Sehr geehrte Damen und Herren! Ich eröffne die 16. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie alle, unsere Gäste und unsere Zuhörer sowie die Vertreter der Medien sehr herzlich und freue mich, dass Sie gekommen sind.
Besonders begrüße ich in unserer Runde Herrn S t e f f e n Z i l l i c h a l s A b g e o r d n e t e n der Fraktion der PDS.
Herr Zillich ist am 7. August für den a u s g e s c h i e d e n e n A b g e o r d n e t e n D r. G r e g o r G y s i n a c h g e r ü c k t. Vielen Kolleginnen und Kollegen dürfte Herr Zillich noch als ehemaliger Abgeordneter noch bestens bekannt sein.
Dann, meine Damen und Herren, habe ich eine traurige Pflicht zu erfüllen und bitte Sie, sich zu erheben.
Im Alter von 61 Jahren ist am 29. Juni der f r ü h e r e A b g e o r d n e t e R a i n e r P a p e n f u ß nach schwerer Krankheit g e s t o r b e n. Rainer Papenfuß gehörte dem Berliner Parlament vom April 1972 bis Januar 1981 an, ab April 1976 als Stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion.
Mit Rainer Papenfuß verliert Berlin einen Politiker, der sich mit ganzer Kraft und mit großer Leidenschaft engagiert hat. Mit seiner menschlichen Ausstrahlung, seiner Besonnenheit, seiner Sachlichkeit und seiner Fähigkeit zum Ausgleich und Kompromiss hat er sich über Parteigrenzen hinweg hohes Ansehen erworben.
Rainer Papenfuß hat immer eine große Arbeitslast übernommen: Er war zusätzlich Sprecher seiner Fraktion im Hauptausschuss. Aber für ihn war der persönliche Einsatz des Einzelnen für die Gemeinschaft – ob in der Politik oder in anderen Bereichen unserer Gesellschaft – Verpflichtung und Selbstverständlichkeit zugleich. Im Januar 1981 gab er sein Mandat als Abgeordneter auf, um im Senat von Hans-Jochen Vogel als Chef der Senatskanzlei die Regierung und die Ressorts zu koordinieren und dabei mitzuhelfen, die damals sehr schwierige Situation der Stadt zu bewältigen. Seine Amtszeit dauerte nur wenige Monate – aber was er damals für die Stadt leistete, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Auch außerhalb der Politik hat sich Rainer Papenfuß engagiert. Der Rechtsanwalt und Notar war Beauftragter der Evangelischen Landeskirche für Hausbesetzerfragen und übernahm neben seiner beruflichen Tätigkeit eine Vielzahl von Ehrenämtern – unter anderem Synodale.
Wir trauern um Rainer Papenfuß. Er hat sich um unsere Stadt verdient gemacht. Wir gedenken seiner mit Dank und Hochachtung.
Am 10. Juli ist der e h e m a l i g e A b g e o r d n e t e H a n s L u d w i g S c h o e n t h a l im Alter von 79 Jahren v e r s t o r b e n. Er war von September 1977 bis Juni 1981 und dann wieder von April 1983 bis März 1989 Mitglied der SPD-Fraktion des Abgeordnetenhauses von Berlin.
Hans-Ludwig Schoenthal, der als Verfolgter in der Nazizeit ein schweres persönliches Schicksal erlitten hatte, hat sich aus tiefster Überzeugung und kämpferisch für die Demokratie engagiert. Als Leiter der Gedenk- und Bildungsstätte Stauffenbergstraße, als Stellvertretender Vorsitzender der Deutsch-Israelischen Gesellschaft in Berlin und als Organisator vieler Israel-Reisen trat er für Verständigung und Mitmenschlichkeit ein und hat dafür gearbeitet, dass nichts vergessen wird.
