Protocol of the Session on August 28, 2003

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 34. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste, unsere Zuhörer sowie die Medienvertreter recht herzlich.

Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich eine traurige Pflicht zu erfüllen.

[Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.]

Mit Ihnen möchte ich Hermann Oxforts gedenken, der ein herausragender Parlamentarier war und über Jahrzehnte wichtige politische Aufgaben in Berlin wahrgenommen hat und zu den wichtigen politischen Persönlichkeiten Berlins gehörte. Am 9. August ist Hermann Oxfort im Alter von 74 Jahren gestorben, am 22. August haben wir auf dem Spandauer Friedhof „In den Kisseln" von ihm Abschied genommen.

Hermann Oxfort war von 1963 bis 1981 und wieder von 1985 bis 1989 – insgesamt also mehr als 22 Jahre – Mitglied der FDP-Fraktion des Abgeordnetenhauses. Von 1963 bis 1975 war er Vorsitzender der FDP-Fraktion, anschließend bis Juni 1976 Bürgermeister von Berlin und Senator für Justiz. Von 1983 bis 1985 war er erneut Senator für Justiz.

Mit Hermann Oxfort verliert Berlin einen VollblutParlamentarier. Der Rechtsanwalt und Notar war ein begnadeter Redner, der seinen Standpunkt mit fundierter Sachkenntnis und beispielhafter rhetorischer Präzision vertrat. Er gehörte zu denen, die dem Parlament mit ihren Debattenbeiträgen sichtbar politisches Profil gaben. Und er kämpfte für die Durchsetzung seiner Vorstellungen mit aller Härte und den Mitteln, die ihm machtpolitisch zu Gebote standen.

Wo immer Hermann Oxfort Verantwortung trug, war er ein politisches Schwergewicht. Er war streitbar, wenn es um seine Überzeugung ging, die tief in der Tradition des deutschen Nationalliberalismus wurzelte. An seinen rechtspolitischen Auffassungen hielt er fest, auch wenn sie oft nicht – oder nicht mehr – dem Zeitgeist entsprachen.

Hermann Oxfort hat in schwierigen Jahren im Westteil Berlins Stadtpolitik mitgestaltet und an wichtiger Stelle mitverantwortet. Dabei ist er mit Entwicklungen und Situationen konfrontiert worden, die für ihn persönlich große Herausforderungen waren. Er hat sich ihnen gestellt – mit dem Pflicht- und Verantwortungsbewusstsein, an dem sich sein politisches Handeln immer orientierte. Er hat sich stets zu der persönlichen Verantwortung bekannt, die mit einem politischen Amt oder Mandat verbunden ist. So zog er 1976 mit seinem Rücktritt als Senator für Justiz die persönlichen Konsequenzen aus dem Ausbruch von vier Terroristinnen aus der Haft – eine

Haltung, die weder damals noch heute selbstverständlich ist.

Bevor ich zum Geschäftlichen komme, möchte ich auf der Zuschauertribüne den Bürgermeister des Istanbuler Stadtbezirks Kadiköy, Herrn Öztürk, begrüßen. Herr Öztürk, herzlich willkommen!

[Allgemeiner Beifall]

Wir freuen uns, dass Sie in unserer Stadt sind. Der Bezirk unterhält eine Partnerschaft zum Bezirk Kreuzberg. Wir danken Ihnen, dass Sie heute politische Gespräche in unserem Hause führen.

Ich komme nun zum Geschäftlichen.

Auf Grund der I. Lesung des Haushaltsgesetzes 2004/2005 haben sich die Geschäftsführer der Fraktionen darauf verständigt, auf eine Aktuelle Stunde zu verzichten und haben ihre bereits eingebrachten Themen

1. Antrag der Fraktion der SPD und der PDS zum The

ma: „Guter Start ins neue Schuljahr – Reformen werden auf den Weg gebracht“,

2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Zwei

weitere Jahre ohne Perspektive für Berlin – alte Strukturen, höhere Schulden und Hilflosigkeit bestimmen den Doppelhaushalt des rot-roten Senats“,

3. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Rot-roter

Doppelhaushalt 2004/2005 – ein Dokument des Scheiterns von Finanzsenator Sarrazin!“,

4. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Haus

haltsentwurf 2004/2005 wieder verfassungswidrig!“.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Abgeordnete! Die Personalserviceagenturen sind ein Instrument, das vor allem in Zeiten des Personalaufbaus in Unternehmen Wirkung erzielen kann. Das ist zur Zeit nicht die Situation, die wir in Berlin und den ostdeutschen Bundesländern und auch nicht bundesweit haben. Insofern darf man im Moment an die Vermittlungsleistungen der Personalserviceagenturen keine übertriebenen Erwartungen haben. Ich habe das auch in der Diskussion über die Hartz-Konzepte immer gesagt, dass man sich bei einem Arbeitsmarkt, der sehr wenig Dynamik aufweist wie der Berliner Arbeitsmarkt mit der sehr hohen Zahl von Erwerbslosen auf der einen Seite und der geringen Zahl offener Stellen auf der anderen Seite, keine Wunderwirkung von diesem Instrument erhoffen arf.

(D

Wir haben zur Zeit in Berlin 30 Personalserviceagenturen mit 389 Beschäftigten. Diese Personalserviceagenturen sind im Mai dieses Jahres eingerichtet worden. Die Zahlen, die ich Ihnen genannt habe, beziehen sich auf Ende Juli. In der Presse sind jetzt zwei Vermittlungen in feste Stellen für diesen Zeitraum genannt worden. Das ist zutreffend, gibt allerdings insofern ein verzerrtes Bild wieder, als die Haupttätigkeit der Personalserviceagenturen, vor allem am Anfang ihrer Tätigkeit, darin besteht, bei den Personalserviceagenturen Beschäftigte in Zeitarbeitsverhältnisse und eben nicht in feste Arbeitsverhältnisse zu bringen. Die Bundesanstalt geht zur Zeit davon aus, dass die Ausleihquote bei ca. 50 % liegt.

zurückgezogen. Die Aktuelle Stunde entfällt also heute.

