider Frau Dr. Tesch Recht geben – einen derartigen Schaufensterantrag zu formulieren.
Vieles, was in der Begründung zu lesen ist, deckt sich mit einem Antrag, den wir im Frühjahr dieses Jahres eingebracht haben. Er ist im zuständigen Fachausschuss noch nicht behandelt worden. Wir haben darin gefordert, dass die verschiedenen Dinge, die in der Berliner Schule hinsichtlich Förderung von Kindern nichtdeutscher Herkunft, hinsichtlich DaZ, hinsichtlich zusätzlicher Deutschstunden laufen, gebündelt werden, dass die Ressourcen gebündelt werden. Die eine Schule konzentriert sich auf eine zusätzliche Stunde Deutsch, die andere macht DaZ am Nachmittag und vieles mehr. Das alles haben wir gefordert, das werden wir auch demnächst im Fachausschuss diskutieren. Ich hoffe, dass Sie dann genauso argumentieren.
Auf der anderen Seite, Frau Dr. Tesch, wer „Bärenstark“ und „Deutsch Plus“ vergegenwärtigt, weiß, dass in diesem Bereich noch sehr viel zu tun ist, dass das, was aktuell passiert, überhaupt nicht ausreichend ist.
[Beifall der Frau Abg. Dr. Klotz (Grüne)
Wir haben bereits letztes Jahr, als dieser verpflichtende Sprachkurs diskutiert wurde – im übrigen nur für die Kinder, die keinerlei Einrichtungen besuchen, d. h., die Kinder, die in eine vorschulische Einrichtung, nämlich Kita, gehen, die erhalten diese zusätzliche Sprachförderung nicht, das soll die Kita machen; es handelt sich lediglich um 500 Schülerinnen und Schüler –, kritisiert, dass es nicht ausreichend ist, einfach am Tag zwei Stunden zusätzlichen Deutschunterricht anzubieten, damit die Kinder für die Schule vorbereitet werden. Damals haben Sie uns das nicht abgenommen, aber wir wissen ja seit einigen Tagen – Herr Böger hat das inzwischen auch gemerkt und hat eine zusätzliche Stunde draufgepackt –, dass die Schülerinnen und Schüler drei Stunden Deutschunterricht am Tag erhalten sollen, damit sie für die Schule vorbereitet werden.
Also, es gibt noch viel zu tun. Es ist nicht nur eine Frage der Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache, es ist ein soziales Problem, das wir angehen müssen. Da müssen wir uns auf die frühkindliche Bildung, d. h. auf die Kitas konzentrieren. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass dabei hinsichtlich der Qualifizierung der Erzieherinnen und Erzieher, hinsichtlich auch der Einstellung von mehrsprachigem Personal noch nicht genug getan wird. Da müssen wir beginnen und nicht den Senat auffordern, er solle uns einen weiteren Bericht darüber vorlegen, wie
er was zu tun gedenke. Deshalb werden wir diesen Antrag im Fachausschuss entsprechend begleiten und – wenn er in dieser Form bleibt – ihm auch unsere Zustimmung nicht verweigern. Aber es gibt in diesem Bereich viel zu tun. Ich hoffe, dass Sie alle es ernst meinen und wir dieses Problem gemeinsam angehen.
Danke, Herr Präsident! – Liebe Frau Senftleben! Keine Sorge, es kommt keine Gemeinheit! Ich frage mich nur, ob es bei diesen wichtigen Ausführungen, die Sie uns jetzt vortragen, nicht auch im Interesse des Bildungssenators wäre, dieser bildungspolitischen Debatte beizuwohnen. Wie bewerten Sie das?
Herr Senator! Sind Sie mit mir der Meinung, dass der reine Verdacht, die einfache Mutmaßung oder die Herkunft eines Einbürgerungsbewerbers nicht ausreichend sein sollte, um diesen Einbürgerungsantrag abzulehnen, und das vom Verfassungsschutz Ermittelte auch gerichtsfest sein muss?
