Meine Damen und Herren! Ich eröffne die 78. Sitzung des Landtags von Nordrhein-Westfalen und bitte Sie, sich von Ihren Plätzen zu erheben.
Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich habe Ihnen die traurige Mitteilung zu machen, dass gestern Nachmittag unser geschätzter Kollege Wolfgang Aßbrock nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von nur 55 Jahren verstorben ist.
Traurig und bewegt müssen wir Abschied nehmen von einem lieben Menschen, von dessen Krebsleiden wir zwar wussten, dessen plötzlicher Tod uns aber doch völlig überrascht und umso mehr erschüttert hat.
Wolfgang Aßbrock wurde in seinem Herforder Wahlkreis 2005 direkt in den Landtag NordrheinWestfalen gewählt.
Die parlamentarische Arbeit des erfahrenen Kommunalpolitikers war geprägt von großem Engagement und beeindruckender Sachkenntnis, die er im Ausschuss für Kommunalpolitik und Verwaltungsstrukturreform sowie im Ausschuss für Bauen und Verkehr einbrachte.
Sein Herz hing aber auch an der Politik in seiner ostwestfälischen Heimat. So gehörte er fast 30 Jahre dem Rat seiner Heimatstadt Enger an. Zudem war er Mitglied des Regionalrates Ostwestfalen-Lippe, zuletzt als dessen Vorsitzender. Ebenso engagierte sich Wolfgang Aßbrock über viele Jahre in der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe. Darüber hinaus war er Mitglied im Kreistag des Kreises Herford seit 2004.
Wer mit Wolfgang Aßbrock, einem Mann der eher leisen Töne, in Kontakt kam, der spürte schnell, mit welch großer Energie und Verbindlichkeit er seine politischen Ziele verfolgte. Gleichwohl war es seine Warmherzigkeit, mit der er so sehr überzeugen konnte. Das machte den Christdemokraten über die Fraktionsgrenzen hinweg beliebt.
Der Landtag Nordrhein-Westfalen wird Wolfgang Aßbrock ein ehrendes Gedenken bewahren. Unser tiefes Mitgefühl gilt seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern.
Für die heutige Sitzung haben sich 13 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung teile ich Ihnen mit, dass die Fraktionen von CDU und FDP beantragt haben, die Tagesordnung der heutigen Sitzung gemäß § 19 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu ergänzen. Als neuer Tagesordnungspunkt 3 soll heute die dritte Lesung des Gesetzentwurfs der Landesregierung in Drucksache 14/4973 „Gesetz zur Kommunalisierung von Aufgaben des Umweltrechts“ in die Tagesordnung aufgenommen werden. Als Redezeit wurde Block I vorgeschlagen. Wer diesem Antrag zustimmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Das sind CDU, SPD, FDP und Grüne. Wer ist dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Das ist einstimmig so beschlossen.
Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Einige haben es leider immer noch nicht verstanden: In Fragen der Schulpolitik geht es nicht darum, Recht behalten zu wollen. Es geht darum, das zu tun, was am besten für unsere Kinder ist.
Jeder einzelne unter Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, der in diesem Moment schon wieder ganz genau weiß, was das Beste für unsere Kinder ist, liegt falsch. Wer hier und jetzt die leichten Lösungen kennt, hat entweder das Denken eingestellt, oder er ist verantwortungslos.
Denn leichte Lösungen gibt es nicht. Diejenigen, die die leichten Lösungen kennen, sind irgendwelche Leute in internationalen Organisationen, schlechte Journalisten oder verblendete Politiker. Alle wirklichen Fachleute, nämlich alle Lehrerinnen und alle Lehrer, wissen, dass es diese leichten Lösungen nicht gibt.
Es ist Zeit, den Schwätzern die Maske vom Gesicht zu reißen! Krieg den Milchmädchen, Friede denen, die im konkreten Schulalltag – egal, in welcher Schulform – unseren Kindern und Jugendlichen helfen, ihre jeweiligen Potenziale zu wecken und zu entwickeln!
Die Milchmädchen kommen in vielerlei Gestalt daher. Eines ist ihnen allen gemeinsam: Sie bemühen sich nicht um eine genaue Analyse der Ergebnisse der zahlreichen Untersuchungen; sie haben vielmehr sehr einfache Antworten.
