Protocol of the Session on February 19, 2004

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 45. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße alle Kolleginnen und Kollegen, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich. Ich freue mich, dass Sie alle gekommen sind.

Zu Beginn unserer Sitzung habe ich eine traurige Pflicht zu erfüllen und bitte Sie, sich zu erheben.

[Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.]

Ich möchte mit Ihnen eines Mannes gedenken, der sich in schwieriger Zeit im damaligen Westberlin als Kommunal- und Landespolitiker profiliert und verdient gemacht hat.

Im Alter von 79 Jahren ist am 12. Februar 2004 der Stadtälteste von Berlin Volker Hucklenbroich gestorben. Er gehörte von 1951 bis 1959 und wieder von 1975 bis 1981 der FDP-Fraktion des Abgeordnetenhauses von Berlin an.

Mit Volker Hucklenbroich verliert Berlin einen Politiker, der durch die bitteren Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs als Jugendlicher geprägt worden ist. Den Neubeginn nach 1945 sah er als Herausforderung und Chance an, und politisches Engagement für die junge Demokratie war für ihn Selbstverständlichkeit und Verpflichtung.

Volker Hucklenbroich gehörte zu den Gründungsmitgliedern der FDP in Berlin, die damals noch LDP hieß, und er war später langjähriges Mitglied des FDP-Landesvorstandes. Von 1965 bis 1975 war er Bezirksstadtrat für Wirtschaft und Finanzen in Schöneberg. Damit war er über 30 Jahre in der Kommunalpolitik tätig und über 20 Jahre in hohen öffentlichen Ämtern aktiv.

Im Abgeordnetenhaus von Berlin gewann Volker Hucklenbroich – oder Hucki, wie die meisten ihn damals nannten – mit seinen sachlich fundierten, oft sehr engagiert und – was, wie wir wissen, ja nicht so häufig ist – humorvoll vorgetragenen Debattenbeiträgen über Fraktionsgrenzen hinweg großes Ansehen. Seine parlamentarische Arbeit war – wie schon zuvor seine kommunalpolitische Tätigkeit im Bezirk Schöneberg – durch seine zutiefst liberale Überzeugung geprägt. Er wusste, dass in jenen schwierigen Jahren in unserem Land die Demokratie nach außen – das war in Westberlin nicht schwer zu erkennen –, aber immer wieder auch nach innen verteidigt werden musste.

Für seine Verdienste ist Volker Hucklenbroich 1994 durch Abgeordnetenhaus und Senat mit der Würde eines Stadtältesten von Berlin ausgezeichnet worden. Diese Ehrung konnte nur ein kleiner Dank seiner Stadt sein.

Wir trauern um Volker Hucklenbroich. Wir gedenken seiner mit Dank und Hochachtung.

Meine Damen und Herren! Sie haben sich zu Ehren von Volker Hucklenbroich erhoben. Ich danke Ihnen.

Wir haben auch Geburtstagskinder unter uns. Herr Kollege Niedergesäß hat heute Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch, alles Gute und Gesundheit!

[Allgemeiner Beifall]

Auch Frau Staatssekretärin Thöne hat heute Geburtstag. Sie ist noch nicht unter uns, doch wir werden noch Gelegenheit haben, ihr zu gratulieren.

Dann habe ich das Geschäftliche zu verkünden. Am Montag sind vier Anträge auf Durchführung einer Aktuellen Stunde eingegangen:

1. Antrag der Fraktion der SPD und der PDS zum Thema: „Das Tempodrom – von allen gewollt, von niemandem kontrolliert? Jetzt gemeinsam aufklären“,

2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Der Senat sieht tatenlos zu, wie die EU-Fördertöpfe an Berlin vorbeigehen“,

3. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Tempodromskandal – rot-grüne Klientelpolitik auf Kosten der Berliner Steuerzahler?“,

4. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „’Das Tempodrom – ein Berliner Drama’ Produktion, Regie, Hauptrolle: Peter Strieder, mit freundlicher Unterstützung des Berliner Filzes“.

Die Fraktionen von SPD und PDS, der CDU und inzwischen auch Bündnis 90/Die Grünen haben ihre Anträge zurückgezogen. Damit wird der Antrag der Fraktion der FDP zum Thema „Tempodromskandal – rot-grüne Klientelpolitik auf Kosten der Berliner Steuerzahler“ als Aktuelle Stunde wie immer als Tagesordnungspunkt 2 behandelt wird.

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen zieht folgende

Anträge zurück:

1. Keine übereilte Oberstufenreform, Drucksache

15/1419, aus der 27. Sitzung am 13. März 2003, überwiesen an den Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport.

2. Vereinbarkeit von Familie und Beruf gewährleisten – bedarfsgerechtes Angebot im offenen Ganztagsbetrieb (ehemalige Schulhorte) an Grundschulen in den östlichen Bezirken zur Verfügung stellen, Drucksache 15/1536, aus der 29. Sitzung am 10. April 2003, überwiesen an den Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport sowie an den Hauptausschuss.

3. Zukunft Wissenschaft III – überfällige LandesInnovationsbereiche endlich verlegen, Drucksache

15/1753, aus der 32. Sitzung am 12. Juni 2003, überwiesen an den Ausschuss für Wissenschaft und Forschung.

