Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 35. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste, die Zuhörer sowie die Medienvertreter sehr herzlich.
Vor Eintritt in die Tagesordnung habe ich eine traurige Pflicht zu erfüllen und bitte Sie, sich zu erheben.
Mit großer Betroffenheit haben wir erfahren, dass heute früh die Außenministerin des Königreichs Schweden, Frau Anna Lindh, den Verletzungen erlegen ist, die sie gestern bei einem Attentat erlitten hat. Hintergründe des Anschlages sind uns noch nicht bekannt. Der Tod von Anna Lindh hat uns tief erschüttert. Wir sprechen den Angehörigen und dem ganzen schwedischen Volk unser Mitgefühl und unsere Anteilnahme aus.
Bevor wir uns dem Geschäftlichen zuwenden, möchte ich an den 11. September 2001 erinnern. Heute jährt sich zum zweiten Mal der Tag des furchtbaren terroristischen Anschlags in New York und Washington. Niemand von uns wird die Fernsehbilder von damals vergessen, niemand kann das Entsetzen vergessen, das wir empfunden haben und immer noch empfinden.
Der 11. September 2001 hat die Welt wirklich verändert, und wir alle spüren das – ich nenne nur die Stichworte Afghanistan, Irak, Nahost oder auch Bali. Wir haben wieder erfahren, dass Gewalt immer Gegengewalt erzeugt. Wir erleben mit, wie schwierig der Ausstieg aus einer Spirale der Gewalt ist. Bei aller zwingenden Notwendigkeit zur Bekämpfung des Terrorismus wissen wir, dass eine friedliche Entwicklung zu demokratischen Verhältnissen damit noch lange nicht erreicht ist. Dafür braucht man einen ganz langen Atem und viel Geduld. Der Terroranschlag und seine politischen Konsequenzen haben auf grausame Weise deutlich gemacht, wie groß die Gefahr für den Frieden auf der Welt wirklich ist.
Friede ist keine Selbstverständlichkeit. Wir müssen überall hart daran arbeiten und verantwortungsvoll Politik machen, um den Frieden zu erhalten. Jeder von uns ist aufgerufen, an seinem Platz und mit seinen Möglichkeiten einen Beitrag zum friedlichen Zusammenleben zu leisten. Daran sollten wir uns erinnern.
Unser Aufgabenfeld ist die Berliner Landespolitik, und der müssen und wollen wir uns jetzt zuwenden.
Bündnis 90/Die Grünen über FEZ erhalten – neues Profil entwickeln, Drucksache 15/1100, wurde in unserer 23. Sitzung am 12. Dezember 2002 an den Ausschuss für Jugend, Familie, Schule und Sport überwiesen. Der Vor
gang wird nunmehr auch an den Hauptausschuss überwiesen. – Widerspruch höre ich dazu nicht, dann verfahren wir so.
3. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Flughafen Tempelhof – private Entwicklung und Einnahmen oder öffentlicher Leerstand und Verluste?“,
4. Antrag der Fraktion der Bündnis 90/Die Grünen zum Thema: „Lehrstück über vergeigten Mentalitätswechsel – Bildung fängt in der Kita an und fehlt bei Sarrazin und Bielka!“.
Der Antrag der Fraktion der FDP ist zwischenzeitlich zurückgezogen worden. Im Ältestenrat konnten wir uns nicht auf ein gemeinsames Thema verständigen. Zur mündlichen Begründung der Aktualität rufe ich daher für die Fraktion von SPD und PDS Frau Kollegin Harant auf. – Bitte schön, Frau Harant!
Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Wir schlagen das Thema „Bildungsreform für die gemeinsame Region – Berlins und Brandenburgs Schulen fit machen für die Zukunft“ vor. Das Thema Bildung ist und bleibt auf der Tagesordnung, denn es ist das zentrale Thema, das sowohl die Zukunft unserer Kinder wie die Zukunft dieses Landes bestimmt. Heute, an einem Tag, an dem wir in Berlin ein neues Schulgesetz einbringen, wollen wir daran erinnern, dass Bildungspolitik zwar Ländersache ist, aber nicht abgekoppelt betrachtet werden kann. Wir sind keine Insel, wir leben in freundschaftlicher Verbundenheit mit unserem einzigen direkten Nachbarland, mit Brandenburg, und wir leben in
dieses Thema heute für besonders aktuell halten: Ein zehnjähriges Mädchen, das im Bezirk Schöneberg wohnt, geht dort zu einer Grundschule. Die Eltern müssen nun die Schulbücher bezahlen – über 100 € im Jahr. Wenn es eine Privatschule besuchen würde – wie Tausende Kinder in dieser Stadt –, müsste es höhere Schulgebühren bezahlen, weil die Schulgebühren wegen der Kürzung der Zuschüsse an die Privatschulen erhöht wurden. Besucht es eine Kita, müssten die Eltern in Kürze über 50 % mehr Kitagebühren bezahlen.
um Flöte oder Geige zu lernen, muss es kolossal erhöhte Gebühren bezahlen. Geht es dann noch in einen Sportverein, um Basketball zu spielen, so müssen die Eltern in Kürze wegen dieser und weiterer Kürzungen im Sportbereich auch erhöhte Beiträge im Sportverein bezahlen. Das ist ein aktuelles Thema, wie die Reaktionen zeigen. Das ist ein Beispiel, mit dem Sie umgehen sollten.
der Hoffnung auf eine Länderfusion, auf ein Zusammenwachsen in naher Zukunft. Die politische Vereinigung von Berlin und Brandenburg zu einem Bundesland halten wir für eine wesentliche Voraussetzung für die positive wirtschaftliche und politische Entwicklung dieser Region.
