Protocol of the Session on September 14, 2006

Sehr geehrte Damen und Herren! Ich heiße Sie zu unserer heutigen, der 38. Sitzung des Landtags NordrheinWestfalen herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 13 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wir treten in die heutige Tagesordnung ein.

Ich rufe auf:

1 Berlin-Bonn-Beschlüsse müssen Bestand haben

Antrag der Fraktion der CDU, der Fraktion der SPD, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der FDP Drucksache 14/2493 – Neudruck

Ich eröffne die Beratung und gebe als erster Rednerin für die CDU-Fraktion Kollegin Keller das Wort. Bitte schön, Frau Keller.

Guten Morgen! Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Mit Beschluss vom 20. Juni 1991 hat der Deutsche Bundestag mit knapper Mehrheit entschieden, den Sitz des Parlaments und Teile der Regierung von Berlin nach Bonn

(Heiterkeit)

ich kann mich immer noch nicht daran gewöhnen –,

(Beifall von der SPD)

von Bonn nach Berlin zu verlagern. In dem damaligen Beschluss wurde eine dauerhafte und faire Arbeitsteilung vereinbart. Mit dem Berlin/BonnGesetz vom 26. April 1994 ist der rechtliche Rahmen für die Umsetzung dieser Entscheidung gesetzt worden.

Es gab im Vorfeld eine heftige Diskussion, bis dies auf den Weg gebracht werden konnte. Gleichwohl ist in den letzten Jahren mit unschöner Regelmäßigkeit versucht worden, die im Berlin/Bonn-Gesetz vom 26. April 1994 festgeschriebene und bewährte Arbeitsteilung zwischen der Bundeshauptstadt Berlin und der Bundesstadt

Bonn infrage zu stellen. Der jüngste Versuch ist erst einige Tage alt und geht auf entsprechende Bemühungen von Haushaltspolitikern auf Bundesebene zurück.

Wir machen mit dem vorliegenden Antrag, der auf unsere Initiative auf den Weg gebracht worden ist und dem sich erfreulicherweise alle angeschlossen haben, noch einmal deutlich, was wir von solchen Debatten halten: gar nichts. Die Diskussion darüber, ob die im Berlin/Bonn-Gesetz festgelegte Zweiteilung aufgehoben werden sollte, schadet nicht nur dem Ansehen und der Verlässlichkeit Berlins als Bundeshauptstadt, sondern führt auch zu einem Vertrauensverlust bei uns in der Region Bonn und zu einem generellen Vertrauensverlust für die Politik schlechthin. Dass sich diese Region in den letzten Jahren wirtschaftlich prosperierend entwickelt hat, kann kein Argument dafür sein, einem Komplettumzug nach Berlin das Wort zu reden. Im Gegenteil ist beispielsweise gerade der UN-Standort Bonn in jeder Hinsicht darauf angewiesen, dass die Bundesregierung weiter am Rhein präsent bleibt.

Ich darf daran erinnern, dass das Berlin/BonnGesetz und der gelungene Strukturwandel von großer, fraktionsübergreifender Zustimmung getragen wurden. Das Festhalten an diesem politischen Konsens bedeutet zugleich das Festhalten an einer erfolgreichen und belastbaren Arbeitsteilung zwischen den Städten.

Ich möchte auch darauf hinweisen, dass ein Komplettumzug wirtschaftlich keinen Sinn machen würde. Denn nach Einschätzung des Bundesrechnungshofs ist eine Zweiteilung wirtschaftlich günstiger, als einen Komplettumzug zu forcieren. Die Kosten der jetzigen Situation betragen pro Jahr 10 Millionen € – mit abnehmender Tendenz. Ein Komplettumzug würde mindestens 5 Milliarden € für die Zukunft bedeuten. Wir wissen, dass es in der Regel nicht bei diesen Schätzungen bleibt, sondern am Schluss weitaus höhere Summen herauskommen.

Gleichwohl ist noch darauf hinzuweisen, dass auch die Verlagerung von 10.000 weiteren Arbeitsplätzen enorme zusätzliche Kosten verursachen würde.