Als Mitglied des Abgeordnetenhauses von Berlin war er ein Volksvertreter aus Überzeugung, ein Parlamentarier, der für die Menschen mit ihren Sorgen und Nöten immer erreichbar war. Er
hat sich nie in den Vordergrund gedrängt, sondern auf Sacharbeit und Hilfe für die Bürger konzentriert. Hans-Ludwig Schoenthal, den viele liebevoll „Bobby Schoenthal“ nannten, war ein Mann, auf den man sich verlassen konnte.
Wir trauern um ihn und danken ihm für alles, was er für die Menschen und für unsere Stadt getan hat.
Im Alter von 86 Jahren ist am 3. August der f r ü h e r e A b g e o r d n e t e H e i n z K a s c h k e v e r s t o r b e n. Er gehörte von März 1963 bis August 1976 der FDP-Fraktion des Abgeordnetenhauses an.
Mit Heinz Kaschke ist ein Mensch von uns gegangen, der seit 1945 in Berlin politisch aktiv war. Er war der Auffassung, dass die Arbeit des Parlamentariers nicht eine „Feierabend-Tätigkeit“ war, sondern Aufgabe und Verpflichtung gegenüber der Gemeinschaft, und so hat er seine politischen Aufgaben stets mit großem persönlichem Engagement erfüllt. Heinz Kaschke hatte seit August 1945 neben seiner beruflichen Tätigkeit als Kaufmann zunächst in der LDPD, später in der FDP gearbeitet. Er wurde Vorsitzender des FDP-Bezirksverbandes Charlottenburg, Landesschatzmeister und ab 1967 für viele Landesgeschäftsführer der FDP.
Im Abgeordnetenhaus lagen seine Tätigkeitsfelder insbesondere in den Ausschüssen für Sicherheit und Ordnung, für Sport und für Verkehr und Betriebe. Mit großer Sachkenntnis hatte er dort wichtige parlamentarische Arbeit für unsere Stadt geleistet und sich bei allen Fraktionen große Anerkennung erworben. Abgeordnetenhaus und Senat haben ihn, nachdem er sich 1976 aus der politischen Arbeit zurückgezogen hatte, im Jahr 1981 mit der Würde eines S t a d t ä l t e s t e n v o n B e r l i n ausgezeichnet.
Wir erinnern uns an einen Politiker, der für die Menschen in unserer Stadt viel geleistet hat. Wir gedenken seiner mit Trauer und Hochachtung.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe die Freude, dem A b g e o r d n e t e n N o r b e r t P e w e s t o r f f G l ü c k w ü n s c h e z u r G e b u r t s e i n e r To c h t e r auszusprechen.
Herzlichen Glückwunsch! Alles Gute! – Und ich habe auch die Freude, dem A b g e o r d n e t e n S t e f a n Z a c k e n f e l s e b e n f a l l s z u r G e b u r t e i n e r To c h t e r h e r z l i c h z u g r a t u l i e r e n
In den vergangenen zwei Wochen hat uns kein Ereignis so bewegt und erschüttert wie die F l u t k a t a s t r o p h e , die große Teile unseres Landes und auch Teile Österreichs, Tschechiens, der Slowakei und Russlands heimgesucht hat. Mit Bestürzung haben wir vom Ausmaß der Verheerungen und vom Schicksal der betroffenen Menschen erfahren. Die Fernsehbilder, die uns in den letzten Wochen erreichten und um die Welt gingen, werden für uns unvergesslich sein: verzweifelte Menschen, die ihr gesamtes Hab und Gut verloren haben, kranke und alte Menschen, die mit Hubschraubern und Booten gerettet werden mussten, Deiche, die geborsten sind, Häuser, die hinweggespült wurden und die Elbe entlang trieben.
