Protocol of the Session on May 24, 2007

Meine Damen und Herren, ich heiße Sie recht herzlich willkommen zu unserer heutigen, 62. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 17 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Heute feiern wieder drei Mitglieder dieses Hauses Geburtstag: Herr Oskar Burkert wird 56 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch, Oskar!

(Allgemeiner Beifall)

Theo Kruse wird heute 59 Jahre alt. Auch ihm herzlichen Glückwunsch!

(Allgemeiner Beifall)

Lutz Lienenkämper hat heute seinen 38. Geburtstag. Ihm ebenfalls herzliche Glückwünsche!

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, wir treten in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Aktuelle Stunde Ausbau der Kinderbetreuung sichern – Rechtsanspruch jetzt verbindlich einführen

Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/4377

Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 21. Mai gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile für die SPD-Fraktion Frau Kraft das Wort. Bitte schön.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Aktuelle Stunde zum Thema Kinderbetreuung, ein wichtiges Thema, das seit Wochen, seit Monaten im öffentlichen Fokus steht. Die Probleme liegen auf der Hand: Wir haben zu wenige Kinder in unserem Land. Unsere Geburtenrate ist auch im Vergleich zu anderen europäischen Staaten schlecht. Dies hat fatale Auswirkungen auf die Sozialsysteme. Es birgt auch nicht unerhebliche Gefahren für den

Arbeitsmarkt, und zwar für den heutigen und noch mehr für den zukünftigen Arbeitsmarkt.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Politik hat jetzt die Aufgabe, die richtigen Anreize zu setzen. Im Hinblick auf die Entscheidungen der zukünftigen Eltern geht es dabei nicht darum, zu bevormunden, sondern es geht darum, eine Wahlfreiheit sicherzustellen. Das ist der entscheidende Schritt. Erst dann, wenn Betreuungsstrukturen in ausreichender Zahl und in ausreichender Qualität vorhanden sind, erst dann gibt es eine wirkliche Wahlfreiheit für Eltern, wie sie die Betreuung organisieren wollen, ob sie Familie und Beruf verbinden wollen. Das sind die Fragen, die sie erst dann wirklich frei entscheiden können.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Die SPD fährt hier einen klaren Kurs. Für uns ist wichtig: Schluss mit den Tippelschritten! Siebenmeilenstiefel müssen angezogen werden!

Wir haben einen Beschluss zum Elterngeld gefasst. Wir haben als SPD in unseren Bremer Beschlüsse im Januar sehr deutlich dargestellt: Die Finanzierung von Betreuungsangeboten, die Infrastruktur muss Vorrang haben und hat Vorrang vor direkten Finanztransfers.

(Beifall von der SPD)

Wichtig für uns als SPD ist: Wir wollen einen Rechtsanspruch. Wir haben das in Bremen schon formuliert. Wir wollen einen Rechtsanspruch auf einen Ganztagsplatz ab eins, das heißt, nach dem ersten Geburtstag.

Ganz eindeutig ist auch – hier sind wir ebenso klar positioniert –: Wir wollen Beitragsfreiheit. Wir wissen, dass das schrittweise realisierbar ist.

(Zuruf von Christian Lindner [FDP])

Schrittweise, Herr Lindner. Sie wollen es doch auch, haben Sie irgendwann einmal erzählt. Wir wollen Beitragsfreiheit. Das, was Rheinland-Pfalz gestern beschlossen hat, nämlich Beitragsfreiheit bis zum Jahre 2010, ist die richtige Entscheidung. Andere Bundesländer werden dieser folgen.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Wir haben als SPD in der Großen Koalition zwei wesentliche Punkte durchgesetzt; darauf sind wir stolz.

Erstens: Es wird den Rechtsanspruch geben – anders als wir es gewollt haben, nicht schon 2010, sondern erst 2013. Mehr war mit der CDU/CSU nicht herauszuholen.

Der zweite Punkt: Der Bund wird sich am Aufbau der Infrastruktur beteiligen, und zwar nicht nur am Aufbau von Gebäuden und Einrichtungen, sondern auch beim Betrieb der Einrichtungen. Wir wissen, die Kommunen können das nicht leisten und schon gar nicht in Nordrhein-Westfalen, wo ihnen diese Landesregierung die Finanzmittel dauernd zusammenkürzt. Das ist nicht machbar.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Ein Drittel ist im Moment die Quote, die aus den Koalitionsgesprächen herausgekommen ist. Ich sage deutlich: Das ist uns zu wenig. Ich hoffe darauf, dass sich der Bund noch mehr beteiligen kann.

