Christian Lindner

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Last Statements

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute unter neuen politischen Vorzeichen über wirtschaftliche Zusammenarbeit, Eine-Welt-Politik und Entwicklungspolitik. Ich freue mich für die FDP-Landtagsfraktion, dass das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit nach einer gewissen Zwischenphase nun endlich wieder in liberaler Hand ist.
Die Leitlinien unserer deutschen Entwicklungshilfepolitik sind von Walter Scheel entwickelt und maßgeblich geprägt worden. In dieser Traditionslinie befinden sich alle seine Nachfolger.
Wir freuen uns, dass Dirk Niebel jetzt als liberaler Entwicklungshilfeminister an diese große Tradition anknüpfen kann. Wer mal Entwicklungshilfeminister war, aus dem ist später schließlich noch etwas geworden.
Ja, das ist mir eine Ehre.
Nein, dem stimme ich ausdrücklich nicht zu, Herr Kuschke. In meiner launigen Einführung habe ich gerade bereits betont, dass das Haus jetzt zu der Traditionslinie und der Strategie zurückkehrt, die damals geprägt worden ist. Ich will das auch gerne noch einmal mit Bezug auf den von uns vorgelegten Antrag erläutern.
Liberale Politik für wirtschaftliche Zusammenarbeit konzentriert sich erstens auf die wirklich Bedürftigen, also auf diejenigen, die wirklich eine Unterstützung ihrer eigenen Entwicklung durch Länder der ersten Welt benötigen.
Zweitens konzentrieren wir uns hier in NordrheinWestfalen und künftig auch stärker im Bund darauf, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben. Wir wollen Länder, die Entwicklungen noch vor sich haben, befähigen, aus eigener Kraft Zivilisationsschritte zu gehen. Würden wir Ihnen – vielleicht aus einer falsch verstandenen Solidarität mit Schwachen heraus – schon direkt die Mittel an die Hand geben, für sie Prozesse organisieren und Entwicklungen vorwegnehmen, könnte sich dort keine Kompetenz, könnten sich dort keine gesellschaftlichen Strukturen aufbauen.
Lassen Sie mich den dritten Punkt noch zu Ende bringen, Herr Präsident. Dann kann Frau Asch gerne das Wort ergreifen.
Als dritten Punkt nehmen wir die Erfolgsbedingungen, die Gelingensbedingungen für Entwicklungshilfepolitik stärker in den Blick. Das ist gute Regierungsführung.
Man kann unsere westlichen Bemühungen auf Länder konzentrieren wie man will: Wenn dort keine Regierung, kein Verwaltungsapparat, kein Rechtsstaat zur Verfügung steht und dafür sorgt, dass Hilfe auch ankommt und nachhaltig gestaltet wird, dann sind all unsere Bemühungen vergeblich. Gute Regierungsführung muss stärker auch Ziel und Gegenstand von Entwicklungshilfepolitik werden. Es muss Kriterium für die Gewährung von Hilfen sein.
Ich beispielsweise kann es mir nicht vorstellen, dass wir unsere Entwicklungshilfeanstrengungen gegenüber Ländern, die selbst Menschenrechte nicht achten, weiter intensivieren. Finanzielle und auch sonstige Hilfen müssen an gute Regierungsführung gebunden werden respektive sich darauf konzentrieren, gute Regierungsführung und eine Zivilgesellschaft erst aufzubauen.
Das waren die drei Kriterien. – Jetzt hätte Frau Asch die Möglichkeit, ihre Frage zu stellen, wenn Sie Ihr das Wort geben wollen.
Ich bin Ihnen für diese Frage dankbar; denn sie erlaubt es mir, ohne Anrechnung auf meine Redezeit mit einem weiteren Missverständnis aufzuräumen.
Wir wollen ausdrücklich Politik für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe, Frau Asch. Wir wollen aber keine Nebenaußenpolitik.
Wir wollen eine konsistente internationale Politik und Interessenswahrnehmung Deutschlands haben. Deshalb muss dies auch konzeptionell aus einer Hand gestaltet werden. Das Problem war doch, dass wir zwei ganz unterschiedliche Stränge hatten. Ein Strang ist von Joschka Fischer und später von Frank-Walter Steinmeier im Bundesministerium des Auswärtigen gestaltet worden, während Frau Wieczorek-Zeul ihre eigene gutmenschliche Eine-WeltPolitik gemacht hat. Es war keine konsistente Strategie.
Dies ist jetzt erreicht worden. Unser Mittel der Wahl wäre gewesen, alles im Auswärtigen Amt zu bündeln. Das war dem Partner politisch nicht vermittelbar; dort gab es auch Wünsche. Also haben wir beide Häuser in einer liberalen Hand. Das erlaubt es jetzt, auch wenn es noch zwei Ministerien sind, das Ganze konzeptionell in einem Bereich zusammenzuführen.
Das Land Nordrhein-Westfalen – damit komme ich auf den Antrag zurück, Herr Präsident – spielt im Konzert der Entwicklungshilfebemühungen in Deutschland selbstverständlich eine wichtige Rolle. Zwar ist Entwicklungshilfe zuerst und zumeist Aufgabe des Bundes; als Sitzland vieler wichtiger Institutionen und Hilfswerke hat Nordrhein-Westfalen aber selbstverständlich auch eine eigene Rolle.
Diese Rolle nehmen wir hier wahr. Auf der operativen Ebene füllen wir sie durch eine Partnerschaft mit Ghana und eine – vermutlich nach der Fußballweltmeisterschaft 2010 auslaufende – Partnerschaft mit Mpumalanga aus. Wir gestalten sie aber auch auf der konzeptionellen Ebene durch die Bonner Konferenz für Entwicklungspolitik. Wir freuen uns darauf, im nächsten Jahr vermutlich auch den Bundesentwicklungshilfeminister hier in NordrheinWestfalen begrüßen zu können, um diese Konferenz noch stärker an die von mir gerade beschriebene Neuorientierung der Eine-Welt-Politik anzubinden.
Nordrhein-Westfalen ist ein starkes Land und ein starker Akteur in der Eine-Welt-Politik. Ich kann wohl ohne Übertreibung sagen, dass NordrheinWestfalen auf der Länderebene Motor einer Entwicklung in der Entwicklungshilfepolitik ist. Das soll
so bleiben und wird auch so bleiben. – Haben Sie vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Noch nicht ganz, Frau Kraft.
Wenige Tage.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am 27. September haben sich nicht nur die Farben der Bundesregierung geändert, sondern auch ihre Wertorientierung hat sich verändert.
Nach Jahren einer Anmaßung von Politikern und Beamten, den Staat immer weiter in den privaten Sektor auszudehnen und in die Privatsphäre der Bürgerinnen und Bürger einzudringen, gibt es jetzt eine neue Bundesregierung, die sich zum Ziel gesetzt hat, eine neue Balance von Staat und Privat zu erarbeiten.
Das war von den Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland gewünscht. Denn wir haben vor der Wahl gesagt, was unsere Absichten sind und auf welchem Wege wir sie erreichen wollen.
Jeder wusste, was wir wollen.
Wir haben für diese Politik bzw. für diese politische Haltung eine Mehrheit in Deutschland erhalten. Sie haben keine Mehrheit für Ihre Angebote erhalten; wir haben die Mehrheit am 27. September bekommen.
Es waren auch nicht Sozialdemokraten, die dafür gesorgt haben, dass wir jetzt eine Entlastung von Steuern und Abgaben für die Bezieher kleiner und niedriger Einkommen in einer Größenordnung von 24 Milliarden € erhalten. Das war Schwarz-Gelb.
Es waren nicht Sozialdemokraten, die ein Stipendiensystem eingeführt haben, von dem „Die Zeit“ dieser Tage geschrieben hat, es sei die größte Innovation seit Erfindung des BAföG, meine Damen und Herren. Das war Schwarz-Gelb.
Es waren nicht Sozialdemokraten, die den Grundfreibetrag für die Kinder und das Kindergeld erhöht haben, sondern das war Schwarz-Gelb.
Es war nicht die Sozialdemokratie, die bürgerliche Freiheiten verteidigt hat, sondern Schwarz-Gelb hat jetzt beispielsweise den Weg in die Zensur des Internets beendet.
Es waren nicht Sozialdemokraten, die das Schonvermögen für Empfänger von Arbeitslosengeld II erhöht haben, damit es sich auch für die Bezieher kleinerer Einkommen lohnt, etwas zur Seite zu legen.
