Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bitte Platz zu nehmen! – Ich eröffne die 5. Sitzung des Abgeordnetenhauses von Berlin und begrüße Sie, unsere Gäste und Zuhörer sehr herzlich.
Wir haben, wie oft zu Beginn der Sitzung, eine angenehme Aufgabe. Unter uns weilen zwei Geburtstagskinder. Ich g r a t u l i e r e herzlich von der Fraktion der CDU H e r r n A l e x a n d e r K a c z m a r e k zu seinem Geburtstag.
Wir wünschen von dieser Stelle viel Erfolg, Schaffenskraft und natürlich Gesundheit. Bei den anstehenden Aufgaben können Sie das sehr wohl gebrauchen.
Was gibt es Schöneres für einen Präsidenten, seinen Geburtstag gemeinsam mit den Abgeordneten des Hauses zu feiern. Unser P r ä s i d e n t , H e r r Wa l t e r M o m p e r, hat heute Geburtstag. Wir gratulieren an dieser Stelle sehr herzlich im Namen des gesamten Hauses.
Auch ihm wünschen wir viel Erfolg und vor allen Dingen viel Stehvermögen und die nötige überparteiliche Hand, die er auch in den letzten Wochen bewiesen hat im Interesse aller Abgeordneten und als höchster Repräsentant dieses Hauses. Nochmals herzlichen Glückwunsch!
Meine Damen und Herren! Mit Schreiben vom 13. Februar 2002 hat die Fraktion der FDP ihren A n t r a g über Rasterfahndung nur auf gesetzlicher Grundlage – D r u c k s a c h e 15/148 – für e r l e d i g t erklärt.
Es sind am Montag wieder vier A n t r ä g e a u f D u r c h f ü h r u n g einer Aktuellen Stunde eingegangen, und zwar:
1. Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion der PDS zum Thema „Licht in den Behördendschungel bringen – Bürgerservice verbessern durch Verwaltungsreform“,
2. Antrag der Fraktion der CDU zum Thema „Keine Verjüngung beim Lehrerpersonal, unterlassene Übernahme der Auszubildenden, fehlende Praktikumsplätze – Die programmierte Erstarrung des öffentlichen Dienstes verhindert die Modernisierung Berlins“,
3. Antrag der Fraktion der FDP zum Thema „Arbeitsmarktmisere beenden – neue Formen der Arbeitsmarktpolitik“,
4. Antrag der Fraktion der Grünen zum Thema „Krise der Bankgesellschaft nimmt keine Ende – Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden!“
In diesen vier Anträgen steckt eine ganze Programmatik, die uns sicher im Lauf der Sitzung noch beschäftigen wird.
Im Ältestenrat konnte man sich nach längerer Diskussion noch nicht auf ein einvernehmliches Thema verständigen. Jedoch ist deutlich geworden, vor allem nachdem heute die Geschäftsführer noch einmal intensiv verhandelt haben, dass sich die Koalitionsfraktionen dem Thema der Fraktion der FDP anschließen würden. Dennoch wird zur Begründung der einzelnen Anträge das Wort gewünscht. – Ich erteile zunächst für die Fraktion der SPD bzw. der Fraktion der PDS Herrn Abgeordneten Gaebler das Wort! – Bitte schön!
Nochmals zur Erinnerung: Es geht hier nicht um die inhaltliche Debatte, sondern um die Aktualität des Themas.
Das ist mir sehr wohl bewusst. Ich hoffe, die anderen Rednerinnen und Redner halten sich auch daran.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion und die Fraktion der PDS haben das Thema Ve r w a l t u n g s r e f o r m u n d B ü r g e r s e r v i c e verbessern für die Aktuelle Stunde beantragt. Wir halten dies nach wie vor für ein wichtiges Thema. Ich fürchte allerdings, dass es auch noch in zwei oder vier Wochen aktuell sein wird. Deshalb z i e h e n wir an dieser
Stelle unseren A n t r a g z u r ü c k und schließen uns dem Antrag der Fraktion der FDP an, über A r b e i t s m a r k t p o l i t i k zu diskutieren.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Für die CDU-Fraktion bitte ich Sie, heute einer Aktuellen Stunde zum Thema „Keine Verjüngung beim L e h r e r p e r s o n a l , unterlassene Ü b e r n a h m e d e r A u s z u b i l d e n d e n , fehlende P r a k t i k u m s p l ä t z e – Die programmierte Erstarrung des öffentlichen Dienstes verhindert die Modernisierung Berlins!“ zuzustimmen. Ich tue dies vor dem Hintergrund einer Besorgnis erregenden Fülle von Anrufen, Briefen und Gesprächen, die ich in den letzten Tagen mit jungen betroffenen Beamtenanwärtern, ihren Eltern oder Partnern hatte, die jetzt vor der für sie dramatischen Situation stehen, nicht übernommen zu werden.
