Protocol of the Session on June 12, 2003

Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 32. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich.

Zu Beginn unserer Tagesordnung bitte ich Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben, um den verstorbenen ehemaligen Abgeordneten Dr. Ekkehard Wruck zu ehren.

[Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.]

Bevor wir mit unseren Beratungen beginnen, möchte ich mit Ihnen eines ehemaligen Kollegen gedenken, der dem Abgeordnetenhaus von Berlin mehr als 22 Jahre angehörte.

Im Alter von 60 Jahren ist am 4. Juni der frühere Ab

geordnete Dr. Ekkehard Wruck nach schwerer Krankheit gestorben. Ekkehard Wruck war von April 1979 bis Januar 2000 Mitglied der CDU-Fraktion und gehörte dem Abgeordnetenhaus anschließend bis November 2001 als fraktionsloser Abgeordneter an. Er war längere Zeit Vorsitzender des Ausschusses für Ausländerangelegenheiten sowie Mitglied des Rechtsausschusses und des Richterwahlausschusses.

Insbesondere im Feld der Ausländerpolitik hat er sich durch seine oft unkonventionellen Politikansätze hohes Ansehen weit über seine Parteigrenzen hinaus erworben.

Mit Ekkehard Wruck verliert Berlin einen Parlamentarier, dessen politische Arbeit sich konsequent an den Grundwerten seines christlichen Glaubens orientierte. Er zögerte nicht, in Parlamentssitzungen, politischen Veranstaltungen und auf Wahlplakaten seine Argumentation immer wieder mit Bibelzitaten zu untermauern. Im Abgeordnetenhaus gehörte er zu denen, die lange – und schließlich erfolgreich – dafür eingetreten waren, dass vor jeder Plenarsitzung eine ökumenische Andacht stattfindet.

Ekkehard Wruck war in seiner Partei – der CDU – und im Parlament ein unbequemer Querdenker, der seine Ideen und Vorschläge oft ohne besondere Rücksicht auf die Linie und die Auffassungen seiner Partei äußerte und betrieb. Lange Jahre war er Vorsitzender der CDU in Wilmersdorf, einem Schwerpunkt innerparteilicher Opposition in der CDU. Er war für seine Kollegen und Parteifreunde kein bequemer Partner.

Ekkehard Wruck blieb seinen Auffassungen treu, war streitbar, für seine Überzeugung meist ein Einzelkämpfer bis hin zur Konsequenz des Parteiaustritts, ein Konservativer, der immer auch zu unkonventionellen Schritten bereit war, ein Abgeordneter mit eigenwilligem Profil. Seine Wähler honorierten dies.

Wir trauern um ihn.

Meine Damen und Herren, Sie haben sich zu Ehren des Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben. Ich danke Ihnen.

Es sind am Dienstag vier Anträge auf Durchführung

einer Aktuellen Stunde eingegangen, und zwar

0. Antrag der Fraktion der SPD und der PDS zum Thema: „50 Jahre nach dem 17. Juni 1953 – Berlin gedenkt der Ereignisse“,

2. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Führungs- und konzeptionslose Koalition – Berlin braucht klare Perspektiven!“,

3. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Rot-Rot vor dem Offenbarungseid – Berlin braucht einen Senat mit Perspektiven für die Stadt!“.

Im Ältestenrat konnten wir uns auf ein gemeinsames Thema nicht verständigen, so dass ich zur mündlichen Begründung der Aktualität aufrufe. Es beginnt für die Fraktion der SPD und der PDS der Abgeordnete Herr Wechselberg – bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der 17. Juni 1953 ist ein besonderes Datum in der deutschen Geschichte. Er jährt sich in wenigen Tagen zum 50. Mal. Weil wir in Deutschland nicht zu viele, sondern zu wenige Daten haben, an denen wir demokratischem und sozialem Widerstand gedenken, unterliegt diese Plenarsitzung heute einer besonderen, aktuellen Verpflichtung gegenüber der Geschichte dieses Landes und den Ereignissen in dieser Stadt. Es ist eine besondere Verantwortung, die die Regierungsfraktionen für dieses Haus wahrnehmen wollen.

Am 17. Juni 1953 sind Arbeiterinnen und Arbeiter in der DDR massenhaft auf die Straße gegangen, um gegen politische Repressionen und zunehmende Ausbeutung zu protestieren. Manche haben dafür mit ihrem Leben bezahlt. Denen, die selbst Panzer nicht einschüchtern konnten, gilt heute unser besonderes Gedenken, weil auch Mut in der deutschen Geschichte etwas ist, an das aktuell nicht genug erinnert werden kann.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Dieses Haus hat heute eine besondere Verpflichtung, seinen Beitrag zum Zusammenwachsen dieser Stadt und im Umgang mit der Geschichte zu leisten. Der 17. Juni