Herr Senator! Wir hören das immer wieder von Ihnen, aber subjektiv fühlen die Lehrer und die Eltern das anders an den Schulen. Irgendwo muss da jemand die Unwahrheit sagen. – Meine Frage: Was unternimmt der Senat, um dem auf uns zurollenden, massiven Lehrermangel zu begegnen? Was tut der Senat, damit mehr Studenten Lehramt studieren? Wann wird der Senat endlich die Zahl der Referendariatsplätze erhöhen?
Um auch noch auf Ihre letzte Antwort zurückzukommen: Ist es nicht unredlich, dass die 700 dauerkranken Lehrkräfte bei der Berechnung der 5 % mit berücksichtigt werden?
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema Lehrerversorgung wird uns in den kommenden Jahren immer mehr beschäftigen. Wir haben dieses Thema heute bereits bei den Mündlichen Anfragen erörtert. Bereits jetzt beklagen wir einen massiven Unterrichtsausfall und einen entsprechenden Lehrermangel. 13 000 Lehrkräfte gehen bis 2015 in Pension. – Ich muss mit Bedauern feststellen, dass weder der zuständige Senator noch der zuständige Staatssekretär da sind, daher würde ich erst einmal eine Pause einlegen.
Ich finde es unverschämt, dass der Schulsenator und sein Staatssekretär bei einem Tagesordnungspunkt, wo es um die Bildung in der Stadt geht, nicht da sind.
Das zeigt, wie ernst der rot-rote Senat diesen Bereich nimmt.
Da wollte ich Herrn Böger etwas sagen, weil er heute deutlich gemacht hat, dass der Unterrichtsausfall in Berlin genau erfasst würde. Was Not tut, ist nicht die genaue, peinliche Erfassung des Unterrichtsausfalls, obwohl das auch wichtig ist, was aber wirklich Not tut, ist die Bekämpfung des Unterrichtsausfalls und des Lehrermangels.
Was tut Rot-Rot? – Rot-Rot vergrault junge Lehrerinnen und Lehrer durch unglaubliche Einstellungsverfahren. Wir haben in diesem Sommer gehört und über die Presse mitbekommen, dass mehrere Lehrer eine Woche vor Schulbeginn in einem unglaublichen Verfahren von einem seltsamen Gremium „durchgepeitscht“ worden sind. Zu erwarten, dass Lehrkräfte, die auf der Warteliste und in den üblichen Urlaubszeiten nicht in Berlin sind, kurzfristig zu einem Einstellungsgespräch kommen, ist ein Ding der Unmöglichkeit.
Auf der anderen Seite werden Lehramtsstudentinnen und -studenten verschreckt, weil die Zahl der Referenda
riatsplätze z. B. jetzt erneut abgesenkt werden soll. Wie ich schon eingangs gesagt habe: Genau der andere Weg muss gegangen werden. Wir brauchen Lehrkräfte, wir brauchen viel mehr Lehrkräfte, als die Universitäten ausbilden. Aus dem Grund müssen wir alle, die hier ausgebildet werden, in dieser Stadt halten.
Aus den genannten Gründen ist es nicht nur geboten, sondern zwingend erforderlich, dass junge Lehrerinnen und Lehrer, die Berlin für teueres Geld ausgebildet hat, auch in Berlin gehalten werden.
Es hilft uns nicht, wenn diese jungen Akademikerinnen und Akademiker in andere Branchen oder in andere Bundesländer abwandern, weil sie hier in Berlin keine Perspektive sehen. Genau hier setzt unser Antrag an. Genau aus diesem Grund hätten Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD und der Linkspartei, unseren Antrag genauer durchlesen sollen. Wir wollen die Lehrerinnen und Lehrer, die bei uns ausgebildet worden sind, hier halten, weil wir sie jetzt schon, bereits heute, brauchen.
