Meine Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich zu unserer heutigen, 74. Sitzung des Landtags NordrheinWestfalen willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich elf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Wir feiern heute Geburtstag. Herr Gerhard Lorth aus der CDU-Fraktion feiert heute seinen 63. Geburtstag. Lieber Herr Lorth, herzlichen Glückwunsch auch im Namen aller Kolleginnen und Kollegen!
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich Ihnen Folgendes mitteilen: Der Landtag Nordrhein-Westfalen hat in seiner Sitzung am 3. Mai 2007 den Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/4253 mit dem Thema „Nordrhein-Westfalen muss Beamtinnen und Beamte mit Familien verfassungskonform besolden“ ohne Debatte an den Innenausschuss – federführend – und an den Haushalts- und Finanzausschuss zur Mitberatung überwiesen mit der Maßgabe, dass die Debatte nach Vorlage der Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses erfolgt.
Die Fraktionen haben sich inzwischen darauf verständigt, dass die Federführung dem Haushalts- und Finanzausschuss übertragen wird, damit er diesen Antrag zusammen mit dem Besoldungsänderungsgesetz Drucksache 14/5198 behandeln kann. – Ich sehe keinen Widerspruch. Dann ist damit die Federführung für die Beratung des Antrags Drucksache 14/4253 auf den Haushalts- und Finanzausschuss übertragen.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der antragstellenden Fraktion dem Kollegen Schultheis das Wort.
Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Studienberechtigte müssen den Weg in die Hochschule finden und unbelastet von existenziellen Ängsten studieren können.
Chancengleichheit muss wieder Mittelpunkt nordrhein-westfälischer Bildungs- und Hochschulpolitik werden. Meine Damen und Herren, das sind Aussagen, die ich und meine Fraktion schon wiederholt an Sie gerichtet haben und die ich heute noch einmal bekräftigen möchte. Mehrfach hat die SPD-Landtagsfraktion die Landesregierung aufgefordert, in Berlin für die jungen Menschen und ihre Bildungschancen vorstellig zu werden.
Wir haben im Gegensatz zu Ihnen unsere Hausaufgaben gemacht und uns energisch und vehement in Berlin für eine Erhöhung des BAföG eingesetzt. Insbesondere hat das unsere Fraktionsvorsitzende Hannelore Kraft mehrfach in Berlin getan.
Wir müssen feststellen, dass Sie dagegen all unsere Initiativen, sich für eine BAföG-Erhöhung in diesem Hause und darüber hinaus einzusetzen, niedergestimmt haben. In Berlin hat die Union dem Gesetzentwurf auch erst nach langem Widerstand zugestimmt.
Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, warum es so wichtig war, jetzt das BAföG zu erhöhen. Denn das ist auch das Signal, dass am BAföG seitens der Union nicht mehr gerüttelt wird. Das ist eine ganz gewichtige Feststellung: Die Union trägt diese BAföG-Novelle.
Man muss an dieser Stelle daran erinnern, dass sich während des letzten Bundestagswahlkampfes die jetzige Bundesbildungsministerin Schavan als profilierte Gegnerin des BAföG hervorgetan hat.
Ihr Ziel war es, Studierenden nur noch Studienkredite zur Verfügung zu stellen. Studienkredite, auch die zur Finanzierung der Studiengebühren in Nordrhein-Westfalen, Herr Minister Pinkwart, sind
Ich sage das insbesondere auf dem Hintergrund dessen, was hier gestern als Zwischenbilanz vorgetragen worden ist, und all dieser Krokodilstränen, die vergossen wurden, was die Zukunftschancen junger Menschen in Nordrhein-Westfalen angeht. Die SPD war immer Befürworter des BAföG und hat das Bundesausbildungsförderungsgesetz in der sozialliberalen Koalition im Bundestag durchgesetzt. Ich erinnere daran, damit sich die FDP noch einmal an andere Wurzeln erinnert.
Die SPD hat dieses BAföG-Gesetz in der Koalition durchgesetzt. Ich möchte daran erinnern, dass Ministerin Schavan, wie bereits angeführt, das BAföG im Wahlkampf 2005 noch abschaffen wollte, dann Ende 2006 eine Erhöhung für diese Legislatur zunächst ausschloss …
Nein, es ist genau richtig, Herr Prof. Sternberg. Das lässt sich dokumentieren. Genau so ist das. Sie wollte Studienkredite einführen, 2005 wollte sie das BAföG abschaffen, ähnlich wie Ihr jetziger und unser Ministerpräsident das 1994 tun wollte.
Schließlich hat sie für den Haushaltsentwurf 2008 nur eine Erhöhung von 5 % und 4 % hinnehmen wollen.