So etwas hat es in Berlin noch nicht gegeben. Wenige Wochen nach der Unterzeichnung einer Koalitionsvereinbarung ist diese bereits Makulatur, werden Wahlversprechen gebrochen und werden Zusagen nicht eingehalten. Dass es ein „Weiter so!“ in Berlin nicht geben darf, ist jedem klar. Nur darf in solch einer Situation die Glaubwürdigkeit des Senats im Interesse der Stadt nicht leiden.
Die Entscheidung des Senats, die Auszubildenden im öffentlichen Dienst in die Arbeitslosigkeit zu entlassen, vermittelt die Botschaft an die jungen Menschen in der Stadt, dass unsere Gesellschaft sie nicht braucht und sie in der Region keine Zukunft haben. Wenn wir schon beim Haushalt im Nebel stochern müssen, weil der Senat noch immer nichts Konkretes vorgelegt hat, sollten wir im Rahmen einer Aktuellen Stunde dringend darüber debattieren, ob sich Lehrer und Auszubildende des öffentlichen Dienstes dazu eignen, den Haushalt zu konsolidieren.
Ihre Aussagen, Herr Körting, am Montag im Innenausschuss waren dabei nicht sonderlich hilfreich. Es wundert einen schon, wenn der Innensenator im Innenausschuss die Frage der Übernahme von Auszubildenden mit Verweis auf die Haushaltssituation eiskalt vom Tisch wischt, um dann wenige Tage später im Hauptausschuss zu verkünden, dass man trotz vorläufiger Haushaltswirtschaft 17 teure Leitungsreferenten, die für das Funktionieren der Verwaltung als unerlässlich bezeichnet werden, einstellt. Das macht nachdenklich und stutzig. Mir ist dabei völlig unverständlich, dass im öffentlichen Dienst Berlins mit ca. 150 000 Beschäftigten keine 23 Stellen frei sein sollen, wo die jungen Menschen ihre Potentiale einbringen können.
Es ist unbegreiflich, weshalb Senator Körting seinen Verwaltungsnachwuchs, der für die Modernisierung der Verwaltung dringend gebraucht wird, zu Sozialhilfeempfängern umschulen will.
Ein Letztes: Wenn man dem Personalstandsbericht der Innenverwaltung glauben kann, dann werden in den nächsten acht Jahren ca. 30 000 Beschäftigte aus dem öffentlichen Dienst ausscheiden. Wie wollen Sie eigentlich angesichts Ihrer Personalpolitik eine leistungsstarke, effizient arbeitende und dauerhaft gut funktionierende öffentliche Verwaltung gewährleisten, wenn Sie die Besten der Ausbildungsjahrgänge nicht übernehmen? Ich bleibe dabei: Mit einer solchen Politik sanieren Sie nicht den Haushalt des Landes Berlin. Herr Körting, ich appelliere an Sie und an den Regierenden Bürgermeister: Investieren Sie in die Zukunft, investieren Sie in die Jugend der Stadt, nehmen Sie Ihre Entscheidung zurück. Tun Sie das in der Gewissheit, dass manchmal mehr Mut dazu gehört, eine Entscheidung zurück zu nehmen, als ihr treu zu bleiben. Seien Sie mutig, revidieren Sie Ihre Entscheidung. Und Sie, meine Damen und Herren, bitte ich, dem von uns beantragten Thema für die Aktuelle Stunde zuzustimmen. – Vielen Dank!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Zeitungen sind voll mit der Thematik der A r b e i t s m a r k t m i s e r e. Gerade heute ist darüber in der „Berliner Zeitung“ wieder ein längerer Artikel zu lesen. Dementsprechend sind wir der Meinung, dass es sich dabei um ein wichtiges Thema handelt – nicht nur um ein bundespolitisches. Die Arbeitsmarktthematik geht uns alle etwas an. Deshalb sollte sich auch unser Haus damit beschäftigen. Ich bitte Sie um die Unterstützung unserer Antrags. – Danke schön!
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Neben den hier schon genannten wichtigen Themen ist das absolute Thema Nr. 1 in der Stadt momentan die H a u s h a l t s n o t l a g e. Sparen, sparen, sparen und den Gürtel enger zu schnallen, wird der Bevölkerung jeden Tag um die Ohren gehauen. Ob Bäderschließung, oder Schließung des Benjamin-Franklin-Klinikums, ob Verschlechterung der Bildung in den Kitas, oder das Streichen von Wintermänteln für Sozialhilfeempfänger, ob Verlängerung der Lehrerarbeitszeit oder Solidarpakt, jeder Cent wird fünfmal umgedreht oder fällt gleich ganz unter die Haushaltssperre.
