Ich eröffne die 11. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sowie die Medienvertreter in unserem Saal sehr herzlich.
Bevor wir in die Tagesordnung eintreten und mit den Beratungen beginnen, möchte ich mit Ihnen eines ehemaligen Kollegen gedenken und bitte Sie, sich zu erheben.
Im Alter von 63 Jahren ist am 18. April d. J. W i n f r i e d Tr o m p nach langer, schwerer Krankheit verstorben. Winfried Tromp wurde am 12. März 1967 erstmals in das Abgeordnetenhaus von Berlin gewählt und gehörte ihm bis zum Mai 1975 als Mitglied der CDU-Fraktion an. Sein Arbeitsschwerpunkt im Parlament lag vor allem im Ausschuss für Bau- und Wohnungswesen. Im Jahre 1975 wählte ihn die Bezirksverordnetenversammlung Wedding zum Mitglied des Bezirksamtes.
Winfried Tromp war über Studienfreunde an der Freien Universität Berlin – wie so viele in seiner Generation – zur Politik gekommen, die ihn fortan nicht mehr loslassen sollte. Er war Anfang der sechziger Jahre Studentensprecher im Akademischen Senat und Vorsitzender des Konvents, also des Parlaments der Freien Universität Berlin. Hinzu kam 1968 eine zweijährige Tätigkeit als Geschäftsführer des „Demokratischen Klubs“. Von 1968 bis 1969 leitete er den Ring Politischer Jugend. Schon sehr früh hatte er sich in der politischen Bildungsarbeit und als Journalist engagiert. Lange Jahre war er Pressesprecher der Berliner CDU und arbeitete seit 1970 bei der „Berliner Rundschau“ – in den letzten Jahren als ihr Chefredakteur. Sein Engagement galt auch seinem Verein Hertha BSC, dessen Vorstand er einige Jahre angehörte.
Winfried Tromp, der Höhen in der Politik erleben durfte, aber auch Tiefen in seinem Leben überwinden musste, war jemand, den man selten vergebens um Hilfe bat und der sich für die Belange anderer einsetzte. Er war ein Mann, der aus tiefer innerer Überzeugung nicht nur seiner Partei, der CDU, gedient, sondern sich für unser demokratisches Gemeinwesen eingesetzt hat. Wir haben ihm zu danken.
Die Fraktion der Grünen hat mit Schreiben vom 29. April 2002 – wie im Hauptausschuss angekündigt – ihren A n t r a g über Kofinanzierung für Arbeitsbeschaffungs- (ABM) und Strukturanpassungsmaßnahmen (SAM) – D r u c k s a c h e 15/155 – z u r ü c k g e z o g e n.
Am Montag sind vier A n t r ä g e a u f D u r c h f ü h r u n g e i n e r A k t u e l l e n S t u n d e eingegangen, und zwar:
1. Antrag der Fraktion der PDS und der Fraktion der SPD zum Thema: „Fusion SFB-ORB: Chance zur Stärkung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Region Berlin-Brandenburg“,
2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Nach den Krawallen am 1. Mai 2002 – Was erwartet uns beim Besuch des US-Präsidenten?“,
3. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema: „Verhalten des Senats im Hinblick auf den bevorstehenden Berlinbesuch des amerikanischen Präsidenten George W. Bush“,
4. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „RIO in den märkischen Sand gesetzt? – Nur Fusion von SFB und ORB sichert die Zukunft des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in der Region“.