Ferner weise ich auf die Ihnen vorliegende Konsens

liste und auf das Verzeichnis der eingegangenen Dringlichkeiten hin. Sofern sich gegen die Konsensliste

lichkeiten hin. Sofern sich gegen die Konsensliste bis zum Aufruf des entsprechenden Tagesordnungspunktes kein Widerspruch erhebt, gelten die Vorschläge als angenommen. Über die Anerkennung der Dringlichkeit wird dann wieder jeweils an entsprechender Stelle der Tagesordnung entschieden werden.

Zu den bevorstehenden Hauhaltsberatungen möchte ich Ihnen Folgendes mitteilen: Am Mittwoch, dem 17. März, führen wir eine normale Plenarsitzung durch, die um 13 Uhr beginnt. Am Donnerstag, dem 18. März, werden wir dann ab 9 Uhr mit der Haushaltsberatung beginnen und sie, wie ich hoffe, auch am nämlichen Tag zu Ende führen. Also den 17. März gesondert notieren!

Dann rufe ich auf

lfd. Nr. 1:

Fragestunde gem. § 51 der Geschäftsordnung

Bevor ich die erste Frage aufrufe, möchte ich Ihnen folgenden Vorschlag für eine Zusammenziehung zweier Mündlicher Anfragen machen: Die Fragen unter den laufenden Nummern 1 und 15 der Abgeordneten Grosse und Dr. Klotz befassen sich beide mit der Insolvenz der Firma Maatwerk. Ich schlage deshalb vor, diese beiden Fragen zusammenzuziehen. Den Fragestellerinnen stehen dann jeweils zwei Nachfragen zu, und es können zwei Nachfragen aus der Mitte des Hauses gestellt werden. – Widerspruch höre ich dazu nicht, dann verfahren wir so.

Das Wort zur Mündlichen Anfrage Nr. 1 hat nunmehr Frau Abgeordnete Grosse für eine Frage über das Thema

Insolvenz bei Maatwerk

Bitte schön, Frau Grosse, Sie haben das Wort!

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage den Senat:

1. Worin sieht der Senat die Ursachen für die Insolvenz des Personalserviceagenturbetreibers Maatwerk, und wie viele Beschäftigte, die durch diesen vermittelt werden sollten, sind in Berlin betroffen?

2. Sieht der Senat Anzeichen für derartige Krisen auch bei anderen Personalserviceagenturen, und wie will er diesen entgegentreten?

Danke schön, Frau Kollegin Grosse!

Dann schließen wir Frau Dr. Klotz gleich an, zu dem Thema

Auswirkungen der Maatwerk-Pleite auf den Berlin-Brandenburger Arbeitsmarkt

Sie haben das Wort!

Vielen Dank! –

1. Wie bewertet der Senat die Insolvenz des Unternehmens Maatwerk und die Auswirkungen dieser Insolvenz auf den Berliner Arbeitsmarkt? Wie sieht die Bilanz der in Berlin und Brandenburg im Auftrag der Bundesagentur tätigen Personalserviceagenturen derzeit aus?

2. Wie viele Mitarbeiter/-innen hat Maatwerk in der Region Berlin-Brandenburg, und welche Perspektiven haben diese?

Es antwortet der Senator für Wirtschaft, Herr Wolf. – Bitte schön!

Meine Damen und Herren! Frau Grosse! Frau Klotz! Nach Auffassung der Regionaldirektion für Arbeit liegt die Insolvenz von Maatwerk im Wesentlichen an betriebswirtschaftlichen Problemen und an mangelnden Erfahrungen des Unternehmens im Bereich der Zeitarbeit auf dem deutschen Markt. Maatwerk hat sich bei der Durchführung der Personalserviceagenturen im Wesentlichen auf die direkte Vermittlung konzentriert. Das ist angesichts der Arbeitsmarktlage ein hoch riskantes Unterfangen, wenn man sich vor allen Dingen auf diese direkte Vermittlung konzentriert, angesichts dessen, wie die Finanzierung der Personalserviceagenturen ausgestaltet ist. Es zeigt aber zugleich grundsätzlich die Schwierigkeit des Instruments von Personalserviceagenturen auf einem Arbeitsmarkt, der eine sehr geringe Dynamik zeigt. Wir hatten das in der Vergangenheit immer wieder diskutiert. Man wird beobachten müssen, ob dieses Instrument Personalserviceagenturen in einer Situation der Wiederbelebung des Arbeitsmarkts bessere Resultate zeitigt, als dies bisher der Fall ist.

Zu den konkreten Fragen nach der Zahl der Beschäftigten von Maatwerk: Maatwerk hat in Berlin 19 Personalserviceagenturen mit 1 200 Arbeitnehmern betrieben. Darüber hinaus existiert zurzeit im Rahmen der Vermittlung von arbeitslosen Sozialhilfeempfangenden ein Vertrag mit dem Bezirksamt Lichtenberg. In diesem Rahmen sind 150 Arbeitnehmer mit umfasst. Allerdings wird nach den bisherigen Informationen Maatwerk diese Arbeit noch weiterführen. Und es existierte ein Vertrag mit dem Bezirksamt Reinickendorf, der am 31. Dezember 2003 ausgelaufen ist. Hier ist allerdings noch eine Nachfrist für die Vermittlung bis zum 29. Februar 2004 vereinbart. Maatwerk hat erklärt, dass sie diese Nachfrist einhalten werden.