Protocol of the Session on November 4, 2009

Meine Damen und Herren, ich heiße Sie herzlich willkommen zur heutigen, der 134. Sitzung des Landtags NordrheinWestfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf den Zuschauertribünen sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.

Für die heutige Sitzung haben sich 13 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.

Wir haben heute ein Geburtstagskind: Geburtstag feiert unser Kollege Thomas Eiskirch von der SPD-Fraktion; er wird 39 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch, Herr Eiskirch, und alles Gute!

(Allgemeiner Beifall)

Meine Damen und Herren, ich darf Sie bitten, sich von Ihren Plätzen zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich von ihren Plätzen.)

Kolleginnen und Kollegen! Am 23. Oktober ist unser ehemaliger Kollege, Staatsminister a. D. Dr. Rolf Krumsiek, im Alter von 75 Jahren verstorben.

Mit Rolf Krumsiek verlieren wir in NordrheinWestfalen einen aufrichtigen und geradlinigen Demokraten, der sich mit sachlich kompetenter Arbeit hohes Ansehen jenseits von Parteigrenzen erworben und die Politik unseres Landes über viele Jahre hinweg aktiv mitgestaltet hat.

Der 1934 in Schaumburg-Lippe geborene Krumsiek wurde für die 10. und 11. Legislaturperiode in Minden-Lübbecke direkt in den Landtag gewählt. Bereits 1980 hatte Ministerpräsident Johannes Rau den damaligen Wuppertaler Oberstadtdirektor in die Landespolitik geholt, zunächst als Staatssekretär und Chef der Staatskanzlei. 1983 erfolgte seine Berufung ins Kabinett als Minister für Wissenschaft und Forschung. 1985 wurde Rolf Krumsiek das Justizressort übertragen, das er über zehn Jahre lang innehatte. Kurzzeitig übernahm er 1992 geschäftsführend das Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales.

Mit Nachdruck wandte sich Krumsiek als Vorsitzender der Justizministerkonferenz 1989 gegen die Zusammenlegung von inhaftierten RAF-Terroristen.

Das Vertrauen der Menschen in die Gerechtigkeit zu stärken war für ihn auch Anlass, das Bewusstsein für Versagen und Schuld der Justiz in der NSZeit lebendig zu halten. Die Einrichtung der Ausstellung „Justiz im Nationalsozialismus“ ist untrennbar mit seinem Namen verbunden.

Auch nach seinem Ausscheiden aus der aktiven Landespolitik im Jahr 1995 blieb Rolf Krumsiek dem Landtag eng verbunden. Mit großem Einsatz nahm er seit dem Jahr 2000 bis zu seinem Tod den Vor

sitz in der Vereinigung der ehemaligen Abgeordneten des Landtags Nordrhein-Westfalen wahr.

Der Landtag Nordrhein-Westfalen dankt Rolf Krumsiek für sein verdienstvolles Wirken zum Wohle unseres Landes und wird ihm ein ehrendes Andenken bewahren. Unser Mitgefühl gilt seiner Frau und seiner großen Familie.

(Stille)

Ich danke Ihnen, dass Sie sich zu Ehren des Verstorbenen von Ihren Plätzen erhoben haben.

(Die Anwesenden nehmen wieder Platz.)

Meine Damen und Herren, vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich Ihnen noch Folgendes mitteilen: Auf meine Anregung hin befindet sich heute bis 17 Uhr ein Infostand des Referats Informationsdienste in der Wandelhalle. Ziel der Präsentation ist es, die Dienstleistung der Informationsdienste und der Infothek vorzuführen, Fragen zu beantworten und Anregungen entgegenzunehmen.

Die Technik entwickelt sich fort. Wir möchten sowohl den Abgeordneten als auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern noch einmal genau vorführen, wie man durch moderne Technik Materialien in unserem Haus abrufen kann. Das betrifft Protokolle, Drucksachen und parlamentarische Vorgänge, aber auch die Fragen, wie in der Bibliothek Literatur gefunden und ausgeliehen werden kann sowie welche externen Angebote wir unter der Rubrik Fachinfo zur Verfügung stellen können. Ich empfehle Ihnen allen, von diesem Angebot regen Gebrauch zu machen.

Meine Damen und Herren, wir treten nun ein in die Beratung der heutigen Tagesordnung und kommen zu:

1 Klarheit schaffen statt Wegducken: Ministerpräsident Rüttgers muss zu geplanten Steuersenkungen Stellung nehmen!

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Drucksache 14/10055

In Verbindung mit:

Koalitionsvertrag „zu Lasten Dritter“: Länder proben den Aufstand gegen Steuerpläne im Bund

Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der SPD Drucksache 14/10056

Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mit Schreiben vom 2. November 2009 gemäß § 90 der Ge

schäftsordnung zu der oben genannten aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt. Ebenfalls hat die Fraktion der SPD zu dem gleichen Thema eine Aktuelle Stunde beantragt.