Auf ein einvernehmliches Thema konnte man sich im Ältestenrat nicht verständigen, so dass ich zur Begründung der Aktualität aufrufe. – Wie ich gerade erfahren habe, ist die Fraktion der Grünen von der SPD vorgelassen worden. – Bitte, Frau Ströver, Sie haben das Wort zur Begründung.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Natürlich gibt es in einer Plenarsitzung immer viele Aktualitäten, und selbstverständlich könnte man auch schon prophylaktisch über den Besuch des amerikanischen Präsidenten diskutieren. Selbstverständlich könnte man auch im Nachgang über den 1. Mai diskutieren und vielleicht auch über viele andere Themen. Aber ich glaube, selbst die Themen „1. Mai“ oder vielleicht „Erfurt“ haben mit unserem Thema, nämlich zur Medienpolitik, gewisse Schnittmengen. Die Schnittmengen sind eben die Medienpolitik, die Wirkungen und Aufgaben der Gesellschaft im Zusammenhang mit den Medien. Deswegen haben wir die Aktuelle Stunde zur Fusion von SFB und ORB angemeldet, weil daran auch etwas ist, was sowohl aktuell ist als auch eine langfristige wichtige Perspektive für die Region Berlin und Brandenburg aufweist.
Es ist wichtig, dass dieses Parlament, genauso wie das Parlament von Brandenburg, die von beiden Landesregierungen vorbereiteten Vorschläge zur Fusion von SFB und ORB erhält. Wir müssen Zeit haben, diese zu diskutieren, damit wir einen neuen, hoffentlich gestärkten öffentlich-rechtlichen Rundfunk für diese Region bekommen.
Dieses jetzt plötzlich sehr dringende Tempo, die Fusion im Hauruck-Verfahren durchzusetzen, mutet allerdings schon etwas merkwürdig an. Immerhin hat die SPD 10 Jahre lang mitregiert und hat verschlafen, diese Fusion voranzutreiben. Wir müssen darüber jetzt diskutieren und benötigen genügend Zeit im Parlament, um den Staatsvertragsentwurf zu besprechen, möglicherweise Änderungen vorzunehmen und auf dieser Grundlage einen von weiten Teilen der Gesellschaft und der Politik in beiden Ländern getragenen Staatsvertrag durchzusetzen. Es ist unser aller Interesse. Ich hoffe, dass dies inzwischen auch die brandenburgische CDU erreicht hat, diese Fusion durchzuführen und nicht weiter zu behindern.
Wir haben diese Fusion schon seit sehr vielen Jahren gefordert. Ich wünsche mir, dass wir die Frage der Medienentwicklung in Berlin und Brandenburg mit vielen anderen sich im Zusammenhang mit der Medienentwicklung in der Region stellenden Themen einbinden. Deswegen haben wir heute zu diesem Thema auch einen Antrag und eine Große Anfrage vorgelegt, in der wir sagen, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk in der Region, der Rundfunk im Osten – ob er nun RIO oder anders heißen wird – ganz wichtiger Entwicklungsbestandtteil der Medienlandschaft ist. Es gehören aber weitere Punkte hinzu. Dazu gehören die Auswirkungen der Kirch-Pleite, die Entwicklung der ITsowie der Filmbranche in der Region. Es gehören natürlich die zunehmende Digitalisierung und die Abschaltung der analogen Programme, die wir in der nächsten Zeit zu erwarten haben, dazu. Das Thema RIO ist in einen großen Strauß medienpolitischer Grundsatzfragen eingebunden. Ich hoffe sehr, dass wir zu diesem Thema heute aktuell und nachhaltig für die Zukunft diskutieren werden.
Danke schön, Frau Ströver! – Ebenfalls zur Tagesordnung hat das Wort nunmehr der Abgeordnete Henkel für die Fraktion der CDU!
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine Fraktion beantragt heute eine Aktuelle Stunde zum Thema nach den Krawallen am 1. Mai. Was erwartet uns beim Besuch des US-Präsidenten? Wir tun dies vor dem Hintergrund einer
gescheiterten Deeskalationsstrategie am 1. Mai, die die politische Führung des rot-roten Senats zu verantworten hat, und wir tun dies aus Sorge um die Sicherheit der Menschen in unserer Stadt.