Es waren nicht Sozialdemokraten, die dafür gesorgt haben, dass sich Menschen durch bessere Zuverdienstgrenzen aus dem Bezug von Arbeitslosengeld in den ersten Arbeitsmarkt heraufarbeiten können, damit sich ihre Arbeit lohnt.
All das war Schwarz-Gelb. All das haben wir erreicht. Wir stehen für Innovation und für Fairness; Sie stehen nur noch für eine vorgestrige Verteilungspolitik, meine Damen und Herren von der Opposition.
Wenn man sich ansieht, wie Sie nach der Wahl agieren – Frau Kraft, ich wende mich persönlich an Sie –, bemerkt man: Sie haben schon begonnen, den Koalitionsvertrag zu kritisieren, als die Tinte darunter noch nicht trocken war. Da haben Sie schon alles gewusst und sich öffentlich dazu eingelassen.
Ich finde es stillos, dass Sie inzwischen sogar die Metaphern von Krankheiten und Epidemien für unsere Politik verwenden. Das ist eine Stillosigkeit im demokratischen Austausch, aber im Übrigen auch eine Respektlosigkeit gegenüber den Wählerinnen und Wählern.
Ich glaube nicht, dass Ihre Strategie erfolgreich sein kann, Frau Kraft. Ich glaube vielmehr, dass Sie sich in der Art und Weise verrannt haben, wie Sie sich mit uns auseinandersetzen.
Das sehen auch andere Sozialdemokraten so. Ich will einen zitieren, der in Nordrhein-Westfalen gut bekannt ist, nämlich den ehemaligen Ministerpräsidenten Peer Steinbrück. Er hat Ihnen im Parteivorstand – das ist in „Spiegel online“ veröffentlicht worden – ins Stammbuch geschrieben – ich zitiere –:
Das heißt, dass viele Menschen in Deutschland von einer solchen Regierung keineswegs eine Verschiebung der Achse in unserer Gesellschaft oder eine soziale Demontage befürchten. Unsere Warnungen vor einer schwarz-gelben Regierung haben ihnen nicht in den Ohren geklingelt. Vielleicht liegt das auch daran, dass sie dort, wo es bereits schwarz-gelbe Landesregierungen gibt, keineswegs die niederschmetternden Erfahrungen gemacht haben, die wir ihnen in unserer Wahlkampagne in Aussicht gestellt haben.
Wie kann man klarer sagen, dass Sie sich verrannt und Ihren inneren sozialdemokratischen Kompass verloren haben, Frau Kraft?
Sie haben den falschen Gegner. Sie sollten sich darum bemühen, sich mit der Linkspartei auseinanderzusetzen.
Aber nicht, indem Sie der Linkspartei nachlaufen und die Angebote und Antworten von Herrn Sagel kopieren,
sondern indem Sie in der Mitte der Gesellschaft, im Zentrum des Parteiensystems die Auseinandersetzung suchen.
Machen Sie sich klar, Frau Kraft, dass der letzte Sozialdemokrat, der in Nordrhein-Westfalen bei einer Landtagswahl eine Mehrheit errungen hat, Wolfgang Clement, inzwischen nicht mehr Ihrer Partei angehört und vor der letzten Bundestagswahl die Wahl der FDP empfohlen hat. Das zeigt das Dilemma und die Ausweglosigkeit Ihrer Lage, Frau Kraft.
Meine Damen und Herren, ich will diese hervorgehobene Debatte für einige persönliche Bemerkungen nutzen. Es scheint so, als wäre dies die letzte hervorgehobene Landtagsdebatte, in der ich das Wort ergreifen kann. Nach neuneinhalb Jahren habe ich Segel gesetzt und meine politische Arbeit nach Berlin verlagert.
Ich danke Ihnen für neuneinhalb Jahre intensiver Debatten in diesem Landtag. Ich erinnere mich gern an die Diskussionen in der letzten Legislaturperiode über das Kinder- und Jugendfördergesetz, über das Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder sowie in dieser Legislaturperiode an das KiBiz, das Studienbeitragsgesetz und das Hochschulfreiheitsgesetz. Das waren tolle Debatten, in denen wir auf dieser Seite gemeinsam gestaltet und auf jener Seite den sportlich-fairen Austausch miteinander gepflegt haben.
Wenn ich vielleicht an der einen oder anderen Stelle zu hart zugelangt habe, sehen Sie es mir bitte nach. Ihnen allen wünsche ich alles Gute und weiterhin spannende Debatten im Landtag.
Ich freue mich, dass ich noch einmal zu meinem Lieblingsthema sprechen darf. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eingangs ist das Ceterum Censeo von Frau Asch zurückzuweisen. Sie hat hier gesagt, das KiBiz sei mit weniger Personal und mit weniger Zeit verbunden.
Frau Asch, dass es mit weniger Personal verbunden ist, ist falsch. Das zeigt Ihnen jede Übersicht, was die Personal-Kind-Quote in den Einrichtungen
im Bundesvergleich angeht. Im Übrigen können Sie das selbst anhand der Gruppentypen ermitteln. Zum Beispiel entspricht die Gruppe 3 im KiBiz exakt der alten Kindergartengruppe 25 Kinder, drei bis sechs Jahre alt, eine Fachkraft, eine Ergänzungskraft. Da hat sich an den Gruppenparametern nichts verändert. Das ist im Übrigen auch gewollt und gewünscht. Wir wollten mit dem Kinderbildungsgesetz ausdrücklich keinen Qualitätsabbau verbinden.
Zweitens. Auch die Behauptung, dass das KiBiz mit weniger Zeit verbunden sei, stimmt nicht. Natürlich gab es auch zu Zeiten des GTK einen geringen Anteil von Plätzen mit Ganztagsbetreuung. Das war aber eine geringe Zahl. Jetzt haben alle Eltern, wenn sie den Wunsch anmelden, die Möglichkeit, eine Betreuung von 45 Stunden zu buchen. Das war vorher starr kontingentiert. Jetzt gibt es eine echte Wahlfreiheit.
Jetzt kommen wir zu folgendem Punkt: Was ist denn mit denjenigen, die über die 45 Stunden hinaus einen zusätzlichen Bedarf haben, die vielleicht – das wird Sie überraschen – einen atypischen Bedarf haben, beispielsweise den Wunsch nach einer Betreuung am Sonntagvormittag, am Samstagabend oder um 22 Uhr abends? Dafür gibt es auch zu KiBiz-Zeiten Lösungen. Ich habe mir das gerade noch einmal angesehen.
Nehmen Sie zum Beispiel den DRK-Kindergarten Prinz Botho in Stadtlohn. Den habe ich vor einiger Zeit besucht. Das ist eine Kindertageseinrichtung, die den Eltern über die 45 Stunden hinaus eine Zusatzbetreuung anbietet. Die ist natürlich nach der Inanspruchnahme individuell abzurechnen.
Die sind aber so flexibel, dass selbst in Ferienzeiten, am Samstag, am Sonntagvormittag und sogar mit Übernachtungsmöglichkeiten den Elternwünschen entsprochen werden kann.
Das wäre unter dem GTK nicht möglich gewesen; denn unter dem GTK hätten nämlich wegen der Betriebskostenverordnung alle zusätzlich eingenommenen Entgelte sofort an den Träger zurückgegeben werden müssen. Jetzt, in einem pauschalierten System, können die Entgelte beim Träger verbleiben, und deshalb gibt es ein Eigeninteresse des Trägers, in dieser Weise Serviceleister zu sein.
Zu dem Thema Bürokratie. Das war in der Tat eines von mehreren Zielen. Bei den ersten Zielen hat man sich auf die Kinder konzentriert; das ist klar. Da ging es um die Qualität. Dann gibt es Ziele, bei denen man sich bei der Verabschiedung des KiBiz in Richtung Vereinbarkeit von Familie und Beruf orientiert
hat. Es gab einen dritten Komplex von Zielen, der sich auf die Fördersystematik und ihre Handhabbarkeit bezog.
Der Bürokratieabbau war ein Thema. Britta Altenkamp hat ausgeführt, was das für das Land bedeutet. Die Planbarkeit gehörte dazu. Wir wollten die sogenannte Bugwelle für die Zukunft verhindern. Es ging auch um Fördergerechtigkeit, nämlich dass gleiche Leistungen bei unterschiedlichen Trägern an unterschiedlichen Stellen im Land auch gleich finanziert werden. Da gab es große Unterschiede, wie die damals von Rot-Grün in Auftrag gegebene Benchmarkingstudie offenbart hatte.
