Meine Damen und Herren! Ich heiße Sie herzlich willkommen zu unserer heutigen, 110. Sitzung des Landtags Nordrhein-Westfalen. Mein Gruß gilt auch unseren Gästen auf der Zuschauertribüne sowie den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Medien.
Für die heutige Sitzung haben sich 13 Abgeordnete entschuldigt; ihre Namen werden in das Protokoll aufgenommen.
Zwei Mitglieder des Hohen Hauses feiern heute Geburtstag. Zum einen feiert Herr Dietmar Brockes heute seinen 38. Geburtstag.
Herr Brockes, herzlichen Glückwunsch und alles Gute im Namen aller Kolleginnen und Kollegen! Das zweite Geburtstagskind ist Herr Frank Sichau. Er wird heute 61 Jahre alt.
Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hat mit Schreiben vom 15. Dezember 2008 gemäß § 90 Abs. 2 der Geschäftsordnung zu der zuerst genannten
aktuellen Frage der Landespolitik eine Aussprache beantragt. Die Fraktion der SPD hat ebenfalls mit Schreiben vom 15. Dezember 2008 zu dem zweiten Themenkomplex eine Aktuelle Stunde beantragt. Zusätzlich gibt es den genannten Eilantrag der Grünen. – Wir verbinden all diese Themen in einer Debatte.
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Liebe Gäste auf der Tribüne! In dieser Woche haben die Regierungschefs der Europäischen Union die Beschlüsse zum Klimapaket der Europäischen Union miteinander vereinbart, und das Europäische Parlament hat das gestern nachvollzogen und mit großer Mehrheit beschlossen. Damit sind die Weichenstellungen für den europäischen Raum bis 2020 festgelegt, und sie sind in der Perspektive darüber hinaus in den Eckpunkten bis 2050 in grundsätzlichen Rahmenvereinbarungen schon angesprochen worden.
Wir müssen dabei immer wieder sehen, dass das, was vereinbart worden ist, nicht 2020 zu Ende ist, sondern dass das Problem des Klimawandels und all das, was daran hängt, so, wie es aussieht, in den nächsten Jahrzehnten zu einem immer größeren Problem wird, das uns beschäftigen wird. Das Ganze ist ein gewisser Vorlauf auf die große Konferenz, die nächstes Jahr im Dezember in Kopenhagen stattfindet, wo die Weltgemeinschaft versuchen wird, in Nachfolge des Kyoto-Protokolls zu verbindlichen Vereinbarungen zu kommen.
Diese Diskussion, die wir führen, findet vor dem Hintergrund der Klimaschutzdebatte statt, die seit 2006 mit außerordentlicher Intensität auf der Tagesordnung steht. 2006 ist der Stern-Report gekommen und hat erstmals darüber berichtet, wie groß die ökonomischen Schäden sind, wenn wir nichts tun. In der Zusammenfassung: Sir Nicholas Stern hat damals als Banker für den britischen Premier eine Untersuchung erstellt, die eindeutig aussagt: Wenn wir nichts tun, wenn wir untätig bleiben, werden die Folgekosten des Klimawandels sehr viel höher, als wenn wir uns engagiert damit befassen und dementsprechende Anstrengungen unternehmen.
Nach Stern kam 2007 der Weltklimarat mit dem IPCC-Report und hat uns deutlich gemacht, mit welcher Dramatik diese Prozesse ablaufen. Seitdem haben auch wir einige Erkenntnisse. Der Wirtschaftsausschuss ist beim Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung gewesen, hat dort vom Leiter Prof. Schellnhuber persönlich noch einmal erklärt bekommen, wie die Potsdamer die Entwicklung sehen. Das Potsdam-Institut ist sicherlich zu Recht eines der beiden führenden Institute in der Bundes
republik, die sich damit befassen. Die Wirtschaftsministerin hatte Herrn Schellnhuber auch als Gast auf dem Energiekongress der Landesregierung in Essen. Auch dort hat er das sehr eindrücklich berichtet.
All das zusammen ergibt eine Tendenz, die eindeutig sagt, wir haben uns mit diesem Thema zu befassen. Dieses Thema wird in den nächsten Jahrzehnten sowohl die energiepolitischen Strukturen als auch den gesamten Verkehrsbereich und den Gebäudebereich sehr stark beeinflussen. Es wird vor allen Dingen die Art, wie wir Strom erzeugen, komplett umwälzen. Wir wissen, dass das nicht nur eine bedrohliche und negative Sache ist, sondern dass damit gleichzeitig auch weltweit neue Märkte entstehen.
Aus meiner Sicht werden die weltweiten Märkte auf dem Energiesektor von den drei E bestimmt werden. Das heißt: Energieeffizienz, Energieeinsparung und erneuerbare Energien werden in einem bisher ungeahnten Ausmaß die Weltmärkte im Energiebereich mit dominieren.
Die Frage ist: Wie stellt sich Nordrhein-Westfalen in dem Zusammenhang auf? Nutzen wir die Chancen? Wir reden immer von Nordrhein-Westfalen als dem Energieland Nummer eins in der Bundesrepublik. Das sind wir, weil wir mit 18 Millionen Menschen das bevölkerungsreichste Bundesland sind. Wir sind in der EU-Staatengemeinschaft das siebtgrößte Land von 27. Wir sind die siebzehntgrößte Wirtschaftsnation der Welt.
