Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich heiße Sie zu unserer heutigen, 87. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen herzlich willkommen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich 16 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Wir haben heute ein Geburtstagskind. Ihren Geburtstag feiert heute Frau Elke Talhorst von der SPD-Fraktion. Liebe Frau Kollegin, herzlichen Glückwunsch im Namen aller Kolleginnen und Kollegen!
Wir kommen deshalb zur Abstimmung über den Wahlvorschlag in Drucksache 14/6414. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um das Handzeichen. – Danke schön. Wer enthält sich? – Wer ist dagegen? – Dann ist das einstimmig so beschlossen.
Die Fraktion der SPD hat mit Schreiben vom 14. April 2008 gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu der genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt.
Ich eröffne die Aussprache und erteile als erstem Redner vonseiten der SPD-Fraktion Herrn Römer das Wort. Bitte schön.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! Die „Westdeutsche Allgemeine Zeitung“ meldet am 11. April 2008, dass Wohnungsbauminister Wittke höhere Mieten fordert: Minister Wittke sieht die Mieter in einer Mitverantwortung für die Probleme des Wohnungsmarktes. Das, Herr Minister, ist ein Schlag ins Gesicht der Mieter und eine Steilvorlage für die Vermieter.
Der Bundesverband der freien Wohnungsbauunternehmen hat diese Steilvorlage des Ministers sofort aufgenommen: 11 € pro Quadratmeter wären angebracht, teilt er mit. Meine Damen und Herren, Kolleginnen und Kollegen, das bedeutet im Ruhrgebiet eine Verdoppelung der Mieten. Das ist ein Stück aus dem Tollhaus, Herr Minister.
Wir haben diese Aktuelle Stunde beantragt, weil Wohnen ein zentrales Thema ist. Es betrifft die Menschen Tag für Tag in ihrer Lebenswirklichkeit. Die Menschen können deshalb verlangen, dass das Grundbedürfnis nach einer angemessenen Wohnraumversorgung ernst genommen wird. Die Landesregierung muss ihren Beitrag leisten, um Wohnen bezahlbar zu machen, auch für Menschen mit kleinen Einkommen.
Minister Wittke jedenfalls macht mit seiner Forderung nach höheren Mieten sein Verständnis von Landespolitik deutlich. Er stellt sich gegen die Interessen der Menschen, besonders im Ruhrgebiet. Sie können höhere Mieten schlicht und einfach nicht bezahlen.
Er sieht die Landesregierung – das ist das Zweite – nicht in der Verantwortung, die Mieter zu unterstützen. Herr Minister, Sie wohnen doch in Gelsenkirchen. Sie waren dort sogar einmal Oberbürgermeister. Aber nah bei den Menschen und ihren Problemen waren sie wohl nie.
Herr Wittke, Sie kennen die tatsächlichen Verhältnisse der Menschen im Ruhrgebiet und im ganzen Land überhaupt nicht. Ihre Forderung nach höheren Mieten ist doch der Versuch, einem nackten Mann in die Tasche zu greifen. Das sehen die betroffenen Menschen auch so.
Herr Minister, ich gebe Ihnen dafür ein Beispiel aus der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“ vom 12. April. Ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin:
„Meine Miete … würde von 345 € auf 663 € steigen. Das ist mehr als mein gesamtes Einkommen. … Da Herr Wittke aus dem Pott kommt, sollte er die Probleme kennen, oder vergisst man so schnell?“
So weit das Zitat, Herr Minister. Das sollte Ihnen doch zu denken geben. Lassen Sie bitte solche unsinnigen Forderungen im Interesse der Menschen zukünftig sein! Dann wäre allen schon sehr geholfen.
Da der Minister die Fakten offensichtlich nicht kennt, noch einmal die wichtigsten Aspekte. Fakt ist – ja –, es gibt Leerstände im Ruhrgebiet. Man muss gegensteuern, damit es nicht zu weiteren Leerständen kommt. Dabei sollte ein Bauminister wissen: Auf Leerstände reagiert der Wohnungsmarkt nun einmal nicht mit steigenden Mieten.
Aufgabe ist deshalb, zunächst einmal Wohnungen wieder marktgängig zu machen. Damit wird im Übrigen auch den Stadtteilen geholfen, in denen solche Wohnungen liegen.