All das hat in unserem Land tiefe Erschütterung und persönliche Betroffenheit ausgelöst – aber auch eine Welle der Solidarität und Hilfsbereitschaft, wie wir sie seit Jahren nicht mehr erlebt haben. Innerhalb von Stunden waren in den Katastrophengebieten Tausende freiwilliger Helfer zur Stelle, um Menschen in Sicherheit zu bringen, Sandsäcke zu schleppen und die Dämme zu verstärken. Soldaten der Bundeswehr, Mitglieder der Feuerwehr, der Polizei, des Technischen Hilfswerks und anderer Katastrophenschutzdienste und Rettungsorganisationen waren bis zur Erschöpfung tätig, um zu helfen und noch größeren Schaden zu verhindern. Auch aus Berlin waren Soldaten, Polizisten,
Feuerwehrleute, BSR-Mitarbeiter, Schülerinnen und Schüler und viele ehrenamtliche Mitarbeiter der Katastrophenschutzdienste im Einsatz. Darüber hinaus sind Berlinerinnen und Berliner, unter ihnen auch zahlreiche Oberschüler, spontan in die Katastrophengebiete gefahren, um bei den Aufräumungsarbeiten und dem Füllen von Sandsäcken zu helfen.
All den H e l f e r i n n e n u n d H e l f e r n spreche ich im Namen des Abgeordnetenhauses von Berlin D a n k und Anerkennung aus.
Die Helferinnen und Helfern haben ein Zeichen gesetzt. Sie haben bewiesen, dass in unserem Land Menschen freiwillig – ohne Wenn und Aber – zur Stelle sind, wenn sie gebraucht werden. Sie haben bewiesen, dass Mitmenschlichkeit, gute Nachbarschaft und Solidarität in unserer Gesellschaft noch immer einen hohen Stellenwert haben. Das ist Ermutigung für uns und unser Volk.
Zu den Erfahrungen in den Wochen der Katastrophe gehört auch, dass in unserem Land Ost und West weiter zusammengewachsen sind. Wo die Not am größten war, hat man gemeinsam zugepackt, und von ungezählten Landsleuten in Ost und West sind innerhalb weniger Tage Millionenbeträge gespendet worden. Das hat uns in dieser schwierigen Zeit Hoffnung gegeben. Und ich rufe alle Berlinerinnen und Berliner auf, die Menschen in den Katastrophengebieten auch weiterhin mit Spenden zu unterstützen. Für die Aufräumungs- und Wiederaufbauarbeiten werden – über alle staatliche Hilfe hinaus – Geldspenden dringend gebraucht. Den Opfern der Flutkatastrophe muss auch weiterhin unbürokratisch geholfen werden.
Viele in unserem Land sind in diesen Wochen aber auch nachdenklich geworden: Als Stadtmenschen in einer hochtechnisierten Umwelt sind wir daran gewöhnt, von Natureinflüssen relativ unabhängig zu sein. Jetzt mussten wir zur Kenntnis nehmen, dass es immer noch stärkere Mächte gibt als alles, was von Menschenhand geschaffen ist. Wir sollten noch intensiver darüber nachdenken, wie wir mit der Umwelt, dem Klima und der Natur insgesamt umgehen, und wir sollten endlich danach handeln.
Das ist weltweit erforderlich, doch noch nicht überall durchsetzbar. Wir aber sollten unseren Teil dazu beitragen. Denn politische Verantwortung schließt die Verantwortung für die Umwelt immer mit ein. Die heutige Generation entscheidet darüber, in welcher Umwelt künftige Generationen leben und leben müssen. Das sollten wir – nicht nur angesichts einer solcher Naturkatastrophe – als gemeinsame Aufgabe und Verpflichtung akzeptieren.
Wir werden nachher über die praktischen, politischen und gesellschaftlichen Auswirkungen und Maßnahmen diskutieren, aber besonders möchte ich uns und alle Berlinerinnen und Berliner aufrufen zu spenden.