Da sind diejenigen unterwegs, die sagen: Wir stecken immer mehr Geld ins System, und alles wird gut. Andere sagen: Wir ändern die Schulstruktur, und alles wird gut. – Mit solch einfachen Antworten gehen die Milchmädchen dann hausieren.
Je knapper und polemischer die Sachverhalte formuliert werden und je mehr sie bewusst mit historisch belasteten, schrecklichen Wörtern wie Selektion vergiftet werden, umso eher greifen sie die Nachrichtenagenturen auf, umso eher wird es in den Lokalredaktionen abgeschrieben und umso größeren Schaden richtet das an.
Wir müssen aber genau hinschauen! Der Schul- und Erziehungserfolg ist von vielen Faktoren abhängig. Man kann nicht – Prof. Dollase hat das neulich in diesem Landtag gesagt – einzelne Faktoren aus anderen Ländern übernehmen, wenn die restlichen Faktoren nicht identisch sind. Wohl aber kann – auch das hat Prof. Dollase treffend artikuliert – der Blick ins Ausland und insbesondere in die Schweiz und nach Südtirol, liebe Kolleginnen und Kollegen, sicherlich inspirierende und heuristische Wirkungen haben. Aber man darf eben nicht Einzelmaßnahmen anderer Länder bei uns kopieren wollen, ohne deren Einbettung in das Gefüge der jeweils anderen Länder zu verstehen.
Dann gibt es noch diese epigonenhafte Orthodoxie der ewig Nachplappernden! Je weniger man über den eigenen Tellerrand geschaut hat, desto inbrünstiger singt man: Fest soll mein Taufbund immer stehen! – Nein, meine Damen und Herren, die Milchmädchen gehören vor die Tür!
Mit den Milchmädchen sollten wir auch diejenigen rausschmeißen, die auf Ranglisten fixiert sind. Denn ohne sich mit den Kriterien zu beschäftigen, die die Grundlage für solche Listen bilden, und ohne auf die Rahmenbedingungen der jeweiligen Schule einzugehen, schwadronieren sie quer durch den Gemüsegarten. Eine Schule aber, die nicht die Kraft findet, die Schwachen stärker zu fördern als die Starken, und die nicht auf die Rahmenbedingungen eingeht, ist eine schlechte Schule – völlig unabhängig von der Schulstruktur. Wir müssen das anerkennen.
Eine Schulpolitik, die nur auf Geld und Strukturen glotzt, ist eine schlechte Schulpolitik. Wir müssen das anerkennen. Ich erkläre frank und frei: Wenn uns Prof. Bos in der IGLU-Studie nachweist, dass ein Kind aus einfachem Arbeiterhaushalt oder mit einer Zuwanderungsgeschichte 614 Punkte für eine Gymnasialempfehlung braucht, ein Kind aus einem Akademikerhaushalt aber nur 537 Punkte, lässt mich dieser geradezu unmoralische Skandal nicht in Ruhe.
Denn hierdurch werden Potenziale für den jeweiligen jungen Menschen, aber auch Potenziale für unser Land verschenkt. Deshalb muss im Mittelpunkt unserer Schulpolitik ein ganz pragmatischer Reformansatz stehen.
Nicht Strukturen, sondern Inhalte! Nicht Umsturz, sondern Reformen! Nicht Heilsversprechen, sondern heilende pädagogische Kleinarbeit im Alltag!
Als ob die Abschaffung des Gymnasiums – erst recht die Abschaffung der erzbischöflichen Gymnasien – zu einer gerechteren Verteilung der Bildungschancen führen würde! Als ob die Schule alles könnte und als ob sie das, was sie nicht kann, aus bösem Willen nicht täte! Wir dürfen nicht Schulformen an den Pranger stellen und irgendwelche interessengeleiteten Listen nachbeten. Wir müssen unseren Hauptschulen wieder
Wir sind in der Pflicht, uns um die Qualität jeder einzelnen Schule zu kümmern. Jemand, der mir sagt, wir ändern die Schulform, und alles werd gut, dem sage ich: Du bist ein Milchmädchen.
Die Gesellschaft bleibt die gleiche. Die Schülerinnen und Schüler und die Eltern bleiben die gleichen. Die Lehrerinnen und die Lehrer bleiben die gleichen. Du aber, du hängst ein neues Türschild hin und glaubst, alles wird gut. Es tut mir leid: Eine solche Antwort ist Quatsch.