Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich eröffne die 58. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Vertreter der Medien sehr herzlich.
Ich möchte mit Ihnen eines Kollegen gedenken, der sich durch seine parlamentarische Arbeit und darüber hinaus durch sein ehrenamtliches Engagement große Verdienste um Berlin erworben hat.
Im Alter von 85 Jahren ist am 28. September 2004 der Stadtälteste von Berlin und frühere langjährige Abgeordnete Werner Goldberg gestorben. Mit ihm hat Berlin einen hochgeachteten und engagierten Politiker verloren.
Werner Goldberg gehörte von Januar 1959 bis April 1979 – also 20 Jahre lang – der CDU-Fraktion des Abgeordnetenhauses von Berlin an. Er war u. a. Mitglied des damaligen Ausschusses für Bundesangelegenheiten und Gesamtberliner Fragen und des Ausschusses für Verkehr und Betriebe. Von 1975 bis 1979 war er Vorsitzender des Petitionsausschusses des Abgeordnetenhauses, der in dieser Zeit über mehr als 9 800 Eingaben und Beschwerden von Bürgern zu beraten und zu entscheiden hatte – eine Fülle von Arbeit, die Werner Goldberg neben seinen beruflichen Aufgaben als Abteilungsleiter beim Sender Freies Berlin mit großer Leidenschaft auf sich nahm, weil er den Menschen helfen wollte.
Er wusste nur zu genau, wie es ist, wenn man selbst auf Hilfe angewiesen ist. Als – wie es damals nach den furchtbaren Nürnberger Gesetzen hieß – "Halbjude" hatte er die nationalsozialistische Gewaltherrschaft nur unter Verfolgung, in Bedrängnis und in Not überstanden. Schon 1945, unmittelbar nach dem Kriegsende, engagierte sich Werner Goldberg politisch: Er wurde Mitglied der CDU. Von 1952 bis 1958 war er Bezirksverordneter in Wilmersdorf und anschließend 20 Jahre Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin. 1979 zog er sich aus der Politik zurück. Seine ehrenamtlichen Tätigkeiten aber setzte er unermüdlich fort: in der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, der Europa-Union und viele Jahre lang als Vorsitzender des Bundes der Verfolgten des Naziregimes.
1985 verliehen ihm Abgeordnetenhaus und Senat die Würde eines Stadtältesten von Berlin, die nur ein kleiner Dank sein konnte für seine großen Verdienste um die Menschen in unserer Stadt.
Wir werden Werner Goldberg in Erinnerung behalten als einen liebenswürdigen, hochgeachteten Parlamentarier, der großes Engagement und sehr viel Menschlichkeit in die Politik eingebracht hat. Wir haben ihm zu danken. Wir gedenken seiner mit Trauer und Hochachtung.
3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Berliner Abiturientinnen und Abiturienten stehen vor verschlossenen Türen – Senat gefährdet Hochschulstandort Berlin“,
Im Ältestenrat konnte eine Verständigung auf ein Thema nicht erreicht werden, so dass ich zur Begründung der Aktualität aufrufe. Für die Fraktion der SPD meldet sich der Kollege Zimmermann, der hiermit das Wort erhält.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es könnte sein, dass in der Politik demnächst einige Blockaden weggeräumt werden. Die Reform des Bundesstaats zur Beseitigung von verkrusteten Strukturen im Lande ist überfällig. Allzu oft musste sich die Öffentlichkeit mit Grausen abwenden, wenn in schier endlosen Verhandlungen zwischen Bund und Ländern, zwischen Ost und West, Arm und Reich, Rot und Schwarz im Bundesrat oder im Vermittlungsausschuss ein Kompromiss ausgehandelt wurde, für den am Ende niemand mehr richtig verantwortlich war. Diese schwerfälligen Entscheidungsprozesse sind ein Strukturproblem der Politik in Deutschland. Jetzt gibt es die Chance, mit der Bundesstaatsreform wenigstens an einigen Punkten Abhilfe zu schaffen. Die Föderalismuskommission aus Bund und Ländern wird am 17. Dezember ihre Ergebnisse vorlegen, und deswegen ist heute für uns der richtige Zeitpunkt, darüber zu debattieren, wie die Interessen Berlins in diesem Prozess gewahrt werden können, wie der Kompetenzdschungel gelichtet werden kann, wie wir die Landesparlamente stärken können und wie wir den Föderalismus insgesamt modernisieren.