Wer die Presseberichte im In- und Ausland sowie die entsprechenden Internetseiten zum Besuch des amerikanischen Präsidenten George W. Bush in Berlin verfolgt, wird feststellen, dass es im Augenblick nichts Aktuelleres gibt, als nach den Erfahrungen des 1. Mai vor wenigen Wochen hier im Abgeordnetenhaus darüber zu debattieren, was uns Berliner beim Besuch eines amerikanischen Freundes in unserer Stadt erwartet.
Dabei bedarf es eigentlich nicht einmal einer gesonderten Zeitungslektüre, um festzustellen, dass militante Gruppen, Linksautonome und andere Chaoten zu gewalttätigen Anti-BushDemonstrationen aufrufen. Um das festzustellen, reicht bereits eine Fahrt durch Friedrichshain-Kreuzberg oder durch Prenzlauer Berg. Hier kann man dann an Hauswänden lesen, wie sich die so „friedliebenden“ radikalen Linksautonomen ihren Protest gegen George Bush vorstellen, indem sie, ich zitiere: „zum Krieg gegen den amerikanischen Präsidenten“ aufrufen.
Angesichts dessen finden wir es in einem höchsten Maß empörend, wenn ausgerechnet in Berlin, dem Symbol deutschamerikanischer Freundschaft, dieser rot-rote Senat unter seinem Regierenden Bürgermeister offensichtlich nicht die Kraft aufbringt, sich wahrhaftig von Anti-Amerika-Demonstrationen zu distanzieren.
Es macht betroffen, feststellen zu müssen, dass sich die ehemalige DKP-Funktionärin und jetzige Senatorin Knake-Werner weiterhin offenhält zu entscheiden, ob sie an solchen Demonstrationen teilnimmt oder nicht. Und es will einem kaum noch etwas einfallen, wenn man zur Kenntnis nehmen muss, dass sowohl der Landesverband, der Bundesvorstand als auch die Bundestagsfraktion der PDS gegen den Besuch des US-Präsidenten in Berlin protestieren wollen.
Um es klar zu sagen: Selbstverständlich sind Proteste und Demonstrationen legitime Mittel in einer Demokratie. Aber meine Damen und Herren von der PDS, Sie müssen sich schon entscheiden zwischen Ihrer fundamentalen Systemopposition auf der einen Seite und einer Regierungsbeteiligung in der deutschen Hauptstadt auf der anderen Seite. Beides zusammen geht nicht!
Hier ist ein Machtwort des Regierenden Bürgermeisters gefordert. Denn unsere große Sorge sind an einem solchen Tag natürlich die Bilder, die von Berlin aus in die Welt hinausstrahlen. Wie wollen Sie eigentlich, Herr Wowereit, einem Amerikaner Bilder wie die vom 1. Mai erklären, die anlässlich des Besuchs seines Präsidenten gegebenenfalls im Umfeld von Demonstrationen unter Beteiligung einer Regierungspartei entstehen? Wenn Sie allerdings an dieser Stelle nichts sagen können und wollen, Herr Regierender Bürgermeister, appellieren wir von hier an den Gastgeber des US-Präsidenten, an Bundeskanzler Schröder, in Berlin für Verhältnisse zu sorgen, die eines Staatsbesuchs würdig sind.
Die Aktuelle Stunde ist aber nicht nur wichtig, um die Unfähigkeit dieses Senats im Umgang mit Staatsgästen zu thematisieren, sondern ist auch wichtig, weil die Sicherheitsbehörden schwere Krawalle beim Besuch des US-Präsidenten erwarten und weil es inzwischen nationale und internationale Befürchtungen gibt, es könnte zu ähnlich heftigen Ausschreitungen wie am 1. Mai kommen.