Das neue Schulgesetz sieht in § 55 Absatz 2 für alle einzuschulenden Kinder eine Sprachstandsfeststellung vor. Für Kinder mit nachgewiesenem Sprachdefiziten, die nicht bereits in einer Kita gefördert werden, schreibt das Gesetz verpflichtende Fördermaßnahmen in der Zeit bis zur Einschulung vor. Das ist eine sinnvolle und wichtige Maßnahme, die wir begrüßt haben, obwohl die praktische Umsetzung durch den Senat zu übrig lässt. Allerdings gilt diese Regelung nur für die Kinder, die keine frühkindliche Einrichtung besuchen. Diese Einschränkung ist, egal wie sie begründet wird, falsch. Die Beschränkung der Sprachförderkurse auf jene Kinder, die keine Kita besuchen, ist nicht vertretbar. Auch für Kinder, die eine Kita besuchen, sind Sprachförderkurse angesichts der Ergebnisse der Sprachstandserhebungen „Bärenstark“ und „Deutsch Plus“ und des hohen Anteils von Kindern mit festgestelltem Sprachförderbedarf notwendig.
Wir sind aus dem Grund der Meinung, dass in den nächsten Jahren auch in den Kitas zusätzliche Sprachförderkurse angeboten werden müssen. Die im Rahmen des Bildungsprogramms für die Berliner Kita vorgesehenen Verbesserungen und die kontinuierliche Sprachförderung in den Kitas sind nicht kurzfristig umzusetzen. Deshalb schlagen wir vor, dass hier ausgebildete Grundschullehrerinnen und -lehrer in der Kita für eine Übergangszeit, bis es soweit ist, eingesetzt werden in den Schulen. Damit schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe.
Einerseits halten wir die Lehrerinnen und Lehrer in Berlin und geben ihnen eine Zukunftsperspektive. Andererseits haben diese Lehrerinnen und Lehrer, die dann in den Kitas eingesetzt werden, die Möglichkeit, bereits im Vorfeld des Einsatzes in der Schule in Kitas zu arbeiten. Diese
Erfahrungen, die sie dann mit Erzieherinnen und Erziehern in der Kita machen, ist perspektivisch für die angestrebte Kooperation zwischen Kitas und Grundschule gut, weil sie die Zusammenarbeit erleichtern und förderlich für beide Seiten sind. Deshalb appelliere ich nochmals an Ihre Vernunft: Springen Sie über Ihren Schatten! Hören Sie auf mit diesem Spiel Opposition gegen Regierungsfraktionen!
Handeln Sie im Interesse der Berliner Schülerinnen und Schüler, der Berliner Kitas und Schulen und insbesondere im Interesse der Berliner Lehrerinnen und Lehrer! Geben Sie ihnen eine Chance! – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit!
Energieprojekte an Schulen – bekannt geworden unter
dem Namen „Fifty-Fifty“ – haben sich in den letzten Jahren als optimale Methode zur Energie- und Kosteneinsparung erwiesen.
In Berlin wurde Fifty-Fifty im Schuljahr 1996/97 ein
geführt. Im Jahr 2000 beteiligten sich ca.290 Schulen, Resultat Einsparungen von 580 000 €. Auf Grund der Bezirksfusion und der schleppenden Bonuszahlungen ging die Anzahl der beteiligten Schulen jedoch drastisch zurück. Im Jahr 2004 beteiligten sich ca. 100 Schulen, Einsparung lediglich 300 000 €. Zum Vergleich die Zahlen aus Hamburg, schließlich wird die Hansestadt gerne als Referenz für Berlin genommen: Im Schuljahr 2003/2004 haben sich alle Hamburger Schulen an Fifty-Fifty beteiligt: Einsparungen von 3,144 Millionen €. Berlin lässt ein Einsparpotential von mindestens 5 Millionen € ungenutzt! Das ist angesichts der Berliner Haushaltslage verantwortungslos!