Die SPD will den Erfolg dieser Reform, und das Abgeordnetenhaus muss mithelfen, dass sie gelingt. Wir
Wir sind stolz darauf, dass es in den letzten 15 Jahren gelungen ist, gemeinsam mit den Berlinerinnen und Berlinern und gemeinsam für die Berlinerinnen und Berliner eine einheitliche Polizei, ein einheitliches Schulwesen, eine einheitliche Krankenversorgung und einheitliche Gehälter – zumindest für die Angestellten des Öffentlichen Dienstes; Stichwort hier: gleicher Lohn für gleiche Arbeit – geschaffen zu haben. Dazu zählt auch, dass in diesen 15 Jahren in Berlin Hunderte Straßenverbindungen zwischen Ost und West wiederhergestellt beziehungsweise neu geschaffen wurden. U- und S-Bahnen fahren wieder kreuz und quer durch unsere Stadt. Diese Aufbauleistungen dürfen wir nicht vergessen, und wir dürfen nicht zulassen, dass sie „kaputtgeredet“ werden.
Die vergangenen 15 Jahre in Berlin standen ganz im Zeichen einer gigantischen Aufbauleistung für die Stadt. Die mir zur Verfügung stehende Redezeit würde bei weitem nicht ausreichen, um die vielen Erfolge auch nur ansatzweise aufzuzählen. Unter anderem deshalb haben wir heute die Aktuelle Stunde zu diesem Thema beantragt.
brauchen jetzt die Beratung der Zwischenergebnisse, und wir brauchen ein klares Signal aus Berlin an die Kommission: Schlagt die letzten Knoten durch, damit im Dezember bei uns und woanders kein Frust aufkommt! Die SPD ist dazu bereit, diese Arbeit zu unterstützen, und ich hoffe, dass wir in der Debatte die entscheidenden Akzente setzen werden. Ich bitte darum, dem Antrag der SPD und der PDS zur Aktuellen Stunde zuzustimmen. – Danke schön!
Danke schön, Herr Kollege Zimmermann! – Das Wort für die Fraktion der CDU hat nunmehr der Kollege Henkel. – Bitte schön, Herr Henkel!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die CDU-Fraktion beantragt heute ein Thema für die Aktuelle Stunde, das angesichts des bevorstehenden 15. Jahrestages des Falls der Berliner Mauer am 9. November aktueller nicht sein kann. Angesichts der in jüngster Zeit wieder intensiver geführten öffentlichen Debatte um das Zusammenwachsen von Ost und West und der in den Medien veröffentlichten besorgniserregenden Umfrageergebnisse zu diesem Thema halten wir es für dringend geboten, über Bilanz und Perspektiven des wiedervereinigten Berlins 15 Jahre nach dem Mauerfall zu debattieren.
Der Mauerfall war ein Glücksfall der deutschen Nachkriegsgeschichte und ein Tag, an den wir uns auch heute noch gerne erinnern sollten. An diesem Tag – am 9. November 1989 – hat der ungebrochene Freiheitswille der Menschen in der ehemaligen DDR und Ost-Berlin die unmenschliche und Tod bringende, von der SED-Diktatur errichtete Mauer zum Einsturz gebracht.
Mit unverzagter Entschlossenheit haben die Menschen die Last des Unrechtstaates abgeschüttelt und ihre Freiheit erstritten. Denn das Streben nach Freiheit, Selbstbestimmung und Demokratie lässt sich nicht auf Dauer unterdrücken. Allein aus diesem Grunde muss der 9. November ein Tag des Nachdenkens, der Mahnung und des Erinnerns bleiben, um stets deutlich zu machen, dass Frieden, Freiheit und Sicherheit nicht selbstverständlich sind und Demokratie immer aufs Neue verteidigt werden muss.
Meine Fraktion möchte jedoch auch darüber diskutieren, was es gerade für die ehemals geteilte Stadt Berlin heute, 15 Jahre nach dem Fall der Mauer, bedeutet, wieder vereinigt und Motor für die innere Einheit Deutschlands zu sein. Wir möchten erörtert wissen, mit welcher Bilanz des Vereinigungsprozesses dieser Senat vor die Berlinerinnen und Berliner tritt, und wir möchten wissen, welche Auswirkungen sich daraus für die verschiedensten Politikbereiche, wie zum Beispiel die Wirtschafts- und Finanzpolitik, die Gesundheits-, die Bildungs- und die Verkehrspolitik – um nur einige zu nennen –, ergeben und was das für das tägliche Zusammenleben der Berlinerinnen und Berliner bedeutet. Hierzu gehört nach unserer
Überzeugung auch und selbstverständlich die Würdigung der bisher erbrachten Leistungen, aber auch ihre kritische Analyse.
Wer die Erfolge all dieser Maßnahmen in Frage stellt, der hat ganz offensichtlich den Kontakt zur Realität verloren. Wir wissen sehr wohl, dass es noch ein weiter Weg bis zur wirklichen Vollendung auch und vor allem der inneren Einheit ist. Uns ist aber auch klar, dass sich das Desaster einer vierzigjährigen Misswirtschaft nicht innerhalb weniger Jahre beseitigen lässt.