Ich möchte noch einmal daran erinnern, dass dieser Koalitionsvertrag für uns eine riesige Bedeutung hat, dass wir daran festhalten wollen und dass für Nordrhein-Westfalen in keinster Weise hinnehmbar ist, hier eine Veränderung vorzunehmen. Das haben wir in diesem Antrag heute noch einmal deutlich machen wollen. Ich bin froh, dass das parteiübergreifend so gesehen wird. Wir bit

ten auch den zuständigen Minister, Herrn Breuer, in Berlin noch einmal deutlich zu machen, was wir von solchen immer wieder vorkommenden Vorstößen halten.

Unser Ministerpräsident selbst ist ja ein Zeitzeuge des damaligen Geschehens. Politik muss Verlässlichkeit auch für die Zukunft haben. In diesem Sinne, Herr Minister, bitten wir, das in Berlin so vorzutragen. – Danke.

(Beifall von CDU und FDP)

Danke schön, Frau Keller.

Meine Damen und Herrn! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte einen Ehrengast auf der Zuschauertribüne begrüßen, der heute seinen Antrittsbesuch im Landtag macht. Es ist mir eine Ehre und Freude zugleich, den Generalkonsul der Vereinigten Staaten von Amerika, Herrn Matthew Boyse, begrüßen zu dürfen. Ich begrüße Sie, Herr Generalkonsul, im Landtag Nordrhein-Westfalen auf das Herzlichste.

(Allgemeiner Beifall)

Bitte nehmen Sie diesen herzlichen Applaus als Ausdruck des Wunsches nach einer vertrauensvollen Zusammenarbeit und der Freundschaft zwischen unseren Ländern. Wir hoffen, dass Sie und Ihre Familie sich hier bei uns in Düsseldorf wohlfühlen. Wir wünschen Ihnen Glück und Erfolg bei Ihrer neuen Aufgabe. – Herzlich willkommen!

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, der nächste Redner ist Herr Dieckmann von der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass die diesjährige Initiative zur Korrektur des Berlin/Bonn-Gesetzes abgeschlagen ist dank der klaren Worte, die die Bundesregierung, die Spitzen der Koalitionsfraktionen und auch die Landesregierung – Herr Breuer, vielen Dank dafür! – gefunden haben. Aber es ist auch gut, dass wir hier und heute noch einmal über die Grenzen der Fraktionen und Parteien hinweg die Absicht bekräftigen: Es muss bei dieser gesetzlichen Regelung bleiben, meine Damen und Herren.

(Allgemeiner Beifall)

Bei aller Sympathie für die Befristung von Gesetzen: Gerade das Berlin/Bonn-Gesetz hat kein Verfallsdatum. Im Gegenteil: Es war und ist die politische Grundlage für die Entscheidung des Deutschen Bundestags über die Verlagerung von

Bundestag, Bundesrat und Teilen der Regierung nach Berlin.

Wer das Berlin/Bonn-Gesetz infrage stellt, rüttelt am politischen Fundament des Umzugsbeschlusses. Das wird seit Jahren regelmäßig versucht und ist inzwischen vollends zu einer Phantomdebatte geworden. Die Kollegin Keller hat vollkommen Recht: Das schadet im Ergebnis der Glaubwürdigkeit von Politik. Deshalb geht es nicht nur um ein Anliegen der Politiker und Politikerinnen aus der heimischen Region, sondern ein für uns alle wichtiges Anliegen – den Fraktionen, den Parteien im ganzen Land Nordrhein-Westfalen. Es kann nur schaden, wenn hier nicht weiterhin Klarheit besteht und die Zweifel nicht ausgeräumt werden.

Von Frau Keller ist schon gesagt worden: Es gibt keine sachliche Notwendigkeit, diese Arbeitsteilung infrage zu stellen. Die finanziellen Lasten aus der Teilung sind dramatisch geringer als das, was ein Totalumzug kosten würde; der Bundesrechnungshof ist da ein kompetenter Zeuge.

Bonn und seine Region sind anerkanntes Zentrum für internationale Zusammenarbeit. Bonn und seine Region sind einer der führenden Standorte in Deutschland für Wissenschaft und Forschung. Von daher muss sich auch die bundesweite Öffentlichkeit daran gewöhnen, dass wichtige Organisationen und Einrichtungen eben nicht nur in Berlin sitzen, sondern sich auch und gerade in Nordrhein-Westfalen befinden, meine Damen und Herren.

(Allgemeiner Beifall)

Ich denke, das ist gut so. Lassen Sie mich hinzufügen, dass Ähnliches für die bekannte Debatte über den Finanzplatz Deutschland gilt. Wir haben auch einen Finanzplatz Nordrhein-Westfalen, und das muss so bleiben.