Die Energie- und Kosteneinsparpotentiale im Land
Berlin sind noch lange nicht ausgeschöpft. Darüber hinaus hat Fifty-Fifty einen hohen umweltpädagogischen Wert, nämlich Schaffung von Umweltbewusstsein verbunden mit dem Erlernen umwelt- und klimaschützenden Verhaltens, die praktische Verringerung des ökologischen „Fußabdrucks“ der eigenen Schule in den Bereichen Energie, Abfall und Wasser. Um diese positive Entwicklung zu fördern, ist es notwendig, dass sich der Senat zu seiner Verantwortung bekennt und verlässliche Rahmenbedingungen für das Projekt Fifty-Fifty schafft.
Die praktische Umsetzung des Projektes an den Berli
ner Schulen erfolgt allerdings durch die Bezirke. Es hat sich jedoch gezeigt, dass die Vorgabe von Rahmenbedingungen notwendig ist, um die Verbreitung und den Erfolg der Einsparprojekte sicherzustellen.
Angesichts des großen Einsparpotentials – analog zu
den Erfahrungen in Hamburg könnte Berlin schätzungsweise 5 Millionen € an Bewirtschaftungskosten durch Fifty-Fifty einsparen – ist es unabdingbar, dass der Berliner Senat für die notwendigen Rahmenbedingungen sorgt. Es geht nicht um Einmischung oder um Einschränkung der bezirklichen Zuständigkeiten. Ganz im Gegenteil, es geht um die Unterstützung der Bezirke!
Die rot-rote Koalition lehnt den Antrag ab mit der Be
gründung: Der Antrag sei ein Jahr alt, seitdem hätte sich die Situation verändert. – Richtig, aber die Situation hat sich nicht verbessert, sondern verschlechtert liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD-Linkspartei!
Staatssekretär Härtel erklärt, dass eine Lehrkraft frei
gestellt sei, um die Lehrer/-innen über das Modell FiftyFifty zu informieren. Falsch, der Senat hat eine Lehrkraft
für 20 Prozent seiner Arbeitszeit freigestellt – also nicht eine Lehrkraft, sondern eine Fünftel-Lehrkraft!
Staatssekretär Härtel erklärt, es gäbe einen Leitfaden
zum Thema Fifty-Fifty. Richtig, dieser Leitfaden stammt aus dem Jahr 2001, die Erläuterungen der Senatsfinanzverwaltung aus dem Jahr 1998 – das heißt, seit 7 Jahren und trotz der bekannten Schwierigkeiten in den Bezirken halten es Finanzverwaltung und Schulsenat nicht für nötig, sich um dieses Thema zu kümmern.
Aber es geht nicht nur um Einsparungen, es geht auch
um Bildung, um Umweltbildung und angewandte Naturwissenschaften – kaum ein Projekt lässt sich so gut in einen lebensnahen Unterricht integrieren wie das Projekt Fifty-Fifty.
Doch der Senat und die Koalition halten ein Engage
ment in dieser Sache für überflüssig – das ist verantwortungslos. Ich appelliere erneut an Ihre Vernunft, stimmen Sie unserem Antrag zu, die Schulen werden es Ihnen danken!
Herr Senator! Auf welcher Grundlage haben Sie das Datum 31. August festgelegt? – Nach meiner Kenntnis hat das Zuwanderungsgesetz eine andere Regelung vorgesehen. Mit erscheint das Datum als willkürlich. Was passiert, wenn ab dem 1. September Leute kommen, die sagen, sie hätten von Ihrer Kampagne und den Informationen nichts erfahren? Wie wird mit denen umgegangen? Warum wurden in diesem Zusammenhang nur Menschen mit dem Herkunftsland Türkei angesprochen? – Viele andere Länder, die kein Abkommen über eine doppelte Staatsangehörigkeit mit der Bundesrepublik haben, sind ebenfalls betroffen.