Nun zum Geschäftlichen: Ich habe Ihnen die Aufhebung von Ausschussüberweisungen beziehungsweise eine Neuüberweisung mitzuteilen. Der A n t r a g d e r F r a k t i o n d e r C D U über Entschädigungsleistungen für deportierte Zivilpersonen – D r u c k s a c h e 1 5 / 5 3 8 – wurde von uns an den Ausschuss für Inneres, Sicherheit und Ordnung sowie an den Hauptausschuss überwiesen. Der Innenausschuss hat sich in seiner Sitzung am 26. August mit diesem Antrag befasst und festgestellt, dass er nicht zuständig sei. Nach Absprache, der ausdrücklich auch die antragstellende Fraktion der CDU zugestimmt hat, sollen diese beiden Ü b e r w e i s u n g e n a u f g e h o b e n werden. Vorgeschlagen wird nunmehr die Überweisung allein an den Ausschuss für Europa- und Bundesangelegenheiten und Medienpolitik. – Ich höre zu diesen Vorschlägen keinen Widerspruch. Damit ist das so beschlossen.
Am Montag sind vier A n t r ä g e a u f D u r c h f ü h r u n g e i n e r A k t u e l l e n S t u n d e eingegangen, und zwar
1. Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der PDS zum Thema: „Nach der Flutkatastrophe – Klimaschutz und nachhaltige Politik als zentrale Zukunftsaufgabe“,
2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: „Rekorde bei Arbeitslosigkeit und Schwarzarbeit, Niedergang bei Gründern und Mittelstand – Bilanz eines Senats mit einem verwaisten Wirtschaftsressort“,
4. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema: „Berlins Verantwortung nach dem Hochwasser – den Opfern helfen, das Klima schützen!“.
Im Ältestenrat konnten wir uns nicht auf ein einvernehmliches Thema verständigen. Ich rufe daher zur mündlichen Begründung der Aktualität auf. – Bitte, Herr Abgeordneter Rzepka, begründen Sie den Antrag Ihrer Fraktion.
Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Auf der Tagesordnung der heutigen Plenarsitzung steht die Wahl eines Bürgermeisters und Senators für die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen. Aus diesem Anlass und vor dem Hintergrund der dramatischen Entwicklung der Arbeitslosenzahlen und weiterer Wirtschaftsindikatoren stellt die CDU-Fraktion heute den Antrag, eine Aktuelle Stunde zum Thema „Rekorde bei Arbeitslosigkeit und Schwarzarbeit, Niedergang bei Gründern und Mittelstand – Bilanz eines Senats mit einem verwaisten Wirtschaftsressort“ durchzuführen. Unseres Erachtens stünde es dem Parlament – auch gegenüber den verunsicherten und besorgten Berlinerinnen und Berlinern – gut an, die Ursachen der desaströsen Berliner Wirtschaftsentwicklung zu analysieren und Forderungen an den neuen Wirtschaftssenator zu formulieren.
Die Arbeitslosenquote ist vom Juni 2002 bis zum Juli 2002 erneut von 16,8 % auf 17 % gestiegen und ist damit die höchste Arbeitslosigkeit seit der Wiedervereinigung. Hinter diesen nüchternen Prozentzahlen stehen 289 523 Einzelschicksale mit ihren Familien. Am 3. September des laufenden Jahres beginnt das neue Ausbildungsjahr. Über 12 000 Bewerber und Bewerberinnen sind noch nicht vermittelt. Lediglich zirka 2 000 offene Stellen stehen nach gegenwärtigem Erkenntnisstand und auch nach Aussage des Senats in der gestrigen Sitzung des Arbeitsausschusses der großen Nachfrage gegenüber. Mit 2 637 Insolvenzen im Jahr 2001 ist ein weiterer negativer Rekord festzustellen. Die Gewerbeanmeldungen sind mit zirka 2 500 rückläufig. Im krisengeschüttelten Berliner Handwerk sind die Umsätze und die Zahl der Handwerksbetriebe um 12 Prozent gesunken. Auch dies hat negative Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt im Handwerksbereich.
Auch auf der Einnahmenseite spiegeln sich die dramatischen Entwicklungen in der Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt. Die Gewerbesteuereinnahmen sind 2001 um circa 14 % zurückgegangen, d. h. eine Summe von 130 Millionen $ ist dem Landeshaushalt verloren gegangen. Nicht zuletzt verlassen große Traditionsunternehmen wie Babcock-Borsig und Spreequell die Stadt.