Protocol of the Session on May 23, 2007

Meine Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich zu unserer heutigen, 61. Sitzung des Landtags NordrheinWestfalen willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich zwölf Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Meine Damen und Herren, wir haben heute gleich drei Mal zum Geburtstag zu gratulieren. Wir gratulieren der Kollegin Elke Rühl,

(Allgemeiner Beifall)

der Kollegin Inge Howe

(Allgemeiner Beifall)

und dem Kollegen Wolfgang Große Brömer.

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung haben wir eine neue Abgeordnete zu verpflichten. Die Landeswahlleiterin hat mir mit Schreiben vom 14. Mai 2007 mitgeteilt, dass Frau Dr. Anna Boos aus der Landesreserveliste der SPD als Nachfolgerin der ausgeschiedenen Abgeordneten Birgit Fischer mit Wirkung vom 14. Mai 2007 Mitglied des Landtags geworden ist.

Ich bitte Frau Dr. Boos, zu mir zu kommen, damit ich die nach § 2 unserer Geschäftsordnung vorgesehene Verpflichtung vornehmen kann.

(Die Abgeordneten erheben sich von ihren Plätzen.)

Ich bitte Sie, die folgenden Worte der Verpflichtungserklärung anzuhören und anschließend durch Handschlag zu bekräftigen:

„Die Mitglieder des Landtags von NordrheinWestfalen bezeugen vor dem Lande, dass sie ihre ganze Kraft dem Wohl des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, die übernommene Pflicht und Verantwortung nach bestem Wissen und Können erfüllen und in der Gerechtigkeit gegenüber jedem Menschen dem Frieden dienen werden.“

Sehr geehrte Frau Dr. Boos, ich heiße Sie als neue Abgeordnete der 14. Wahlperiode herzlich willkommen und wünsche Ihnen viel Erfolg bei Ihrer Arbeit.

(Lebhafter allgemeiner Beifall)

Wir treten nun in die Beratung der heutigen Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Aktuelle Stunde Konsequenzen aus dem Aussaatverbot für gentechnisch veränderten Mais

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/4376

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mit Schreiben vom 21. Mai 2007 gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der antragstellenden Fraktion Herrn Remmel das Wort. Bitte schön, Herr Remmel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Warum diskutieren wir heute Morgen über Gentechnikanbau in Nordrhein-Westfalen? Ich möchte Ihren Reden nicht vorgreifen, aber Ihre Tonlage kann ich mir schon vorstellen: Na, ja, die Grünen, warum so einen Wind um einen kleinen Versuchsgarten in der Nähe von Köln oder eine Genmaisfläche in Borken?

Bevor ich Ihnen darauf antworte, möchte ich in ein paar Strichen den Hintergrund der aktuellen Debatte skizzieren. Eines ist klar: Wir haben es hier eindeutig mit der oftmals so typischen politischen Parallelwelt zu tun. Ja, es gibt offensichtlich zwei Welten, meine Damen und Herren. Sie kennen die eindeutigen Umfrageergebnisse, was die Menschen von gentechnisch veränderten Lebensmitteln halten. Sie kennen die Abstimmungsergebnisse in der Schweiz. Sie kennen die aktuellen Entwicklungen in Österreich, ja Sie kennen selbst die Debatten in der CSU, meine Damen und Herren. Sie sollten vielleicht auch zur Kenntnis nehmen – das ist traurig genug –, dass erst von Verwaltungsgerichten bestätigt werden muss, dass sich Bienen nicht an Mindestabstände halten.

Dazu will überhaupt nicht so recht passen, dass der andere Teil der Parallelwelt, Landwirtschaftsminister Seehofer, Eckpunkte zur Aufweichung des bestehenden strengen Gentechnikrechts vorgelegt hat. Dies ist ein Angriff, meine Damen und Herren, auf das von Renate Künast und der rot

grünen Bundesregierung vorzüglich gestaltete strenge Gentechnikrecht. Insbesondere soll die Haftungsregel, das heißt wer für gentechnische Verunreinigungen haftet, entkernt werden.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Auch die so wichtige Frage der Transparenz soll gentechnikfreundlich geregelt werden. Das bedeutet die Rückkehr zur Geheimniskrämerei. Wir in Nordrhein-Westfalen sollten wissen, was das heißt. Wir kennen ja bis heute noch nicht alle Flächen, auf denen Versuche in Nordrhein-Westfalen stattgefunden haben.

In diese Situation platzt wie Blitz und Donner das aktuelle Schreiben des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit. Darin werden 1 : 1 die Bedenken untermauert und bestätigt, die schon immer gegen den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen insbesondere der Sorte MON810 vorgetragen worden sind. Dieses Schreiben, meine Damen und Herren, ein behördliches Schreiben, liest sich in der Tat wie ein grünes Argumentationspapier – ich darf zitieren –:

„Erst mit jüngeren Untersuchungen wurde deutlich, dass und in welchem Ausmaß das BtToxin über die Pflanze in höhere Nahrungskettenglieder gelangt. … Diese neuen und zusätzlichen Informationen … geben berechtigten Grund zu der Annahme, dass der Anbau von MON810 eine Gefahr für die Umwelt darstellt.“

Ich wiederhole: „eine Gefahr für die Umwelt darstellt“!