Klar ist für uns: Dies ist ausdrücklich keine Diskriminierung von Frauen und Familien, die sich entscheiden, ihre kleinen Kinder zu Hause zu betreuen. Es ist ganz im Gegenteil der Wegfall der bestehenden Diskriminierung für die, die sich entscheiden, Familie und Beruf zu verbinden. Das ist der richtige Weg.

(Beifall von der SPD)

Der Ministerpräsident unseres Landes koppelt NRW vom familienpolitischen Zug in Deutschland ab.

(Beifall von der SPD – Lachen von der CDU)

Ja! – Tage vor der Entscheidung kann ich einem Beitrag im „Focus“ vom 14. Mai 2007 entnehmen – es geht um den Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz, Zieldatum 2013, ich zitiere –: „Das wird nichts, das wäre auch falsch“, erklärt NordrheinWestfalens Ministerpräsident Jürgen Rüttgers.

Herr Laschet, Sie haben sich mehrfach ähnlich geäußert. Hier wird klar, wo die nordrheinwestfälische CDU steht. Ich hoffe, dass Sie umkehren, und ich hoffe, dass Sie auf den richtigen Weg kommen.

(Beifall von der SPD)

Ich hoffe heute auch auf die Klärung der Frage, ob Sie wie der Kollege Stoiber in Bayern das Betreuungsgeld wollen. Das ist eine Frage, bei der es darum geht, was eigentlich die Rolle des Staates ist. Darauf kommen wir in den Diskussionen hier immer wieder zurück. Wir, die SPD, wollen einen vorsorgenden Sozialstaat. Wir wollen allen Kindern alle Chancen geben – und das gesetzlich verankert, Herr Laschet, nicht nur in warmen Worten. Das Betreuungsgeld ist der falsche Weg.

(Beifall von der SPD)

Schauen wir uns das einmal aus Sicht der Kinder an. Es geht doch um die Kinder. Sehen wir einmal genau hin. Kinder aus Migrantenfamilien – und nicht nur die, wie wir wissen – brauchen Chancen auf frühzeitige Sprachkontakte. Ein Betreuungsgeld quasi als Prämie dafür, dass die Kinder zu Hause bleiben, und das Zahlen von Gebühren, wenn man sie hinschickt – das hat eine zweifach fatale Wirkung. Das ist integrationspolitisch falsch, meine Damen und Herren von der CDU.

(Beifall von der SPD)

Oder schauen wir uns die Kinder aus sozial schwachen Familien an. Sie brauchen häufig frühzeitig mehr Anreize – auch das wissen wir –, damit sie später ihre Chancen wahrnehmen und Bildung überhaupt noch aufnehmen können. Auch hier ist die Prämie, diesmal aus sozialpolitischer Sicht, falsch. Es kommt hinzu – das wissen wir doch –, dass das Geld – also Transferleistungen oder direkte Zahlungen – häufig gar nicht bei den Kindern ankommt.

Sie dienen nicht dem Wohl der Kinder. Kehren Sie um! Rücken Sie ab vom Betreuungsgeld. Das ist sozialpolitisch der falsche Ansatz.

(Beifall von der SPD)

Meine Damen und Herren, auch das möchte ich deutlich sagen: Es ist auch frauenpolitisch falsch, denn nur eine echte und ehrlich gemeinte Wahlfreiheit ist die Voraussetzung für eine wirkliche Gleichberechtigung.

Zum Schluss: Für uns Sozialdemokraten ist auch das völlig eindeutig: Ein finanzieller Ausgleich, eine Prämie, wie sie jetzt angedacht ist – das ist die nächste Kopfpauschale, die uns ins Haus steht –, ist sozial nicht gerecht. Es kann nicht sein, dass die Millionärsgattin den gleichen Betrag bekommt wie die Kassiererin bei Aldi. Das widerspricht sozialer Gerechtigkeit, meine Damen und Herren.

(Beifall von der SPD)

Letzter Satz. Für uns ist völlig klar – ich bin gespannt auf Ihre Positionierung –: Ein solches Betreuungsgeld ist nicht vereinbart worden. Es ist ein Prüfauftrag vereinbart worden. Mit der SPD wird es ein solches Betreuungsgeld nicht geben. – Schönen Dank.

(Beifall von der SPD)