Ich will mich auf das Verhältnis zwischen Kommune und Träger konzentrieren; denn, Frau Asch, ich sehe hier in der Tat einen Evaluationsbedarf. Die Rückmeldungen, die wir aus der Praxis bekommen, sind uneinheitlich. Britta Altenkamp hat darauf hingewiesen, dass das von Kommune zu Kommune unterschiedlich gehandhabt wird.
Generell gibt es bei einem solchen pauschalierten System gewisse Paradoxien, zum Beispiel das Paradoxon der goldenen Kinder: Je nachdem, in welche Gruppe man ein zwei Jahre altes Kind einordnet, kann das ganz erhebliche Auswirkungen auf die Gesamtfinanzierung der Einrichtung haben, obwohl es ein und dasselbe Kind ist. Das führt dazu, dass es eine deutlich unterschiedliche Finanzierung gibt. Das muss man angehen.
Bei der Bürokratie haben wir die Verwendungsnachweisführung, die noch aus den Zeiten der Spitzabrechnung stammt und die man in einem pauschalierten System in dieser Form hinterfragen muss. Mit der Pauschalierung ist ja das Vertrauen verbunden, dass ein Träger betriebswirtschaftliche Dispositionen selbst treffen kann. Die Landesregierung ist, wenn ich das richtig weiß, dabei, ein vereinfachtes Verwendungsnachweisverfahren zu entwickeln, das zu einer Entschlackung der bürokratischen Verfahren führen kann.
Wir haben – das ist der letzte Aspekt, den ich in dem Zusammenhang nenne – gegenwärtig eine monatliche Meldung des Status in den Einrichtungen, was die Inanspruchnahme der Plätze betrifft. Das ist erforderlich, damit bei der Inanspruchnahme von Plätzen auch einmal etwas verändert werden kann, damit zum Beispiel Kinder aufgenommen werden können.
Dafür gibt es das kibiz.web, eine betriebswirtschaftliche Anwendungssoftware, die im Endausbau zu einer deutlichen Vereinfachung der bürokratischen Prozesse bei Trägern, bei Kommunen und beim Land führen soll. Um die zusätzlichen Belastungen, die damit verbunden sind, aufzufangen, haben wir die Leitungsfreistellung pro Gruppe organisiert: pro Gruppe 20 %. In dreigruppigen Einrichtungen –
Frau Asch weiß das – gab es früher gar keine Leitungsfreistellungen.
Heute haben wir eine, um auch in diesen Einrichtungen den möglicherweise nur übergangsweise bestehenden bürokratischen Mehraufwand abzudecken.
Frau Asch, insgesamt bitte ich Sie herzlich, diese problematischen Punkte – ich habe sie selbst als problematische Punkte gekennzeichnet – verhältnismäßig zu diskutieren und sie im Gesamtzusammenhang des Kinderbildungsgesetzes zu sehen. – Schönen Dank.
Frau Präsidentin, mit der anderen Reihenfolge wäre ich auch einverstanden gewesen.
Aber, meine Damen und Herren, ich kann auch gerne jetzt unsere Fraktion zu dieser Frage positionieren. – Es ist ohne Zweifel so, dass die Wirtschafts- und Finanzkrise alle öffentlichen Haushalte beutelt. Wenn eine Kommune in schweres Fahrwasser gerät, ist das in diesen Tagen nicht immer nur ein hausgemachtes Problem, sondern es hat an vielen Stellen auch etwas mit höherer Gewalt zu tun.
Viele Kommunen haben diese Situation zum Anlass genommen, sich in den vergangenen Monaten für die Krise zu rüsten. Beispielsweise in meinem Wahlkreis, bei mir zu Hause in Overath, einer CDU/FDP-regierten Kommune, hat der Kämmerer drei Wochen vor der Kommunalwahl eine Haushaltssperre verhängen und ein Konsolidierungsprogramm für die nächsten Jahre ankündigen müssen.
Dort sind Union und FDP im Amt bestätigt worden – trotz dieser schwierigen Haushaltssituation.
In Dortmund war die Lage indessen anders. In Dortmund hatte man den Eindruck, dass mit Ruhe die langen Linien der Politik verfolgt werden, dass mit Besonnenheit und Nachhaltigkeit gewirtschaftet wird. In einer Sitzung des Haushalts- und Finanzausschusses am 18. Juni ist auf eine Frage der FDP-Fraktion gesagt worden, es seien aktuell keine nennenswerten Ertragseinbußen zu erkennen. Knapp eine Woche später, als die FDP angesichts der sich zuspitzenden Lage einen Nachtragshaushalt beantragt hat, ist dargelegt worden, es bewege sich alles in geordneten Bahnen. Oliver Wittke hat bereits zitiert, dass auch der OB-Kandidat im August noch dargelegt hat, er sei über die Finanzsituation der Stadt informiert: kein Grund, Alarm zu schlagen.
Die Bürger mussten also den Eindruck haben, dass der Kapitän Langemeyer mit dem ersten Offizier Sierau das Schiff auf gutem Kurs hält. Und 17 Stunden nach der Wahl wurde deutlich, dass der gute Kurs auf einen 80- bis 100-Millionen-€-Eisberg zuläuft. Sie haben sich den Wahlsieg in Dortmund erschwindelt, ertäuscht, ergaunert.
Ihr Oberbürgermeister hat keine demokratische Legitimität in Oberhausen.
Gestern haben Sie hier mit Blick auf die Kommunalwahl gesagt, dass es doch Stellen gebe, wo
aufgrund der Stichwahl die demokratische Repräsentativität neuer Bürgermeister und Oberbürgermeister nicht so breit sei. Was sagt denn ihre demokratische Sensibilität dazu, wenn die Spitze einer Stadt aufgrund einer arglistigen Täuschung gewählt worden ist?
Wo regt sich da Ihr demokratisches Verständnis? Wo ist da Ihre demokratische Seele? Deshalb ist es ein Gebot der demokratischen Redlichkeit, der demokratischen Hygiene, wenn sich Ihr Oberbürgermeisterkandidat in Kürze neu dem Votum der Wähler unterzieht.
Es ist im Übrigen interessant, nach den Motiven zu fragen.
Entschuldigen Sie mal, lieber Herr Becker. Weil Sie immer wieder diese Möllemann-Geschichten bemühen,
will ich Sie einmal darauf aufmerksam machen, dass der Spitzenkandidat bei der Landtagswahl 2005 Ingo Wolf und nicht Jürgen Möllemann hieß. Können Sie bitte mal Ihre komischen Textbausteine auswechseln? Ein Trickser und Demagoge sind Sie.
Die Frage ist ja, welche Motive dahinterstanden.
War das erste Motiv von Herrn Langemeyer vielleicht, dass er seinem ungeliebten Nachfolger eine schwere Hypothek mit ins Amt geben wollte, ihn als „Dödel“ – so Sierau öffentlich über sich selbst – ins Amt kommen lassen wollte, oder war der Grund, dass vor Ort sichtbar wurde, eine eigene Mehrheit ist so nicht mehr zu erreichen, sodass sie sich des Instruments der Bilanzfälschung bedienen mussten? Mir ist das egal. Beide Motive sind nicht edel, und beide Motive sollten Sie eigentlich vor Scham erröten lassen.
Im Übrigen ist Dortmund nicht allein eine kommunalpolitische Frage. Denn vor der Kommunalwahl hatte sich die SPD-Landesvorsitzende in die Kandidatenfindung eingeschaltet und Dortmund zur Chefsache erklärt. Dann ist aber Dortmund auch nach der Wahl eine Chefsache. Wie Sie mit dieser Verantwortlichkeit umgeht, kann man heute sehen, sie nimmt noch nicht einmal an der Debatte teil. Sie flüchtet vor der Verantwortung.
Ich habe den Eindruck gewonnen, dass das, was in Dortmund passiert, bei der SPD System hat. Ich
kann mich dieses Eindrucks nicht erwehren. Franz Müntefering hat nach der Sommerpause 2006 in einem bemerkenswerten Interview im „Stern“ wörtlich gesagt: Die Menschen messen uns an unseren Wahlprogrammen; das ist unfair.