Die CDU-Fraktion hätte sich angesichts der Bedeutung des Ereignisses heute eigentlich eine Regierungserklärung des Regierenden Bürgermeisters gewünscht.
Wir hätten uns gewünscht, dass der Senat sich mit der Frage beschäftigt, was noch getan werden muss und welche Aufgaben zur Veränderung der inneren Einheit Berlins noch vor uns liegen. Aber wahrscheinlich ist das von einem Senat, in dem Vertreter der SED-Nachfolgepartei PDS sitzen, nicht zu erwarten.
Von einem solchen Senat ist offensichtlich auch nicht zu erwarten, dass er sich angemessen um ein Erinnern an die Teilung der Stadt durch die zweite deutsche Diktatur kümmert. Anders ist es nicht zu erklären, wieso sich dieser Senat einerseits mit Leidenschaft um RosaLuxemburg-Denkmäler kümmert und andererseits nicht in der Lage ist, ein abgestimmtes Gedenkstättenkonzept zur
Inzwischen haben wir die Zahlen, auch von Ihnen, schwarz auf weiß, sie liegen auf dem Tisch: Im Wintersemester 2003/2004, dem Jahr mit den größten Studierendenprotesten seit mehr als 20 Jahren, waren unter denen, die einen der heiß begehrten Studienplätze ergattern konnten, lediglich 43 % aus Berlin. Von einer Überausstattung kann man also überhaupt nicht sprechen. Nicht einmal die Hälfte der Berliner Abiturientinnen und Abiturienten, geschweige der anderen mit Hochschulzugangsberechtigung, haben die Chance auf einen dieser Studienplätze in Berlin. Gleichzeitig steigt die Zahl der Wartesemester für die Bewerberinnen und Bewerber. Für viele stellt sich deshalb heute plötzlich die Frage, ob sie es noch rechtzeitig schaffen, einen Antrag auf Alg II zu stellen. Wie soll man das nennen? – Das kann man zynisch nur noch „Nachwuchsförderung à la Rot-Rot“ nennen. Diese Jugendlichen haben aktuell ein Problem: Sie werden vom Senat allein gelassen; sie brauchen einen Studienplatz. Deswegen wollen wir heute über dieses Thema reden.
Morgen beginnen im Übrigen die Verhandlungen zur konkreten Ausgestaltung der Hochschulverträge. Um die entscheidende Frage soll es dabei aber gar nicht gehen. Berlin braucht mehr Studierende und nicht weniger. Deswegen müssen die beschlossenen Kürzungen noch einmal hinterfragt und rückgängig gemacht werden. Denn es bleibt nach wie vor wahr und richtig: Hochschule, Wissenschaft und Forschung sind die Trümpfe für Berlins Zukunft, nicht zuletzt in ökonomischer Hinsicht.
Dieses Erinnern könnten wir an authentischen Stätten in Berlin eindrucksvoll sichtbar und erlebbar machen, eben nur mit einem durchdachten Entwurf und nicht aber mit Einzelaktionen, die zwar gut gemeint und in höchstem Maße anerkennenswert sind. Die Debatten jedenfalls um die Mauerreste und die Holzkreuze am Checkpoint Charlie, die Pelzmützenhändler und Kirmesbuden an diesem geschichtsträchtigen Ort und die Diskussion um den Abbau der Tafeln zum 17. Juni am Finanzministerium – um nur einige dieser peinlichen Possen zu nennen – zeugen nicht gerade von einem angemessenen Umgang mit unserer eigenen Geschichte.
Das alles macht deutlich, wie wichtig eine Debatte um die weitere soziale, ökonomische und politische Gestaltung der Einheit unserer Stadt ist und wie viele Fragen es noch im Zusammenhang mit einem würdevollen Gedenken an die Opfer von Mauer und Stacheldraht gibt. Daher bitte ich Sie um Ihre Zustimmung zu unserem Antrag zur Aktuellen Stunde. – Herzlichen Dank!
Danke schön, Herr Kollege Henkel! – Für die Fraktion der Grünen hat nunmehr Frau Paus das Wort. – Bitte schön, Frau Paus!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das Wintersemester 2004/2005 hat begonnen, und wieder einmal haben Tausende Jugendliche in Berlin keinen Studienplatz bekommen. 13 300 Studienplätzen an den Berliner Universitäten standen über 50 000 Bewerbungen gegenüber. Mit anderen Worten: Drei von vier Bewerbungen wurden abgewiesen. Wir sagen: Das ist unerträglich. Deshalb wollen wir heute über dieses Thema sprechen.