WM-Fanmeilenkonzept des Senats gescheitert?
Bitte sehr, Frau Kubala, Sie haben das Wort!
Frau Senatorin! Sie betonen immer wieder, dass es sich um ein Querschnittsthema handelt. Da stimme ich Ihnen zu. Wäre es in Anbetracht dieser Tatsache nicht wünschenswert und richtig, die Stelle des Integrationsbeauftragten bei der Senatskanzlei anzusiedeln? – Diese sollte mehr als bisher in diese Thematik eingebunden werden. Es handelt sich eben nicht nur um ein Problem im Bereich Soziales.
Die Schwerpunkte unserer Integrationspolitik richtig auszuloten gelingt uns umso besser, je stärker wir die Mitwirkungsmöglichkeit der Betroffenen ausbauen und den Grundsatz, Betroffene zu Beteiligten zu machen, mit Leben erfüllen. Wenn die Menschen mit Migrationshintergrund mehr Möglichkeiten finden, diese Stadt mitzugestalten, wenn ihnen die Zugänge zu allen gesellschaftlichen Bereichen offen stehen, werden wir vorankommen. Da bin ich mir sicher. Ein Schlüsselsatz der Berliner Integrationspolitik heißt daher: Integration erfordert Teilhabe. Migrantinnen und Migranten sollen aktiv sein, sollen sich engagieren können, um ihren Platz in der Aufnahmegesellschaft zu finden. In diesem Sinne fördern wir ihre Vereine und ihre Strukturen.
Herr Lehmann, ich glaube, Sie haben das noch nicht ganz verstanden: Allein in meinem Haushalt stehen dafür 6 Millionen € zur Verfügung. Aber bei der Integrationspolitik handelt es sich um eine Querschnittsaufgabe, und deshalb muss man auch schauen, welche Mittel in den Bereichen Bildung und Arbeit zur Verfügung stehen und welche Mittel für das Quartiersmanagement eingestellt sind. Viele Aspekte gehören zu einer vernünftigen ressortübergreifenden Integrationspolitik.
Die neue Beteiligungskultur zeigt sich zum Beispiel an dem eingerichteten Landesbeirat für Integrations- und Migrationsfragen, in dem Vertreterinnen und Vertreter des Senats, der Bezirke, von Verbänden und Gewerkschaften zusammen mit gewählten Migrantinnen und Migranten integrationspolitische Fragen diskutieren. Empfehlungen, die in diesem Integrationsbeirat entwickelt wurden, sind in das Integrationskonzept eingeflossen.
Das Integrationskonzept macht die integrationspolitische Neuausrichtung deutlich und zeigt – nicht in allen Bereichen, denn diesen Anspruch haben wir nicht erhoben, zudem wir auf Grund der verfehlten Integrationspolitik der Vorjahre eine Menge nachzuholen haben –, wo die Stadt in den letzten Jahren integrationspolitisch besonders aktiv geworden ist.
Dazu einige Stichworte – natürlich auch unter dem Aspekt, dass es sich um eine Querschnittsaufgabe handelt –: Für Neuzuwanderer ist mit dem Willkommens- und Informationspaket des Senats eine neue Aufnahme
kultur geschaffen worden. Das mag sich nach Lyrik anhören, aber für mich sind das Orientierungshilfen von Beginn an. Sie sollen den Menschen zeigen, dass sie hier gewollt sind und dass wir sie beim Ankommen unterstützen wollen.