Woran denn sonst? Ich sage Ihnen: Es gibt eine direkte Linie von der Lüge „Merkelsteuer – das wird teuer“ bei der Bundestagswahl 2005 über die Ypsilanti-Tricksereien bis nach Dortmund. Das ist eine direkte Linie,
und der Zusammenhang heißt bei der SPD: Tarnen, Tricksen, Täuschen. Wenn Sie sich also in diesen Tagen fragen, warum die SPD in einer Krise ist, dann suchen Sie das nicht bei Veränderungen der Milieus in der Gesellschaft, suchen Sie das nicht darin, dass die SPD-Wähler, wie Groschek immer sagt, auf der Couch bleiben, suchen Sie das nicht da! Suchen Sie die Probleme bei sich selbst, bei Ihrer Glaubwürdigkeit! 1918 ist die SPD schon einmal zerbrochen. Damals ist Ihnen zugerufen worden, was auch heute gilt: Wer hat uns verraten? – Sozialdemokraten. – Vielen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident. Meine Damen und Herren! Wir haben in den vergangenen Jahren hier in Nordrhein-Westfalen großartige Erfolge beim Ausbau der Betreuungs
plätze für unter dreijährige Kinder erzielt. Wir werden im nächsten Jahr bereits die Marke von 100.000 Betreuungsplätzen für kleine Kinder passieren. Wir haben uns ehrgeizige Ziele für die Zeit danach gesetzt. Wir werden im Jahre 2013 für deutlich mehr als 30 % der Kinder im Alter von unter drei Jahren Plätze anbieten.
Bislang ist es gelungen, diese zusätzlichen Kapazitäten in bestehenden Einrichtungen zu schaffen. Aber in Zukunft wird es stärker und immer öfter an vielen Stellen im Land notwendig sein, auch neue Baumaßnahmen anzustoßen, neue Kindertageseinrichtungen zu bauen – im Übrigen auch in den Kommunen, die trotz des demografischen Wandels noch Bevölkerungswachstum haben; solche gibt es ja noch. Vor Ort werden dann Diskussionen zu führen sein, wo Kindertageseinrichtungen gebaut werden können, wo Kindertageseinrichtungen erweitert werden können.
Jeder, der das Berufsfeld kennt, der die Praxis kennt, weiß, dass, wenn eine Gruppe von 25 kleinen Kindern einmal richtig aufdreht, das den Lärmpegel eines startenden Düsenjägers erreichen kann. Aber das ist eben nicht mit einem Düsenjäger und mit anderem Verkehrslärm vergleichbar, weil es – Walter Kern hat den Bundespräsidenten schon zitiert – sich um Kinder handelt und ihr Lärm nicht Geräuschemission ist, sondern lebendiger Ausdruck von Spiel, von Spaß, manchmal auch von Streit und Traurigkeit. Das gehört zum Leben dazu. Viel zu selten sind diese Äußerungen noch in unserer Lebenswirklichkeit, in unserem Alltag für uns greifbar – weil wir eben nicht mehr in Großfamilien leben wie noch die Generationen vor uns.
Mit diesem Antrag wollen die Koalitionsfraktionen eine Lanze dafür brechen, diese freudigen Äußerungen von Kindern auch in Wohngebieten wieder für alle erfahrbar zu machen.
Das ist durch eine Veränderung der Baunutzungsverordnung möglich. Wir haben da schon jetzt Differenzierungen etwa für Geräuschemissionen durch Sport oder sogenannten Freizeitlärm. Nur Kindertageseinrichtungen waren in reinen Wohngebieten bislang eher die Ausnahme denn die Regel. Hier gibt es nun eine Möglichkeit, die rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, diesem Umstand abzuhelfen, diesen Makel zu beseitigen.
Wir als Koalitionsfraktionen haben uns entschlossen, ein Signal in dieser Richtung zu senden. Flankiert wird es durch einen einstimmigen Beschluss des Deutschen Bundestages. Deshalb bin ich optimistisch, dass auch die Oppositionsfraktionen in diesem Haus unserem Antrag werden beitreten können. – Haben Sie vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die ehemalige Landesstelle für Aussiedler, Zuwanderer und ausländische Flüchtlinge in Nordrhein-Westfalen hat am 30. Juni dieses Jahres ihre Tore geschlossen, da kaum noch Aussiedler nach Deutschland kommen. An der Stelle
dort befindet sich jetzt eine fachliche Weiterentwicklung, nämlich unser Kompetenzzentrum für Integration Nordrhein-Westfalen.
Die Geschichte Nordrhein-Westfalens ist auch nicht erst seit einigen wenigen Jahren oder Jahrzehnten in hohem Maße von Zuwanderung geprägt. In dieser Geschichte hat die Landesstelle eine bedeutende und kaum zu überschätzende Rolle gespielt. Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es vor allem Flüchtlinge aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten sowie der damaligen DDR, die in UnnaMassen aufgenommen wurden.
Hinzu kamen in den 1950er-Jahren zahlreiche Kriegsrückkehrer aus der Sowjetunion, die in UnnaMassen eine erste vorübergehende Bleibe finden konnten. In den Jahren und Jahrzehnten danach folgten Aussiedler aus Mittel- und Osteuropa sowie Flüchtlinge aus der DDR ebenso wie Asylsuchende und Bürgerkriegsflüchtlinge aus aller Welt.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kamen Spätaussiedler sowie jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion, jüdische Kontingentflüchtlinge nach Unna-Massen. Insgesamt haben rund 2,5 Millionen Menschen in den 60 Jahren des Bestehens der Landesstelle aus über einhundert Ländern dort eine vorübergehende erste Bleibe, eine Anlaufstelle in unserem Land gefunden. Alleine aus der ehemaligen DDR kamen zwischen 1961 und 1991 insgesamt 165.175 Flüchtlinge nach UnnaMassen.
Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs kamen zusätzlich deutlich mehr als eine halbe Million deutschstämmiger Aussiedler aus den ehemaligen GUS-Staaten über Unna-Massen nach Deutschland. Sie waren die mit Abstand größte Gruppe, die in der jüngeren Geschichte dort eine Heimat gefunden hat.
Ich hatte es gerade schon angedeutet: Auch nach Schließung der Pforten hatte die Landesstelle ihre integrationspolitische Bedeutung nicht verloren. Sie beherbergt mittlerweile ja das gerade genannte Kompetenzzentrum, das die zu uns kommenden Spätaussiedler und Flüchtlinge auf die Kommunen verteilt. Das ist unter anderem so im Fall der Flüchtlinge aus dem Irak geschehen, die in NordrheinWestfalen eine neue Heimat finden sollen.
Damit wird Unna-Massen – nicht anders als in den sechs Jahrzehnten zuvor – einen Beitrag zur Integration leisten. Diese Integration hatte in UnnaMassen stets ein sehr praktisches Gesichts. Unter anderem fanden dort Deutschkurse und berufliche Weiterbildungsmaßnahmen oder ähnliche vorbereitende Initiativen für ein erfolgreiches Leben in einem vielleicht noch fremden Land statt. Darüber hinaus gab es Kindergärten, eine Schule, eine Turnhalle mit angeschlossenem Schwimmbad, eine Bücherei und andere Einrichtungen dieser Art.
Die Geschichte von Unna-Massen hat gleichzeitig vielfältige Verbindungen zur allgemeinen Weltgeschichte. Große weltpolitische Entwicklungen hat man im kleinen Abbild in Unna-Massen beobachten können – von Afghanistan bis Zypern. Immer wenn sich in der Welt ein neuer Konfliktherd gezeigt hat, waren Auswirkungen davon hier in NordrheinWestfalen sichtbar. Als beispielsweise der ugandische Diktator Idi Amin 1972 in einem Willkürakt die indischen Einwohner des Landes verwiesen hat, fanden 26 von ihnen vorübergehend Aufnahme in Unna-Massen.
Als in Chile die demokratische Regierung Allendes von General Pinochet am 11. September 1973 gestürzt wurde, wurden 173 chilenische Flüchtlinge in Unna-Massen aufgenommen.
Es ist aller Ehren wert, dass dieser Einsatz hier Applaus findet.
Als nach Ende des Vietnamkriegs eine regelrechte Hetzjagd auf vermeintliche Kollaborateure mit den USA losgebrochen war und Tausende Vietnamesen in kleinen Holzbooten – das waren die sogenannten Boatpeople – die Flucht wagten, fanden zahlreiche von ihnen eine erste sichere Unterkunft hier in Nordrhein-Westfalen in der Landestelle Unna-Massen.
Man könnte diese Auflistung weiter fortsetzen.
Diese bewegte Geschichte macht die Landesstelle zu einem besonderen Ort im kollektiven Gedächtnis Nordrhein-Westfalens. Die geplante Ausstellung auf dem Gelände soll diesem Umstand Rechnung tragen.