Ferner weise ich auf die Ihnen vorliegende Konsens

liste und das Verzeichnis der eingegangenen Dringlichkeiten hin. Sofern sich gegen die Konsensliste bis zum Aufruf des entsprechenden Tagesordnungspunktes kein Widerspruch erhebt, gelten die Vorschläge als angenommen. – Über die Anerkennung der Dringlichkeit wird dann wieder jeweils an der entsprechenden Stelle der Tagesordnung entschieden.

Ich habe Ihnen folgende Abwesenheiten von Senats

mitgliedern mitzuteilen: Herr Regierender Bürgermeister Wowereit sowie Herr Senator Wolf werden ab 17.30 Uhr wegen der Eröffnung der Internationalen Funkausstellung 2003 im Tempodrom abwesend sein.

Dann höre ich, dass Frau Staatssekretärin Helbig heute Geburtstag hat. Bei Damen nennt man das Alter eigentlich nicht, aber ein halbes Jahrhundert kann schon genannt werden. – Herzlichen Glückwunsch, alles Gute, gute Gesundheit!

[Allgemeiner Beifall]

Nichts ist schöner als ein Geburtstag im Parlament. Aber vielleicht machen wir ja nicht so lange.

Ich rufe auf

lfd. Nr. 1:

Fragestunde gem. § 51 der Geschäftsordnung

Zu Beginn habe ich Ihnen zwei Vorschläge zu machen, und zwar, dass die Fragen Nrn. 2 und 9 verbunden werden sowie ebenfalls die Fragen Nrn. 3 und 22. – Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann verfahren wir so. Insgesamt stehen dann jeweils 6 Nachfragen zur Verfügung, wobei die Fragesteller jeweils das Recht auf 2 Nachfragen haben. – Auch hierzu höre ich keinen Widerspruch.

Das Wort zur Mündlichen Anfrage Nr. 1 hat nun Frau Abgeordnete Grosse von der Fraktion der SPD über

Konzepte der Berliner Arbeitsmarktpolitik

Bitte schön, Frau Grosse, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Wie beurteilt der Senat das Instrument Personalserviceagenturen, und welche vertraglichen Vereinbarungen existieren in Bezug auf die Zeitabschnitte der Vermittlungsleistung?

2. Welche Instrumente der aktiven Arbeitsmarktpolitik schätzt der Senat vor dem Hintergrund der spezifischen Struktur des Berliner Arbeitsmarktes als effektiv ein, und wie wird der Senat den Einsatz dieser Instrumente in Kooperation mit dem Landesarbeitsamt durchsetzen?

Das Wort zur Beantwortung hat Herr Senator Wolf. – Bitte schön, Herr Wolf!

[Braun (CDU): So etwas gehört nicht in die Fragestunde!]

Was die Festanstellungen angeht, wird es erfahrungsgemäß so sein, dass sich Unternehmen für Festeinstellungen erst nach längeren Erfahrungen mit diesen Beschäftigten entscheiden, das heißt, nach mehreren Monaten. Durchschnittlich geht man von 9 Monaten aus. Insofern sollten wir bei der endgültigen Beurteilung des Instruments Personalserviceagenturen abwarten, wie sich das nach mehreren Monaten entwickelt hat und inwieweit dann eine stärkere Vermittlung in feste Arbeitsverhältnisse stattgefunden hat.

Nach den vertraglichen Regelungen haben die Personalserviceagenturen jeweils branchen- und zielgruppenspezifische Ausrichtungen; die Personalserviceagenturen erhalten für ihre Tätigkeit einen jeweils nach ihrer Zielgruppe ausgehandelten Grundbetrag, der monatlich pro Teilnehmerin und Teilnehmer vom Arbeitsamt vergütet wird, längstens für 9 Monate. Dieser Betrag ist – abhängig von der Verweildauer der PSA-Beschäftigten – degressiv gestaltet, so dass ein wirtschaftlicher Anreiz für die Vermittlung bei den Personalserviceagenturen besteht. Insofern gibt es hier den betriebswirtschaftlichen Druck, der allerdings die grundlegende Konstellation am Berliner

Herr Senator Wolf! Welche Möglichkeit sehen Sie in Ihrem Haus, die Abteilungen Wirtschaft und Arbeit noch besser miteinander zu verzahnen?

Dieses ist eine Daueraufgabe. Das beginnt bei der besseren Verzahnung bei den Existenzgründungsprogrammen. Bei der beruflichen Qualifizierung haben wir bereits eine enge Verzahnung von Weiterbildung und Ausbildung. Die Instrumente von Hartz sind sehr stark auf den ersten Arbeitsmarkt orientiert. Wir werden in dem Maße, wie die Instrumente vorliegen, eine verstärkte Abstimmung mit der Wirtschaftspolitik und den Unternehmen suchen. Das enthebt uns aber nicht – um das doch einmal zu betonen – der Aufgabe, auch für diejenigen, die nicht kurzfristig eine Beschäftigung auf dem ersten Arbeitsmarkt finden können, Lösungen zu finden und sie nicht im Rahmen des Paradigmenwechsels der Arbeitsmarktpolitik bei den Gesetzen von Hartz III und Hartz IV durch die Roste fallen zu lassen, sondern durch die Kombination von bundes- und landespolitischen Instrumentarien auch für diesen Kreis Lösungen zu finden.