Wenn Sicherheitsexperten davor warnen, dass angekündigte Proteste verschiedenster Gruppen, angefangen von Globalisierungsgegnern bis hin zu Palästinensern, arabischen Gruppen und Linksextremisten einen gewalttätigen Verlauf nehmen könn
ten, möchten wir als CDU-Fraktion im Rahmen einer Aktuellen Stunde schon darüber diskutieren, was uns Berliner an den Tagen des 22. und 23. Mai erwartet. Wir wollen wissen, ob der Herr Innensenator seine gescheiterte Deeskalationsstrategie fortsetzt. Wir wollen wissen, ob sich reisende Chaoten wiederum einen blutigen Jux auf Kosten unserer Polizei machen können und die Politik anschließend von einem gelungenen Einsatz spricht. Wir wollen wissen, ob es wie am 1. Mai politische Weisungen gibt, die polizeitaktische Antworten auf Ausschreitungen verhindert. Wir wollen wissen, ob dieser Senat die Sicherheit der Berliner und ihrer Staatsgäste gewährleisten kann. Eine Aktuelle Stunde zu diesem gesamten Themenkomplex ist absolut angemessen. Insofern bitte ich um die Zustimmung des Hauses. – Danke schön!
Danke schön, Herr Kollege! – Für die Fraktion der FDP hat nunmehr der Vorsitzende Dr. Lindner das Wort. – Bitte schön, Herr Dr. Lindner!
Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren! Wir haben einen ähnlich lautenden Antrag. Wir dürfen heute wieder erleben, dass die gesamte Stadt darüber redet, was zum einen am 1. Mai passiert ist, und sich zum anderen in großer Angespanntheit befindet, was hier nächste Woche anlässlich des Besuchs des US-Präsidenten geschehen wird. Schon zu einer anderen Gelegenheit hatten die Regierungsfraktionen durchsetzen können, dass beispielsweise nicht über das damals aktuelle Thema Schulpolitik, sondern über Tourismus gesprochen wurde.
Medienpolitik in Berlin ist ein sehr zentrales und wichtiges Thema. Das werden wir als Allerletzte abstreiten. Aber diese Stadt unterhält sich gerade vorwiegend über den Besuch des US-Präsidenten. Dann sollten die Volksvertreter auch besprechen, ob und inwieweit wir nächste Woche ähnliche Szenen erleben dürfen, wie wir sie am 1. Mai erlebt haben. Wir wollen natürlich auch diskutieren, wie der Senat von Berlin zu diesem Bush-Besuch steht und wie er sich vor allen Dingen verhält. Wir wollen uns darüber unterhalten, was eigentlich passierte, bis sich der Regierende Bürgermeister bereit erklärt hatte, am Tag des Besuchs in der nächsten Woche hier auch in Berlin anwesend zu sein.
Wir wollen an die ganz zentrale Bedeutung der Besuche von US-Präsidenten für diese Stadt erinnern. Man kann sich auch nicht darauf hinausreden, dass es hier vielleicht nur um einen Arbeitsbesuch geht. Wir reden darüber, dass dies der erste Besuch eines US-Präsidenten nach dem 11. September in dieser Stadt ist. Wir reden darüber, dass dies der erste Besuch von Präsident Bush seit seinem Amtsantritt ist. Wir reden darüber, dass es für mich und für meine Fraktion eine Selbstverständlichkeit ist, dass an diesem Tag unser höchster Repräsentant auch hier und nicht in Australien ist!
Sie rufen mir zu, er sei doch anwesend – aber nicht aus eigenem Antrieb, sondern weil die bürgerliche Opposition entsprechend Krawall gemacht hat.
Jetzt kommt als Antwort: „Wir haben keinen offiziellen Empfang im Berliner Rathaus!“ – Da frage ich Sie aber: Ist nicht vielleicht sogar der in Aussicht gestellte Besuch in Australien erst der Anlass dafür gewesen, dass kein Besuch im Roten Rathaus stattfindet? – Hierüber wollen wir heute diskutieren.
Und außerdem wollen wir uns darüber unterhalten, warum der Regierende Bürgermeister nicht von sich aus die Gelegenheit ergreift, im Bundestag – wo er auf der Regierungsbank Platz hat