Beide Länder arbeiten im Vorfeld dieser wichtigen Entscheidung schon seit langem auf dem Gebiet der Bildung eng zusammen. Ich möchte dies ganz aktuell an der gemeinsamen Bildungskommission darstellen, die gestern unter Leitung von Prof. Jürgen Baumert Empfehlungen vorgelegt hat. Das sind konkrete Empfehlungen, die sich erfreulicherweise in unserem neuen Schulgesetz zum Teil wiederfinden. Ich nenne nur als Beispiel die flexible Schulanfangsphase, die frühe Sprachförderung, den gezielten Förderunterricht und die Qualitätssicherung.
Dieses Thema wird also heute noch in einem anderen Zusammenhang eine Rolle spielen, und deshalb fällt es uns auch nicht allzu schwer, unseren Vorschlag zur Aktuellen Stunde insofern nicht zu verfolgen, als wir auch einsehen, dass die Diskussion zu den Kitagebühren sehr drängend ist und in diesem Haus geführt werden soll. Wir wollen dem nicht im Wege stehen und werden uns diesem Vorschlag der CDU-Fraktion anschließen.
Das Wort zur Begründung der Aktuellen Stunde hat nun Kollege Rabbach von der CDUFraktion. – Bitte schön, Herr Rabbach!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Harant! Liebe SPD-Fraktion! Einsicht ist besser als keine Einsicht, und späte Einsicht ist auch noch gut.
Bildung ist ein zentrales Thema. Dem stimmen wir zu. Es ist immer ein zentrales Thema – gestern, heute, morgen. Aber es geht hier um die Aktuelle Stunde in diesem Hause, und da sollte man sich in erster Linie mit den Aktualitäten in dieser Stadt beschäftigen. Die negativen öffentlichen Reaktionen zeigen es: Die Äußerung von Herrn Sarrazin, die explodierenden Kitagebühren, die teueren Schulbücher, die Musik- und Sportförderungskürzungen und die Kürzungen der Privatschulzuschüsse, die auch dort zu Kostensteigerungen geführt haben, sind Themen, die die Menschen vielfältig berühren. Niemand kann bestreiten, dass das im Augenblick das Aktuellste ist.
Wie die Lektüre der „Berliner Morgenpost“ von heute zeigt, bestreitet sogar der Bund die Erhöhung der Kitagebühren. Es gibt so vielfältige Reaktionen, und da Herr Sarrazin, auf den ich noch zurückkomme – –
Dass Ihnen das peinlich ist, Herr Zotl, weiß ich. – Will das Mädchen noch eine Musikschule besuchen,
Ich komme jetzt noch auf den Finanzsenator zu sprechen: Herr Sarrazin! Ihr KZ-Vergleich ist so daneben – ich sage es mal als Berliner: Mir fehlen die Worte!
Ich habe das in der Zeitung gelesen, und zur gleichen Zeit habe ich die Presseerklärung unseres Parlamentspräsidenten Momper zum zehnjährigen Jubiläum der Jüdischen Grundschule gelesen. Herr Momper schreibt, die Jüdische Grundschule gebe den jungen Menschen in der Stadt Orientierung und Hilfe. Ich frage mich, inwiefern denn der KZ-Vergleich und das KZ-Beispiel von Herrn Sarrazin den jungen Menschen und allen Menschen in dieser Stadt Orientierung und Hilfe gibt.
Herr Sarrazin! Durch dieses Beispiel – es ist ja kein Vergleich, sondern eher ein Beispiel – haben Sie das KZ als solches und insbesondere im Zusammenhang mit der deutschen Geschichte auf eine Art und Weise verniedlicht, wo ich mich auch als langjähriger Geschichtsbeflissener frage, ob Sie damit nicht fast – ich sage fast, denn ich bin kein Jurist, aber die Justizsenatorin wird das wissen – in der Nähe des Staatsanwaltes sind. Mit dieser Äußerung, die Eltern sollten mal nicht so tun, als wolle der Senat die Kinder in das KZ schicken, liegen Sie völlig daneben. Sie ist skandalös, und die CDU-Fraktion missbilligt nachdrücklich diese Äußerung.
[Beifall bei der CDU – Gaebler (SPD): Es geht um das Thema der Aktuellen Stunde! – Frau Abg. Schaub (PDS) meldet sich zu einer Zwischenfrage.]
Gleichzeitig könnte aber nichts aktueller sein, als darüber zu diskutieren, dass ausgerechnet einer der größten Hohepriester dieses Sparens, Herr Staatssekretär Bielka aus der Finanzverwaltung, als Aufsichtsrat dem Vorstandsvorsitzenden der Wohnungsbaugesellschaft DEGEWO eine Gehaltserhöhung von 140 000 € auf 190 000 € genehmigt, um sich anschließend selbst auf diesen Stuhl zu setzen.
Das alles ist überall Stadtgespräch, und deshalb haben wir als Vorschlag für die Aktuelle Stunde formuliert: „Lehrstücke über vergeigten Mentalitätswechsel – Bildung fängt in der Kita an und fehlt bei Sarrazin und Bielka.“
Gut! Dann fahren Sie fort, aber bitte entfernen Sie sich nicht allzu weit von der Begründung der Aktualität!
Nein! Das sage ich Ihnen ja zu. Ich rede noch einmal fünf Minuten. Dann kann Frau Schaub mir ja geeignete Zwischenfragen stellen. Aber nur geeignete Zwischenfragen!
Die CDU-Fraktion missbilligt nachdrücklich dieses Verhalten von Herrn Sarrazin, weil es in einer langen Kette von Äußerungen liegt. Leider haben Sie es für richtig befunden – – Rufen Sie doch nicht den Präsidenten an, Herr Gaebler! Der ist doch selbständig. Lassen Sie das sein mit dem Anrufen!