Ich eröffne die Aussprache und erteile der ersten Rednerin für die erste antragstellende Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Frau Löhrmann, das Wort. Bitte schön, Frau Löhrmann.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist nahe liegend, dass wir aus aktuellem Anlass zunächst ein paar Anmerkungen zur Entscheidung von GM machen.

Ich darf sagen, dass mich die Schocknachricht kurz vor Mitternacht erreicht hat, als ich in die Agenturmeldungen geschaut habe. Wir stehen bei der Diskussion wieder am Anfang, ob es der Landes- und der Bundespolitik gemeinsam gelingt, den OpelStandort Bochum und andere Standorte in Nordrhein-Westfalen und in der Bundesrepublik zu erhalten.

Wir alle sind noch sehr dabei, das zu verarbeiten. Unser Blick und unsere Solidarität richten sich auf Opel und auf die Menschen in Bochum. Wir hoffen, dass es gemeinsam gelingt, diesen Standort und so viele Arbeitsplätze wie möglich vor Ort zu erhalten. Das möchte ich zu Beginn dieser Debatte sagen.

(Beifall von GRÜNEN, CDU und SPD)

Ich möchte betonen, dass wir das natürlich auch in Verantwortung für die finanziellen Mittel des Landes tun. Ganz klar ist dies ein ganz wichtiger Eckpunkt. Wir haben auch Sorge, was die Innovationsfähigkeit von General Motors angeht.

Ich möchte dem Ministerpräsidenten ausdrücklich weiterhin die Unterstützung unserer Fraktion anbieten, wenn er sich weiterhin für den Standort Bochum einsetzt. Es reicht nicht, Herr Pinkwart – das habe ich eben vernommen –, allein das ganze Paket bzw. den ganzen Auftrag nach Berlin an Frau Merkel zu schicken, sondern es ist gut, wenn der Landtag und die Landesregierung von NordrheinWestfalen alles Mögliche tun, um diesen Standort zu erhalten.

(Beifall von GRÜNEN, SPD und Josef Ho- venjürgen [CDU])

Herr Ministerpräsident, wir hatten gestern Abend kurz die Gelegenheit zum Gespräch. Sie haben gestern Abend bei einer Veranstaltung des Bundes der Steuerzahler einen bemerkenswerten Satz gesagt:

(Dr. Jens Petersen [CDU]: Das war eine gute Rede! – Zuruf von der Regierungsbank: Viele gute Sätze!)

Die Menschen wollen Klarheit; sie wollen wissen, was auf sie zukommt. Das schafft Vertrauen und Glaubwürdigkeit.

(Zustimmung von Ministerpräsident Dr. Jür- gen Rüttgers)

Herr Rüttgers, damit haben Sie Recht. Die Menschen wollen Klarheit, und auch wir wollen diese Klarheit.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Deswegen wäre es angemessen gewesen, wenn Sie heute eine Regierungserklärung zu den Ergebnissen der Koalitionsverhandlungen in Berlin, an denen Sie mitgewirkt haben, abgegeben hätten, um uns und dem Parlament Ihre Sicht der Dinge darzulegen. Das gebietet der Respekt vor dem Parlament und vor der Öffentlichkeit.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Umso wichtiger ist die heutige Debatte. Die zentrale Erkenntnis des Koalitionsvertrags im Bund ist: Konservative und Marktradikale können nicht mit Geld umgehen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD – Wider- spruch von der CDU)

Die Regierung Westerwelle/Merkel plant mit Unterstützung der Regierung Pinkwart/Rüttgers, den Warnungen sämtlicher seriöser Wirtschafts- und Finanzexperten zum Trotz, Steuersenkungen von jährlich 24 Milliarden € auf Pump – ich betone: auf Pump. Denn Sie haben vor der Wahl nicht gesagt, dass Sie das auf Pump machen wollen. Das ist der zentrale Unterschied zu den zurückliegenden öffentlichen Diskussionen.

(Beifall von GRÜNEN und SPD)

Das fällt mitten in die größte Krise der öffentlichen Haushalte, die wir je hatten. Die Belastung für Land und Kommunen beträgt allein für 2010 885 Millionen €. Aber niemand in der Landesregierung sagt, woher das Geld kommen soll.

(Dr. Jens Petersen [CDU]: Was? – Zurufe von der CDU)

Diese Zahl kommt übrigens vom Ministerpräsidenten. – Finanzminister Linssen hätte das eigentlich tun sollen, aber er ergeht sich in coolen Auftritten, zum Beispiel in „WESTPOL“. Herr Dr. Linssen, das war schon sehr cool. Sie haben den Beruf verfehlt und hätten vielleicht besser Schauspieler werden sollen.

(Heiterkeit und Beifall von GRÜNEN und SPD)