Meine Damen und Herren! Ich bitte, Platz zu nehmen. – Ich eröffne die 4. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, die Kolleginnen und Kollegen Abgeordneten und unsere Gäste auf den Tribünen sowie die erschienene Presse sehr herzlich.
Bevor ich in die Tagesordnung einsteige, habe ich eine traurige Pflicht zu erfüllen. – Ich bitte Sie, sich zu erheben.
Ein ehemaliges Mitglied unseres Hauses ist gestorben. Im Alter von 65 Jahren ist am 19. Januar der f r ü h e r e A b g e o r d n e t e D i e t e r K l e i n v e r s t o r b e n. Er gehörte von Mai 1990 bis Januar 1991 der Stadtverordnetenversammlung von Berlin und anschließend bis November 1999 der PDS-Fraktion des Abgeordnetenhauses von Berlin an.
Seine berufliche und parlamentarische Arbeit waren der Kunst und Kultur gewidmet. Dieter Klein war im damaligen Ost-Berlin nacheinander Stellvertretender Intendant der Volksbühne, Aufbauleiter und Direktor des Schlosses Friedrichsfelde und dann Direktor des Büros für architekturbezogene Kunst.
Auch in der Stadtverordnetenversammlung und im Abgeordnetenhaus engagierte er sich in der Kulturpolitik und genoss ein hohes Ansehen.
Mit der Erinnerung an Dieter Klein wird uns aber auch erneut bewusst, dass nicht alle Wege, die von Menschen beschritten werden, für uns verständlich oder auch zu billigen sind. Doch der Tod entzieht sie den i r d i s c h e n Maßstäben der Verantwortlichkeit.
Erstens: Für den als A b g e o r d n e t e n aus dem Berliner Parlament a u s g e s c h i e d e n e n D r. G ü n t e r R e x r o d t von der Fraktion der FDP begrüße ich in unserer Mitte H e r r n C h r i s t o p h M e y e r. – Herzlich willkommen! – Noch ist er nicht da, aber er kommt sicherlich gleich. Auf jeden Fall ist er herzlich willkommen.
Es sind am Montag zum gleichen Zeitpunkt vier A n t r ä g e a u f D u r c h f ü h r u n g e i n e r A k t u e l l e n S t u n d e eingegangen, und zwar:
1. Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der PDS zum Thema: „Perspektiven der Hochschulmedizin“,
2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Senat ohne Perspektive – Regierender Bürgermeister hat nichts zu sagen: Die Regierungs-Erklärungsnot in der Hauptstadt“,
3. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Für privates Engagement in Berlin – keine Kürzung der Mittel für Schulen in freier Trägerschaft“,
4. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Berlin steht vor großen Problemen – Senat hüllt sich in Schweigen“.
Im Ältestenrat konnten wir uns am Dienstag auf ein gemeinsames Thema nicht verständigen, sodass ich zur Begründung der Aktualität aufrufe: Wer wird von der Fraktion der SPD oder der PDS begründen? – Herr Kollege Benneter! – Bitte schön, Sie haben das Wort.
Danke, Herr Präsident! – Sehr verehrte Damen und Herren! Artikel 58 Abs. 2 unserer Verfassung bestimmt, dass der Regierende Bürgermeister im Einvernehmen mit dem Senat die Richtlinien der Regierungspolitik entscheidet und diese Entscheidung dann der Billigung des Abgeordnetenhauses bedarf.
Herr Kollege Wieland, ich wollte Ihnen sagen, dass Sie sich noch etwas gedulden müssen, und darauf hinweisen, dass die Aktualität hier noch weiter überholt worden ist. Die Richtlinien der Regierungspolitik konnten nur mit Ihrer Mithilfe einmal in einer so kurzen Frist vorgelegt werden, dass sie schon nach 14 Tagen hier zur Billigung anstanden.
Die CDU, die zur Aktualität denselben Antrag stellt, muss darauf hingewiesen werden, dass offensichtlich das Kurzzeitgedächtnis hier nicht ausreicht. 1995 – ich habe dies nachgesehen – waren es fast fünf Wochen, bis die Regierungserklärung des ehemaligen Regierenden Bürgermeisters Diepgen abgegeben wurde. 1999/2000 dauerte es sogar fast sechs Wochen, bis die Regierungserklärung dem Abgeordnetenhaus zur Billigung vorgelegt wurde.