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Damit, meine Damen und Herren, ist von behördlicher Seite eindeutig belegt, dass mit dieser Art und Weise des Anbaus von gentechnisch veränderten Pflanzen Schluss gemacht werden muss. Die Handlungsweisen, die das Bundesamt vorgibt, sind eindeutig: Die Aussaat ist zu stoppen.

Die Frage bleibt offen, was mit dem ausgesäten Mais passiert. Wir sind der Meinung: Es muss unverzüglich gehandelt werden. Er muss entfernt oder untergepflügt werden. Wenn die Gefahren so groß sind wie dargestellt, darf nicht ein Jahr gewartet werden, sondern dann muss gehandelt werden! Das Bundessortenamt hat ja auch entsprechend reagiert.

Ich komme zurück auf meine Ausgangsfrage: Warum diskutieren wir heute Morgen im Landtag von Nordrhein-Westfalen? Zu allen möglichen Tagesordnungspunkten nimmt die Landesregierung jeden Tag in unzähligen Pressemitteilungen Stellung. Es ist schön, dass der Landwirtschaftsminis

ter jeden neuen Baum an jeder noch so unbedeutenden Landstraße gebührend feiert. Aber zur aktuellen Situation der Gentechnik gibt es null Reaktion. Einfach null! Sonst ist die Landesregierung doch ausgesprochen mitteilungsfreudig. Warum gibt es hierzu kein einziges Wort?

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Wir meinen: Der Landwirtschaftsminister muss sich in die aktuelle Diskussion einmischen! Denn es gibt Handlungsbedarf in Nordrhein-Westfalen. Was passiert mit den Feldern? Was ist mit der Aussaat in Borken? Warum schreitet die Landwirtschaftskammer, die hoheitliche Aufgaben für das Land übernimmt, nicht ein?

(Minister Eckhard Uhlenberg: Sie hat damit gar nichts zu tun!)

Monsanto hat schon reagiert und erklärt, dass es die Versuche fortsetzen wolle.

(Zuruf von Sylvia Löhrmann [GRÜNE])

Die Menschen in Nordrhein-Westfalen, Herr Minister, wollen allerdings wissen, was die Landesregierung zu den fachlichen Aussagen des Bundesamtes meint, wie die Haltung der Landesregierung ist, und sie wollen, dass die Landesregierung handelt.

(Beifall von den GRÜNEN)

Aber der Minister hat sich unterm Tisch verkrochen und ein Schild aufstellen lassen: vorübergehend nicht zu erreichen!

(Heiterkeit – Minister Eckhard Uhlenberg: Ich bin immer da!)

Aber, Herr Minister, Sie müssen erklären, ob Sie der Lakai von Monsanto sind oder ob Sie der Anwalt für Umwelt- und Verbraucherschutz in diesem Land sind, also für immerhin 18 Millionen Menschen, deren Interessen Sie vertreten. Es ist nämlich Zeit zu handeln. Es ist Zeit, eine Position zu erklären!

Wir meinen auch, dass Nordrhein-Westfalen Chancen verspielt, wenn wir nicht handeln. Wir haben die Chance, Nordrhein-Westfalen tatsächlich dauerhaft gentechnikfrei zu machen. Das wollen im Übrigen die Menschen in großer Mehrheit. Sie wollen keine Lebensmittel aus gentechnisch veränderten Pflanzen. Darum gilt es, jetzt zu handeln und Nordrhein-Westfalen auf den Weg zu bringen, gentechnikfrei zu werden.

(Beifall von den GRÜNEN)

Das ist im Übrigen auch eine wirtschaftliche Chance, meine Damen und Herren. Denn wir wol

len hier keine kanadischen Verhältnisse. Der so berühmte kanadische Honig kann nicht mehr gentechnikfrei hergestellt werden. Das schadet immens den wirtschaftlichen Perspektiven vor allem in Europa. Das, meine Damen und Herren, wollen wir für Nordrhein-Westfalen nicht. Das darf hier nicht passieren.

(Beifall von den GRÜNEN)

Die Landesregierung muss sich so in die bundesweite Diskussion um die Neugestaltung des Gentechnikrechts einmischen, dass die strengen Vorgaben erhalten bleiben und gegebenenfalls noch verstärkt werden. Die Möglichkeit muss eröffnet werden, tatsächlich gentechnikfreie Zonen auszuweisen, die sich vielleicht sogar auf ganze Bundesländer erstrecken.