Wir wollen durch eine Wanderausstellung aber auch Wert darauf legen, dass die besondere Integrationsleistung Nordrhein-Westfalens und der Menschen Nordrhein-Westfalens beispielgebend wird. Diese Wanderausstellung soll integrationspolitische und zuwanderungsgeschichtliche Hintergründe der heutigen jungen Generation verdeutlichen. Deshalb freuen wir uns darüber, dass es in der Koalition gelungen ist, dafür gemeinsam die Weichen zu stellen. – Schönen Dank.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Hack hat bereits darauf hingewiesen, wie sich meine Fraktion in den Ausschussberatungen zu diesem Papier der Grünen positioniert hat. In der Tat passt der Antrag nach unserer Überzeugung nicht zur Lage im Land. Er ist nicht mehr aktuell, enthält nicht viele neue Impulse und ist nicht innovativ. Ich möchte das anhand des Antrags begründen.
Der Titel des Antrags lautet: „Die Besten für die Jüngsten – Qualität der Elementarbildung durch weitere Professionalisierung der Fachkräfte verbessern“. Diesen Titel teilen wir selbstverständlich von der politischen Zielsetzung her.
Das Gleiche gilt für die Überschrift auf Seite 3: „Kindertagesstätten sind Teil des Bildungssystems – eine Anpassung der Ausbildung ist notwendig“. Wir hatten zu dem Thema in diesem Hohen Hause eine Anhörung. Seinerzeit hat der Experte Dr. Rainer Strätz vom Sozialpädagogischen Institut auf den Umstand hingewiesen, dass die klassische Erzieherausbildung, die für alle Berufsfelder in diesem Bereich qualifizieren soll, nicht mehr zeitgemäß ist. Wir brauchen eine stärkere Fokussierung auf Teilbereiche des Berufsfelds. Ich nenne den Erzieher mit Spezialisierung auf U3, auf Sprachförderung, auf Förderung von Schulkindern oder auf Hilfen zur Erziehung. Aus diesem Teil des Antrags ergibt sich also keine Innovation.
Eine weitere Überschrift lautet: „Ausbildung auf Hochschulniveau ist internationaler Standard“. Das ist etwas undifferenziert, denn unsere Fachschulausbildung ist im internationalen Vergleich durchaus qualitätvoll und mit dem vergleichbar, was in anderen europäischen Ländern Hochschulausbildung genannt wird. Gleichwohl sind wir als Koalitionsfraktionen dezidiert der Auffassung, dass wir mindestens für die Leitungskräfte der Kindertageseinrichtungen einen entsprechenden Hochschulabschluss benötigen. Da sind die Anforderungen an das Sozialmanagement, an Fragen der Erziehungsdiagnostik, an interne Weiterbildungsmaßnahmen und anderes mehr gewachsen.
Ich wünsche mir seitens der FDP-Fraktion, dass wir zukünftig über ein konkretes Zieldatum miteinander sprechen, ab wann wir das erreichen wollen. Der Koalitionsvertrag ist in dieser Hinsicht unbestimmt. Wir als FDP schlagen, damit sich alle einrichten können, das Jahr 2015 vor. Ab dann sollte die Leitung einer Einrichtung über einen Hochschulabschluss oder eine vergleichbare Qualifikation verfügen. Übrigens: An sieben nordrhein-westfälischen Fachhochschulen und einer Universität kann man bereits einen entsprechenden Abschluss erwerben.
Auf Seite 4 lautet eine Überschrift: „Keine ‚Verschulung’ der Elementarbildung“. Ja, es ist richtig, dass Kindertageseinrichtungen einen anderen Bildungsauftrag haben. Dieser Bildungsauftrag fokussiert sich, wie in der Jugendhilfe generell üblich, auf die
Persönlichkeitsentwicklung insgesamt. Wir wollen ihn stärken. Deshalb haben die beiden die Regierung tragenden Parteien in die Koalitionsvereinbarung geschrieben, dass wir noch im Laufe dieser Legislaturperiode eine Art Rahmencurriculum für die Kindertageseinrichtungen brauchen. Der zuständige Fachminister Laschet ist also herzlich gebeten – ich bin sicher, dass diese Hausaufgabe noch bis zum Ende dieser Legislaturperiode abgearbeitet wird –, die Bildungsvereinbarung der Vorgängerregierung und das Schulfähigkeitsprofil, das ein wenig in Vergessenheit geraten ist, zu überarbeiten, an den Stand des Kinderbildungsgesetzes anzupassen und uns hier vorzulegen.
Lieber Armin Laschet, dein zuständiger Kollege in Baden-Württemberg hat ja am heutigen Tag einen entsprechenden Orientierungsplan für die Kindertageseinrichtungen vorgelegt. Wir müssen unseren Vorsprung vor den anderen 15 Bundesländern in Fragen der Elementarpädagogik halten. Deshalb bin ich mir sicher, dass wir alle gemeinsam den Ehrgeiz haben, in dieser Frage bald wieder an den Baden-Württembergern vorbeizuziehen.
„Mehr männliche Fachkräfte für das Berufsfeld“, lautet eine weitere Überschrift. Das ist natürlich eine Frage der Träger, Frau Asch. Wir können – das sind keine staatlichen Einrichtungen; ich bitte um Nachsicht – keine Vorgaben machen, wen die einstellen. Das würden die sich zu Recht verbitten, wenn wir Vorgaben machen würden, wer eingestellt wird.
Im Übrigen ist das ja nicht nur eine Frage der Bereitschaft der Träger, sondern sehr viel öfter auch eine Frage der Bewerber, wer sich tatsächlich für den Beruf Erzieher entscheidet. Ich füge hinzu: Es ist nicht nur eine Frage der Bezahlung, denn in verwandten Bereichen, zum Beispiel Pflegeberufe, Krankenpfleger, wird ähnlich schlecht bezahlt, aber da ist die Männerquote sehr viel höher.
Eine „Reform und Weiterbildung für alle Berufsgruppen in der Kinderbetreuung“, eine Überschrift auf Seite 5 des Antrags, ist richtig, aber auch eine Angelegenheit der Träger. Die Modularisierung, die Sie fordern, findet unsere Zustimmung.
Ja, bitte.
Frau Asch, mit Ihrer Frage richten Sie das Augenmerk zugleich auf den Punkt „Finanzielle Folgen der Professionalisierung sind überschaubar“ – ein Punkt später. Ich will Ihnen dazu sagen, dass, wie ich gesagt habe, an sieben FHs und an einer Universität eine entsprechende Ausbildung möglich ist und dass – Frau Asch, da gibt es bei Ihnen offensichtlich einen blinden Fleck – schon heute 12 % der Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen über eine Hochschulausbildung verfügen.
Sie sagen, das reicht nicht. Es sind 9.600 Einrichtungen. Wir beschäftigen schon heute mehr als 9.600 Akademiker in Kindertageseinrichtungen. Insofern sind Sie nicht ganz à jour.
Noch einige wenige Anmerkungen. Kindertagespflege – Schritt für Schritt zu mehr Qualifizierung: Ja, erstmals hat diese Koalition etwas zur Qualifikation der Tagespflegepersonen ins Gesetz geschrieben, mit einem Hinweis auf das DJI-Ausbildungscurriculum für Tagespflegepersonen.
Die sollen aber nicht, wie Sie hier geschrieben haben, die gleiche Qualifikation haben wie Erzieher in den Einrichtungen; denn die Tagespflege hat einen anderen Auftrag. Das ist eine Betreuung in den Randstunden. Sogenannte atypische Betreuungsbedarfe werden da abgedeckt: Betreuung von unter Dreijährigen, Betreuung von unter Einjährigen. Da geht es nicht um eine Förderung der Persönlichkeitsentwicklung, sondern sehr viel häufiger geht es da um eine ganz basale pflegerische Unterstützung der Familien.
Meine Damen und Herren, ich bin den Antrag durchgegangen und habe einige Anmerkungen gemacht, um zu belegen, was Frau Hack auch schon auf Grundlage der Ausschussberatungen dargelegt hat. Wir sind der Auffassung: Dieser Antrag enthält keinen Impuls und keine Innovation, und deshalb muss man ihm auch nicht zustimmen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir freuen uns wohl alle darüber, dass diese Streitphase in den Kindertageseinrichtungen beendet werden konnte. Wer wollte den Erzieherinnen und Erziehern für ihre verdienstvolle Tätigkeit nicht durchaus ein angemessenes Gehalt gönnen?
Leider mischt sich in die Sympathie für das Anliegen dann doch der Eindruck, dass an vielen Stellen in diesem Arbeitskampf die Kinder und Familien für die Anliegen einer Tarifpartei gewissermaßen in Geiselhaft genommen worden sind.