Oder ist es der Abschied der Grünen aus der seriösen Debatte hin zu den Wirtschaftswunderrezepten, von denen sich die CDU gerade trennen will? Oder wollen Sie

uns – ganz aktuell – mit dem Neuesten aus der Gerüchteküche versorgen, so wie Frau Klotz, die sich „fast sicher“ ist, „dass der Finanzsenator über einen Rücktritt nachdenkt“? – Das ist nicht aktuell, sondern albern. Und das ist keine Politik, sondern eine Provinzposse aus dem Sommerloch.

in den Haushaltsberatungen, die jetzt vor uns liegen, sogar monatelang. Wir werden uns all das anhören, was Sie für Haushaltspolitik halten. Aber heute reden wir mit Ihnen aus aktuellem Anlass nicht über Geschichtchen, sondern heute reden wir über lebendige Geschichte, den 50 Jahrestag des 17. Juni 1953. – Ich danke Ihnen!

Danke schön! – Für die CDU hat das Wort zur Begründung der Abgeordnete Zimmer. – Bitte sehr!

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Eines der letzten schriftlichen Lebenszeichen von Klaus Wowereit waren Meldungen über seine Fähigkeit, bei Stromausfall in Peking bei Kerzenlicht zu dinieren. Das hat auch seinen Sinn; denn wenn dieser Senat so weitermacht wie bisher, werden auch im Roten Rathaus bald die Lichter ausgehen.

war eben gerade kein faschistischer Putsch gegen die DDR,

[Reppert (CDU): Das sieht die Kommunistische Plattform aber anders!]

wie es 50 Jahre lang in der DDR Staatsmeinung war. Er war aber auch kein Fanal des ideologischen Siegeszuges des Westens, wie er in Westdeutschland oftmals ritualisiert begangen worden ist. Wir brauchen Aufklärung statt Verklärung und Fakten statt Ideologie.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

In der Auseinandersetzung mit Geschichte und ihrer ideologischen Interpretation liegt deshalb auch eine besondere Verpflichtung dieses Hauses. Lassen Sie uns gemeinsam den 17. Juni der Interpretation des Kalten Krieges entreißen.

[Beifall bei der SPD und der PDS]

Gerade als jüngerer Abgeordneter der PDS und als Vertreter der Regierungskoalition sage ich mit aller Deutlichkeit: Wir werden diesen Tag nicht den Altvordern überlassen. Wir werden ihn nicht der Erinnerungsfolklore, der Folklore und der Vergessenheit überantworten. Und vor allem werden wir den Umgang mit der Geschichte dieses Landes und dieser Stadt nicht dem Opportunismus des politischen Tagesgeschäfts unterwerfen.

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Sie verweigern, meine Damen und Herren von der Opposition, eine angemessene Debatte zum 50. Jahrestag des 17. Juni.

[Dr. Lindner (FDP): Das ist ja lächerlich!]

Sie beantragen stattdessen Debatten zur Haushaltspolitik.

[Dr. Lindner (FDP): Zur Haushaltspolitik? – Sie müssen mal die Anträge lesen!]

Die Haushälter von SPD und PDS treten Ihnen in dieser Frage selbstbewusst entgegen. Erst kürzlich hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung dieser Koalition entschlossene und erfolgreiche Politik bei der Sanierung des Haushalts attestiert.

[Dr. Lindner (FDP): Lächerlich!]

Senat und Koalition beraten zur Zeit abschließend über den Doppelhaushalt, den wir Ihnen in wenigen Wochen vorlegen werden. Aber worin bitte soll die besondere Aktualität der Frage bestehen, die Sie heute thematisieren?

[Dr. Lindner (FDP): Das erkläre ich Ihnen gleich!]

Wir sanieren den Haushalt – und was macht die Opposition? – Ist das Aktuelle an Ihrer Fragestellung etwa die Ankündigung von Herrn Zimmer, dass die CDU an einem ernst zu nehmenden und schmerzhaften Konsolidierungskonzept arbeitet, das leider noch nicht vorliegt?

[Ha, ha! von der CDU]

[Beifall bei der PDS und der SPD]

Wir werden mit Ihnen über den Haushalt sprechen,

[Mutlu (Grüne): Wann denn?]

[Beifall bei der PDS und der SPD]

[Beifall bei der CDU und der FDP]

Jeder hier im Saal und auch die Zuschauerinnen und Zuschauer an den Fernsehschirmen merken, dass es in dieser Stadt eine große Not gibt, Entscheidungen zu treffen. Der Druck ist fast physisch spürbar. Klaus Wowereit wird sich in Peking wohlgefühlt haben; denn rund 380 Millionen Menschen glauben dort an den Taoismus, eine Religion, die auf Laotse zurückgeht. Dort gibt es das Prinzip des Wu Wei, das klingt schon ein bisschen nach Wowereit. Dieses verlangt vom Taoisten nur eins, nämlich das Nichtstun.