Insofern ist es die Frage, wie dieses Land damit umgeht und wie wir die Zukunftschancen sehen, gerade vor dem Hintergrund der Finanzmarktkrise, des Durchschlags auf die Realwirtschaft und der Frage, woher die Arbeitsplätze für NordrheinWestfalen kommen, wenn wir in Zukunft als ein im Maschinenbau und bei den Technologien sehr stark positioniertes Land Arbeitsplätze mit einer langfristig sicheren Perspektive generieren wollen.
gerade vor dem Hintergrund, dass wir wissen, es gibt in der Realwirtschaft Probleme. Ich will auch klar sagen: Alles, was da gemacht werden muss, kann nicht mit dem Hinweis darauf abgetan werden, dass 39 Jahre lang andere regiert haben.
Auch wenn ich es positiv anerkenne: Unter den vier im Bundestag vertretenen Parteien gab es die FDP, von der man nicht erwartet hat, dass sie irgendetwas zum Klimaschutz und zur Energiepolitik beiträgt. Aber es gab zwischen Sozialdemokraten, Christdemokraten und Grünen über eine lange Zeit hinweg in bestimmten Punkten Übereinstimmung. Es war Altkanzler Kohl, der in Rio zum ersten Mal
eine Zusage zum Klimaschutz gemacht hat, und es war die CDU-geführte Regierung, die mit dem Stromeinspeisegesetz die erste Markierung für den Ausbau der Windenergie gesetzt hat.
Als Rot-Grün in Berlin an die Regierung kam und das Erneuerbare- Energien-Gesetz auf den Weg gebracht hat, dieses bahnbrechende Gesetz für den Ausbau der erneuerbaren Energien, waren es auch wieder CDU-regierte Länder und der Bundesbauernverband, die mitgeholfen haben, dieses Gesetz über die parlamentarischen Hürden zu bringen.
Wenn ich mir vor dem Hintergrund anschaue, was Sie hier in Nordrhein-Westfalen machen – ich lasse die FDP jetzt einmal draußen vor und richte meine Worte hauptsächlich an die Kollegen von der CDU – , muss ich sagen: Sie vernachlässigen fahrlässigst die Chancen, die für Nordrhein-Westfalen, für die Arbeitsplätze in diesem Prozess liegen.
Gerade das Ergebnis dieser europäischen Konferenzen sollte für Sie eine letzte Warnung davor sein, von Ihrem Kurs abzugehen. Sie haben uns hier monatelang mit Ihrer etwas skurrilen Allianz der energieintensiven Regionen hingehalten, bei der so bedeutende Regionen wie Limburg, das Saarland, die Steiermark und Oberösterreich zusammen mit Nordrhein-Westfalen versucht haben, die vollständige Auktionierung im Strombereich zu verhindern.
Sie sind mit diesem Vorhaben komplett vor die Wand gelaufen, weil selbst die Bundesländer Bayern und Niedersachsen, die auf dem Papier mit Ihnen in dieser Allianz waren, wie auch die CDUAbgeordneten aus Nordrhein-Westfalen im Bundestag mit der Bundesregierung gegen das Land Nordrhein-Westfalen gestimmt haben.
Sie müssen jetzt endlich erkennen, dass Sie mit dieser Forderung nach kostenloser Auktionierung und kostenloser Zuteilung der Emissionsrechte für die großen Energieversorger so vor die Wand gelaufen sind, wie es schlimmer gar nicht hätte sein können. Jetzt müssten Sie an der Stelle endlich umschalten und eine energiepolitische Position beziehen, die im Interesse Nordrhein-Westfalens ist.
Es kann nicht sein – um es ganz klar zu sagen –, dass ein Unternehmen die Energiepolitik dieses Landes so dominiert und diktiert, wie es in der Vergangenheit der Fall war. Vielmehr kann das ganz konkret nur heißen, dass wir bei modernen, hocheffizienten Kraftwerken über den Ausbau der KraftWärme-Kopplung reden, die wir in NordrheinWestfalen bitter nötig haben. Es kann nicht sein, dass das immer wieder damit abgetan wird, dass Sie keine Wärmesenken finden und nicht wissen, wie man diese Kraftwerke baut. Dann gucken Sie
Wenn es eine Zäsur geben muss, dann jetzt, ein Jahr vor der Weltklimakonferenz, die auch nur in die gleiche Richtung weiter operieren wird. Deshalb muss sich Nordrhein-Westfalen hier endlich so positionieren, wie es das von der Technologie, von den Arbeitsplätzen und von der Bedeutung her eigentlich sollte, nämlich als ein Energieland, das in der Bundesrepublik Vorreiter ist beim Ausbau der KraftWärme-Kopplung, bei modernen, hocheffizienten Kraftwerken und Schluss macht mit der Energieverschwendung, wie sie jetzt leider noch bei einem Großteil der Kraftwerke vorkommt.
Deswegen haben wir den Antrag unter diesem Tagesordnungspunkt gestellt. Ich glaube, wir brauchen neue, hocheffiziente Kraftwerke. Wir brauchen sie dringend. Aber wir brauchen die Kraft-WärmeKopplung im ganzen Land. Da muss es einen Paradigmenwechsel geben, kein weiteres Auf-die-BankSchieben und kein Verzögern. Vielmehr muss es da eine Umkehr geben. Dieser EU-Gipfel sollte der letzte Anstoß dazu sein. Ich bin gespannt auf den Beitrag der Landesregierung dazu. – Danke schön.