Zweifelsohne hat es auf beiden Seiten Versäumnisse gegeben. Britta Altenkamp hat darauf hingewiesen, dass eine Vereinbarung zur Gesundheitskomponente aus dem Tarifvertrag 2005 nicht umgesetzt worden ist. Aber richtig virulent ist die Situation der Beschäftigten in Wahrheit dadurch geworden, dass ver.di bei der Umstellung vom BAT auf den TVöD geschlafen hat. Ver.di hat geschlafen und hat die Berufsgruppe der Erzieherinnen und Erzieher nicht auf dem Radarschirm gehabt. Deshalb hat es dort zum Teil Einkommensverschlechterungen gegeben. Das sollten wir der Ehrlichkeit halber miteinander auch festhalten.
Zweite Bemerkung. Wenn etwa mit Blick auf die Durchleitung der Bundesmittel aus dem sogenannten Krippenkompromiss immer verglichen wird, bitte ich, einmal einen Vergleich der Bundesländer anzustellen.
Ich bitte darum, mir ein Bundesland zu zeigen, das ein Drittel der Betriebskosten der Kindertageseinrichtungen übernimmt und es nicht einfach den Kommunen und Trägern überlässt. Ich bitte, mir ein Bundesland zu zeigen, das in jüngster Zeit den Eigenanteil der größten Trägergruppe hier im Land, nämlich der Kirchen, deutlich reduziert hat. Das hat den Steuerzahler etwa 150 Millionen € gekostet, wenn ich die Zahl richtig vor Augen habe.
Kleine Einrichtungen erhalten über die Kindpauschalen hinaus 15.000 € jährlich, um betriebswirtschaftliche Probleme zu überbrücken. Überhaupt rechnen wir die Kindpauschalen nur im Zuge eines Einrichtungsbudgets ab, das heißt, 10 % Unter- und Überbelegung bleiben unberücksichtigt und für den Träger wirtschaftlich unschädlich.
Meine Damen und Herren, man kann durchaus nicht sagen, dass das Land hier knauserig mit der Förderung der Kindertageseinrichtungen wäre.
Dritte Bemerkung. Ihr Instrument ist jetzt, die Kindpauschalen zu erhöhen. Dieser Maßnahmevorschlag von Frau Asch und ihrer Fraktion zeigt mir, dass sie die Systematik der Kindpauschale nicht verstanden haben. Die Kindpauschale ist eine Zuweisung des öffentlichen Trägers – hier Jugendamt vor Ort – an die Kindertageseinrichtung. Wird diese Kindpauschale jetzt erhöht, dann erhöht sich nicht nur der Anteil des Landes, sondern es erhöht sich automatisch der Anteil der Kommune, es erhöht sich automatisch der Anteil der Träger, und es erhöht sich automatisch – das wollen Sie eigentlich verhindern – der kalkulatorische Anteil der Eltern.
Ihr Vorschlag ist in der Systematik des Kinderbildungsgesetzes also falsch und handwerklichtechnisch unsauber.
Es ist also nicht möglich, so, wie Sie das mit Ihrem Antrag vorschlagen, den Kommunen, den Trägern und den Eltern Entlastung zu geben.
Vierte Bemerkung, was die Elternbeiträge angeht. Mit Verlaub, auch da hilft Ihnen ein Blick ins Gesetz, die Rechtslage noch besser zu verinnerlichen, als Sie das getan haben. Denn unser Kinderbildungsgesetz sieht nicht nur vor, dass die Elternbeiträge sozial gestaffelt sein müssen. Das bedeutet, dass Bezieher geringer Einkommen oder mit Transfereinkommen keinen Elternbeitrag zahlen müssen. Das betrifft in Nordrhein-Westfalen, wenn ich die aktuelle Zahl richtig vor Augen habe, 23 % der Kinder in den Einrichtungen. Dort steht auch – das haben die Koalitionsfraktionen in der Schlussphase der Gesetzesberatung dort hineinformuliert –, dass die Elternbeiträge in einem angemessenen Verhältnis zur wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Eltern stehen müssen. Das begrenzt die Erhöhung nach oben. Man kann die Eltern nicht unbillig weiter belasten.
Wenn man die obergerichtliche Rechtsprechung hinzunimmt, dann ist das ist das eine Größenordnung von 20 % gegenüber der damaligen Elternbeitragstabelle, die als angemessen betrachtet worden ist.
Es gibt also diesen Horrorwettlauf um höhere Elternbeiträge in Nordrhein-Westfalen nicht; es kann ihn nicht geben, weil der Gesetzgeber Vorsorge getroffen hat.
Entschuldigen Sie bitte, weil es hier einen Zuruf von Herrn Sichau gibt: Wenn Sie vor Ort Anzeichen haben, dass die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eltern durch eine Beitragssatzung tangiert wird,
dann gibt es dagegen verwaltungsgerichtliche Rechtsmittel, die eingelegt werden können!
Das ist so. Dann können Eltern gegen die Beitragssatzung … – Hier wird mit dem Kopf geschüttelt. Ja, bitte schön, solche Verfahren können angestrengt werden. Ich bitte, die Eltern darauf hinzuweisen, wenn es solche Probleme gibt.
Letzter Punkt. Wir haben im Einvernehmen mit allen Trägern – mit den Spitzenverbänden, den Kommunen, dem Land – eine Systematik verabredet. Die Kindpauschalen werden um 1,5 % im Jahr erhöht. In diesem Jahr ist dieser Mechanismus für den nächsten Haushalt auch eingesetzt worden. Wir haben für 2011 gemeinsam eine Revision des Kinderbildungsgesetzes, eine kritische Prüfung verabredet.
Deshalb wussten alle Beteiligten, auch bei den Tarifverabredungen, wie die allgemeine Geschäftsgrundlage ist. Pacta sunt servanda! Wir halten uns daran. 2011 wird geschaut: Hat sich das Kinderbildungsgesetz bewährt? Muss nachgesteuert werden? Aber bis dahin gilt diese Vereinbarung. – Schönen Dank.
Vielen Dank, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ausweislich des Haushalts erhalten die Studentenwerke im Jahr 2010 etwa 32,5 Millionen €. Wer sich auf der anderen Seite ansieht, mit welchen Umsätzen die Studentenwerke in Nordrhein-Westfalen operieren, stellt fest: Die Landesfinanzierung ist nur eine – ich füge hinzu: eine kleine – Säule der Finanzierung unserer Studentenwerke insgesamt. Neben dieser Form der Finanzierung erhalten die Studentenwerke über das Land eine ganze Reihe von Sondermitteln. Im Rahmen etwa des Konjunkturpakets II fließen insgesamt 120 Millionen € an die Studentenwerke. Ich hatte unlängst ein Gespräch mit den Geschäftsführern der Studentenwerke, die dargelegt haben, was mit diesem für sie unverhofften Geldsegen an Infrastrukturverbesserungen und an Schaffung neuer Infrastruktur möglich wird.
Die privaten Träger von Studentenwohnheimen, die im Rahmen des Konjunkturpakets II nicht berücksichtigt wurden, haben darüber hinaus die Möglichkeit, Sanierungsmaßnahmen über die NRW.BANK im Rahmen des laufenden Programms zur Förderung von Studentenwohnraum durchzuführen.
In der Ausgabe der „Financial Times Deutschland“ vom 31. Juli wurde das Studentenwerk Münster sogar als einer der Hidden Champions geführt, weil die Geschäftsführung dort kreativ von der Möglichkeit Gebrauch macht, qualitativ unterschiedliche Zimmer bzw. sogar Apartments anzubieten, um durch die erwirtschafteten auch höheren Mieteinnahmen zu einer internen Querfinanzierung zu kommen und dadurch einen sozialen Ausgleich zu betreiben. Münster ist also ein Paradebeispiel dafür, wie Studentenwerke mit sozialunternehmerischen Ansätzen erfolgreich bestehen können.
Dieses eine Beispiel belegt, dass die Entscheidung der Landesregierung richtig war, die Finanzierung der Studentenwerke auf eine neue Basis zu stellen.
Das betrifft insbesondere Ihre Funktion bei der Abrechnung von BAföG. Dafür erhalten die Studentenwerke seit dem Jahr 2005, wie bekannt ist, eine pauschalierte Aufwandserstattung.
Die zum damaligen Zeitpunkt geäußerte Befürchtung, dass die Reduzierung der Mittel für die Studentenwerke insgesamt zu einer Veränderung der Kostenstruktur führen würde, zu einer Mehrbelastung der Studierenden, hat sich indessen nicht bewahrheitet.