Jeder Cent? Nein, nicht wirklich jeder; Milliarden Euro sollen bezahlt werden, um Geldanlegern für die nächsten 25 bis 30 Jahre ihre Rendite zu sichern. Deshalb wollen wir Grünen hier und heute in der Aktuellen Stunde darüber diskutieren, warum jeder Cent bei den Ausgaben für die eigentlichen Staatsaufgaben gespart werden muss, während auf der anderen Seite die Milliarden fließen und die Verantwortlichen bisher immer noch nicht zur Rechenschaft gezogen wurden.
Diese Diskussion muss jetzt geführt werden, weil schließlich morgen oder in den nächsten Tagen die R i s i k o a b s c h i r m u n g f ü r d i e B a n k g e s e l l s c h a f t schon beschlossen werden soll. Wie fühlen Sie sich eigentlich, Herr Strieder, wenn die Berliner Bevölkerung durch ihre Steuern Ihnen 30 Jahre lang Ihre Mietgarantien für den LBB-Fonds 8 bezahlt? Wie stehen Sie eigentlich bei einem solchen Solidarpaktgespräch da? Es muss Ihnen doch zumindest fürchterlich peinlich sein!
Finanzanlegern Gewinne zu garantieren, ist absolut keine Staatsaufgabe. Als ob es noch nicht reicht, dass durch die maßlosen Steuerabschreibungen der Vergangenheit eine unverschämte Umverteilung zu Gunsten der reicheren Bevölkerung stattgefunden hat, als ob die fehlenden Steuereinnahmen sowohl im Bund als auch beim Land nicht auch immer damit zu tun haben, dass die eigentlichen hohen Einkommen überhaupt keine Steuern zahlen, soll jetzt noch zusätzlich all diesen Geldanlegern die Sicherung der zukünftigen Rendite in den nächsten 25 bis 30 Jahren finanziert werden. Das kann so nicht sein!
Das Thema ist aktuell, weil der Senat die verdammte Pflicht und Schuldigkeit hat, der Berliner Bevölkerung vor der Entscheidung zu erklären, warum diese Milliarden bezahlt werden sollen. Der Senat hat die Pflicht und Schuldigkeit zu sagen, um wie viele Milliarden es sich im schlimmsten Fall handeln wird. Er hat auch die Pflicht und Schuldigkeit zu erklären, warum Vorstände, Geschäftsführer, Aufsichtsratsmitglieder, Wirtschaftsprüfer und dergleichen bis heute noch keinen Schadensersatz zahlen mussten. Es muss erklärt werden, warum diese Risikoabschirmung übernommen werden muss. Warum dies ohne gesetzliche Verpflichtung erfolgen soll.
Es gibt nicht die Gewährträgerhaftung, die man uns immer versuchte einzureden und die uns zwingt, diese Risikoabschirmung vorzunehmen. Warum sollen die Milliarden dennoch bezahlt werden? Das müssen Sie erklären.
Die Wut über die Banker und ihre Geschäfte ist grenzenlos in der Stadt. Die Milliarden Euro, die in die Bank gesteckt werden, machen das Sparen mit hier 24 000 § und dort einer Million § absolut sinnlos und bedeutungslos. Eine echte Haushaltssanierung zu betreiben und einen solchen Klotz am Bein zu haben wie die Bankgesellschaft mit ihren Risiken, kann gar nicht funktionieren.
Frau Abgeordnete! Ich weise Sie darauf hin, dass jetzt nicht zur Sache, sondern zur Aktualität gesprochen wird. Sie kennen das Problem. Ich bitte Sie herzlich um eine Begründung zur Aktualität!
Das ist richtig! Es ist immer eine Gratwanderung. Ich bitte Sie trotzdem, zur Begründung der Aktualität zu kommen!
Wir haben derzeit auch noch ein riesiges Gerechtigkeitsproblem, dem sofort begegnet werden muss. So hieß auch die Aktuelle Stunde. Muss einem nicht jeder Butterdieb in Anbetracht dieser Milliarden, die hier in den Sand gesetzt wurden, lächerlich vorkommen? Diese Ungerechtigkeit beherrscht im Moment die gesamte Stadt. Damit hat das Thema die absolute Aktualität. Das sahen SPD und PDS bis vor einigen Tagen auch noch so. Plötzlich kommen Sie nun daher und wollen die Debatten erst nach der Entscheidung. Das ist nicht die richtige Art von Demokratie. Wir müssen natürlich vor der Entscheidung diskutieren und dieses heute und hier tun.