Ich begründe, warum wir meinen, dass eine Diskussion über die Perspektive der Hochschulmedizin heute aktuell ansteht. Die finanzielle Situation der Hochschulen, insbesondere der Hochschulmedizin, ist lange bekannt. Jeder wusste und weiß schon lange, dass die Universitätsmedizin strukturell nicht so organisiert bleiben kann, wie sie war und ist. Schon 1997 hat der Wissenschaftsrat gefordert, dass sich die Parteien endlich entscheiden sollen. Jetzt ist in der Koalitionsvereinbarung eine Entscheidung getroffen worden.
Dadurch ist die Hochschulmedizin mit der längst überfälligen Strukturentscheidung in das allgemeine Bewusstsein gedrungen. Deshalb sind wir der Auffassung, dass hier Gelegenheit gegeben und genommen werden muss, diese Fragen in der Aktuellen Stunde zu erörtern.
Dies gibt uns Gelegenheit, die aufgeheizte Debatte in nüchterne rationale Bahnen zu lenken. Es gibt uns auch Gelegenheit, die Diskussion und unsere Standpunkte zu objektivieren, sowie Gelegenheit darzulegen, dass es um eine vernunftgebotene, eine vernünftige Strukturentscheidung geht und nicht um sture Rechthaberei. Es gibt uns aber auch Gelegenheit, von all den Experten aus aller Welt, die sich jetzt mit guten Gründen für den Erhalt des Universitätsklinikums Benjamin Franklin einsetzen, den Sachverstand und die Fachkompetenz einzufordern, sie nicht abzuweisen und sich ihr nicht zu verschließen. Es gibt uns Gelegenheit zu zeigen, dass wir keine Angst vor besseren Argumenten und anderen Alternativen haben, dass aber diese Alternativen – wenn sie vergleichbare Ergebnisse bei Einsparungen und zukunftsweisenden Strukturveränderungen bringen sollten – zumindest das erbringen müssen, was eine Schließung des Benjamin Franklin Universitätsklinikums erbringen würde.
Die Alternative muss den finanziellen Zwängen und Möglichkeiten Berlins gerecht werden und die Leistungsfähigkeit und Wettbewerbsfähigkeit der Universitätsmedizin für absehbare Zeit sichern. Letztlich gibt diese Aktuelle Stunde auch Gelegenheit darzulegen, dass wir nicht ignorant oder besserwisserisch sind und dass uns die Argumente und Gefühle sowie die Auswirkungen auf alle unmittelbar und mittelbar Betroffenen nicht egal sind. Deshalb bitte ich um Ihre Zustimmung für unseren Antrag zu dieser Aktuellen Stunde!
Danke schön, Herr Kollege Benneter! – Für die Fraktion der CDU hat nun der Kollege Henkel das Wort zur Begründung. – Bitte!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Tatsache, dass die CDU-Fraktion eine Aktuelle Stunde zur Regierungserklärungsnot beantragt, deutet bereits nach sehr
kurzer Zeit auf einen beklagenswerten Zustand dieser Regierung hin. Eigentlich hätten wir heute von Herrn Wowereit – der jetzt leider noch nicht anwesend ist – die Regierungserklärung erwartet. Eigentlich hätte es eines solchen Antrags gar nicht bedurft, denn es müsste in seinem Interesse liegen, dem Haus sehr schnell die Grundzüge seiner Regierungspolitik mitzuteilen.
Eigentlich, so schien es, ist Klaus Wowereit ein Freund von Schnelligkeit. Er konnte nicht schnell genug heraus aus der großen Koalition. Er wollte so schnell wie möglich Neuwahlen. Er wollte schnell eine handlungsfähige Regierung. Er wollte schnell in Berlin die Dinge bewegen, die er so schön als Mentalitätswechsel umschrieben hat.