Fakt ist auch, dass die Landesregierung kontinuierlich die Wohnungsbauförderung kürzt, während sich der Ministerpräsident als Anwalt der kleinen Leute aufspielt. Allein im Jahr 2008 entzieht Minister Wittke dem sozialen Wohnungsbau in Nordrhein-Westfalen 140 Millionen €, weil es angeblich nicht genügend Nachfrage nach diesen Mitteln gibt. Dabei sollte ein Bauminister wissen, Herr Wittke, dass es nicht unbedingt am mangelnden Bedarf liegt, wenn Mittel nicht abgerufen werden.
Die Wohnungswirtschaft und die Kommunen kommen zu ganz anderen Einschätzungen. Beide Partner haben oft genug deutlich gemacht, wie sozialer Wohnungsbau gefördert werden muss. Wie jetzt auch haben Sie aber gar nicht erst zugehört, Herr Minister, oder es ist Ihnen gleichgültig. Deshalb zeugt Ihre Untätigkeit von Unwissen und Unfähigkeit, die die Menschen ausbaden müssen. Das ist die schlimme Folge Ihrer Politik.
Die Aufgabe lautet also, dass die Wohnraumförderung an die Bedarfslagen des Marktes angepasst werden muss. Differenzierte Fördermöglich
Fakt ist, meine Damen und Herren, dass sich das Land auf Kosten der Schwächsten saniert und der Wohnungsbauminister tatenlos zusieht. Er lässt zu, dass die im sozialen Wohnungsbau erwirtschafteten Überschüsse dafür missbraucht werden, im Landeshaushalt Löcher zu stopfen. Wir reden von über 100 Millionen € pro Jahr.
Eine verantwortungsvolle Landesregierung muss aber das Wohnungsbauvermögen für zukünftige Generationen sichern. Die Aufgaben werden durch den Klimawandel und den demografischen Wandel weiter wachsen. Genau dort liegt das Problem: Die Landesregierung nimmt den Wandel noch nicht einmal zur Kenntnis. Deshalb hat sie auch keine Antworten auf die wichtigen Zukunftsfragen.
Fakt ist, dass die Zahl der Sozialwohnungen dramatisch schrumpft. Lag der Bestand an Sozialwohnungen im Jahr 2005 noch bei 805.243, werden im Jahr 2010 nur noch 505.000 Wohnungen einer Mietpreisbindung unterliegen. Für 2015 rechnet die Wfa nur noch mit weniger als 380.000 Wohneinheiten im sozialen Wohnungsbau. Damit ist die Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum im ganzen Land akut gefährdet.
Deshalb ist es die Aufgabe der Politik, Herr Minister, gegenzusteuern, weil sich der Bestand sonst gegenüber dem Jahr 2005 mehr als halbieren wird. Der soziale Wohnungsbau braucht aber Zukunftsperspektiven, da die Menschen in Nordrhein-Westfalen auch weiterhin darauf angewiesen sein werden, günstige Wohnungen zu bekommen.
Ich fasse zusammen: Der Wohnungsbauminister kennt die Sorgen der Mieter nicht. Der Wohnungsbauminister weiß nicht, wie der Wohnungsmarkt funktioniert. Der Wohnungsbauminister lässt zu, dass das in Jahren angesparte Wohnungsbauvermögen dafür missbraucht wird, kurzfristig Haushaltslöcher zu stopfen. Der Wohnungsbauminister hat offensichtlich keinen Plan von einer Wohnungsbaupolitik, die die Interessen von Mietern und Vermietern gleichermaßen berücksichtigt. Wir haben einen solchen Plan, dessen Eckpunkte mein Kollege Hilser gleich vorstellen wird. – Vielen Dank fürs Zuhören.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den letzten Tagen konnten wir Epochales erleben. Nun ist der Schleier beiseitegeschoben, das Geheimnis ist gelüftet. Die Fachwelt staunt, und die breite Öffentlichkeit wundert sich: Die SPD-Fraktion präsentiert in Beck’scher Manier – wahrscheinlich unter Einbeziehung aller Bezirke und Unterbezirke in Nordrhein-Westfalen – eine Wunderwaffe zur Beseitigung aller Probleme in der Städte- und Wohnungsbaupolitik, nämlich eine Stiftung Wohnungs- und Städtebau NRW, man höre und staune.