Im Jahr 2008 wurden in den 85 Mensen in NRW die Essen in einer Preisspanne zwischen 1,80 € und maximal 3,70 € verkauft. Das ist eine Preisspanne, die denen in den Vorjahren entsprach. Beim Sozialbeitrag ist eine ähnliche Seitwärtsentwicklung zu beobachten.
Deshalb: Durch die erfolgreiche Arbeit leisten die Studentenwerke einen wichtigen Beitrag zur Profilbildung der Hochschule. Sie flankieren das Studium sozial. Sie sind leistungsfähig bei der Erbringung dieser Aufgaben.
Es gibt keinen Anlass zu einer Veränderung der Grundlinien unserer Politik, vielleicht zu der einen oder anderen Detailverbesserung bei einer Neubearbeitung des Studentenwerksgesetzes in der nächsten Legislaturperiode, allerdings sicherlich nicht in der Art und Weise, wie Sie das hier mit Ihrem Antrag zur Vorlage gebracht haben. – Vielen Dank.
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Bildung ist zweifellos die soziale Frage der Gegenwart. Das Verdienst dieses Bildungsstreiks ist es, uns alle – die politische und die allgemeine Öffentlichkeit – auf dieses wichtigste Politikfeld erneut aufmerksam gemacht zu haben. Ralf Dahrendorf, der unlängst verstorbene große Liberale, hat bereits in den 1960er-Jahren gesagt, dass Bildung ein Bürgerrecht ist. Daraus leitet sich selbstverständlich ab, dass es der Staat zu einem seiner zentralen Handlungsfelder machen muss, allen beste Bildungschancen zu eröffnen.
Das ist klar. Dieser Bildungsstreik und diejenigen, die dort demonstriert haben, verdienen Respekt dafür, dass sie in dieser Weise unsere politische Debatte bereichert und angeregt haben. Aber Respekt für eine Demonstration heißt eben noch nicht, dass man sich jede einzelne Forderung zu Eigen machen könnte, meine Damen und Herren.
Ganz im Gegenteil: Die Perspektive, die hier aufgemacht worden ist, führt uns gerade von einer Politik, die Chancen für alle bietet, weg. Ich werde das gleich an einigen Beispielen noch einmal deutlich machen.
Es ist falsch, den Eindruck zu erwecken, wie das die Initiatoren des Bildungsstreiks gemacht haben, man könnte ein Bildungssystem ohne eigene Anstrengungen der Lernenden organisieren.
Es ist falsch, ein Bildungssystem zu fordern, das vor allen Dingen auf den Staat setzt und nicht auf die Einsatzbereitschaft, die Anstrengungsbereitschaft, die Lernbereitschaft des Einzelnen.
Es ist auch falsch, von Chancen zu sprechen, in Wahrheit aber Garantien zu meinen. Das sind Chancen nämlich nicht. Chancen sind immer nur Türen, die geöffnet werden. Durch die Tür hindurchgehen muss jeder Einzelne. Dafür braucht er Möglichkeiten, Rahmenbedingungen, aber auch individuelles Leistungsvermögen.
Von Grünen und SPD ist heute Morgen in dieser Debatte der Versuch unternommen worden – das ist intellektuell beschämend –, aus einer bundesweiten Demonstration eine nordrhein-westfälische Besonderheit zu machen.
Sie haben den Versuch unternommen, den Bildungsstreik ausschließlich auf Nordrhein-Westfalen und auf all das, was Sie die letzten Jahre immer schon kritisiert haben, zu beziehen. Sie haben übersehen – Kollege Brinkmeier hat darauf hingewiesen –, dass auch in Mainz demonstriert worden ist. Sie haben übersehen, dass in Hamburg und Bremen, wo die Grünen in der Regierung sitzen, demonstriert worden ist. Das ist unredlich, was Sie hier machen!
Sie versuchen, ein billiges parteipolitisches Süppchen zu kochen, und das fällt allen auf der Tribüne auf.
Was die Repräsentativität angeht, muss man auch sagen: Wir leben in einer Demokratie, und in einer Demokratie entscheiden Mehrheiten.
In einer Demokratie wird nach Allgemeinwohl entschieden. Hier haben – bei allem Respekt – 30.000 Schüler von 3 Millionen Schülern demonstriert: 1 %. Das ist aus meiner Sicht kein repräsentatives Stimmungsbild.
Ich füge ein Weiteres hinzu. Ich habe mit Schülern aus meinem Wahlkreis gesprochen, die sich in den Bildungsstreik eingliedern wollten. Die waren überrascht, als sie gesehen haben, für was sie eigentlich im Einzelnen demonstrieren.
Natürlich demonstrieren Schüler immer für ihre Chancen, für ihre Rechte, für mehr Lehrer. Aber die Gymnasiasten aus Bergisch Gladbach, mit denen ich gesprochen habe, hätten niemals demonstriert, wenn sie gewusst hätten, dass sie in Wahrheit gegen das gegliederte Schulsystem demonstrieren sollen. Dafür wären die niemals auf die Barrikaden gegangen.
Da sind manche hinters Licht geführt und in ihrem Einsatz missbraucht worden für die Ziele linker und altlinker Gruppen, die sie in Wahrheit nicht unterstützen. Auch das muss gesagt werden.
Ich mache noch einige wenige inhaltliche Anmerkungen zu den zentralen Forderungen, weil wir sie vielfach diskutiert haben.
Studienbeiträge: Wir haben in Nordrhein-Westfalen durch ganz konkrete Maßnahmen, durch die Studienbeiträge, erreicht, dass den Hochschulen mehr Geld zur Verfügung steht – Geld, das nicht für die Verbesserung der Lehre zur Verfügung stehen würde, wenn es aus dem Landeshaushalt käme.
Denn Sie wissen, mit jedem Euro aus dem Landeshaushalt müssen zusätzliche Kapazitäten, sprich: Studienplätze, geschaffen werden. Mit privatem Geld wie den Studienbeiträgen kann die Lehre verbessert werden. Das werden auch die Studierenden in Hessen erleben. Sie werden erfahren, dass sich durch die Abschaffung der Studienbeiträge ihre Lernbedingungen ganz konkret verschlechtern werden.
Übrigens hat schon Peter Glotz, der große SPDBildungspolitiker, gesagt: entweder eine gute Ausbildung gegen eine mäßige Gebühr oder ein beschissenes Studium umsonst.
Das war Peter Glotz. Schauen Sie bitte Ihre eigenen bildungspolitischen Autoritäten an, was die Ihnen zu diesen Fragen sagen, was die sagen, was wirklich sozialverantwortliche Politik ist!
Noch ein Satz zu Bologna: Wer hat denn die Bologna-Dokumente unterschrieben, wenn sich die SPD hier einen solch schlanken Fuß macht? Wer war denn? Es war 1999 Ute Erdsiek-Rave, die schleswig-holsteinische Bildungsministerin – SPD –, die die Bologna-Dokumente unterschrieben hat. Sie verkennen, dass an den Hochschulen in NordrheinWestfalen, an denen unterdessen über 75 % der Studiengänge umgestellt worden sind, immense konzeptionelle Arbeit geleistet worden ist, auch Inhalte zu aktualisieren. Das hätte es ohne diesen Prozess nicht gegeben. Er ist also im Interesse der Studierenden, weil er zu neuen Inhalten und neuen Methoden führt.
Das heißt nicht, dass schon alles fertig ist, dass wir nicht auch noch Defizite haben, an denen zu arbeiten ist. Ich nenne die Mobilität in Europa. Das muss verändert werden. Da muss es noch weitere Synchronisationen zwischen den Hochschulstandorten
in Europa geben. Im Grunde aber ist der BolognaProzess ein Erfolg.
Das sagen die Studierenden übrigens selbst, wenn man nicht nur ein paar auf der Straße befragt. Eine aktuelle Studie des Hochschulinformationssystems zur Zufriedenheit der Studierenden zeigt: 46 % der Bachelor-, 56 % der Master-Studierenden sind mit ihrem Studium zufrieden. Das ist zu wenig, es ist aber mehr als vorher. Denn vorher waren es nur 43 %. Es hat also eine Verbesserung durch den Bologna-Prozess gegeben.