In Wirklichkeit ist der Mentalitätswechsel des Regierenden Bürgermeisters gekennzeichnet von gescheiterten Koalitionsverhandlungen, einer misslungenen Senatswahl, bei der nicht einmal er alle Stimmen der Koalition vereinigen konnte und sein Landesvorsitzender Strieder sogar zwei Anläufe brauchte, und eben einer Regierungserklärung, die nicht gehalten wird. Sie wird jedenfalls nicht in der im Parlament üblichen Zeit gehalten. Hier – Herr Wowereit ist leider nicht da – mutet er uns allen in der Tat etwas Neues zu. Entgegen allen Beteuerungen seiner Sprecher, Herr Benneter, war es zumindest sogar in der 11. Wahlperiode unter Walter Momper immer so, dass es nach der Konstituierung des Parlamentes und nach der Senatswahl eine Regierungserklärung gab. Herr Wowereit ist mit der Begründung davon abgewichen, die Zeit sei hierfür zu knapp. Wir alle kennen das Sprichwort, wonach Zeit nur für denjenigen knapp ist, der sie sich schlecht einteilt. Ein oder zwei Parties vom Regierenden Bürgermeister weniger, müssten wir hier heute keine Aktuelle Stunde zum Regierungserklärungsnotstand beantragen!
Die Ankündigung Klaus Wowereits, die Regierungserklärung nicht heute, sondern erst am 21. Februar 2002 zu halten, bedeutet für uns als Opposition, dass wir darauf erst am 7. März 2002 parlamentarisch antworten können. Dies ist anlässlich dessen, was Wowereit bereits in der Stadt angerichtet hat, ein Skandal allererster Güte und begründet unseren Antrag auf eine Aktuelle Stunde zu diesem Thema quasi von selbst.
Mit den Inhalten seiner Koalitionsvereinbarung verbreitet er Angst und Unsicherheit unter den Berlinern, vom UKBF über die Polizei bis hin zu Schülern, Eltern und Lehrern, den Beschäftigten im öffentlichen Dienst, der freien Wirtschaft und den Menschen im Kulturbereich. Diese Aufzählung hat nicht einmal Anspruch auf Vollständigkeit. Die Stadt stöhnt täglich unter neuen Hiobsbotschaften.
Trotzdem ist er der Auffassung, seine Regierungserklärung verschieben zu können, obwohl sich damit auch für ihn die Chance eröffnen würde, einige Schwerpunkte aus der Koalitionsvereinbarung mit der PDS anders zu gewichten oder gänzlich zu überdenken. Diese Chance, die wir ihm mit der von uns beantragten Aktuellen Stunde geben wollten, will er offensichtlich nicht nutzen. Das heißt, dass drei Monate nach der Wahl zum Abgeordnetenhaus und sieben Monate nach dem Bruch der großen Koalition die einzige Schlussfolgerung ist, dass der Regierende Bürgermeister von Berlin keine Vision und keinen wie auch immer gearteten roten Faden für ein künftiges Regierungshandeln und nicht einmal eine Ahnung von seiner Politik hat!
Er scheut sich vor der Auseinandersetzung mit den Berlinern und ganz zu recht auch vor der Konfrontation und dem Wettbewerb mit der Opposition. Er schreckt davor zurück, mit offenem Visier die katastrophalen und für Berlin schädlichen Beschlüsse des Koalitionsvertrages zu rechtfertigen. Aus unserer Sicht ist dies unakzeptabel und nicht hinnehmbar. Vielleicht hat aber Karl Kraus an Herrn Wowereit gedacht als er sagte: „Es reicht nicht,
keine Ideen zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken.“ Das Parlament sollte sich dieses jedenfalls nicht bieten lassen. Ich bitte daher um Zustimmung zur Aktuellen Stunde!
Danke schön, Herr Kollege Henkel! – Nunmehr hat für die Fraktion der FDP Frau Senftleben das Wort zur Begründung ihrer Aktuellen Stunde. – Bitte, Frau Senftleben!
Herr Präsident! Meine Herren, meine Damen! Dem Koalitionsvertrag von rot-rot ist folgendes zu entnehmen: „Die Personalzuschüsse für Schulen in freier Trägerschaft werden in der kommenden Legislaturperiode um 7 % gesenkt.“ Zahlreiche Briefe, Stellungnahmen, Gespräche und die auch sehr gelungene Veranstaltung in Form einer Rechenstunde in der Franziskus-Grundschule am letzten Freitag haben uns alle auf die Problematik hingewiesen. Eltern, Schüler, Lehrer und die verschiedenen Träger sind durchaus in Sorge um die Zukunft ihrer Schule. Dazu müssen Sie auch frühzeitig Stellung nehmen. Deshalb haben wir den Antrag auf eine Aktuelle Stunde gestellt.