Meine Damen und Herren, die Ablehnung des BAföG hat in der Union eine lange Tradition; ich habe gerade auf die Position unseres jetzigen Ministerpräsidenten hingewiesen, als er noch sogenannter Zukunftsminister in Bonn war. Für Sie mit Ihrem elitären Missverständnis, das einzig und allein die vermeintliche Begabtenförderung im Blick hat, ist und bleibt das BAföG ein Instrument der Gleichmacherei und des Sozialneids. Das ist Ihre Auffassung und Einschätzung zum BAföG.
Unter der Unionsregierung wurde das BAföG in den 80er-Jahren sogar auf ein Volldarlehen umgestellt, das die Studierenden mit ihrer Angst vor Überschuldung alleingelassen hat. Unter Minister Rüttgers fand in den 90er-Jahren eine schleichende Auszehrung des BAföG statt, die zu einem direkten Rückgang der Förderzahlen und des Mittelvolumens führte. Dies war die berüchtigte „Rüttgers-Delle“; viele werden sich aus eigener Betroffenheit daran erinnern.
Die letzte BAföG-Erhöhung, meine Damen und Herren, der die Union in Regierungsverantwortung – damals noch in Bonn – zugestimmt hat, fand 1993, also vor 14 Jahren statt. Daran wird klar: Die Erhöhung des BAföG ist ein sozialdemokratischer Erfolg. Dies gilt gerade heute und morgen, wenn der Bundestag darüber beschließen wird.
Die Steigerung des BAföG war angesichts der gegenwärtig abnehmenden Studierendenquote dringend notwendig. Dies zeigt sich auch in der Sonderauswertung der Arbeitsgemeinschaft der Stundentenwerke Nordrhein-Westfalens zur 18. Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks.
Meine Damen und Herren, zur Entscheidung selbst: Im Mittelpunkt der BAföG-Änderung steht eine deutliche Erhöhung des BAföG. Der Gesetzentwurf, der am Freitag, also morgen beschlossen werden soll, sieht vor, dass zum Wintersemester 2008/2009 die Bedarfssätze um 10 % und die Freibeträge um 8 % erhöht werden. Der Förderungshöchstsatz steigt damit von derzeit 585 € auf etwa 643 €. Dies entspricht etwa dem Bedarf, der im 17. BAföG-Bericht der Bundesregierung ausgewiesen ist.
In Fortschreibung der positiven BAföG-Politik der SPD/Grünen-Bundesregierung kann das BAföG mit der jetzigen Novelle ab 2008/2009 seiner zentralen Aufgabe wieder besser gerecht werden, nämlich die Lebenshaltungskosten in der weiterführenden Ausbildung für Menschen aus Familien mit niedrigen Einkommen zu decken. Denn unser Ziel ist es, mehr junge Menschen in die Bildungsmöglichkeiten hineinwachsen zu lassen.
Da die Fördersätze, meine Damen und Herren – ich sage es, weil es hier immer wieder angemahnt wird –, in der beruflichen Aufstiegsfortbildung, dem sogenannten Meister-BAföG, an das BAföG gekoppelt sind, werden diese ebenfalls entsprechend angehoben. Fast noch wichtiger aber als die Bedarfssätze selbst ist die erreichte Erhöhung der Freibeträge. Denn diese erhöht die Einkommensgrenze, bis zu der ein BAföG-Anspruch besteht. Das heißt, mehr junge Menschen und ihre Eltern kommen in die Situation, BAföG beziehen zu können.
Nach Inkrafttreten werden viele junge Menschen, die heute noch keinen BAföG-Anspruch haben, einen Anspruch auf BAföG erhalten. Und das wollen wir. Das sind Bildungschancen.
Wir freuen uns über unseren Erfolg auf Bundesebene. Aber wir haben große Sorgen, wenn wir auf Nordrhein-Westfalen schauen. Denn in Nordrhein-Westfalen – das hat die Debatte gestern eindeutig gezeigt – ist ein Hochschulstudium heute zu einer Kostenfrage geworden.
Mit der Einführung der Studiengebühren hat sich die soziale Kluft im nordrhein-westfälischen Bildungswesen noch vergrößert. Studiengebühren bleiben eine falsche bildungspolitische Weichenstellung und schrecken von einem Studium ab.
Die gegenwärtig erstmals wieder sinkende Studierendenquote ist ein Beleg für die Verunsicherung vieler junger Menschen und ihrer Angst vor Schuldenbergen nach dem Studium. Über die Studierendenzahlen – dies ist bereits gestern von Herrn Minister Pinkwart eingebracht worden – werden wir uns Ende des Jahres unterhalten. Hier werden im Moment Zahlen genannt, die mit der Realität überhaupt nicht übereinstimmen. Die Hochschulen und deren Zahlen weisen etwas ganz anderes aus.
Meine Damen und Herren, meine Redezeit ist leider zu Ende, und deshalb will ich noch einmal auf den Punkt bringen, worum es geht und dass sich die Rolle der Union in dieser Frage nicht geändert hat.