Der Senat betreibt zusätzlich zu den Arbeitsagenturen und Jobcentern, die die Zielgruppe der Migrantinnen und Migranten zum Schwerpunkt haben, eine aktive Beschäftigungsförderung für Migrantinnen und Migranten durch zusätzliche Angebote zur Sprachförderung und beruflichen Qualifizierung. Auf Initiative des Senats haben die Berliner Arbeitsagenturen zusätzliche Arbeits- und Strukturanpassungsmaßnahmen geschaffen und darin insbesondere Menschen mit Migrationshintergrund beschäftigt.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Ritzmann! Es mag ja sein, dass es in der FDP zwei, drei Aufrechte gibt, die, wenn sie von Bürgerrechten reden, auch tatsächlich Bürgerrechte meinen. Ich kann auch vielem von dem, was Sie vorhin sagten,
zustimmen, aber so richtig ernst kann man Ihre bürgerrechtlichen Aufwallungen nicht nehmen, auch wenn Sie es in großen Lettern auf Ihre Plakate schreiben. Wir haben nicht vergessen, wie Sie damals Frau LeutheusserSchnarrenberger bei der Einführung des großen Lauschangriffs, der bekanntermaßen verfassungswidrig war, abserviert haben. Herr Ritzmann, ich glaube Ihnen persönlich, dass es Ihnen um die Bürgerrechte geht. Nur schade, dass Sie damit als einsamer Leuchtturm in einem Ozean freidemokratischer Beliebigkeit stehen. Ihr bevorzugter Koalitionspartner, die CDU – man hat hier Herrn Henkel gehört –, ist in Sachen Bürgerrechte nicht nur so lahm wie der olle Tanker SPD mit Schily an der Spitze, sondern fährt mit Volldampf in die entgegengesetzte Richtung. Mit Kapitän Beckstein an Bord und Leichtmatrosen wie Herrn Henkel am Ruder werden Ihre gelben Rettungsringe und -westen nichts mehr helfen. Dann kann man nur SOS Bürgerrechte funken.
Sehen wir uns das Land Niedersachsen einmal aus der Nähe an. Dort regiert die FDP mit der CDU. Wir wissen aus eigener Erfahrung, dass es nicht einfach ist, gegen einen großen Koalitionspartner alles durchzusetzen, aber in Niedersachsen versuchen Sie es nicht einmal. In keinem Bundesland wurden die Bürgerrechte so rasant abgebaut wie in Niedersachsen seit Schwarz-Gelb. Das Bundesverfassungsgericht hat gerade Ihre Regelung zur Telefonüberwachung für verfassungswidrig erklärt. Gerade aus dem schwarz-gelben Niedersachsen tönt auch am lautesten der Ruf nach genau der Volltextdatei, die Sie heute hier mit Ihrem Antrag angeblich verhindern wollen. Ich finde es durchaus beachtlich, dass Sie eine Bundesratsinitiative gegen Ihre eigenen bürgerrechtlichen Geisterfahrer in anderen Bundesländern starten wollen, Herr Ritzmann. Das ist löblich.
Der Inhalt Ihres Antrags kommt dem nahe, was wir Grünen längst im Bundestag thematisiert haben. In Frage kommt für uns allenfalls eine Indexdatei, also eine elektronisch abrufbare Auskunftsdatei, wo gefragt werden kann, ob bei einer Sicherheitsbehörde etwas über eine Person bekannt ist.
Wir sind der Meinung, Herr Henkel – da unterscheiden wir uns massiv –, dass die Trennung von Polizei und Geheimdiensten unbedingt erhalten werden muss.
Darum werden wir uns im Ausschuss genauestens darüber unterhalten müssen, wie es zum Trennungsgebot passt, wenn Sie in Ihrem Antrag eine Tür für eine so genannte gemeinsame Projektdatei offen lassen. Wir müssen unbedingt vermeiden, dass eine allgemeine Verdachtsdatei entsteht, in die alle Personen aufgenommen werden, die irgendwann einmal von irgendwem als extremistisch oder islamistisch eingeschätzt wurden, egal ob das stimmt oder nicht. Eine Anti-Terror-Datei muss sich auf solche Personen beschränken, die tatsächlich mit dem internationalen Terrorismus in Verbindung stehen. Alles andere würde nur Datenmüll produzieren, der uns bei der Bekämpfung des eigentlichen Terrorismus mehr schadet als nutzt. Dem