Lassen Sie mich einen Aspekt hervorheben, der eben bei Frau Keller auch schon anklang: Ja, es ist richtig, in Bonn und in der Region Rhein-Sieg ist der Strukturwandel gelungen. Stadt und Region haben in einer großen Kraftanstrengung der ganzen Region – mit Unterstützung von Bund und Land – den Umzug von Parlament und Ministerien gut verkraftet. Neue Unternehmen und Organisationen haben sich angesiedelt.

Aber wo jetzt der Erfolg eingetreten ist, kann das doch nicht der Grund sein, nun die Grundlage in Zweifel zu ziehen. Ich warne vor einer solchen Logik. Die kann nur verhängnisvoll sein bei all denjenigen, die sich noch im Strukturwandel befinden und die hart daran arbeiten, den Erfolg zu

haben. Wenn anschließend die Prämissen wieder infrage gestellt werden, brauchen wir das gar nicht zu machen.

Wir werden diesen Antrag jetzt einmütig beschließen und die Landesregierung beauftragen. Herr Breuer, es ist meiner Meinung nach nicht so schwierig, an die gute Tradition aller Landesregierungen in den letzten zwölf, fünfzehn Jahren anzuknüpfen. Die Ministerpräsidenten und insbesondere die Chefs der Staatskanzlei haben sich stets dafür eingesetzt, dass das Gesetz über den Umzug nicht nur dem Buchstaben, sondern auch dem Geist entsprechend praktiziert wird. Das ist eine Verpflichtung auch für die jetzige Regierung.

Lassen Sie es mich salopp sagen: Da stehen ein paar große Schuhe, Herr Breuer. Wir alle wünschen und hoffen, dass Sie dieser Tradition gerecht werden, wie Sie hier von Düsseldorf aus für das ganze Land, für Deutschland praktiziert worden ist.

(Beifall von der SPD)

Abschließend darf ich sagen: Natürlich ist zuvörderst die Landesregierung gefordert. Und es sind all diejenigen gefordert, die Kontakte zu Berlin haben. Jeder ist gut beraten, sich in Berlin nicht so unbeliebt zu machen, dass man da nicht mehr Gehör finden kann.

Meine herzliche Bitte an uns alle und an alle Vertreter des Landes Nordrhein-Westfalen lautet, auch außerhalb dieses Saales, auch außerhalb unseres Landes dafür einzutreten, dass es bei dieser politischen Regelung bleibt. Sie hat sich bewährt und sie wird auch in Zukunft Früchte tragen. – Vielen Dank.

(Beifall von SPD und GRÜNEN)

Danke schön, Herr Dieckmann. – Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen spricht nun Herr Becker.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Zunächst einmal darf ich ausdrücklich für unsere Fraktion bekräftigen, dass wir froh sind, dass es heute einen interfraktionellen Antrag gibt, der von sämtlichen Fraktionen dieses Hauses getragen wird und der sich klar gegen die immer wiederkehrenden Bestrebungen wendet, den Berlin-Bonn- Beschluss auszuhebeln und diesen Rutschbahneffekt, von dem in der Region die Rede ist, zu beschleunigen.

Meine Kolleginnen und Kollegen, heute geht es um Folgendes: Wir erleben es seit Jahren regelmäßig, wenn es in Berlin Wahlen gibt, wenn

Sommerpause ist oder wenn der eine oder andere Hinterbänkler versucht, in die Zeitung zu kommen, dass die Zeitungen Berichte bekommen, dass angeblich der Umzug Geld sparen würde.

Richtig ist – auch das haben meine beiden Vorredner festgestellt –, dass der Umzug, wenn er komplett erfolgen würde, erhebliche zusätzliche Mittel in Milliardenhöhe als Aufwand für uns alle, für die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, bedeuten würde. Richtig ist aber auch, dass er Vertrauen in der Region verletzten würde. Richtig ist auch, dass er nicht nur dazu führen würde, dass Ministerien gehen, sondern dass sich das weiter beschleunigen würde, was wir heute bereits haben, nämlich dass Verbände – das ist ein ganz wesentlicher Punkt – in die Nähe von Ministerien ziehen, wodurch das geschieht, was wir in der Region immer als Rutschbahn bezeichnet haben und was für uns ganz gefährlich ist.