Ein letzter Gedanke, Herr Präsident. Weil hier immer von der Viergliedrigkeit des Schulsystems gesprochen wird, die aus angeblich sozialen Gründen überwunden werden müsste, eine Forderung des Bildungsstreiks, die auch im Antrag der Grünen steht. Was passiert denn, wenn wir ein Einheitsschulsystem haben, weil die Eltern dieses System mehrheitlich nicht akzeptieren? Dann werden diejenigen, die es sich leisten können, ihre Kinder auf Privatschulen schicken. Dem öffentlichen Bildungssystem bleiben dann nur diejenigen erhalten, die es sich nicht leisten können, ihre Kinder auf die Schulen des privaten Schulsystems zu schicken.
Ihre bildungspolitische Konzeption der Einheitsschule läuft auf eine Spaltung der Gesellschaft hinaus.
Das wollen wir nicht. Das ist nicht sozial. Nicht jede scheinbar soziale Forderung führt auch zu sozialen Ergebnissen, meine Damen und Herren!
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Das durch die Große Anfrage der Fraktion der Grünen angesprochene Thema ist sicherlich ein Problem, dem man in den kommenden Jahren verstärkt begegnen muss – insbesondere vor dem Hintergrund, dass es unser aller erklärtes Ziel ist, die Besten für die Hochschulen in Nordrhein-Westfalen zu gewinnen.
Hier zeigt sich jedoch, dass Frauen beispielsweise seltener – es ist heute vielfach beklagt worden – auf Professuren gelangen als Männer, obwohl sie in beinahe allen Bereichen ihres Ausbildungsweges stärker vertreten sind und auch besser abschneiden als ihre männlichen Kollegen.
Deutlich mehr junge Frauen machen das Abitur als junge Männer. Das Verhältnis liegt gegenwärtig bei rund 55 % zu 45 %. An den Hochschulen in Nordrhein-Westfalen sind mittlerweile mehr Frauen als Männer immatrikuliert. Das Verhältnis liegt hier gegenwärtig bei rund 53 % zu 47 %. An den Kunsthochschulen liegt der Anteil der Frauen noch deutlich höher. Lediglich die Fachhochschulen bilden eine kleine Ausnahme. Hier liegt der Frauenanteil bei nur rund 36 %.
Was den weiteren akademischen Qualifikationsweg anbelangt, fällt dann jedoch auf, dass die Anzahl der Frauen rapide abnimmt. So zeigt die jährliche Statistik der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz, dass es in Nordrhein-Westfalen zwar mehr weibliche Hochschulabsolventinnen gibt, jedoch lediglich 38 % aller abgeschlossenen Promotions- und nur 20 % aller abgeschlossenen Habilitationsverfahren auf Frauen entfallen. Bereits hier, auf dieser relativ frühen Stufe des akademischen Qualifikationsweges, gibt es ganz offensichtlich einen Bruch, dem wir wirkungsvoll begegnen müssen.
Bei der Besetzung von Professuren lediglich eine Frauenquote einzuführen, wie sie eben von der Kollegin der SPD-Fraktion vorgeschlagen worden ist, würde allerdings zu kurz greifen. Vielmehr geht es darum, Strukturen und im Zusammenhang damit auch Mentalitäten so zu verändern, dass der Anteil von Frauen, die sich auf einen akademischen Karriereweg begeben, größer wird. Wie so häufig ist auch hier der Weg schon das Ziel. Lediglich am Ende des Prozesses, bei der Besetzung, eine Frauenquote einzuführen, würde uns von diesem Ziel möglicherweise sogar abbringen.
Das sehen im Übrigen auch die Expertinnen und Experten so. Das Gespräch mit den Vertreterinnen der LaKof im Rahmen der Sitzung des Fachausschusses am 30. April 2009 hat das verdeutlicht. Dabei hat sich unter anderem herausgestellt, dass gesetzgeberische Maßnahmen nur bedingt geeignet sind, um strukturelle Verbesserungen bei diesem Thema herbeizuführen.
Ich führe das gleich aus, Frau Steffens.
Aber rufen Sie doch nicht dazwischen, ohne genau zu wissen, worauf ich hinaus will. Geben Sie mir eine Sekunde Zeit, das zu entwickeln.
Das liegt daran, dass der akademische Betrieb oft genug ein geschlossenes System ist. Das heißt: Die Kolleginnen und Kollegen einer Disziplin kennen sich untereinander, treffen sich und tauschen sich aus. Anonymisierte Bewerbungsverfahren, die gelegentlich eingefordert werden, funktionieren daher nicht. Spätestens bei der Nennung des Dissertations- oder Habilitationstitels ist jedem am Berufungsverfahren Beteiligten gerade in kleinen Disziplinen erkennbar, wer der Bewerber bzw. die Bewerberin ist.
Auch Christine Färber und Ulrike Spangenberg sehen in ihrer im Jahr 2008 erschienenen Studie „Wie werden Professuren besetzt? Chancengleichheit in Berufungsverfahren“ kaum Spielraum für gesetzgeberische Maßnahmen.
Vielmehr müssen zwei Dinge erreicht werden, um mehr Frauen auf Professuren zu bekommen:
Erstens. Die Zahl der Frauen, die den akademischen Karriereweg einschlagen – das heißt: Promotion und Habilitation – muss erhöht werden. Angestrebtes Ziel sollte hierbei eine 50-%-Marke sein – so die Autorinnen.
Ich komme später noch auf Maßnahmen zu sprechen.
Zweitens. Frauen müssen im Rahmen ihrer akademischen Laufbahn das tun, was Männer schon seit Langem tun: Sie müssen Netzwerke bilden, sich austauschen und sich gegenseitig über Entwicklungen auch personalpolitischer Art auf dem Laufenden halten. Kurzum: Frauen müssen im akademischen Betrieb besser als bisher Networking betreiben.
Wohlgemerkt: Diese Vorschläge kommen von zwei ausgewiesenen Expertinnen auf dem Gebiet der Gleichstellung an den Hochschulen.
Die Landesregierung unternimmt zahlreiche Maßnahmen in ganz unterschiedlichen Bereichen, um vor diesem Hintergrund den Anteil von Frauen zu erhöhen. Dies beginnt bei der gezielten Heranführung von Mädchen und jungen Frauen an technische und naturwissenschaftliche Studienfächer, zumal in ihnen der Anteil weiblicher Studierender besonders gering ausfällt.
Zu diesen Maßnahmen gehört die Initiative „Zukunft durch Innovation“. Unlängst hat der Minister das 14. zdi-Zentrum in Bonn eingeweiht. Bis zum Jahr 2010 soll es 25 solcher Zentren geben. Ihr Ziel ist es, unter anderem Mädchen und junge Frauen für diese Sujets zu begeistern.
Mit den sogenannten Girls’ Days, die auch im Landtag stattgefunden haben, da sich der Landtag daran beteiligt hat, werden Mädchen und junge Frauen ermutigt, Berufswege einzuschlagen, die üblicherweise nicht von Frauen gewählt werden und die eher als Männerdomänen gelten.
Darüber hinaus – auch das möchte ich beispielhaft ansprechen – hat das zuständige Ministerium gemeinsam mit den Hochschulen sogenannte GenderMainstreaming-Profile entwickelt, deren Ziel es ist, die Voraussetzungen und Strukturen von Frauenkarrieren an den Hochschulen nachhaltig zu verbessern. Die Gleichstellungsbeauftragten können mit Mitteln ausgestattet werden, um entsprechende Projekte durchzuführen. Gender Studies werden in immer stärkerem Umfang in die Studiengänge integriert, dort verankert und nicht als Orchideenthema nebenbei betrieben.
Weiterhin wurden vonseiten des Innovationsministeriums Anreizsysteme geschaffen, die die Hochschulen selbst motivieren sollen, den Frauenanteil in Führungs- und Lehrpositionen zu erhöhen. Michael Brinkmeier hat bereits über den Strukturfonds gesprochen, für den im Jahr 2009 insgesamt 6,4 Millionen € zur Verfügung stehen. Zusätzlich stehen Mittel für spezielle Mentoring- und Coachingprogramme bereit, die sich an Nachwuchswissenschaftlerinnen richten.
Im Rahmen der leistungsorientierten Mittelvergabe erhalten diejenigen Einrichtungen besondere Zuweisungen, die Frauen in innovative Projekte einbinden und den Anteil von Frauen im akademischen Betrieb insgesamt steigern.
Die Liste der Maßnahmen ließe sich noch viel weiter fortsetzen. Jedoch dürfte klar geworden sein, worum es uns als Freien Demokraten geht, nämlich darum, Strukturen zu schaffen, mit denen der Anteil von Frauen in wissenschaftlichen Führungspositionen dauerhaft erhöht werden kann.